Mit der Beseitigung der als unüberwindbar geltenden Grenzen in Mitteleuropa erhielt 1989 die deutsche Frage eine unvorhergesehene Aktualität, sie wurde mit dem Vollzug der Einheit am 03.10.1990 schließlich beantwortet. Das bis zu jenem Zeitpunkt geltende ostpolitische Grundkonzept verlor damit gleichsam seine Berechtigung, es begann eine neue Phase der Beziehungen zwischen den Völkern in Europa. Auch im Jahre 1969 wurde eine ähnlich grundlegende neue Phase der Ostpolitik eingeleitet. Deren erster Abschnitt bildet das Thema dieser Arbeit.
Diese auch als "Neue Ostpolitik" bezeichnete Phase kann als ein modellhaftes Beispiel für die Bedingungsfaktoren außenpolitischen Handelns einerseits sowie für die konfliktreiche Spannung zwischen Außen- und Innenpolitik andererseits dienen. Insofern handelt es sich auch heute noch um ein zeitaktuelles Thema.
Wenn in dieser Arbeit von "Neuer Ostpolitik" die Rede sein wird, so beschreibt dies die auch als die "euphorische Phase der Ostpolitik" bezeichnete Zeitspanne der von 1969-1974 im Amt befindlichen "Brandt/Scheel-Regierung".
Im Interesse eines besseren Gesamtverständnisses wird zunächst ein Überblick über Begriff und Zustandekommen der "Neuen Ostpolitik" gegeben. Danach wird mit dem "Moskauer Vertrag" der zentrale Bestimmungsfaktor analysiert, in weiteren Abschnitten werden die wesentlichen Determinanten des "Warschauer Vertrages" sowie des "Viermächte-Abkommens" beschrieben, abschließend wird auf den "Grundlagenvertrag" mit seinen deutsch-deutschen Spezifika eingegangen. Der "Prager Vertrag" enthielt abgesehen von dem gesonderten Problem der Bewertung des Münchner Abkommens von 1938 keinen wesentlich neuen Erkenntniswert und wird daher nicht weiter behandelt.
Ein gesondertes Kapitel befasst sich mit der innenpolitischen Dimension um die Ostverträge, womit konkret der Konflikt zwischen Regierung und Opposition um die Ratifizierung des "Moskauer und Warschauer Vertrages" sowie die Verfassungsklage der bayerischen Staatsregierung zum "Grundlagenvertrag" gemeint ist.
Eine zusätzliche Absicht dieser Arbeit war, die bekannten und zum Teil in die Jahre gekommenen Literaturpfade punktuell durch die inzwischen zahlreich vorhandene Erinnerungsliteratur zu ergänzen. Zwar tendieren ehemalige Zeitzeugen häufig dazu, die Erinnerung an " ... eigene Worte und Taten den Gegebenheiten anzugleichen" , auf der anderen Seite liefern sie zusätzliche Hintergrundinformationen, die in einem Standardwerk zumeist nicht anzutreffen sind.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Neue Ostpolitik
- Der Begriff „,Neue Ostpolitik“
- Der,,Vormärz\" der „Neuen Ostpolitik“
- Das Vertragswerk
- Der Moskauer Vertrag
- Der Warschauer Vertrag
- Das Viermächte-Abkommen über Berlin
- Der Grundlagenvertrag
- Die innenpolitische Dimension der Aussenpolitik
- Ratifizierungsstreit um die Verträge von Moskau und Warschau
- Verfassungsurteil zum Grundlagenvertrag
- Schlussteil
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert die „Neue Ostpolitik“ der sozialliberalen Ära von 1969 bis 1974 und untersucht die Bedingungen, die zu ihrer Entstehung führten. Im Zentrum stehen die zwischenstaatlichen Beziehungen, die durch die neue Politik gestaltet wurden, sowie die Spannungen zwischen Aussen- und Innenpolitik. Die Arbeit beleuchtet die Entwicklung der Ostpolitik als ein Modell für die komplexen Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Politikbereichen.
- Entstehung und Begriff der „Neuen Ostpolitik“
- Analyse des „Moskauer Vertrages“ als zentralem Bestimmungsfaktor
- Untersuchung der „Warschauer Verträge“ und des „Viermächte-Abkommens“
- Bedeutung des „Grundlagenvertrages“ für die deutsch-deutschen Beziehungen
- Die innenpolitische Dimension der Ostverträge, insbesondere der Ratifizierungsstreit und die Verfassungsbeschwerde zum „Grundlagenvertrag“
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt den Kontext der „Neuen Ostpolitik“ dar und verdeutlicht ihre Bedeutung als eine neue Phase in der deutschen Geschichte. Das erste Kapitel widmet sich dem Begriff und der Entstehung der „Neuen Ostpolitik“ und setzt die Politik der sozialliberalen Koalition in den Kontext der damaligen Zeit. Das zweite Kapitel analysiert den „Moskauer Vertrag“ als zentralen Bestimmungsfaktor der „Neuen Ostpolitik“, während sich die folgenden Kapitel mit den „Warschauer Verträgen“, dem „Viermächte-Abkommen“ und dem „Grundlagenvertrag“ befassen. Das letzte Kapitel betrachtet die innenpolitische Dimension der Ostverträge, insbesondere den Ratifizierungsstreit und die Verfassungsbeschwerde zum „Grundlagenvertrag“.
Schlüsselwörter
Neue Ostpolitik, Entspannungspolitik, Moskauer Vertrag, Warschauer Vertrag, Viermächte-Abkommen, Grundlagenvertrag, deutsch-deutsche Beziehungen, Ratifizierungsstreit, Verfassungsurteil, innenpolitische Dimension, Aussenpolitik.
- Citation du texte
- Thorsten Lemmer (Auteur), 2002, Die Neue Ostpolitik der sozialliberalen Aera 1969-1974, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/9205