«Ludus Mobilis – Quo Vadis». Unter diesem Titel veröffentlichte die Fachzeitschrift
„Spielmobilszene“ im Oktober 1993 einen Beitrag von Wolfgang Zacharias, in dem kritische Anmerkungen zur Spielmobilarbeit formuliert wurden. In diesem Artikel beschreibt der Autor Spielmobile „als eher langweilig, ein wenig abgeschlafft [und] in die Jahre gekommen [und sieht somit die] spiel- und kulturpädagogische Entwicklung als eher rückläufig an.“1 Seiner Meinung nach wird das Thema „Spiel“ von den Spielmobilen zunehmend vernachlässigt. Damals nahmen 19 hauptamtliche Mitarbeiter2 von Spielmobilen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz Stellung zu Zacharias Thesen und setzten damit eine wichtige Diskussion in Gang. Mehr als zehn Jahre später stellt sich nun die Frage: Wie sieht die aktuelle Entwicklung aus? Wofür steht das Spielmobil? Ist es Vorreiter in Sachen Spiel und Lobby für Kinderrechte oder doch nur Animationsspektakel und Lückenfüller für kommerzielle Festivitäten? Sind die zahlreichen Kritikpunkte am Ende berechtigt und es gibt gar keine zeitadäquate Innovation und Weiterentwicklung in der Spielmobilszene? Diese Fragen sollen in dieser Arbeit kritisch beleuchtet werden.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
1 Einleitung
2 Entwicklung der Fragestellung
2.1 Eingrenzung des Themas
2.2 Relevanz für die Soziale Arbeit
2.3 Begriffsklärungen
2.3.1 „Spiel“
2.3.2 „Spielpädagogik“
2.3.3 „Spielmobil“
3 Spielmobilarbeit in der Kritik
3.1 Die Bedeutung des kindlichen Spiels
3.1.1 Der phänomenologische Ansatz nach Scheuerl
3.1.2 Die kognitive Spieltheorie nach Piaget
3.1.3 Motivationspsychologische Spieltheorie (Heckhausen)
3.1.4 Merkmale und Dimensionen
3.1.5 Ausblick
3.2 Die Entstehung der Spielmobilszene
3.2.1 Geschichte
3.2.2 Rechtliche Rahmenbedingungen
3.2.3 Der gesellschaftliche Auftrag
3.2.4 Ausblick
3.3 Spielmobile im Kontext gesellschaftlicher Veränderungen
3.3.1 Aktionsräume heute
3.3.2 „Errungenschaften“ für das moderne Kind
3.3.3 Spielmobilarbeit zwischen Trend und Tradition
3.3.4 Zusammenfassung
3.4 „Spielehaus & Spielbus Friedrichshafen“
3.4.1 Vorstellung der Einrichtung
3.4.2 Vorstellung der konzeptionellen Ziele
3.4.3 Kritische Überlegungen
3.4.4 Fazit
3.5 Zusammenfassung
4 Erstellung der Hypothesen
4.1 These 1
4.2 These 2
4.3 These 3
4.4 These 4
4.5 Ausblick
5 Empirische Untersuchung
5.1 Auswahl der Untersuchungsgruppe
5.2 Auswahl des Erhebungsinstruments
5.3 Konstruktion des Erhebungsinstruments
5.4 Vortest
5.5 Durchführung der Hauptuntersuchung
6 Auswertung und Interpretation
6.1 These 1
6.2 These 2
6.3 These 3
6.4 These 4
6.5 Zusätzliche Interviewergebnisse
6.6 Zusammenfassung
7 Folgerungen
7.1 Gesellschaftliche Folgen
7.2 Folgen für die Spielmobilarbeit
8 Schlusswort
9 Literaturverzeichnis
Anhang (siehe Extraband)
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Konzeption „Spielehaus & Spielbus Friedrichshafen“ (Anhang)
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Hauptformen des Spiels nach Piaget
Tabelle 2: Vier Diskrepanzen nach Heckhausen
Tabelle 3: Zuordnung der Interviewabschnitte zu den Thesen
Vorwort
Während meiner mehrjährigen Mitarbeit beim „Spielehaus & Spielbus Friedrichshafen“ konnte ich mir neben der täglichen Spielmobilarbeit auch viel theoretisches Wissen über die Spielmobilszene aneignen. In jeder weiteren Praxisphase machte ich praktische Erfah- rungen mit dem Thema Spielmobil. Tagtäglich begegnete ich dabei Menschen, die lobend über unsere Arbeit sprachen, Kindern, die stundenlang voller Begeisterung auf dem Spiel- platz herumrannten, um aus sämtlichen Werkstätten etwas selbst gebasteltes mit nach Hau- se nehmen zu können und Eltern, die sogar ihren Urlaub verschoben haben, damit ihre Kinder auf keinen Fall die Spielbusaktion in ihrer Gemeinde verpassten. Auf der anderen Seite gab es aber auch Menschen, die mich fragten ob ich nichts „Richtiges“ studieren wol- le und Eltern, die die Spielplatzaktionen für völlig übertrieben hielten. Außerdem gab es darüber hinaus auch hauptamtliche Mitarbeiter von Spielmobilen selbst, die die Spielmo- bilarbeit in zahlreichen Punkten kritisierten. Zu Beginn versuchte ich jede Form von Kritik abzuweisen oder als schlichtweg falsch zu bezeichnen. Doch je mehr kritische Bemerkun- gen zu mir durchdrangen, umso öfter musste ich mir eingestehen, dass sie möglicherweise doch ihre Berechtigung haben. Daher möchte ich mich in dieser Diplomarbeit ausführlich mit dem Thema „Spielmobilarbeit in der Kritik“ befassen.
1 Einleitung
«Ludus Mobilis - Quo Vadis». Unter diesem Titel veröffentlichte die Fachzeitschrift „Spielmobilszene“ im Oktober 1993 einen Beitrag von Wolfgang Zacharias, in dem kriti- sche Anmerkungen zur Spielmobilarbeit formuliert wurden. In diesem Artikel beschreibt der Autor Spielmobile „als eher langweilig, ein wenig abgeschlafft >und@ in die Jahre ge- kommen >und sieht somit die@ spiel- und kulturpädagogische Entwicklung als eher rückläu- fig an.“1 Seiner Meinung nach wird das Thema „Spiel“ von den Spielmobilen zunehmend vernachlässigt. Damals nahmen 19 hauptamtliche Mitarbeiter2 von Spielmobilen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz Stellung zu Zacharias Thesen und setzten damit eine wichtige Diskussion in Gang. Mehr als zehn Jahre später stellt sich nun die Frage: Wie sieht die aktuelle Entwicklung aus? Wofür steht das Spielmobil? Ist es Vorreiter in Sachen Spiel und Lobby für Kinderrechte oder doch nur Animationsspektakel und Lücken- füller für kommerzielle Festivitäten? Sind die zahlreichen Kritikpunkte am Ende berechtigt und es gibt gar keine zeitadäquate Innovation und Weiterentwicklung in der Spielmobil- szene? Diese Fragen sollen in dieser Arbeit kritisch beleuchtet werden.
