Es sollen im Verlauf der Arbeit folgende Fragestellungen beantwortet werden: Welche grundsätzlichen Anforderungen und Herausforderungen – v. a. auch im Rahmen der beruflichen Bildung, der Besonderheiten des Pflegeberufes sowie aufgrund der Lerngruppen – begegnen den Lehrenden der pflegerischen Ausbildung? Wie lassen sich die Herausforderungen begründen?
Hervorgehoben wird im Rahmen der Arbeit der Einsatz von Hunden, die aufgrund evolutionsbiologischer Charakteristika die Kooperation mit dem Menschen suchen und sich daher für die Zusammenarbeit mit Lehrenden und Auszubildenden besonders eignen. Des Weiteren soll die Arbeit zeigen, dass Schulhunde einen nützlichen Beitrag zur Begegnung mit heterogenen Merkmalen der Lernenden leisten können.
Dies meint beispielsweise den Umgang mit negativ geprägten Bildungsbiografien der Auszubildenden sowie mit Ängsten und Stresssituationen. Der Zugang zum Auszubildenden kann für den Lehrer mit einem Hund erleichtert werden und damit die Beziehungsbildung voranbringen. Auch die Beziehung zwischen den Schülern kann positiv gestaltet werden, um ein lernförderliches Klassenklima zu erzeugen. Der Hund hat hier die Aufgabe als „Brückenbauer“ zu fungieren.
Zunächst werden theoretische Grundlagen sowie Begründungen für das zu entwickelnde Konzept gelegt. Der zweite Teil der Arbeit ermöglicht eine Orientierung für das zu entwickelnde Konzept durch die Erläuterung bereits bestehender und empirisch fundierter Konzepte hundegestützter Interventionen. Im dritten Teil der Arbeit wird auf der Grundlage der Erkenntnisse der vorhergegangenen Kapitel, ein Konzept zum Einsatz von Schulhunden in der pflegeberuflichen Ausbildung entwickelt, um die initialen Fragestellungen zu beantworten und den Zielsetzungen konstruktiv zu begegnen. Das entwickelte Konzept gilt es abschließend kritisch zu bewerten sowie Desiderata aufzuzeigen.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemaufriss und Aktualität des Themas
1.2 Forschungsstand
1.3 Ziele und Fragestellung der Arbeit
1.4 Aufbau der Arbeit
Teil 1 – Theorie
2 Anforderungen und Herausforderungen im Setting Berufsfachschule der Pflegeausbildung
2.1 Grundlagen zur Sicherstellung der Qualität der beruflichen Ausbildung
2.2 Didaktische Grundlagen der beruflichen Bildung
2.3 Berufsfelddidaktische Grundlagen der Pflegeberuflichen Ausbildung
2.4 Lernende in den pflegeberuflichen Ausbildungen
3 Klärung von themenspezifischen Begrifflichkeiten
3.1 Entwicklung und Formen von tiergestützten Interventionen
3.2 Entwicklungen und Formen des hundegestützten Einsatzes
3.3 Fazit begriffliche Ausführungen
4 Theoretische Grundlagen zum Einsatz von Tieren
4.1 Theorien der Tier-Mensch-Beziehungen
4.1.1 Die Biophilie – Hypothese
4.1.2 DU-Evidenz und Anthropomorphismus
4.1.3 Oxytocin-System-Theorie
4.1.4 Bindungs- und Fürsorgeverhaltenssystem
4.2 Wirkungsweisen von Hunden auf den Menschen
4.2.1 Wirkungsweisen des Hundes auf die Kommunikation und Interaktion des Menschen
4.2.2 Wirkungsweisen des Hundes auf das Lern- und Leistungsverhalten des Schülers
4.2.3 Wirkungsweisen des Hundes auf die Reduktion von Stress- und Angstzuständen des Menschen
5 Zwischenfazit theoretischer Teil
Teil 2 – Praktische Bezüge
6 Praktische Umsetzung des hundegestützten Einsatzes
