Ziel dieser Arbeit ist es, Assessment Center (AC) vorzustellen, zu erläutern und zu bewerten. Auch wenn Assessment Center in anderen Organisationsformen Anwendung finden, so bezieht sich diese Arbeit, wenn nicht explizit anders genannt, auf Unternehmen.
Eine falsche Entscheidung bei der Einstellung oder Beförderung eines Mitarbeiters kann sowohl eine kostspielige, als auch strategische Fehlentscheidung sein. Um diese Risiken zu minimieren finden in den letzten Jahrzehnten Assessment Center eine
vermehrte Anwendung.
Streng genommen sind AC keine Testverfahren, sondern eine Umgebung in der mehrere Testverfahren angewendet werden. Im AC sollen also die zwischenmenschlichen, administrativen und analytischen Fähigkeiten der Kandidaten beobachten werden. Auch spielt deren Fähigkeit, Leistung unter Druck abzurufen eine wichtige Rolle. Dies kann sowohl in der Personalauswahl, wie auch in der Personalentwicklung stattfinden. Der Abschluss des AC im Sinne einer Beurteilung kann entweder mit der Bewertung einzelner Kategorien bzw. Dimensionen, oder mit einer Zusammenfassung aller Bewertungen in einer aggregierten Bewertung stattfinden.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einführung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
1.2 Gang der Untersuchung
2 Assessmentcenter bei der Personalauswahl
2.1 Hintergrund
2.1.1 Definition
2.1.2 Geschichte
2.1.3 Anwendungsbereiche
2.2 Akteure
2.3 Gütekritierien
2.4 Vor- und Nachteile
3 Ausgewählte Methoden
3.1 Interview
3.2 Präsentation
3.3 Fallstudie
3.4 Gruppendiskussion
3.5 Postkorbübung
4 Ablauf eines Assessmentcenters
4.1 Vorbereitung
4.2 Durchführung und Evaluation
5 Fazit
Anhang
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
AC - Assessment Center
OSS - Office of Strategic Services
OAR - Overall Assessment Rating
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Beispiel AC Ablauf
Abbildung 2: Verbreitete AC Übungen
Abbildung 3: Beispiel für eine Fallstudie
Abbildung 4: Typischer Aufbau einer Postkorbübung
Abbildung 5: Beurteilungsbogen Gruppendiskussion
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Interrater-Reliabilität
Tabelle 2: Validität bei AC mit OAR Bewertung
1 Einführung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
Die ehemalige Xerox Konzernchefin (CEO) Anne M. Mulcahy äußerte sich 2003 auf einer Konferenz wie folgt:
„Employees are a company's greatest asset - they're your competitive advantage. You want to attract and retain the best; provide them with encouragement, stimulus, and make them feel that they are an integral part of the company's mission.“.1
Verbindet man diese Aussage mit der Tatsache, dass Unternehmen einen großen Teil ihrer Kosten im Personalbereich haben, so wird deutlich: eine falsche Entscheidung bei der Einstellung oder Beförderung eines Mitarbeiters kann sowohl eine kostspielige sowie strategische Fehlentscheidung sein.
Um diese Risiken zu minimieren finden in den letzten Jahrzehnten Assessment Center eine vermehrte Anwendung. Ziel dieser Arbeit ist es, eben diese Assessment Center vorzustellen, zu erläutern und zu bewerten. Auch wenn Assessment Center in anderen Organisationsformen Anwendung finden, so bezieht sich diese Arbeit, wenn nicht explizit anders genannt, auf Unternehmen.
1.2 Gang der Untersuchung
Wie schon einst Paul Gauguin in seinem Gemälde “Where Do We Come From? What Are We? Where Are We going?“ soll auch diese Arbeit ihre Thematik von Anfang an darstellen.2 So ist auch diese Arbeit chronologisch aufgebaut, beginnend mit einer Charakterisierung des Assessment Centers (AC). Dazu soll zuerst der Begriff geklärt und definiert werden. Im Folgenden werden der historische Hintergrund, die Anwendungsbereiche und die am Prozess beteiligten Akteure vorgestellt. Da in einem AC diverse Methoden der Eignungsdiagnostik kombiniert sind, folgt eine Diskussion der Gütekriterien. Eine Darstellung der Vor- und Nachteile rundet das nötige Hintergrundwissen zum Thema AC ab. Daraufhin werden die Verfahren Interview, Präsentation, Fallstudie, Gruppendiskussion und Postkorbübung aufgezeigt. Anschließend wird der Ablauf eines AC dargestellt, von der Vorbereitung bis zur Durchführung und Evaluation. Zuletzt wird ein Fazit gezogen und ein Ausblick gegeben.