Zu Beginn der Arbeit wird die Entwicklung der Fragestellung beschrieben und somit das Themengebiet eingegrenzt. Anschließend werden die Definitionen der wichtigsten Begriff- lichkeiten bezüglich des Themas „Spielmobilarbeit“ geklärt, um eine Grundlage für die spätere Bearbeitung zu schaffen. Im weiteren Verlauf werden verschiedene Spieltheorien, sowie Merkmale und Dimensionen des Spiels beschrieben. Dadurch soll die Bedeutung des Spiels für die kindliche Entwicklung veranschaulicht werden. Im nachfolgenden Kapitel wird die Entstehung der Spielmobilszene in Deutschland geschildert. Durch die Darstel- lung der Geschichte soll herausgearbeitet werden, welche Umstände die Entwicklung so einer Spielform notwendig gemacht haben und wie die ersten Spielmobile in Deutschland schließlich entstanden sind. Im Anschluss daran werden die aktuellen rechtlichen Rahmen- bedingungen der Spielmobilarbeit aufgezeigt. Mit Hilfe dieser Grundlage soll schließlich der konkrete gesellschaftliche Auftrag an die Spielmobilarbeit herausgearbeitet werden. Gleichzeitig soll der Frage nachgegangen werden, ob das Spielmobil hinsichtlich der Ver- mittlung von Spiel privilegiert ist. Anschließend folgt die Betrachtung der heutigen Akti- onsräume. Welche Spielmöglichkeiten haben Kinder heute und wie werden diese von Er-wachsenen eingegrenzt? Stichworte wie „verplante Kindheit“ werden dabei genauer erläu- tert und bieten einen Einblick in die aktuellen Spielbedingungen von Kindern, wodurch die Notwendigkeit von Spielmobilen zum Ausdruck kommen soll. Weiter werden die daraus entstandenen „Errungenschaften“ für das moderne Kind von heute betrachtet. Schließlich folgt die intensive Auseinandersetzung mit verschiedenen Kritikbereichen im Hinblick auf die veränderte Spielmobilarbeit. Die Bereiche Materialien, Schule und Kommerzialisie- rung werden dabei eingehend untersucht. Zum Abschluss der theoretischen Diskussion folgt ein Einblick in die konzeptionellen Ziele des „Spielehaus & Spielbus Friedrichsha- fen“. Im Bezug darauf werden kritische Überlegungen zur praktischen Umsetzung im All- tag angestellt. Außerdem wird geprüft, ob die angemerkte Kritik an den Inhalten dieser Ziele berechtigt ist. Aus den Ergebnissen des Theorieteils werden schließlich Hypothesen entwickelt, die in der anschließenden Untersuchung überprüft werden. Doch zuvor wird die Auswahl der Untersuchungsgruppe vorgestellt und begründet. Anschließend folgt die Auswahl des Untersuchungsinstruments. Dieser Abschnitt thematisiert die theoretischen Grundlagen hinsichtlich der gewählten Untersuchungsmethode und den korrekten Umgang damit. Schließlich folgt die Konstruktion des Untersuchungsinstruments. Um eventuelle Fehler zu korrigieren und die angestrebte Vorgehensweise zu verbessern, wird in der Folge die Durchführung eines Vortests geschildert. Im Anschluss daran wird die Durchführung der Hauptuntersuchung bei verschiedenen Spielmobilen in Baden-Württemberg beschrie- ben. Die jeweiligen Ergebnisse werden schließlich ausgewertet, in Zusammenhang ge- bracht und es werden Überlegungen zu deren thematischer Relevanz angestellt. Abschlie- ßend werden Folgerungen für die Gesellschaft im Allgemeinen und für die Spielmobilar- beit im Besonderen formuliert.
Ziel dieser Arbeit ist es herauszufinden, in welche Richtung sich die Spielmobilarbeit in Baden-Württemberg aktuell entwickelt und ob die verschiedenen Kritikpunkte an der Spielmobilarbeit berechtigt sind. Darauf gestützt sollen erforderliche Maßnahmen für die zukünftige Entwicklung der Spielmobilarbeit formuliert werden.
2 Entwicklung der Fragestellung
2.1 Eingrenzung des Themas
Um in der vorgegebenen Zeitspanne die vollständige und abschließende Bearbeitung eines Themas sicherzustellen, ist es notwendig dieses konkret einzugrenzen. Die Begrenzung des Themas „Spielmobilarbeit“ auf den Bereich „Kritik“ ergibt sich aus der intensiven Recher- che und der damit verbundenen Feststellung, dass dieses zentrale Thema bisher kaum theo- retisch behandelt wurde. Die Forscherin sieht hier den dringenden Bedarf einer intensiven Aufarbeitung dieses Teilbereiches der Spielmobilarbeit. Die zu untersuchenden Kritik- punkte an sich werden dahingehend eingegrenzt, dass vor allem Kritikpunkte, die sich aus den aktuellen Entwicklungen der Spielmobilarbeit ergeben, berücksichtigt werden sollen. Der Aspekt der aktuellen Entwicklung scheint größtenteils undokumentiert. Für die Dip- lomarbeit, die Tätigkeit im „Spielhaus & Spielbus Friedrichshafen“ und Fachkundige ist er daher von besonderem Interesse. Die Untersuchung soll ausschließlich in Baden- Württemberg erfolgen, um eventuelle Unterschiede bezüglich der rechtlichen Rahmenbe- dingungen ausschließen zu können. Diese müssten andernfalls berücksichtigt werden. Zu- dem spielen hier Zeit, Kosten und Zugänglichkeit der Spielmobile für die Untersuchung eine wesentliche Rolle. Da zur Bearbeitung des Themas demnach in erster Linie Exper- tenwissen erforderlich ist, werden ausschließlich hauptamtliche Mitarbeiter zur Untersu- chung herangezogen.
2.2 Relevanz für die Soziale Arbeit
Als mobile Organisationsform der Jugendarbeit ist das Thema „Spielmobilarbeit“ Teil der Sozialen Arbeit. Die in dieser Arbeit durchzuführende Untersuchung über die aktuelle Entwicklung der Spielmobilarbeit in Baden-Württemberg soll Schlussfolgerungen für die zukünftige Entwicklung der Spielmobilarbeit ermöglichen. Gleichzeitig sollen notwendige, gesellschaftliche Veränderungen, auch im Hinblick auf die Soziale Arbeit, beschrieben werden. Diese neu gewonnenen Erkenntnisse können bei der Qualitätssicherung und Wei- terentwicklung zentraler Aufgaben der Jugendarbeit hilfreich sein. In den Bereichen der Prävention, Integration, Partizipation und Lebensweltorientierung besteht momentan, nach anfänglicher Beurteilung der Forscherin, ein erhöhter Handlungsbedarf. Aus diesem Grund
ist das Thema „Spielmobilarbeit in der Kritik“ für die Soziale Arbeit bezeichnend.
2.3 Begriffsklärungen
2.3.1 „Spiel“
Für den Begriff „Spiel“ gibt es keine einheitliche Definition. Allgemein kann das Spiel als Aktivität beschrieben werden, die vom Menschen ohne Zwang und Zweck ausgeübt wird. Dabei müssen verschiedene Punkte berücksichtigt werden, wie die subjektive Beteiligung, die Motive und die subjektiven Ziele des Spielenden.3
Die folgende Definition des Begriffs „Spiel“ der Deutschen Gesellschaft für Spiel hat für die Spielmobilarbeit besondere Relevanz. Sie macht speziell auf den Zusammenhang von Spiel und Freizeit aufmerksam:
„Die freie - beim Menschen lustbetonte - Betätigung der körperlichen und geistigen Kräfte ohne unmittelbare Zweckausrichtung. Spiel durchdringt mit einer Vielfalt von Formen - einfach bis höchstentwickelt - viele Lebensbereiche insbesondere die Freizeit.“4 (Siehe auch Kapitel 3.1: Die Bedeutung des kindlichen Spiels)
2.3.2 „Spielpädagogik“
Spielpädagogik entstand um 1970 als Teilbereich der Erziehung. Mit dieser Form des angeleiteten Spiels sollten die emotionalen Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen aus pädagogischen Institutionen befriedigt werden. Auslöser dafür war die Kritik an der leistungsorientierten Erziehung dieser Zeit5
Jürgen Fritz, Professor für Spielpädagogik an der Fachhochschule Köln, versteht unter dem Begriff Spielpädagogik folgendes:
„Spielpädagogik formuliert in Spielforschung, Spielkultur, Spielpraxis, Spielpolitik, Spieldidaktik und Spielmethodik, was Spiel ist, was Spiel sein kann und sein sollte. Spielpädagogik ist damit kritisch, pragmatisch und utopisch zugleich“.6
Die Spielpädagogik kann damit als förderlichste Form (und daher unbedingte Voraussetzung) für die Umsetzung des Spiels verstanden werden. Dieser Aspekt wird bedeutend, wenn Überlegungen hinsichtlich der Mitarbeiter eines Spielmobils anstellt werden.