6.1 Hundegestützter Einsatz im therapeutischen Bereich
6.1.1 Hundegestützter Einsatz im Bereich der Psychotherapie
6.1.2 Hundegestützter Einsatz im Bereich der Pflege
6.2 Konzepte im pädagogischen Bereich
6.2.1 Die Tiergestützte Heilpädagogik nach Vanek-Gullner (2003)
6.2.2 Die Canepädagogik nach Möhrke (2012)
6.2.3 Die Multiprofessionelle Tiergestützte Intervention nach Handlos, Kryspin-Exner und Stetina (2005)
6.2.4 Das Fünf-Phasen-Modell nach Heyer, Kloke (2013)
6.2.5 Die Kynopädagogik nach Jablonowski, Köse (2017)
7 Zwischenfazit praktische Bezüge
Teil 3 – Konzeptentwicklung
8 Konzeptentwicklung zum Einsatz von Schulhunden in der pflegeberuflichen Ausbildung
8.1 Qualitätssicherung des Konzeptes
8.2 Strukturqualität
8.2.1 Allgemeine Zielsetzungen
8.2.2 Persönliche Voraussetzungen
8.2.3 Institutionelle Voraussetzungen
8.2.4 Gesetzliche Grundlagen und Versicherung
8.2.5 Prävention und Risikomanagement
8.2.6 Tierschutz und Tierethik
8.3 Planungsqualität
8.3.1 Bedingungsanalyse
8.3.2 Zielsetzungen
8.3.3 Analyse des didaktisch-methodischen Vorgehens anhand einer exemplarischen Lernsituation
8.3.4 Dokumentationsformen
8.3.5 Evaluation
9 Zwischenfazit Konzeptentwicklung
10 Schlussbetrachtung und Diskussion
10.1 Kritik an der eigenen Arbeit
10.2 Desiderat
10.3 Fazit und Ausblick
Quellenverzeichnis
Anhänge
Anhangsverzeichnis
Anhang 1: Selbstverpflichtung laut Bundesverband Tiergestützte Interventionen e.V. (BTI) (2019)
Anhang 2: Handlungssituation Frau Herbst
Anhang 3: Übersicht der exemplarischen Lernsituation
Abstract
Die aktuellen Entwicklungen in den pflegeberuflichen Ausbildungen gehen mit einer Veränderung des Schülerklientels einher. Durch heterogene Klassenverbände können Beziehungsbildungen und Interaktion zwischen den Akteuren erschwert sein. Dies hat wiederum negative Folgen auf das Wohlbefinden einzelner Schüler, was sich ebenso in einem negativen Klassenklima widerspiegelt. Lernprozesse können dadurch behindert werden. Neben den gesetzlich begründeten Anforderungen sollte der Lehrende stets diesen Anforderungen professionell und qualitätsorientiert begegnen, um den Lernprozess sicherstellen. Hinzu kommen die spezifischen Anforderungen der pflegeberuflichen Ausbildung, die es ebenfalls zu berücksichtigen gilt. Die konventionellen Methoden des Unterrichtens können mithilfe des Einsatzes eines Schulhundes neugestaltet werden. So wird der Lernprozess erneut positiv beeinflusst, durch eine Verbesserung der sozialen Interaktionen, des Klassenklimas sowie den Abbau negativer Emotion wie Ängste oder Stress. Diese Effekte lassen sich durch die empirisch belegten Wirkmechanismen begründen, die Hunde in der Zusammenarbeit mit Menschen auslösen können. Des Weiteren ermöglicht der Einsatz des Hundes einen Zugang zu spezifischen Aneignungsgegenständen des Pflegerischen, wie zum Beispiel das leibliche Handeln. Die Integration des Hundes in den pflegeberuflichen Unterricht der Berufsfachschule sollte jedoch professionell über ein theoretisch begründetes, didaktisches Konzept erfolgen. Das Konzept sollte neben den Anforderungen des Berufsfeldes ebenfalls das Prinzip der Handlungsorientierung sowie das Ziel der beruflichen Handlungskompetenz mitberücksichtigen.