2 Assessmentcenter bei der Personalauswahl
2.1 Hintergrund
2.1.1 Definition
Der Begriff Assessment Center kommt ursprünglich aus Amerika. Er setzt sich aus “to assess“ (dt. etwas beurteilen) und „center“ (dt. das Zentrum) zusammen. Da AC nun schon seit Jahrzehnten zur Anwendung kommen, findet man in der Literatur diverse Definitionen: Definition nach Obermann:
„Ein Assessment Center ist ein Verfahren zur Eignungs- oder Potenzialbeurteilung in dem ein oder mehrere Bewerber oder Mitarbeiter von mehr als einem Beobachter auf der Basis eines Anforderungsprofils in unterschiedlichen Methoden bewertet werden, darunter Verhaltenssimulationen, Interviews und Testverfahren. “.3
Definition nach Kleinmann:
„Assessment-Center sind multiple diagnostische Verfahren, welche systematisch Verhaltensleistungen bzw. Verhaltensdefizite von Personen erfassen. Hierbei schätzen mehrere Beobachter gleichzeitig für einen oder mehrere Teilnehmer seine/ihre Leistungen nach festgelegten Regeln in Bezug auf vorab definierte Anforderungsdimensionen ein.“.4
Streng genommen sind AC keine Testverfahren, sondern eine Umgebung in der mehrere Testverfahren angewendet werden. Im AC sollen also die zwischenmenschlichen, administrativen und analytischen Fähigkeiten der Kandidaten beobachten werden. Auch spielt deren Fähigkeit, Leistung unter Druck abzurufen eine wichtige Rolle. Dies kann sowohl in der Personalauswahl, wie auch in der Personalentwicklung stattfinden. Der Abschluss des AC im Sinne einer Beurteilung kann entweder mit der Bewertung einzelner Kategorien bzw. Dimensionen oder mit einer Zusammenfassung aller Bewertungen in einer aggregierten Bewertung stattfinden. Hier spricht man von einem “Overall Assessment Rating“, kurz OAR.5
Von Interesse ist auch, dass das ursprüngliche AC mittlerweile in vielen Unternehmen intern auch unter anderen Namen zur Anwendung kommt. So werden im deutschsprachigen Raum oft Namen wie z.B. Development Center oder Potenzialanalyse genutzt.6 Auch gibt es diverse Weiterentwicklungen des klassischen Assessment Centers wie Einzel-AC oder eben das schon erwähnte Development Center.7 Diese Arbeit legt aber den Fokus auf das klassische Assessment Center im Rahmen der Personalauswahl.
2.1.2 Geschichte
Ein wichtiger Bestandteil des AC sind Verhaltenssimulationen. Hierbei werden Situationen so realitätsnah wie möglich simuliert um die Kandidaten in Situationen zu beobachten, in denen sie sich später im Beruf wiederfinden könnten. Dabei gibt es nicht die eine, richtige Lösung oder Antwort, sondern viel mehr liegt der Fokus auf den Interaktionen zwischen den Kandidaten und dem gezeigten Verhalten8.