Entwicklung der Fragestellung
2.3.3 „Spielmobil“
Beck definiert das Spielmobil als ein „raum-zeitlich flexibles und alltagsorientiertes Kon- zept der offenen Kinderkulturarbeit zum Ziel der Verwirklichung des umfassenden Rechts zu spielen“.7
An anderer Stelle beschreibt Beck das Spielmobil als ein Fahrzeug (beispielsweise ein alter Bus, Bauwagen oder ein größeres Auto mit Anhänger), das variable Gegenstände mit sich führt: Bälle, Kisten, Seile, Malutensilien, Federballkiste, Bücher, Ton, Reifen etc. Die pädagogischen Betreuer sind in der Regel Sozialpädagogen, Erzieher, Zivildienstleistende und/oder Praktikanten. Die hautamtlichen Mitarbeiter werden umgangssprachlich als „Spielmobiler“8 bezeichnet. Der Spielbus fährt für mehrere Tage oder Wochen Grünflä- chen, Spielplätze, Schulen, Jugendfreizeitstätten und scheinbar unbespielbare Plätze etc. in der Umgebung an, um dort den Kindern verschiedene Spielmöglichkeiten anzubieten.9
Die Definition des Begriffs „Spielmobil“ lässt das Thema „Spiel“ als zentrale Aufgabe in der Spielmobilarbeit bereits erahnen. Im folgenden Kapitel werden Ansätze unterschiedli- cher Spieltheoretiker beleuchtet. Durch die verschiedenen Blickwinkel auf das Thema „Spiel“ soll die Wichtigkeit und Bedeutung des Spiels für die kindliche Entwicklung ver- deutlicht werden.
3 Spielmobilarbeit in der Kritik
3.1 Die Bedeutung des kindlichen Spiels
3.1.1 Der phänomenologische Ansatz nach Scheuerl
Unter dem Begriff „Phänomenologie des Spiels“10 versteht man die „Lehre von den Erschei- nungen des Spiels“11. Da der Begriff „Spiel“ nur sehr schwer zu fassen ist, untersuchte Hans Scheuerl 1954 die gesamte deutsche Literatur bezüglich der Spielforschung und Spieldeutung. Er kam schließlich zu der Einsicht, dass das Spiel sechs grundlegende We- sensmerkmale aufweist. Demnach ist Spiel eine Bewegungsform, dessen Höhepunkt die Verselbstständigung der Betätigung des Spielenden selbst bildet. Voraussetzung für das Spiels ist nach Scheuerl die Freiheit und die Offenheit des Spielers für die Phänomene des Spiels. Wesentlichen Merkmale werden in der nachfolgenden Auflistung veranschaulicht:
- Zweckfreiheit: Das Spiel ist in seiner Erscheinung ungezwungen und frei, ohne Zwänge oder Zweckbestimmungen.
- Geschlossenheit: Die spielerische Bewegung ist in sich geschlossen, gegeben durch Spielregeln oder Spielfeldgrenzen.
- Spannungsverhältnis: Das Spielgeschehen lebt vom ständigen hin und her. Somit ist der spielende Bewegungsablauf mehrdeutig. Der Ausgang des Spiels sollte so lange wie möglich offen bleiben.
- Unendlichkeit:Spiele dehnen sich zeitlich aus, es treten Wiederholungen auf. Sie können mit einem Entwicklungscharakter bezeichnet werden. Äußere Mächte unterbrechen die Spielbewegung.
- Gegenwärtigkeit:Das eigentliche Spiel ist zeitenthoben, deshalb kennzeichnet das Spiel die Gegenwärtigkeit. Das bedeutet, dass jeder Moment von einer eigenen Spannung geprägt ist.
- Scheinhaftigkeit:Im Spiel tritt der Schein an die Stelle der Wirklichkeit.12
Die Beweisführung bezüglich der Spielformen steht jedoch noch aus. Aus diesem Grund ist die Gültigkeit der Merkmale umstritten. Zudem wird das hohe Abstraktionsniveau der Begrifflichkeiten von Kluge bemängelt.13
3.1.2 Die kognitive Spieltheorie nach Piaget
Jean Piaget, ein bedeutender 14 Schweizer Entwicklungspsychologe, untersuchte das Spiel aus einer intelligenz- und entwicklungspsychologischen Perspektive. Dabei stellte er zunächst einen Zusammenhang zwischen der menschlichen Intelligenz und dem Spiel her. Zur weiteren Erklärung bedarf es der Definition folgender Begriffe:
-„Akkommodation“: Angleichung des Organismus an die Außenwelt
-„Assimilation“: Anpassung der Umwelt an das eigene Selbst und somit an die eigenen kognitiven Schemata
Daraus ergeben sich für Piaget weitere grundsätzliche Begrifflichkeiten:
- „Imitation“: Die Akkommodation dominiert über die Assimilation
-„Spiel“: Die Assimilation dominiert über die Akkommodation
Spiel ist das in sich Aufnehmen von Realitäten, die an die eigenen Erfahrungen angepasst werden. Durch die intensive Auseinandersetzung mit der Realität im Spiel kann das Kind die tatsächliche Realität bewältigen. Piaget gliedert das Spiel in drei Hauptformen:
Spielmobilarbeit in der Kritik - Die Bedeutung des kindlichen Spiels
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Hauptformen des Spiels nach Piaget
Kluge kritisiert an Piagets Spieltheorie die kognitive Einseitigkeit. Diese wird dem kreati- ven Spielmoment nicht gerecht. Auch bezüglich der Spielphasen hat Kluge Einwände.15
3.1.3 Motivationspsychologische Spieltheorie (Heckhausen)
Heinz Heckhausen machte Mitte des 20. Jh. deutlich, dass es zwar 16 zahlreiche Untersu- chungen zum Thema „Spiel“ gäbe, die entsprechende Würdigung des Spiels aus psycholo- gischer Sicht jedoch fehle. 1964 bearbeitete er den motivationspsychischen Ansatz für die deutsche Forschung und entwickelte sie weiter. Seinen Schwerpunkt legte er dabei auf die Spannung während des Spiels, die immer wieder als Antriebskraft dient. Kennzeichnend für das Spiel ist nach Heckhausen der sogenannte Aktivierungszirkel. Dabei wird Span- nung / Entspannung immer wieder auf- und abgebaut. Am besten funktioniert das Spiel, wenn „ein mittlerer Grad der Aktivierung und ein mittleres Tempo von Anstieg und Ab- fall“17 gewährleistet wird. Wird diese Dosierung nicht eingehalten, entsteht schnell Lange- weile oder die Kinder schweifen mit ihren Gedanken ab und es entsteht Unruhe. Das Neu-gierverhalten (Exploration) kann somit nicht länger aufrechterhalten werden. Heckhausen teilt das Spannungsgefälle in vier Diskrepanzen. Sie sollen das Spiel in Gang bringen und mitbestimmen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2: Vier Diskrepanzen nach Heckhausen
Doch auch dieser Ansatz ist nicht lange von Kritik verschont geblieben. Kluge kritisiert an Heckhausens Spieltheorie, dass die Spielmotivation ausschließlich innerpsychisch erklärt wird.18
3.1.4 Merkmale und Dimensionen
Wie schon in der Definition beschrieben, verfolgen Kinder im Spiel keinen außerhalb des Spiels liegenden Zweck. Kennzeichnend für das Spiel ist der ständige Wechsel von Span- nung und Lösung. Im Spiel setzen sich Kinder mit ihrer Umwelt auseinander. Es findet sozusagen ein „Probehandeln“ für zukünftige Situationen statt. Dabei werden sie allerdings nicht mit den Auswirkungen ihres Handelns konfrontiert. Im Spiel konzentriert sich das Kind nur auf den Augenblick. Das Ziel ist daher nicht im Vorhinein festgelegt, sondern differenziert sich, wenn überhaupt, erst im Laufe des Spielgeschehens aus. Die Kinder wachsen durch das Spiel in die Welt der Erwachsenen hinein und erwerben gleichzeitig zahlreiche soziale Kompetenzen. Während des Spiels sind Kinder körperlich, geistig und emotional aktiv. Diese ganzheitliche Beanspruchung ist für die gesunde Entwicklung des Kindes unabdingbar. Im gemeinsamen Spiel lernen Kinder sich in die Wünsche und Inte- ressen anderer hineinzuversetzen. Um eigene Wünsche durchzusetzen und gleichzeitig die der anderen Kinder zu berücksichtigen, benötigen sie Einfühlungsvermögen, Toleranz und Flexibilität. Mit Hilfe der Phantasie können Kinder schließlich ihre Welt verändern bzw. verbessern. Die emotionale Entwicklung findet im Spiel also in Form von Verarbeitung der Erfahrungen statt. Durch die wiederholte Konfrontation von schmerzvollen Ereignissen im Spiel erhalten Kinder eine aktive und gestärkte Position. Durch Spiel werden außerdem Gesetzmäßigkeiten begriffen. Die Konzentration auf eine Situation wird gesteigert und dadurch bedingt die Wahrnehmungsfähigkeit. Ebenso wie Phantasie und Kreativität wird planendes und logisches Denken angeregt. Im Endeffekt wird dadurch die Lernbereitschaft und -fähigkeit gesteigert. Spiel ist somit alles andere als eine sinnlose Tätigkeit. Es ist die tägliche Arbeit der Kinder. Sie findet allerdings ausschließlich auf der Basis von Freiwil- ligkeit statt. Das Kind entscheidet immer selbst ob, mit wem und wie lange es sich auf eine Spielsituation einlässt.19