Recent developments in training courses of caring professions include a change in the target group of students. Due to heterogenous classes, the development of relations and interactions between all participants can be exacerbated. This, on the other hand, has a negative impact on individual students, which might lead to a negative class atmosphere. Learning processes can be hindered. To ensure a safe learning process, teachers are supposed to meet all the requirements on a qualified and professional basis. Additionally, there are specific demands to be considered which come along with the structure of training courses in caring professions. Conventional teaching methods can be redesigned through the usage of a school dog. This influences not only the learning process positively, but also social interactions in between the classroom, the class atmosphere and even the reduction of anxieties and stress. These effects can be justified through empirical studies concerning cooperation strategies between humans and dogs. Moreover, employing dogs in vocational schools can be helpful for nursing trainees to acquire specific nursing subjects such as corporal acting. However, integrating a dog into caring classes at vocational schools should be based on a theoretically justified, and professional didactical concept. This concept should not only consider the specific requirements of the caring professions, but also the principle of practical orientation and professional action competence.
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abb. 1: Triade des Hundegestützten Einsatzes in der Therapie
Abb. 2: Interaktion zwischen Hund und Therapeut
Abb. 3: Interaktion zwischen Hund und Patient
Abb. 4: Interaktion zwischen Patient und Therapeut
Abb. 5: Interaktion zwischen Hund, Therapeut und Patient
Abb. 6: Zusammenfassung der Prinzipien des hundegestützten Einsatzes in der Therapie
Abb. 7: Teilaspekte der Pädagogik
Tab. 1: Historische Entwicklung Organisationen und Verbände der TGI
Tab. 2: Bereiche und Hauptziele des tiergestützten Einsatzes
Tab. 3: Lernziele der exemplarischen Lernsituation
1 Einleitung
1.1 Problemaufriss und Aktualität des Themas
Die berufliche Ausbildung von künftigen Pflegekräften ist im Rahmen des derzeit bereits präsenten Fachkräftemangels zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Die Forderungen werden gestellt, die Pflege sowie die Bereiche der pflegerischen Ausbildung – v.a. in der Altenpflege – attraktiver zu gestalten, mit dem Ziel potentielle Auszubildende zu begeistern. (vgl. BMFSFJ 2019a; 2019b S. 1f.) Mit der Komplexität, die dem professionellen Pflegehandeln innewohnt, wird allerdings auch die Ausbildung in ihrer Struktur, Methodik und ihren Inhalten kritisch beleuchtet und im Rahmen des neuen Pflegeberufegesetzes (PflBG) neu aufgearbeitet. (vgl. BMFSFJ 2019b, S. 1) Die berufliche Ausbildung in der Pflege entspricht in Teilen der Charakteristik der dualen Berufsausbildung, da auch hier die zwei Lernorte Schule und Betrieb vorgesehen sind. Dennoch sind die pflegeberuflichen Ausbildungen nicht im Berufsbildungsgesetz (BBiG) verankert. Im Freistaat Sachsen bildet das sächsische Schulgesetz unter anderem bei der Gliederung der Schularten das Fundament. (vgl. SMK 2018a) Die berufsspezifischen Gesetzesgrundlagen sind derzeit noch die bundeseinheitlichen Berufszulassungsgesetze – das Krankenpflegegesetz (KPflG) und das Altenpflegegesetz (APflG) – sowie die Schulordnung für die Berufsfachschule (BFSO), auf deren Grundlage auch die Krankenpflegehilfe geregelt ist, und die jeweiligen Ausbildungs- und Prüfungsverordnungen (AltPflAPrV, KrPflAPrV). (vgl. Ertl-Schmuck 2009, S. 119, vgl. SMK 2018b, vgl. BMJV 2016a, 2016b) Sowohl der Lernort Schule als auch der Betrieb Krankenhaus bzw. Altenpflegeheim bzw. Pflegedienst können auf einer öffentlichen oder privaten Trägerschaft beruhen und über Kooperationsverträge oder gebunden an die Institution Schule die pflegeberufliche Ausbildung gestalten. Unter anderem regelt die Gesetzeslage die Zugangsvoraussetzungen der Schüler1 zu den Pflegeberufen. Nach dem KPflG (vgl. BMJV 2017b, S. 9) berechtigen nachfolgende Abschlüsse zum Zugang zur Ausbildung als Gesundheits- und Krankenpfleger/ Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger:
„Realschulabschluss oder eine andere gleichwertige, abgeschlossene Schulbildung oder erfolgreicher Abschluss einer sonstigen zehnjährigen allgemeinen Schulausbildung oder Hauptschulabschluss oder eine gleichwertige Schulbildung, zusammen mit einer erfolgreich abgeschlossenen Berufsausbildung mit einer vorgesehenen Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren oder einer Erlaubnis als Krankenpflegehelferin oder Krankenpflegehelfer oder einer erfolgreich abgeschlossenen landesrechtlich geregelten Ausbildung von mindestens einjähriger Dauer in der Krankenpflegehilfe oder Altenpflegehilfe“ (ebd.).
