Die Neue Ostpolitik der sozialliberalen Aera 1969-1974


Hausarbeit, 2002

22 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

Einleitung

1. Neue Ostpolitik
1.1. Der Begriff „Neue Ostpolitik“
1.2. Der „Vormärz“ der „Neuen Ostpolitik“

2. Das Vertragswerk
2.1. Der Moskauer Vertrag
2.2. Der Warschauer Vertrag
2.3. Das Viermächte-Abkommen über Berlin
2.4. Der Grundlagenvertrag

3. Die innenpolitische Dimension der Aussenpolitik
3.1. Ratifizierungsstreit um die Verträge von Moskau und Warschau
3.2. Verfassungsurteil zum Grundlagenvertrag

Schlussteil

Literaturverzeichnis

Einleitung

Mit der Beseitigung der als unüberwindbar geltenden Grenzen in Mitteleuropa erhielt 1989 die deutsche Frage eine unvorhergesehene Aktualität, sie wurde mit dem Vollzug der Einheit am 03.10.1990 schliesslich beantwortet. Das bis zu jenem Zeitpunkt geltende ostpolitische Grundkonzept verlor damit gleichsam seine Berechtigung, es begann eine neue Phase der Beziehungen zwischen den Völkern in Europa. Auch im Jahre 1969 wurde eine ähnlich grundlegende neue Phase der Ostpolitik eingeleitet. Deren erster Abschnitt bildet das Thema dieser Arbeit.

Diese auch als „Neue Ostpolitik“ bezeichnete Phase kann als ein modellhaftes Beispiel für die Bedingungsfaktoren aussenpolitischen Handelns einerseits sowie für die konfliktreiche Spannung zwischen Aussen- und Innenpolitik andererseits dienen. Insofern handelt es sich auch heute noch um ein zeitaktuelles Thema.

Wenn in dieser Arbeit von „Neuer Ostpolitik“ die Rede sein wird, so beschreibt dies die auch als die „euphorische Phase der Ostpolitik“[1] bezeichnete Zeitspanne der von 1969-1974 im Amt befindlichen „Brandt/Scheel-Regierung“.

Im Interesse eines besseren Gesamtverständnisses wird zunächst ein Überblick über Begriff und Zustandekommen der „Neuen Ostpolitik“ gegeben. Danach wird mit dem „Moskauer Vertrag“ der zentrale Bestimmungsfaktor analysiert, in weiteren Abschnitten werden die wesentlichen Determinanten des „Warschauer Vertrages“ sowie des „Viermächte-Abkommens“ beschrieben, abschliessend wird auf den „Grund-lagenvertrag“ mit seinen deutsch-deutschen Spezifika eingegangen. Der „Prager Vertrag“ enthielt abgesehen von dem gesonderten Problem der Bewertung des Münchner Abkommens von 1938 keinen wesentlich neuen Erkenntniswert und wird daher nicht weiter behandelt.

Ein gesondertes Kapitel befasst sich mit der innenpolitischen Dimension um die Ostverträge, womit konkret der Konflikt zwischen Regierung und Opposition um die Ratifizierung des „Moskauer und Warschauer Vertrages“ sowie die Verfassungsklage der bayerischen Staatsregierung zum „Grundlagenvertrag“ gemeint ist.

Eine zusätzliche Absicht dieser Arbeit war, die bekannten und zum Teil in die Jahre gekommenen Literaturpfade punktuell durch die inzwischen zahlreich vorhandene Erinnerungsliteratur zu ergänzen. Zwar tendieren ehemalige Zeitzeugen häufig dazu, die Erinnerung an „ ... eigene Worte und Taten den Gegebenheiten anzugleichen“[2], auf der anderen Seite liefern sie zusätzliche Hintergrundinformationen, die in einem Standardwerk zumeist nicht anzutreffen sind.

1. „Neue Ostpolitik“

1.1. Der Begriff „Neue Ostpolitik“

Ostpolitik umschreibt im engeren Sinne die Politik der Bundesrepublik Deutschland gegenüber der Sowjetunion und den mit ihr verbündeten Staaten Ost- und Mitteleuropas[3]. Formal betrachtet beinhaltete die deutsche Ostpolitik den Entspannungsgedanken jener Jahre, so dass sie sich auch als Entspannungspolitik bezeichnen liesse.

Viele Bewertungen um diese Politik beziehen sich zumeist auf einen Standpunkt, der an der Frage des Wiedervereinigungsgebots orientiert ist. Aber die „Neue Ostpolitik“ hatte prinzipiell nicht die Wiedervereinigung zum Ziel, sie war vielmehr fokussiert auf die zwischenstaatlichen Beziehungen, welche letztendlich das Verhältnis zwischen den Staaten verbessern sollten.[4]

Die Regierung Brandt/Scheel stand bildhaft gesprochen vor der Aufgabe, im Minenfeld der Ostpolitik einen minenfreien Kanal zu räumen, damit ein politischer Konvoi gutnachbarlicher Beziehungen in beide Richtungen passieren konnte. Dazu bedurfte es zunächst einer „politischen Frontbegradigung im Osten“, die den empfundenen Widerspruch zur Realität aufzulösen in der Lage war und „ an der sich die Bundesrepublik zwanzig Jahre lang vorbeigedrückt hatte“[5]. Die Realität war die Existenz zweier deutscher Staaten und die polnisch gewordenen ehemaligen deutschen Ostgebiete. Dieser Rubikon der Grenz- und Anerkennungsfrage wurde erst mit der Politik der sozialliberalen Koalition ab 1969 überschritten. Insofern lässt sich dieser ostpolitische Ansatz zu Recht als „Neue Ostpolitik“ bezeichnen.