3.1.5 Ausblick
Für die gesunde Entwicklung eines Kindes ist die umfangreiche Möglichkeit sich spiele- risch zu betätigen unerlässlich. Zudem ist es die effektivste Form der Wissensvermittlung und sollte damit das zentrale Element jeder pädagogischen Arbeit mit Kindern sein. Wie oben jedoch beschrieben, wird nach Meinung von Zacharias das Thema „Spiel“ zuneh- mend von den Spielmobilen vernachlässigt. An dieser Stelle stellen sich zahlreiche Fragen: Ist diese Kritik berechtigt? Wie können Spielmobile das Thema „Spiel“ überhaupt ver- nachlässigen? Was vermitteln sie, wenn nicht Spiel? Wer legt die Aufgabenschwerpunkte für die Spielmobilarbeit fest? Besonders interessant scheit dahingehend auch die Überle- gung, warum die Spielform „Spielmobil“ einst überhaupt notwendig erschien. Müssen die Kinder von heute erste wieder lernen zu spielen? Diese Fragen sollen im folgenden Kapitel beantwortet werden. Es schildert die Entwicklung der Spielmobilszene von seinen Anfän- gen bis heute. Darin werden die gesellschaftlichen Umstände der Entstehung der Spielmo- bilszene und die daraus resultierenden rechtlichen Grundlagen für die Spielmobilarbeit umfassend beschrieben. Der gesellschaftliche Auftrag wird dadurch herausgearbeitet und als Grundlage der Spielmobilarbeit in alle zukünftigen Überlegungen miteinbezogen.
3.2 Die Entstehung der Spielmobilszene
3.2.1 Geschichte
Zu Beginn möchte ich die Situation in deutschen Städten Ende der 60er Jahre aufzeigen. Diese Problematik war nämlich der Anstoß zur Entwicklung einer neuen Spielform, die Kinder auch dort erreichen konnte, wo scheinbar kein Platz zum Spielen vorhanden war. Damals zeichneten sich Städte durch viel befahrene Straßen, anonyme Bürobauten, sterile Spielplätze und wenig bis gar keine Grünflächen aus. Während sich die Erwachsenen dank erhöhter Mobilität und vermehrtem Konsum scheinbar über die Folgen der immer enger werdenden Wohnumwelt hinwegsetzen konnten, traf diese Entwicklung die Kinder enorm. In den 70er Jahren schließlich, in einer Atmosphäre von Erneuerungswille und gesell- schaftlicher Auseinandersetzung, war der pädagogisch politische Bereich ein zentrales Diskussionsthema. Im Mittelpunkt standen veraltete Erziehungsinstitutionen und das Be- wusstsein einer zunehmenden Bedrohung der Umwelt der Kinder und der persönlichen Lebensräume. Kritik wurde laut am fehlenden Spielraum für Kinder (in der Bundesrepu- blik fehlten damals ca. 20 000 Spielplätze), an der Kommerzialisierung der kindlichen Spielwelt, an der Vertreibung der Kinder und Jugendlichen aus der alltäglichen Öffentlich- keit der Wohnumgebung, der Straße und der kommunalen Umwelt. In verschiedenen Städ- ten Deutschlands wurde schlussendlich auf ähnliche Probleme die gleiche Lösung gefun- den: Spielmobile als Antwort auf die nicht mehr kindgerechten Umweltbedingungen dieser Zeit. Die ersten deutschen Spielmobile entstanden unabhängig voneinander in den Jahren 1972/73 in Berlin und München. In Berlin gab es eine Gruppe junger Pädagogikstudenten, die auf die Straße gingen und nach Möglichkeiten gefahrloser Spielmöglichkeiten für Kin- der suchten. Es handelte sich dabei um einen Modellversuch, der in gleicher Weise päda- gogischen Erfordernissen gerecht werden und dem aktuellen Spielplatznotstand abhelfen sollte. Hier wurde ganz konkret auf den damaligen Mangel an Institutionen reagiert. Ich manchen Stadtteilen gab es zu der Zeit weder Schulen noch Kirchen. Parallel dazu hatten Kunststudenten in München versucht mit Schülern außerhalb der Schule zu arbeiten. Sie waren an künstlerischen und ästhetischen Projekten interessiert. Die positive Resonanz auf derartige Initiativen bewirkte die Gründung verschiedener Initiativgruppen,20 z. B. die Lan- desarbeitsgemeinschaft (LAG) „Mobile Spielaktionen Baden-Württemberg“. Im Dezember 1988 schlossen sich Vertreter und Vertreterinnen von Spielmobilen aus ganz Baden-Württemberg zusammen. Diese LAG trifft sich seither drei- bis viermal pro Jahr und ver- tritt die Spielpädagogik innerhalb der offenen Kinder- und Jugendarbeit gegenüber der Landesbehörden.21 Ein Praktikant, der zuvor in Berlin tätig war, ging schließlich nach Köln, um dort ein ähnliches Projekt zu starten. „Juppi“ gehörte somit auch zu den Spiel- mobilen der ersten Stunde. Von Montag bis Freitag fuhr das Spielmobil jeweils nachmit- tags insgesamt fünf Spielplätze der Kölner Innenstadt an. Im Vordergrund stand die Akti- vierung der Bevölkerung, die Verstärkung der lokalen Kommunikation und die Erweite- rung des schöpferischen Potenzials der Kinder. Ab 1976 konnte man einen enormen An- stieg der Spielmobilprojekte verzeichnen. Nach der Pionierarbeit in den Großstädten ent- standen nun auch Spielmobile in Mittel- und Kleinstädten. Den bisherigen Höhepunkt in der Spielmobilentwicklung gab es 1979, im „Internationalen Jahr des Kindes“. Heute gibt es in Deutschland, Österreich und der Schweiz ca. 400 Spielmobile. Trotzdem waren Spielmobile in vielen Städten lange Zeit außen vor was Entscheidungen bezüglich des Gemeinwesens anging. Sie sollten einfach nur ihren Job auf dem Spielplatz erledigen und sich nicht in politische Angelegenheiten einmischen. Erst viel später wurden Spielmobile bei den Jugendämtern eingebunden und deren Vertreter bekamen somit die Möglichkeit sich bei „Runden Tischen“ für die Rechte der Kinder einzusetzen.22
3.2.2 Rechtliche Rahmenbedingungen
Bereits 1989 hat die „UN-Kinderrechtskonvention“ das „Recht auf Spiel, Freizeit und Kul- tur“ für alle Kinder festgelegt. Vor diesem Hintergrund ist auch die Erklärung der „Interna- tionalen Vereinigung für das Recht des Kindes zu Spielen“ (IPA) zu verstehen. Dort stellt sich mehrfach ein Zusammenhang zum Thema „Spielmobil“ her. Spielmobile verstehen sich als Lobby für Kinderrechte und verwirklichen somit das Recht auf Spiel für alle Kin- der. Sie demonstrieren sowohl Kindern als auch Erwachsenen, wie Spiel erfahrungsinten- siv und lustvoll vor Ort, im Wohnumfeld und Alltag der Kinder zu realisieren ist. Besonde- res Augenmerk wird auf die Verbindung von Spielkultur und Kinderpolitik nach dem Prin- zip „Global denken, lokal handeln“ gelegt.23