Nach dem APflG (vgl. BMJV 2017a, §6) gelten diese Voraussetzungen auch für die Ausbildung von Altenpflegern. In der Krankenpflegehilfe wird mindestens ein Hauptschulabschluss oder ein jeweils gleichwertiger Bildungsabschluss gefordert. (vgl. Sächsisches Staatsministerium für Kultus und Sport 2011a, S. 19) Anhand der unterschiedlichen Voraussetzungen, eine pflegerische Ausbildung zu beginnen, zeigt sich bereits, wie vielfältig die Auszubildenden im Hinblick auf ihre Bildungsbiografien sein können. Dies hat weiteren Einfluss auf die Altersstruktur aber auch auf die Leistungsfähigkeit der Auszubildenden. (vgl. Evers et al. 2017, S. 12-15) So finden sich in Klassen der Pflegeausbildung unter Umständen 19-jährige Abiturienten ohne Erfahrungen auf dem Arbeitsmarkt gemeinsam mit 34-jährigen Mitschülern, deren Abschluss an der Oberschule mehrere Jahre zurückliegt und die ergänzend eine berufliche Qualifikation in der Krankenpflegehilfe mit mehrjähriger beruflicher Tätigkeit vorweisen können. Hinzu kommen Folgen aktueller demografischer Entwicklungen, die zu einer kulturellen Durchmischung der Klassenverbände führen. (vgl. ebd.) Auch differenzierte Persönlichkeitsmerkmale, die durch unterschiedliche Sozialisations- und Familienhintergründe entstanden sind, prägen das Bild der Gruppe der Auszubildenden. Dies sind Aspekte, die das Unterrichtsgeschehen, die gemeinsame Arbeit im Klassenverband sowie die Gestaltung von Interaktionen und Beziehungen beeinflussen. Lehrende von Pflegeberufen werden somit vor vielfältige Herausforderungen in Bezug auf den Schülerklientel gestellt und sind des Weiteren dazu verpflichtet, den gesetzlich geforderten Bildungsauftrag zu erfüllen und eine professionelle Pflegeausbildung im Setting Schule zu ermöglichen.
Im Rahmen der auf der Gesetzesgrundlage erstellten Lehrpläne wird die Kompetenzorientierung dieser deutlich. (vgl. SMK 2003, vgl. SMK 2005) Als das übergeordnete Bildungsziel gilt die berufliche Handlungskompetenz, die mit dem Erhalt des Examens erreicht werden soll. Nach Bader (1989) meint dies „die Fähigkeit und Bereitschaft des Menschen, in beruflichen Situationen sach- und fachgerecht, persönlich durchdacht und in gesellschaftlicher Verantwortung zu handeln sowie seine Handlungsmöglichkeiten ständig weiterzuentwickeln“ (Bader 1989, S. 74f.). Als spezifiziertes Ausbildungsziel wird beispielsweise durch den Lehrplan der Gesundheits- und Krankenpflege folgendes gefordert:
„Das Anliegen der Ausbildung besteht darin, bei den Schülerinnen und Schülern ein Pflegeverständnis entsprechend dem allgemein anerkannten Stand pflegewissenschaftlicher, medizinischer und weiterer bezugswissenschaftlicher Kenntnisse zu entwickeln sowie fachliche, personale, soziale und methodische Kompetenzen auszuprägen“ (SMK 2005, S. 5).