Solche Tests, die Menschen anhand ihrer Kapazitäten bewerten, gehen bis in das 18. Jahrhundert zurück. Sir Francis Galton, ein Halbcousin von Charles Darwin und Biologe, entwickelte diverse Tests um die physischen Kapazitäten, z.B. Lungenkapazität oder Griffkraft, seiner Probanden zu messen.9 Als Fortläufer dieser Tests wurden Anfang des 19. Jahrhunderts sog. psychometrische Tests genutzt, die nun auch mentale Fähigkeiten der Probanden messen konnten. Sie fanden z.B. im klinischen Umfeld oder zur Auswahl von Piloten und Telegraphisten Anwendung. Diese Tests waren sehr einfacher Natur, z.B. das Einsetzen von verschiedenen Holzklötzchen in dafür vorhergesehene, formgleiche Löcher. Da es aber Probleme bei der Beobachtung und Bewertung der Ergebnisse gab, konnte sich diese Art des Testens nicht etablieren.10
Als Weiterführung dieser Methoden und als tatsächlicher Vorläufer des Assessment Center wird das Offiziersauswahlverfahren in der Reichswehr zu Zeiten der Weimarer Republik gesehen. Die beiden deutschen Psychologen Rieffert und Simoneit wurden im Rahmen der Heerespsychologie beauftragt, das Auswahlverfahren für Offiziere zu optimieren. So entwarf Rieffert mit dem “Rundgespräch“, später “Schlusskolloquium“, den Vorgänger der heute weit verbreiteten Gruppendiskussion. Max Simoneit lieferte 1933 in “Wehrpsychologie“ nach Obermann eine Auflistung der Methoden, die im Rahmen des Auswahlverfahrens zur Anwendung kamen, darunter Lebenslaufanalyse, Ausdruckanalyse, Handlungsanalyse, Führerprobe und Schlusskolloquium. Viele dieser Methoden finden auch heute noch in ähnlicher Form in aktuellen AC Gebrauch.11 1941 empfahl der britische Militärattaché Sir Andrew Thorne die Implementierung des deutschen Auswahlverfahrens in die britischen Streitkräfte. Er hatte dessen Anwendung während seiner Zeit in Berlin beobachtet. Daraus resultierte das “British War Office Selection Board“. Die Briten entwickelten das deutsche Programm weiter, z.B. durch realistischere Simulationen. Auch wurde im Gegensatz zum deutschen Programm zusätzlich zu Psychologen erstmals Personal aus dem Heer zur Beobachtung und Bewertung genutzt.12
Aus Großbritannien kam das Verfahren dann nach Amerika und fand hier im Rahmen des “Office of Strategic Services“(OSS) zum ersten Mal Anwendung. Nach dem Angriff auf Pearl Harbor wurde das Programm zur Auswahl der Geheimagenten für Posten in u.a. Europa und Asien ins Leben gerufen. Diese Positionen deckten ein breites Spektrum ab, vom Saboteur bis zum Propaganda Experten. Einer der führenden beteiligten Forscher war der Psychologe Henry Alexander Murray. Er war zuvor Direktor der psychologischen Klinik in Harvard und hatte auch das psychologische Gutachten über Hitler für den amerikanischen Geheimdienst erstellt. Murray gilt als Begründer des Assessment Center Begriffes. Nach dem Krieg verfassten die OSS Mitarbeiter das Buch “Assessment of Men“.13
Diesem Buch dankt Douglas Bray für seine Tätigkeit im AC Bereich und die daraus resultierende erste Anwendung des AC Verfahrens in der Wirtschaft.14 So wurde 1956 u.a. Bray vom Management der “American Telephone and Telegraph Company“ (AT&T), damals das größte Unternehmen der Welt, beauftragt die Karrierewege einiger Mitarbeiter innerhalb des Unternehmens über einen längeren Zeitraum zu beobachten und zu bewerten. Die Studie, bekannt unter dem Namen “Management Progress Study“ verfolgte 422 Männer, alles Manager, zwei Drittel davon mit Hochschulhintergrund.
Sie wurden für 4 Jahre in Gruppen mit jeweils 12 Kandidaten unterteilt. Zu Beginn wurden 25 Charaktereigenschaften erfasst, die einen guten Manager ausmachen. Anhand dieser sollten die Teilnehmer dann mit Hilfe von klassischen AC Verfahren beobachtet und bewertet werden.
Als Beobachter wurden zu Beginn nur Psychologen genutzt, im Laufe der Studie wurden dem Beobachterteam interne Manager hinzugezogen.