Seit 1991 ist die Spielmobilarbeit als offene Jugendarbeit im SGB VIII angesiedelt. Unter den Aufgaben der Jugendhilfe (§§ 11-60 SGB VIII) findet man die Leistungen der Jugend- hilfe (§§11-41 SGB VIII). Hier ist die Jugendarbeit (§§ 11, 12 SGB VIII) von zentraler Bedeutung: Kinder und Jugendliche sollen in ihrer Entwicklung mit Hilfe von Angeboten gefördert werden. Diese sollen an den Interessen der jungen Menschen anknüpfen, sie zur Selbstbestimmung befähigen und sie zu gesellschaftlicher Mitverantwortung und sozialem Engagement hinführen. Schwerpunkte der Jugendarbeit sollten sein:
-„außerschulische Jugendbildung mit allgemeiner, politischer, sozialer, gesundheitlicher kultureller, naturkundlicher und technischer Bildung,
-Jugendarbeit in Sport, Spiel und Geselligkeit,
-arbeitswelt-, schul- und familienbezogene Jugendarbeit, internationale Jugendarbeit,
-Kinder- und Jugenderholung,
-Jugendberatung.“ 24
Auch aus § 8 SGB VIII geht eindeutig hervor, dass Kinder an allen sie betreffenden Entscheidungen der öffentlichen Jugendhilfe zu beteiligen sind. Dazu zählen u.a. die Mitwirkung bei der Gestaltung neuer Spielflächen, die Sanierung Vorhandener, die Verbesserung des Wohnumfelds, die Mitwirkung bei der Verkehrsplanung und vieles mehr.25
3.2.3 Der gesellschaftliche Auftrag
Aus dem historischen Entwicklungsverlauf wird ersichtlich, dass Spielmobile zunächst nur auf bestehende Mängel in den Städten reagierten und scheinbar über keinerlei Konzeptio- nen verfügten. Der gesellschaftliche Arbeitsauftrag war demnach zu Beginn noch nicht als solcher definiert. Durch die gesetzliche Verankerung wird allerdings schnell ersichtlich, dass Spielmobile heute Vorreiter in Sachen „Spiel“ und „Lobby für Kinderrechte“ sind bzw. sein sollten. Kinder haben keine ausreichende Interessenvertretung und brauchen bei der Durchsetzung ihrer Rechte, Bedürfnisse und Interessen immer der Hilfe von kinder- freundlichen Erwachsenen. Durch Spielmobilaktionen wird die Öffentlichkeit erst auf die vorherrschenden Missstände aufmerksam gemacht. Nicht nur den Eltern müssen die Rech- te der Kinder vergegenwärtigt werden, sondern auch den Kindern selbst. Dabei muss er- wähnt werden, dass es bis heute für Spielmobile keine einheitlichen Zieldefinitionen gibt. An vielen Stellen wurde der Versuch zwar unternommen, jedoch in keinster Weise zu En- de geführt. Im Jahr 2000 wurde von der „Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Spielmobile e.V.“ eine Imagebroschüre herausgegeben. Darin werden beispielsweise die Anfänge der Spielmobilarbeit, die verschiedenen Spielmobiltypen und die Netzwerkarbeit beschrieben. Außerdem findet sich darin folgende Liste mit Anforderungen an moderne Spielmobile:
-Spielmobile sollen professionelle freizeit-, kultur-, und spielpädagogische Arbeit leisten.
-Das Spiel- oder Betreuungsangebot soll sich in erster Linie an der Gruppe der anwesen- den Kinder und Jugendlichen orientieren. Anschließend sollen die Bedürfnisse der einzelnen Kinder und Jugendliche berücksichtigt und integriert werden.
-Das Spiel-, Bastel-, und/oder Werkangebot soll klar definierte und für Kinder und Jugendliche leicht nachvollziehbare Konzepte verfolgen
-Das Angebot soll niederschwellig sein und gleichzeitig flexibel auf die Bedürfnisse der Zielgruppe reagieren können
-Handlungskompetenzen müssen ausgebaut und ständig aktualisiert werden.
-Nachteile, die auf geschlechtsspezifische Differenzen zurückzuführen sind, sollen abgebaut werden.26
-Folglich können Spielmobile als fester „Bestandteil und methodischer Ansatz der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit [und somit als] Pflichtaufgabe der Kommunalverwaltungen“27 verstanden werden.
3.2.4 Ausblick
Die Vermittlung von Spiel kann als eine der zentralen Aufgaben in der Spielmobilarbeit gesehen werden. Spiel wird auch in anderen Institutionen vermittelt, doch Spielmobile haben einen entscheidenden Vorteil, der sie gewissermaßen zur Erfüllung dieser Aufgabe privilegiert: Spielmobiler haben durch ihre Flexibilität und Mobilität einen besonders gu- ten Überblick über die Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen in den jeweiligen Städten und Gemeinden. Sie können spontan und effektvoll auf Missstände reagieren. Diese Flexi- bilität ermöglicht beispielsweise auch die genaue Abstimmung des Angebots auf die jewei- lige Zielgruppe, die sozialen Umstände und/oder die Bedingungen der Umwelt. Dort zu spielen, wo das Kind lebt, ist ein zentrales Merkmal der Spielmobilarbeit und für die ge- sunde Entwicklung des Kindes unerlässlich.28
Anhand der beschriebenen Grundlagen wird sich nun im weiteren Verlauf zeigen, ob die- ser gesellschaftliche Auftrag praktisch auch in vollem Umfang von den Spielmobilen um- gesetzt wird. Diese Umsetzung muss allerdings unter erschwerten gesellschaftlichen Rah-menbedingungen erfolgen. Im Anschluss soll eine umfassende Betrachtung von Bedingun- gen im Wohnumfeld der Kinder vorgenommen werden. Dabei soll deutlich werden, wie aktuelle, gesellschaftliche Entwicklungen die Lebensqualität der Kinder verändern und möglicherweise verschlechtern. Zur beispielhaften Verdeutlichung der einzelnen Verände- rungen werden Ergebnisse einer Kinderstudie präsentiert, die vor einigen Jahren in Frei- burg durchgeführt wurde. Es handelt sich dabei um eine Auftragsforschung der Stadt Frei- burg, die Außenräume von Kindern in Freiburg zum Untersuchungsgegenstand hat.29
3.3 Spielmobile im Kontext gesellschaftlicher Veränderungen
3.3.1 Aktionsräume heute
In der heutigen Zeit ist es für Kinder schwer überhaupt noch Orte zu finden, wo sie spielen können. Die freien Flächen sind zum Großteil Erwachsenen vorbehalten, z. B. in Form von Parkplätzen. Das Kind mit seinem Bedürfnis nach Spielraum kommt erst viel später. Die Art und Weise, wie Kinder im öffentlichen Straßenraum existieren, dient immer noch vie- len Schul-, Sozial- und Familienpädagogen als Zeichen dafür, dass ein negatives und abzu- lehnendes Sozialisationsmilieu existiert. Das „Straßenkind“ repräsentiert den Gegentypus zum „richtig erzogenen“ Kind. Daher beobachten die Forscher auch nur selten die Ausei- nandersetzung der Kinder mit der vielschichtigen Straßenumgebung.30
Durch die zunehmende Überbauung von Frei- und Grünflächen werden die Kinder immer mehr in private oder halböffentliche Räume verdrängt;. d.h. die kindlichen Aktivitäten finden verstärkt im Kinderzimmer, in Sportanlagen und Vereinsräumen statt. Zunehmende Verkehrsbelastung durch den motorisierten Individualverkehr macht spontanes, unkontrolliertes Spiel damit fast unmöglich. Die Binnenräume gewinnen außerdem immer mehr an Bedeutung gegenüber öffentliche Räume. Diejenigen, die nach wie vor öffentliche Räume zum Spielen bevorzugen „müssen sich in den für sie eingerichteten Reservaten mit sehr einfachen und primitiven Funktions- und Bewegungsspielen begnügen.“31 Man spricht auch von einer zunehmenden „Verhäuslichung der Kindheit.“