Die angestrebten Kompetenzen sind Bestandteil der beruflichen Handlungskompetenz. Bei der Humankompetenz (oder auch Selbst- oder Personalkompetenz) steht der Lernende als Person im Fokus. Personale Kompetenz „bezeichnet dessen Bereitschaft und Fähigkeiten mit den damit zusammenhängenden motivationalen und emotionalen Aspekten zu erkennen und sie bewusst zu entfalten“ (Riedel 2011, S. 39). Das Herausbilden der eigenen Identität durch die grundlegenden Wert- und Normvorstellungen wird damit beeinflusst. Kennzeichnend für diese Kompetenz sind Charakteristika wie Selbstvertrauen, Kritikfähigkeit, Zuverlässigkeit sowie Verantwortungs- und Pflichtbewusstsein. (vgl. ebd.) Als Sozialkompetenz bezeichnet Riedel „die Fähigkeit zum Umgang mit anderen Menschen“ (ebd.). Beziehungen mit anderen einzugehen und daran zu arbeiten ist zentraler Bestandteil dieser Kompetenz. Charakteristika wie Hilfsbereitschaft, Vertrauen, Kontakt- und Kommunikationsbereitschaft sowie der Umgang mit Konflikten ergänzen dies. (vgl. ebd.) Beide Kompetenzen sind eng miteinander verbunden und für spätere pflegerische Interaktion neben der fachlichen und technischen Komponente von großer Bedeutung.
Mit der Lernfeldorientierung der grundlegenden Lehrpläne der Pflegeausbildungen sowie der Kompetenzorientierung können – im Gegensatz zur Fachsystematik – weiter gefasste Lernziele formuliert werden, wodurch für den Lehrenden ein größerer Spielraum für die Ausgestaltung des Lehr-Lernarrangements entsteht. (vgl. Riedel 2011, S. 80f.) Auch gilt es, die Handlungsorientierung, die relevant für die Ausprägung der beruflichen Handlungskompetenz ist, didaktisch begründet und methodisch aufbereitet umzusetzen. (vgl. ebd.: 81) Es ist der Lehrer, der mit seinen Voraussetzungen (vgl. ebd.: 84ff.) mit der Frage der konkreten Umsetzung im Schulalltag konfrontiert wird. Er ist mitverantwortlich für optimale Lernmöglichkeiten der Auszubildenden – auch für die der Pflegeberufe – Sorge zu tragen. (vgl. KMK 2019, S. 3) Dies meint beispielsweise die Schaffung eines lernförderlichen Klimas sowie das Unterstützen der Lernmotivation und das Vermeiden und Reduzieren von für das Lernen hinderlichen Emotionen, wie Angst oder Stress. (vgl. ebd.) Allerdings gilt es auch zu berücksichtigen, wie diese Anforderungen im Rahmen der Handlungsorientierung im konkreten Unterrichtsgeschehen bei stark heterogenen Klassenverbänden und den damit verbundenen Herausforderungen umgesetzt werden können.
In der Berufsfachschule mit althergebrachten Strukturen des Unterrichtens ist es teilweise schwierig, als Lehrender diesen Anforderungen zu begegnen. Eine Option, um dies bewältigen zu können, kann der „Einsatz von Schulhunden [als] eine wirkungsvolle Ergänzung zum konventionellen Unterricht“ (Heyer, Kloke 2013, S. 11) darstellen. Die positiven Wirkungen von Tieren auf den Menschen werden zunehmend erforscht und werden wahrscheinlich von den meisten Haustierbesitzern bereits unbewusst wahrgenommen. Vor allem Hunde üben eine Vielzahl positiver Wirkungen auf die Emotionen und das Verhalten von Menschen aus, da diese Tiere aufgrund ihrer evolutionsbiologischen Herkunft als Rudeltier soziale Kontakte direkt suchen sowie Kooperationen mit Menschen sogar explizit anstreben. (vgl. Greiffenhagen, Buck-Werner 2009, S. 236) Auf internationaler Ebene, v.a. in Österreich sowie in den USA, sind tiergestützte Interventionen in Bereichen des Sozial- und Gesundheitswesens bereits anerkannt und werden u. a. im Rahmen der Lehrerbildung bereits an der Hochschule thematisiert und gefördert. (vgl. BMBF 2014, S. 6) Auch werden bereits in vielen Bereichen, die die Pflege betreffen, Tiere – im Speziellen Hunde – zur Assistenz oder zur Begleitung eingesetzt.