Die Forscher kamen zu dem Fazit, dass die Bewertungen, die während der Studie an die Teilnehmer vergeben wurden, akkurat deren Karrierefortschritt in dieser Zeit und innerhalb des Unternehmens widerspiegelten.15
Laut Obermann kam das AC dann 1969 über eine Anwendung bei IBM in Stuttgart wieder nach Deutschland. Das daraus resultierende Interesse führte zur Gründung des „Arbeitskreis Assessment Center e.V.“, heute „Forum Assessment e.V.“.16
Sie veröffentlichen die „Standards der Assessment Center Methode“, zuletzt 2016.17 Das internationale Gegenstück zu den deutschen Standards sind die „Guidelines and Ethical Considerations for Assessment Center Operations“ die von der “International Taskforce on Assessment Center Guidelines“ veröffentlicht werden. Die letzte Version erschien 2015.18
2.1.3 Anwendungsbereiche
Assessment Center werden zur Personalauswahl, sowohl intern als auch extern, und zur Personalentwicklung, z.B. Potenzialanalyse, genutzt.19 So nutzen in Deutschland laut einer Studie aus dem Jahr 2016 (N=166) von 158 Unternehmen 45,6% AC zur Personalauswahl, 35,4% zur Potenzialanalyse und 12% für andere Entwicklungsmaßnahmen. 25 bis 30 der DAX30 Unternehmen nutzen AC.20
Um auf der ersten amerikanischen Studie zur Verbreitung von AC von u.a. Spychalski aus dem Jahr 1997 aufzubauen, befragten Krause und Thornton 2009 47 amerikanische Unternehmen.21 20% gaben an, dass sie AC zur Personalauswahl bei externen Kandidaten nutzen. 59% nutzen AC zur Personalauswahl bei internen Kandidaten, 21% zur Personalentwicklung.22
Neben der Wirtschaft werden AC in Deutschland z.B. bei der Polizei23 oder an Hochschulen24 angewandt. In der Armee der Schweiz werden AC seit 1996 für die Auswahl von Berufsoffizieren angewandt.25
Assessment Center finden mittlerweile nicht nur in Westeuropa oder Amerika, sondern auch in Asien, z.B. in Indonesien26, und Afrika, z.B. in Süd-Afrika27, statt.
2.2 Akteure
Ein Assessment Center in der Personalauswahl verbindet ein Unternehmen mit Kandidaten. Eine Führungsposition innerhalb des Unternehmens hat die Entscheidung getroffen, eine Stelle auszuschreiben und den Auswahl Prozess mit Hilfe eines AC zu gestalten. Das AC muss nun entweder neu konzipiert oder aus einer bestehenden Auswahl an Konzepten gewählt werden. Diese Verantwortung obliegt dem sogenannten Assessment Center Manager oder Administrator. Für die Durchführung des AC ist der sogenannte Assessment Center Koordinator verantwortlich. Die Bewerber können entweder von innerhalb oder außerhalb des Unternehmens stammen. Auch können sie vor der Teilnahme am AC schon einen Selektionsprozess durchlaufen haben. Im Laufe des AC werden die Bewerber beobachtet und beurteilt. Dazu verwendet man sogenannte Assessoren. Ihre Aufgabe ist es, genau diese Beobachtungen und Beurteilungen zu tätigen. Sie können wiederum auch von innerhalb, z.B. Personaler oder Führungskräfte, oder außerhalb des Unternehmens, z.B. Psychologen oder AC Dienstleistungsunternehmen, stammen.28 Zusätzliche Akteure können z.B. noch Schauspieler für Rollenspiele sein.29
2.3 Gütekritierien
Nach der klassischen Testtheorie muss ein Verfahren der Eignungsdiagnostik drei Hauptgütekriterien und sieben Nebengütekriterien erfüllen.30
Die Hauptgütekriterien sind Objektivität, Reliabilität und Validität. 31
Bei den Nebengütekriterien spricht man von Skalierbarkeit, Normierung, Testökonomie, Nützlichkeit, Zumutbarkeit, Nicht-Verfälschbarkeit und Testfairness. In der Literatur zu AC liegt der Fokus auf den Hauptgütekriterien, primär auf der Validität. Diesem Muster folgt auch diese Arbeit.