Der westdeutsche Sprachgebrauch jener Jahre unterschied noch zwischen Ostpolitik (mit Osteuropa) und Deutschlandpolitik (mit der DDR). Diese wenig trennscharfe Definitionsabgrenzung war aber eher ein Tribut an die ungelösten rechtlichen, symbolischen und politischen Fragen, welche aus der Nachkriegsentwicklung und dem Fehlen eines Friedensvertrages mit Deutschland resultierten. Da die so verstandene Deutschlandpolitik immer auch gleichzeitig zentrale Themen der ohnehin als ein „Paket“ verstandenen Ostpolitik waren, wird in dieser Arbeit nur von Ostpolitik gesprochen werden.

1.2. Der „Vormärz“ der „Neuen Ostpolitik“

Jede Periodisierung eines Politikfeldes erzeugt eine zum Teil künstliche Trennschärfe, die zumeist der Kategorisierung und Übersichtlichkeit dienen soll, die prozessuale Kausalität jedoch zumeist nur unzureichend beschreiben kann.

Bereits während der Grossen Koalition 1966-1969 gab es Ansätze zu einer „Neuen Ostpolitik“, der Begriff selber erhielt sein erst in den 80er Jahren wieder entferntes Prädikat „neu“ ebenfalls in jenen Jahren[6]. Die „Neue Ostpolitik“ hatte also nicht erst 1969 ihre „erste Stunde“ erlebt, vielmehr waren wesentliche Elemente des Denkens bereits in der Vorregierung angelegt. Die Grosse Koalition war sich dessen bewusst, dass eine Beibehaltung der starren Ostpolitik zu einer diplomatischen Isolation führen würde und Bonn damit für die westlichen Verbündeten zum „Haupthindernis der westlichen Entspannungsbemühungen“[7] erwachsen würde. Doch war es dem Kanzler Kiesinger letztlich nicht möglich, in der Aussenpolitik „ ... die schnellen Pferde der SPD sowie die lahmen Gäule der Unionsfraktion gleichermassen in Trab und Geschirr zu halten.“[8]

Zugute kam den Sozialdemokraten das allgemeine Meinungsklima, welches „ostpolitische Konzessionsbereitschaft“ als unpopulär ansah. Das ostpolitische Politikkonzept fügte sich ausserdem hervorragend in den allgemein reformorientierten Zeitgeist Ende der 60er Jahre ein.[9]

Wichtigster Vordenker der „Neuen Ostpolitik“ war Egon Bahr, der schon im Sommer 1963 in der evangelischen Akademie Tutzing ein ostpolitisches Konzept vorlegte. Der „Wandel durch Annäherung“ basierte im Kern auf der Vorstellung, dass jede Politik zum direkten Sturz des Regimes „drüben“ absolut aussichtslos sei und deshalb Änderungen nur mit dem zur Zeit dort herrschenden Regime möglich wären[10]. Für Bahr war die Wiedervereinigung ein „aussenpolitisches“ Problem, da auf dem Weg dorthin an der Sowjetunion mit ihren Ansprüchen und Vorstellungen kein Vorbeikommen sei. Die Überwindung des Status Quo sei daher nur möglich, in dem der Status Quo zunächst nicht verändert werden soll. Die de facto existierende sowjetische Dominanz sollte in der Quintessenz so für die eigenen Zwecke instrumentalisiert werden, dass die DDR-Führung zu verbesserten Beziehungen zur Bundesrepublik zu bewegen war sowie Verbesserungen für West-Berlin erreicht werden konnten. Die Sowjetunion erhielt als „Preis“ die Anerkennung des territorialen Status Quo.

Mit der Regierungserklärung Brandts vom 28.10.1969 wurde erstmals von der Existenz „zweier Staaten in Deutschland“ gesprochen. Damit machte die Bundesregierung deutlich, dass sie bereit war, alte Rechtspositionen zu verlassen und die Ergebnisse der Geschichte als Realität anzürkennen.

[...]


[1] Woyke 1993, S.361

[2] Garton Ash 1993, S.70

[3] nach Garton Ash 1993, S.57

[4] vgl. Woyke 1993, S.54

[5] Der Spiegel 34/1970, zit.n. Böhme/Wirtgen 1993, S.198

[6] nach Gordon Ash 1993, S.59

[7] Hansrieder 1981, S.52

[8] Knopp 1999, S.210

[9] vgl. Hildebrand 1984, S.326

[10] nach Bahr 1996, S.156

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Die Neue Ostpolitik der sozialliberalen Aera 1969-1974
Hochschule
FernUniversität Hagen  ( Politikfeldanalyse und Verwaltungswissenschaft)
Veranstaltung
Regierungspolitik in der Bundesrepublik Deutschland
Note
2,0
Autor
Jahr
2002
Seiten
22
Katalognummer
V9205
ISBN (eBook)
9783638159715
Dateigröße
539 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Neue, Ostpolitik, Aera, Regierungspolitik, Bundesrepublik, Deutschland
Arbeit zitieren
Thorsten Lemmer (Autor:in), 2002, Die Neue Ostpolitik der sozialliberalen Aera 1969-1974, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/9205

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