Das nachfolgende Kapitel gibt eine Übersicht über den aktuellen Forschungsstand zum Einsatz von tiergestützten Interventionen und deren Effekte und Auswirkungen auf den Menschen. Im Rahmen dieser Arbeit wird sich ausschließlich auf Studien, die den Einsatz von Hunden als tiergestützte Intervention erforschen, beschränkt.
1.2 Forschungsstand
Der US-amerikanische Kinderpsychologe Boris Levinson war der Vater des Einsatzes von Hunden im Rahmen der Psychotherapie. Eher zufällig bemerkte er die positiven Effekte von Hunden auf Menschen – in diesem Fall Kinder. Levinson betreute einen traumatisierten Jungen, der nicht zu sprechen vermochte. Zu einer Sitzung kam der Junge mit seinen Eltern zu früh zur Therapie und traf auf Jingles – Levinsons Hund. Jingles begrüßte den Jungen freudig und das Kind fing an zu sprechen. Ab diesem Moment wurde Jingles der treue Begleiter in den Therapiesitzungen von Levinson. (vgl. Kotrschal 2016, S. 46) Somit waren die Anfänge der hundegestützten Interventionen gelegt.
Der Einsatz von Hunden ist in verschiedenen Bereichen des Lebens zu finden, bspw. im Kindergarten, in der Schule und in Altenpflegeheimen. Hier wurden die Interventionen mit dem Hund in den letzten zwei Jahrzehnten zunehmend erforscht. So sind empirische Arbeiten über den Einsatz von Hunden in Pflegeheimen zu finden, ebenso in Krankenhäusern und Psychiatrien. Aber auch die Settings des Kindergartens, der Grundschule und der Universität werden nicht vernachlässigt. (vgl. Julius et al. 2014, S. 53-82)
Die Auswahl der Studien erfolgte unter Berücksichtigung folgender ausgewählter Qualitätskriterien. Die Studien mussten in einer peer-reviewten, wissenschaftlichen Zeitschrift veröffentlicht worden sein. Wenn dies nicht der Fall ist, wird dies in der Arbeit vermerkt. Ebenso wurde darauf geachtet, dass die ausgewählten Artikel einen Abstract besitzen und englischsprachige Schlüsselwörter enthielten. Im Rahmen der Recherche des Forschungsstandes wurde auf Fachbücher, die Forschungen zusammentragen, zurückgegriffen. Hierbei wurde darauf geachtet, dass die Studien unter den gleichen Qualitätskriterien ausgewählt wurden. Zu den Kriterien gehört ebenso das Forschungsdesign, das den Autoren erlaubt, eine gemessene Veränderung der Variablen als grundsätzliche Wirkungen der Mensch-Hund-Beziehung interpretieren zu können. Aus diesem Grund schlossen die Autoren Studien ohne Kontrollgruppen bzw. Kontrollbedingungen aus, da ohne diese Veränderungen der Variablen eine Interpretation nicht möglich ist. (vgl. Julius et al. 2014, S. 61f.) Als letztes Kriterium entschieden sich die Autoren dieser Arbeit für die Größe der Stichprobe. Ausgeschlossen wurden Studien, die weniger als 15 Teilnehmer vorweisen konnten. Diese dennoch geringe Stichprobengröße liegt zum einen an den neuen Forschungsinteressen der hundegestützten Interventionen. Zum anderen sind Studien mit einem großangelegten Format zu den Wirkungen von Mensch-Hund-Interaktionen oft schwer zu finanzieren. (vgl. ebd.: 62)
Wie oben beschrieben, ist der Einsatz eines Hundes bereits in verschiedenen Bereichen untersucht worden. Im weiteren Verlauf des Kapitels sollen die Ergebnisse der ausgewählten Studien näher beleuchtet werden.