Objektivität befasst sich damit, ob ein Test unter den gleichen Voraussetzungen, also bei der gleichen Testperson aber mit einem anderen Tester, zu dem gleichen Ergebnis bzw. der gleichen Bewertung kommt. Reliabilität bezeichnet, wie genau ein Testergebnis die wahre Ausprägung eines Merkmales erfasst. Es ist hier irrelevant, ob das Merkmal getestet werden sollte, nur wie akkurat es getestet wurde. Validität gibt an, ob ein Test wirklich das misst, was er vorgibt zu messen. Reliabilität setzt Objektivität voraus, Validität setzt Objektivität und Reliabilität voraus.32
Objektivität lässt sich im Weiteren in Durchführungsobjektivität und Auswertungsobjektivität aufteilen. Sie geben an, wie sehr die Bewertung vom Tester bzw. Auswerter abhängt.33 Grundsätzlich gilt dies bei AC durch die Anwendung von mehreren Beobachtern und Auswertern aufgrund des mehrere-Augen-Prinzips als gegeben.34
In Sachen Reliabilität lasst sich laut Obermann weiter differenzieren zwischen Retest- Reliabilität und Interrater-Reliabilität. Interrater-Reliabilität beschreibt die Abhängigkeit der Bewertung der gleichen Übung bzw. der gleichen Aufgabe von der Person des Assessors, also wie bewerten verschiedene Assessoren den gleichen Kandidaten in der gleichen Übung35. Hierzu verglich Howard 1974 verschiedene Studien zur Interrater-Reliabilität und fand Korrelationskoeffizienten zwischen r = 0,60 und r = 0,98 (s. Anhang Tabelle 1).36 Die Retest-Reliabilität gibt laut Schuhmacher „den Grad der Übereinstimmung zweier Testungen mit denselben Teilnehmern und demselben Test an.“.37 Zur Retest-Reliabilität bei AC gibt es leider wenige Studien. Ein Grund dafür ist, dass das wiederholte Durchführen eines AC mit enormen Kosten verbunden ist. Allerdings fand Moses in einer der wenigen Studien zu diesem Thema von 1973 eine Retest-Reliabilität von r = 0,73. In der Studie wurden 2 AC mit einem Abstand von einem Monat untersucht. Aus diesem Ergebnis lässt sich auf einen Zusammenhang zwischen den Ergebnissen bei zeitlich getrennt durchgeführten AC schließen.38 Zusammenfassend ist Reliabilität bei dem AC Verfahren gegeben und lässt sich durch qualitatives Beobachter- bzw. Assessorentraining optimieren.39
Validität im Sinne des AC wird unterteilt in Inhaltsvalidität, Konstruktvalidität und prädiktive Validität.40 Inhaltsvalidität beschäftigt sich mit der Frage, wie repräsentativ die im AC gemessenen Dimensionen für die Position sind, die man besetzen will. Sackett beschreibt 1987 die grundsätzliche Selbstständigkeit der Inhaltsvalidität bei AC Verfahren da AC mit der Erstellung eines Anforderungsprofiles beginnen, welches sich auf eine zu besetzende Position bezieht.41
Konstruktvalidität gibt an, ob ein Verfahren auch die Merkmale misst, die es angibt zu messen.42 Dies ist bei dem AC Verfahren elementar, schließlich sollen in den simulierten Situationen gezielt Merkmale beobachtet werden die dem Anforderungsprofil entsprechen. Wie sehr dies nun bei AC der Fall ist, wurde in der Literatur oft und kritisch betrachtet. Nach Obermann weisen die in AC verwendeten Dimensionen im Vergleich zu den Übungsergebnissen deutlich bessere Konstruktvalidität auf.43 Wichtig ist hierbei, dass bei AC Verfahren die zu messenden Dimensionen sinnvoll gewählt werden. Eine Gruppierung dieser Dimensionen findet sich bei Arthur et al. (2003). Sie sammelten 712 Daten Punkte bzw. 168 verschiedene Dimensionsnamen und kamen zu einer letztendlichen Gruppierung in 7 Dimensionsgruppen: Empathie, Kommunikation, Ehrgeiz, Verhandlungsgeschick, Organisation und Planung, kritisches Denken und Stresstoleranz.44
Prädiktive Validität oder Prognosegüte ist das für AC am wichtigste Gütekriterium denn hier wird untersucht, wie sehr AC die externen Kriterien, an denen Berufserfolg gemessen wird, vorhersagen. Hier liegt sozusagen die Existenzberechtigung für Assessment Center. Externe Kriterien sind z.B. Gehalt, Gehaltszuwachs in einer bestimmten Zeitspanne, Beförderungen oder Position im Unternehmen nach einer bestimmten Zeit. Heißt prädiktive Validität ist die Korrelation zwischen der AC Bewertung und späterem Erfolg im Beruf oder der spezifischen Stelle.
Für AC die OAR zur Bewertung nutzen, fand Howard 1974 für die Validität Werte von r = 0,37 bis r = 0, 64 (s. Anhang Tabelle 2).45
Betrachtet man nun den Zusammenhang zwischen einer Bewertung im AC im Allgemeinen und dem späteren Berufserfolg, so findet man Werte zwischen 0,30 und 0,40. Diese Werte bedeuten, dass es einen zufriedenstellenden, nicht zu vernachlässigenden Zusammenhang gibt.46
Die zuvor dargestellten Gütekritierien zeigen zum einen die wissenschaftliche Grundlage für AC Verfahren und bieten eine Basis für die Erstellung eines wissenschaftlich fundierten Assessment Centers.