Die Freiburger Kinderstudie ergab, dass rund 25% der Kinder keine Möglichkeit haben in ihrem Wohnumfeld spontan und unbeaufsichtigt zu spielen. Dabei sind die Verhältnisse der Stadt Freiburg im Vergleich zu anderen Großstädten ausgesprochen günstig.32
Kinder haben kaum noch Möglichkeiten die Freizeit nach ihren Vorstellungen und Ideen zu gestalten. Da es zudem oft an gleichaltrigen Kindern in ihrem Wohnviertel fehlt, neh- men immer mehr Kinder an institutionellen Freizeit- und Betreuungsangeboten teil. „Durch Schule, Schularbeit und viele zusätzliche Termine, vom Musikunterricht bis zum Vereinstreffen, unterliegt der Wochenablauf oft einem strengen Zeitplan.“33
Dadurch bleibt ihnen immer weniger Zeit zum freien Spiel, zur freien Gestaltung und fürspontane Aktivitäten. Hier spricht man von einer Zunahme der „organisierten Kindheit.“
Das Medienangebot für Kinder ist heutzutage enorm groß. Sie nutzen Medien wie z.B. Fernseher, Computer, Radio, Zeitschriften und CD-Player, MP3-Player und Spielkonsolen. Dadurch sind sie in ein Verbundnetz von Medien und Konsum eingespannt. Vor allem Kinder, denen sich wenig andere Spielmöglichkeiten außerhalb des Hauses anbieten, tau- chen schnell in ihre virtuellen Welten ab. Die Industrie verlangt fortwährenden Konsum der verschiedenen Produkte, wodurch die Freizeit der Kinder stark dominiert wird.34
Besonders das Fernsehen ist das bevorzugte Medium von Kindern. Lediglich 1% aller 6- 13jährigen in Baden-Württemberg gaben in einem Bericht des Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend an, nie fernzusehen. Demgegenüber stehen 82% derselben Altersgruppe, die jeden bzw. fast jeden Tag fernsehen.35
Die Freiburger Kinderstudie ergab, dass die Fernsehzeit entscheidend von der Qualität der Aktionsräume abhängt. Kinder deren Spielbedingungen ungünstig sind, sehen sechsmal so viel fern wie Kinder mit einem günstigen Wohnumfeld.36
Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einer Zunahme der „Medienkindheit.“ Die offene Kinder- und Jugendarbeit versucht dieser Entwicklung entgegenzuwirken, al- lerdings mit mäßigem Erfolg. Bei allen „Räumen“, die zur Verfügung gestellt werden, handelt es sich nicht um soziale Gemeinschaftsräume. Viel mehr werden separate und spe- zielle Orte geschaffen, wodurch die Ausgrenzung aus der „realen“ Umwelt noch verstärkt wird. Zudem sind diese Orte, wie z.B. Spielplätze, weitestgehend funktionsgebunden, or- ganisiert und kontrolliert. Die Zunahme der sogenannten „Verinselung“ der Kindheit wird auch den Spielmobilen vorgeworfen, da sie durch ihre unnatürliche Darbietung von kurz- fristigen Angeboten zur Aufrechterhaltung einer „inszenierten“ Kindheit beiträgt. Im fol- genden Abschnitt werden neben dem Spielmobil noch weitere „Errungenschaften“ für Kinder kritisch begutachtet.
3.3.2 „Errungenschaften“ für das moderne Kind
Nicht nur die Aktionsräume, in denen Kinder agieren, sondern auch die veränderten Um- stände innerhalb der Familie führen zu erheblichen Schwierigkeiten. In der heutigen Zeit wachsen Kinder in Familienformen auf, die nicht mehr dem typischen Bild (Mutter, Vater, Kind) entsprechen. Durch die Zunahme der Berufstätigkeit der Eltern entsteht damit ein deutlich erhöhter Betreuungsaufwand für die Kinder. Dadurch entwickelten sich im Laufe der Jahre zahlreiche, neue Spielformen. Es hat sich inzwischen ein riesiger Markt für Kin- der aufgetan. Die Eltern sind zum steigenden Konsum gezwungen, damit sie im ständigen Wettbewerb um die neuesten Trends für Kinder mithalten können. Für die Kinder von heu- te gibt es beispielsweise
- Abenteuerspielplätze, die man in der Wohnung errichten kann x Kinderspielstädte
- Kindertage und Kinderfeste x Spielstraßen
- Spielplätze in allen denkbaren Varianten
- Kurse für Flöten, Tanz, Malen etc.
- Super-Kinder-Parties (z. B. bei Mc Donalds)
- Spieltherapien
- Computerspiele
- Playstation
- und Spielmobile
Man könnte meinen, den Kindern ginge es nie besser, doch die Entwicklung derartiger Spielformen (und somit auch die Entstehung von Spielmobilen) fördert die oben beschrie- bene Ausgrenzung aus den ehemals zugänglichen Aktionsräumen. Der Begriff der „insze- nierten Kindheit“ beschäftigt sich mit diesen Errungenschaften für das „moderne Kind“ und der daraus entstandenen systematischen Vorenthaltung der Wirklichkeit. Diese Spiel- angebote sind immer auf die jeweiligen vorgegebenen Aktionsräume, wie z. B. das Spiel- mobil oder den Spielplatz, begrenzt. Dadurch wird das Kind von der natürlichen Wohnum- gebung als Spielraum bewusst oder unbewusst ferngehalten. Bestünden diese gesellschaft- lichen Veränderungen nicht, würden derartige Angebote auch nicht gebraucht werden. Demzufolge fände auf dem Gebiet des Spiels auch keine Begegnung zwischen Pädagoge und Kind statt. Daher kann man sagen, dass durch all diese neuen „Errungenschaften“ die Begegnung selbst nur inszeniert ist. Durch diese gesellschaftliche Entwicklung kommt es auch innerhalb der Spielmobilszene zu bedenklichen Veränderungen. Sie alle basieren auf dem Versuch dem allgemeinen Druck der Gesellschaft standzuhalten und dem Kampf ums eigene Überleben. Im folgenden Kapitel soll deutlich gemacht werden, welche Wege die Spielmobilarbeit aufgrund der beschriebenen Entwicklungen momentan einschlägt. Die Veränderungen werden dabei auf drei Bereiche beschränkt, da diese aus Sicht der Forscherin sehr aktuell und für diese Arbeit besonders relevant erscheinen. Es handelt sich dabei um die Bereiche „Verwendung aufwendiger Materialien“, „Spezialisierte Spielmobile und Schule“ sowie „Kommerzielle Spielmobile“. Alle drei Bereiche werden zunehmend kritisiert. Sowohl von Außenstehenden als auch von Spielmobilern selbst.
3.3.3 Spielmobilarbeit zwischen Trend und Tradition
Verwendung aufwendiger Materialien
Die Veränderung der kindlichen Aktionsräume wirkt sich wie bereits beschrieben auch ganz deutlich auf das Konsumverhalten der Eltern und damit auch auf das der Kinder aus. Nahezu jeder Industriezweig entwickelt heute Produkte für Kinder. Dabei bleibt die Aufforderung zum kreativen Tun mit dem Spielgerät oder -material außen vor. Außerdem sind Hersteller von Spielen durchaus „daran interessiert, dass Spiele möglichst rasch veralten und durch neue ersetzt werden.“37 Die schnelle Unlust am Spiel mit einem vorgefertigten Produkt wirkt sich aber auch auf das Spielbedürfnis des Kindes aus. Passives Konsumieren führt schließlich zur Verkümmerung der Spielfähigkeit.38
Somit hat die hohe Innovationsgeschwindigkeit der Industrie verheerende Konsequenzen für die Spielkultur: Konzentration, Zusammenspiel und Entwicklung von Raffinesse werden konsequent verhindert. Viele Spielmobile scheine diesem Trend hinterherzulaufen. Immer neue, aufregende Spielmaterialien werden beschafft und den Kindern zur Verfügung gestellt. Die Kinder werden zunehmend mit aufwendigen Materialien überflutet. Sie haben kaum noch die Möglichkeit selbst Dinge herzustellen. Damit einher geht der Verlust an Freude und intensivem Erleben im Spiel.
Gerade die Beteiligung am Bau eines Spielgerätes wäre eine Möglichkeit der Partizipation, bei der gleichzeitig Feinmotorik, Kreativität und Fantasie gefördert würden. Die höhere Wertschätzung selbstgebauter Dinge wird durch vorgefertigte Spielgeräte unterbunden.39
- Spezialisierte Spielmobile und Schule
Es gibt zahlreiche Spielmobile, die sich auf ein bestimmtes Themengebiet spezialisieren. Diese nennen sich beispielsweise Ökomobil, Musikmobil oder Physikmobil. Der Name ist dabei Programm. Sie fahren Schulen an oder können von Interessenten gemietet werden, um ihre speziellen Aktionen durchzuführen. Ideen, Materialien und Mitarbeiter bringen sie dazu in der Regel selbst mit.40
An dieser Stelle soll diese Form der Spielmobilarbeit am Beispiel des „Ökomobil Karlsruhe“ verdeutlicht werden:
Das Ökomobil des Regierungspräsidiums Karlsruhe ist ein „rollendes Naturschutzlabor“. Der Innenraum ist ca. 20m² groß. Er beinhaltet sechs Tische, an denen bis zu 24 Personen Platz finden. Außerdem ist das Fahrzeug mit Lupen, Ferngläsern, Messgeräten, Sammel- werkzeugen u.v.m. für die Analyse von Boden und Wasser ausgestattet. Strom wird durch Solarzellen auf dem Dach des Fahrzeuges gewonnen. Das kostenlose Angebot richtet sich an Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Unter Anleitung werden hier gemeinsam Pflan- zen erforscht, Spuren gesucht, Vögel belauscht, kleine Lebewesen gesammelt und mit Na- turmaterialien gebastelt. Außerdem lernen die Kinder, wie sie Tiere, Pflanzen und Lebens- räume schützen können. Daneben liefern die Untersuchungen auch Antworten auf ver- schiedenste Fragen, wie z.B.: „Warum verfärbt sich das Laub im Herbst?“ oder „Wann ändert sich die Wasserqualität?“ Das Ökomobil vermittelt ein umfangreiches Wissen über die Natur und deren Gegebenheiten. Ziel dieser Aktionen ist das Wecken der Neugier, das Aufzeigen von Zusammenhängen und die Förderung der Eigeninitiative. Das besondere Naturerlebnis wird als ein Stück neuer Lebensqualität empfunden.41
Schon seit es Spielmobile gibt, sind sie Partner von Schulen bezüglich der Gestaltung von Schulfesten gewesen. Heute sind sie gern gesehene Gäste, wenn es um die Durchführung von Bildungsveranstaltungen geht. Anlässlich der aktuellen Diskussion um die Einführung von Ganztagesschulen nimmt die Zahl der Kooperationen und Projekte zwischen (spezialisierten) Spielmobilen und Schulen zu.42
- Kommerzielle Spielmobile43
Im Sommer 1996 wurde im Auftrag der Zeitschrift „Spielmobilszene“ eine Umfrage zum Thema „Kommerzielle Spielmobile“ durchgeführt. Angesprochen wurden ausschließlich Mitarbeiter von Spielmobilen. An dieser Stelle werden die Meinungen dreier hauptamtlicher Mitarbeiter zu diesem Thema gegenübergestellt. Die Thesen des Artikels werden im folgenden Überblick veranschaulicht:
- Immer mehr Pädagogen bieten Spielaktionen auf geschäftlicher Basis an
-Kommunen nutzen kommerzielle Spielmobile gehäuft aus finanziellen Gründen
-Kommerzielle Spielmobile setzen auf die Highlights der Spielpädagogik
-Kommerzielle Spielmobile bieten nur leicht übertragbare Spielthemen an (wie „Jahrmarkt“ oder „Zirkus“)
-Bei kommerziellen Spielmobilen zählt nur oberflächlicher Spaß
-Typische Einsatzgebiete sind das Stadtfest oder das Einkaufszentrum
-Es wird keine intensive Arbeit mit den Kindern betrieben
Fazit: „Kommerzielle Spielmobile naschen nur am Sahnehäubchen!“44
Insgesamt 12 Mitarbeiter von Spielmobilen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz nahmen zu der These Stellung. 4 davon stimmten der These zu, 5 lehnten die These ab und 3 konnten der These weder zustimmen noch sie ablehnen. An dieser Stelle wird jeweils einer der drei möglichen Standpunkte dargelegt. Dies geschieht anhand von Beispielen:
-Zustimmung: Evelyn Knecht, Spiellandschaft Stadt München
Ihrer Meinung nach sind kommerzielle Spielmobile lediglich in der Lage Attraktionen zu bieten, die aus dem Alltag herausragen. Echtes Potenzial sich in die Spielstruktur einer Stadt einzumischen und dort als Lobby für Kinder aufzutreten sieht sie dabei nicht. Damit können die kommerziellen Anbieter ihrer Meinung nach die infrastrukturelle Arbeit der kommunalen Spielmobile nicht ersetzen.
- Ablehnung: Michael Bradke, Musikspielmobil Düsseldorf
Eine intensive Arbeit mit Kindern findet nach Meinung von Michael Bradke sowohl bei seinen kommerziellen „Highlight-Aktionen“ als auch bei mehrtägigen Projekten statt. Je- des Spielmobil sollte ein eigenes Profil entwickeln und nicht dieselben Standard- Aktionen immer wieder von anderen abkupfern. Seiner Meinung nach entstehen die bes- ten Ideen durch die Zusammenarbeit mit den Kindern auf der Straße. Für solche Aktio- nen müssen allerdings finanzielle und zeitliche Freiräume vorhanden sein. Diese können durch gut bezahlte Aktionen bei großen Veranstaltungen geschaffen werden.
-Unentschieden: Ernst Muhr, Fratz Graz
In Österreich gibt es nur wenige Spielmobile, die von Kommunen betrieben werden. Es gibt dort vorwiegend sogenannte „kommerzielle Spielmobile“ von freien Trägern. Schwerpunkte der Arbeit sind Schulhoftourneen und Spielraumzurückgewinnung. Aus finanziellen Gründen müssen sich die Spielmobile aber auch kommerziell verkaufen, was nach Meinung von Ernst Muhr nicht gleichbedeutend mit Konsumorientierung ist. Seine langjährige Erfahrung erlaubt es ihm die Bedürfnisse der Kinder zu erkennen und dieses Wissen an die Veranstalter weiterzugeben. Dadurch stehen der Spaß, die Aktivität und die Kreativität der Kinder auch bei kommerziellen Veranstaltungen im Vordergrund.