2.4 Vor- und Nachteile
Für beide Seiten, Unternehmen und Teilnehmer, ist das AC von Vorteil. Das Unternehmen bekommt einen besseren Eindruck wie der Teilnehmer auf das im AC abgebildete, zukünftige Anforderungsprofil reagiert. Somit kann das Unternehmen informierter Personalentscheidungen treffen.
Für die Kandidaten liegt der Vorteil an erster Stelle in der inhärenten Objektivität des AC Verfahrens. Kandidaten können hier erhöhte Fairness in der Selektion erwarten. Auch bietet das AC Verfahren die Möglichkeit, Fähigkeiten und Wissen abzurufen oder zu präsentieren, das ansonsten nicht gezeigt werden könnte. Während oder nach Abschluss des AC besteht auch für die Teilnehmer die Möglichkeit, sich anhand der neu erlebten und gewonnen Erfahrungen selbst einzuschätzen. Zusätzlich wird durch abschließendes Feedback auch die aktuelle Position des Kandidaten in seinem Beruf beleuchtet.47
Nachteile auf Seiten des Unternehmens finden sich bei den Kosten des AC. Diese liegen im Vergleich zu z.B. einem traditionellen Einstellungsgespräch natürlich deutlich höher. Allerdings lassen sich durch das AC evtl. Kosten bei einer Kündigung oder einem erneuten Auswahlprozess in der Zukunft vermeiden. Für die Kandidaten bedeutet das AC einen höheren Zeitaufwand und evtl. damit verbundene Opportunitätskosten.48
3 Ausgewählte Methoden
Der Grundgedanke des Assessment Center ist die Kombination mehrerer Eignungsdiagnostischer Methoden und Verfahren. Wie anfangs definiert, kann man diese Methoden in Verhaltenssimulationen, Interviews und Tests bzw. Fragebogen unterteilen. Die in Deutschland am häufigsten angewandten Verfahren sind laut einer Studie von Obermann, Höft und Becker (2016) das Interview, das Zweiergespräch, die Präsentation, die Fallstudie, der Persönlichkeitstest, die Gruppendiskussion, der Intelligenztest und die Postkorbübung in abnehmender Reihenfolge (s. Anhang Abbildung 2).49
3.1 Interview
Das Interview ist wohl die auch außerhalb des AC bekannteste Methode und wird auch Vorstellungsgespräch o.ä. genannt. Bei diesem Verfahren des Interviews gilt es zwischen dem strukturierten und unstrukturierten Interview zu unterscheiden. Struktur bedeutet hier, dass jedes Interview bei jedem Kandidaten dem gleichen Plan folgt. Dies kann z.B. durch im Voraus definierte Fragenschemata oder Gesprächsfelder erreicht werden. Strukturierte Interviews zeigen eine deutlich höhere Interrater-Reliabilität als unstrukturierte und sind diesen daher vorzuziehen.50 Beim Interview kann es sich inhaltlich um diverse Themen drehen, vom Lebenslauf bis zum simulierten Verkaufsgespräch das im zukünftigen Job stattfinden könnte. Sinn ist hier die Abbildung von Dimensionen wie Ausdrucksvermögen oder Überzeugungskraft.51 Das Interview ist sowohl simpel als auch effektiv und stellt daher ein Muss im AC Verfahren dar.
[...]
1 Businesswire, LifeCare, 2003.
2 Vgl. Museum of Fine Arts Boston, Where Do We Come From? What Are We? Where Are We Going?, 2020.
3 Obermann, C., Assessment, 2018, S. 1.
4 Kleinmann, M., Assessment, 2013, S. 2.
5 Vgl. Rupp, D. E. u. a., Guidelines, 2015, S. 1248.
6 Vgl. Obermann, C./Höft, S./Becker, J.-N., Assessment Center-Praxis 2016, S. 8; Vgl. Schuhmacher, F., Assessment, 2014, S. 61.