3.3.4 Zusammenfassung
Nicht nur das Nichtvorhandensein von Aktionsräumen ist eine denkbar ungünstige Ent- wicklung für die Kinder. Die gesellschaftlichen Reaktionen auf diese unzureichenden Ver- hältnisse haben die Situation sogar noch verschlimmert. Durch die Schaffung von speziali- sierten Räumen und Attraktionen werden die Handlungsspielräume der Kinder derart be- grenzt und von der Realität abgesondert, dass die Basis der kindlichen Umwelt zunehmend ins Wanken gerät. Auch Spielmobile müssen sich dahingehend kritisieren lassen. Sie bie- ten nicht nur durch ihre reine Existenz Angriffsfläche für Kritiker, sondern scheinen auch in der praktischen Umsetzung dieser inszenierten Aktionen immer mehr zweifelhafte Me- thoden und Entwicklungen zu tolerieren. Im Abschnitt „Verwendung aufwendiger Materia- lien“ wurde deutlich, dass sich Spielmobile zunehmend von äußeren Einflüssen und Kon- kurrezgedanken leiten lassen. Das scheinbar unbeständige Werteempfinden führt schließ- lich zum Verkommen von Traditionen und Erfahrungen. Die Tendenz hinter anderen Trends herzulaufen und normierte Spielgeräte für sich arbeiten zu lassen lässt auf einen Mangel an Motivation bei den Mitarbeitern schließen. Der Abschnitt „Spezialisierte Spielmobile und Schule“ brachte folgende Erkenntnisse hervor: Zum einen müssen Spiel- mobile ständig um ihre Anerkennung und Gleichberechtigung in der Zusammenarbeit mit Schulen kämpfen. Sie werden überwiegend als Betreuungsangebot, für Spaß und Spiel eingesetzt. Dadurch bleibt die eigentliche Stärke, die kindgerechte Wissensvermittlung durch das Spiel verborgen. Gleichzeitig kann auch kritisiert werden, dass Spielmobile durch ihre Schulaktionen die Verbesserung der aktuellen Situation an Schulen verhindern.
Im Gegenteil: Das Streichen musischer Bereiche aus den Lehrplänen ist eine bedenkliche Entwicklung, die von Spielmobilen aufrecht erhalten werden. Der Abschnitt „Kommerziel- le Spielmobile“ macht deutlich, dass Spielmobile dem Grundgedanken nach weder Geld für ihre Leistungen verlangen sollten, noch ihre Arbeit auf leicht übertragbare Themen beschränken sollten. Dabei muss jedoch auch die aktuelle finanzielle Perspektive mitbe- dacht werden, wodurch das Thema „Kommerzielle Spielmobile“ in keinem Fall zu pau- schalieren ist.
Im folgenden Kapitel wir diese Problematik im „Spielehaus & Spielbus Friedrichshafen“ untersucht. Besonders interessant scheint dabei der Vergleich zwischen den theoretischen Zielen und der praktischen Umsetzung. Dabei soll ersichtlich werden inwieweit diese Einrichtung den gesellschaftlichen Auftrag an die Spielmobilarbeit erfüllt.
3.4 „Spielehaus & Spielbus Friedrichshafen“
3.4.1 Vorstellung der Einrichtung
Das 1979 eröffnete Spielehaus ist eine freizeitpädagogische Einrichtung für Kinder im Alter von 6 bis 13 Jahren. Von September bis Mai hat es von Mittwoch bis Freitag jeweils von 13.30 bis 17.00 Uhr geöffnet. In zahlreichen Räumen gibt es Werk- und Bastelangebo- te, an denen die Kinder teilnehmen können. Die Teilnahme bedarf keiner Anmeldung. Sämtliche Mitmachangebote sind zudem kostenfrei. Dadurch wird gewährleistet, dass auch Kinder aus finanziell schwächeren Familien an den Angeboten teilnehmen können. Die Kinder bestimmen ihre Freizeit im Spielehaus selbst. In den Räumen, im Hof oder im Gar- ten können sie außerdem spielen oder lesen. Es gibt einen kleinen Besucheranteil, der re- gelmäßig das Angebot des Spielehauses nutzt. Diese Kinder kommen in der Regel aus der unmittelbaren Umgebung. Sie kommen und gehen selbstständig. Die Einrichtung besuchen aber auch Kinder aus den umliegenden Stadtteilen und Gemeinden. Viele davon nutzen das Angebot eher sporadisch, da sie meist von den Eltern gebracht und auch wieder abgeholt werden müssen. Vorwiegend nutzen sechs bis zehnjährige Kinder das niederschwellige Angebot. Ältere Kinder kommen eher unregelmäßig ins Spielehaus. Einmal im Monat fin- den Aktionswochen statt, die thematisch orientiert sind. Aktuelles Beispiel im Januar 2006: "Abenteuer im ewigen Eis: Eine Reise durch das Land der Inuits“. Hinter dieser und ande- ren Aktionen steht eine pädagogische Konzeption. Die Bereiche der Natur, des Lebens, der Kultur und der Gesellschaft werden dabei durch den spielerischen Umgang geöffnet. Ein- mal im Monat zeigt das Kinderkino des Hauses ausgewählte Kinderfilme. Nach der Vor- stellung wird der Filminhalt medienpädagogisch nachbereitet. Zudem finden ein- bis zweimal in Jahr Schulklassenaktionen statt. Über einen Zeitraum von vier bis sechs Wo- chen ist der Spielbus vormittags an Schulen in Friedrichshafen unterwegs, um dort für ca. eine Stunde pro Klasse den Alltag der Kinder mit Spiel und Spaß aufzulockern. Dabei ist das pädagogische Konzept von grundlegender Bedeutung.
Der Spielbus ist der „mobile Arm“ des Spielehauses. Zwei Spielwagen, in denen sich zahl- reiche Spielgräte und verschiedenste Materialien befinden, werden von einem Traktor von Ort zu Ort gezogen. Darin befinden sich zahlreiche Spielgräte und verschiedenste Materia- lien. Von Mai bis Ende August finden auf insgesamt 16 Spielplätzen im Stadtgebiet Aktio- nen statt.
[...]
1 Beck, 1993, S. 21
2 In dieser Arbeit wird generell die maskuline Form verwendet, womit aber sowohl Frauen als auch Männer beschrieben werden.
3 vgl. http://www.uni-wuerzburg.de/sopaed1/vernooij/spiel/def.htm, vom 20.02.06
4 Deutsche Gesellschaft für Freizeit, 1986, S. 291
5 vgl. http://www.sign-lang.uni-hamburg.de/Projekte/SLex/SeitenDVD/Konzepte/L53/L5399.htm, vom 20.02.06
6 Fritz, 1991, S. 97
7 Beck, 1997, S. 13
8 Hauptamtliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen eines Spielmobils werden in den folgenden Texten mit dem Begriff „Spielmobiler“ beschrieben
9 vgl. Beck, 1996, S. 30
10 vgl. Fritz, 19991, S. 77-79
11 Brockhaus-Lexikon, 1994, S. 748
12 Fritz, 1991, S. 78 f.
13 vgl. Kluge, 1981, S. 31
14 vgl. Flitner, 1996, S. 59-66
15 vgl. Kluge, 1981, S. 31
16 vgl. Flitner, 1996, S. 66-70
17 Ebenda, 1996, S. 67
18 vgl. Kluge, 1981, S. 31
19 vgl. Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales, 1985, S. 7 - 13
20 vgl. Beck, 1997a, S.13 ff.
21 vgl. Schröder/Wiebusch/Zacharias, 1990 , S. 217
22 vgl. Beck, 1996, S. 19
23 vgl. Deutsches Kinderhilfswerk e.V , 1990, S. 211
24 Beck-Texte, 2003, S. 1060
25 vgl. ebenda, 2003, S. 1058 f
26 vgl. BAG Spielmobile e.V,. 2000, S. 10
27 Anhang VI.3, S. 55
28 vgl. Richard, 1980, S. 9 ff
29 vgl. Blinkert in Beck, 1995, S. 9 -13 (siehe auch Blinkert, Baldo: Aktionsräume von Kindern in der Stadt. Eine Untersuchung im Auftrag der Stadt Freiburg, 3. unveränderte Auflage, Freiburg 2005)
30 vgl. Richard, 1980, S. 9 ff
31 Beck, 1995, S. 11
32 vgl. Blinkert in Beck, 1995, S. 11
33 Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 1995, S.132
34 vgl. Bründel/Hurrelmann, 1996, S. 221
35 vgl. Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2002, S. 136 f
36 vgl. Blinkert in Beck, 1995, S. 11
37 Blinkert in: Beck, 1995, S. 11
38 vgl. Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales, 1985, S. 9
39 vgl. Anhang VI.2, S. 53 f.
40 vgl. Anhang VI.3, S. 56
41 vgl. URL:www.rp.baden-wuerttemberg.de/servlet/PB/menu/1156697/, vom 17.02.2006
42 vgl. Anhang VI.3, S. 56
43 vgl. Beck, 1997c, S. 24 ff
44 Beck, 1997c, S. 24
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