7 Vgl. Obermann, C., Assessment, 2018, S. 389-396.
8 Vgl. Thornton III, G. C./Byham, W. C./Warr, P., Assessment, 1982, S. 20.
9 Vgl. Bulmer, M., Francis Galton, 2003, S. xv, S.79.
10 Vgl. Thornton III, G. C./Byham, W. C./Warr, P, Assessment, 1982, S. 21-23.
11 Vgl. Obermann, C., Assessment, 2018, S. 16-18; zitiert nach Simoneit, M., Wehrpsychologie, 1933, S. 46 ff.
12 Vgl. Obermann, C., Assessment, 2018, S. 20; Vgl. Thornton III, G. C./Byham, W. C./Warr, P., Assessment, 1982, S. 27-33.
13 Vgl. Obermann, C., Assessment, 2018, S. 19-21; Vgl. Thornton III, G. C./Byham, W. C./Warr, P., Assessment, 1982, S. 38 f.
14 Vgl. Bray, D. W., Centered on Assessment, 2020.
15 Vgl. Thornton III, G. C./Byham, W. C./Warr, P., Assessment, 1982, S. 56-59.
16 Vgl. Obermann, C., Assessment, 2018, S. 22.
17 Becker, N. u. a., Standards, 2016.
18 Rupp, D. E. u. a., Guidelines, 2015.
19 Vgl. Obermann, C., Assessment, 2018, S. 39.
20 Vgl. Obermann, C./Höft, S./Becker, J.-N., Assessment Center-Praxis 2016, S. 1-6.
21 Vgl. Spychalski, A. C. u. a., Survey, 1997, S. 71-90.
22 Vgl. Krause, D. E./Thornton III, G. C., Cross, 2009, S. 563.
23 Vgl. o.V., Polizei, 2020.
24 Vgl. Frankfurt School of Finance & Managment, Bewerbungsprozess, 2020.
25 Vgl. Gutknecht, S./Semmer, N./Annen, H., Prognostische, 2005, S. 170.
26 Vgl. Krause, D. E. u. a., Assessment, 2014, S. 384.
27 Vgl. Krause, D. E. u. a., Assessment, 2011, S. 262.
28 Vgl. Obermann, C./Höft, S./Becker, J.-N., Assessment Center-Praxis 2016, S. 14.
29 Vgl. Rupp, D. E. u. a., Guidelines, 2015, S. 1248-1259.
30 Vgl. Obermann, C., Assessment, 2018, S. 302-309.
31 Vgl. Schuhmacher, F., Assessment, 2014, S. 24.
32 Vgl. Döring, N./Bortz, J., Forschungsmethoden, 2016, S. 442-449.
33 Vgl. Obermann, C., Assessment, 2018, S. 178.
34 Vgl. Obermann, C., Assessment, 2018, S. 8.
35 Vgl. Obermann, C., Assessment, 2018, S. 310.
36 Vgl. Howard, A., Assessment, 1974, S. 121.
37 Schuhmacher, F., Assessment, 2014, S. 24.
38 Vgl. Moses, J. L., The development, 1973, S. 569-574.
39 Vgl. Obermann, C., Assessment, 2018, S. 314.
40 Vgl. Bartell, S., Qualitätssicherung, 2016, S. 23.
41 Vgl. Sackett, P. R., Assessment, 1987, S. 23 f.
42 Vgl. Schuhmacher, F., Assessment, 2014, S. 25.
43 Vgl. Obermann, C., Assessment, 2018, S. 315-334.
44 Vgl. Arthur, W. u. a., A meta analysis, 2003, S. 131 f.
45 Vgl. Howard, A., Assessment, 1974, S. 124.
46 Vgl. Becker, N. u. a., Predictive Validity, 2011, S. 61-69; Vgl. Gaugler, B. B. u. a., Meta-analysis, 1987, S. 503; Vgl. Obermann, C., Assessment, 2018, S. 339.
47 Vgl. Schuhmacher, F., Assessment, 2014, S. 123-126.
48 Vgl. Obermann, C., Assessment, 2018, S. 370-388.
49 Vgl. Obermann, C./Höft, S./Becker, J.-N., Assessment Center-Praxis 2016, S. 12.
50 Vgl. Obermann, C., Assessment, 2018, S. 174-179.
51 Vgl. Schuhmacher, F., Assessment, 2014, S. 174-176.
- Quote paper
- Benedict Lubik (Author), 2020, Assessment Center in der Personalauswahl, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/922649
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