Im Bereich der Pflege – im Speziellen in Pflegeheimen bei der Betreuung von Senioren – werden Hunde zunehmend häufiger eingesetzt. (vgl. Julius et al. 2014, S. 54) Banks und Banks untersuchten hundegestützte Interventionen mit Senioren in Pflegeheimen sowohl im Gruppen- als auch im Einzelsetting. Sie fanden heraus, dass der Einsatz von hundegestützten Interventionen v.a. im Einzelsetting zu einer signifikanten Reduktion von Einsamkeit führt. (vgl. ebd.) Fick beobachtete, dass Männer in Pflegeheimen vermehrt verbal mit anderen Gruppenmitgliedern interagierten, wenn ein Hund anwesend war. (vgl. ebd.: 56, 66) Zu ähnlichen Ergebnissen kamen auch Kramer, Friedmann und Bernstein. Sie untersuchten das Sozialverhalten von Seniorinnen, die an Demenz erkrankt waren und in einem Pflegeheim wohnten. Die Frauen erhielten Besuch in drei verschiedenen Konstellationen: entweder von nur einer Person allein oder die Person war in Begleitung eines realen Hundes oder die Person war in Begleitung eines Roboterhundes. Das Ergebnis war, dass in Anwesenheit eines realen Hundes vermehrt soziale Interaktionen stattfanden. Dies war ebenfalls in Anwesenheit des Roboterhundes zu beobachten. (vgl. ebd.: 58, 67) Ebenso fanden Cowley-Robinson, Fenwick und Blackshaw heraus, dass Bewohner in einem Pflegeheim mit einem Hund deutlich weniger angespannt und verwirrter waren als Pflegeheimbewohner ohne Hund. (vgl. ebd.: 72)
Aber nicht nur in Pflegeheimen werden Hunde zunehmend häufiger eingesetzt, sondern auch in Krankenhäusern und psychiatrischen Einrichtungen. In diesem Bereich forschten Haughie, Milne und Elliot. Ihre Daten zeigen, dass stationär untergebrachte Psychiatriepatienten bei der Anwesenheit eines Hundes vermehrt gemeinschaftlich interagieren. (vgl. ebd.: 66) Aber der Hund erzielt nicht nur Wirkungen im Bereich der sozialen Interaktion, sondern auch im Rahmen der Reduktion von Angst und Furcht. So führten Barker, Pandurangi und Best ein Experiment durch. Sie untersuchten, ob sich die subjektiv empfundene Angst und Furcht bei Psychiatriepatienten vor einer Elektrokrampftherapie senken ließ. So durften die Patienten vor ihrer Behandlung 15 Minuten mit einem Hund interagieren. Die Forscher kamen zu dem Ergebnis, dass die Angst sich signifikant verringerte. (vgl. ebd.: 71) Eine andere Studie untersuchte das Angstempfinden bei stationär aufgenommen Herzpatienten. Die Patienten bekamen von einer fremden Person Besuch – einmal mit einem Hund und einmal ohne. Das Angstniveau bei einem Besuch in Begleitung des Hundes wurde am stärksten reduziert. (vgl. ebd.: 71) Bei Herzpatienten wurde ebenfalls die Konzentration von Kortisol, Adrenalin und Noradrenalin im Blutplasma bei Konfrontation mit einem Stressor untersucht. Die Patienten begegneten dem Stressor einmal in Begleitung eines Hundes und einmal ohne den Hund. Die Ergebnisse waren auch eindeutig: In Begleitung des Hundes sanken die Werte der Kortisol-, Adrenalin- und Noradrenalinkonzentration im Blutplasma, was auf eine eindeutige Verminderung der Stressreaktion schließen lässt. (vgl. ebd.: 80)
Neben den Forschungsfeldern der Pflegeheime, Krankenhäuser und psychiatrischen Einrichtungen wurden ebenfalls eine Vielzahl an Studien in Kindergärten und Grundschulen durchgeführt. Hier wurden v. a. Kinder im Alter zwischen zwei bis sechs Jahren als Stichprobe ausgewählt. (vgl. Julius et al. 2014, S. 54-61) In den neunziger Jahren wurden hauptsächlich die Wirkungen von Hunden auf die sympatho-adrenerge Stressachse untersucht. Nagengast, Baun, Megel und Leibowitz erfassten die Herzfrequenz und den Blutdruck bei Kindern während medizinischer Untersuchungen. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass sowohl die Herzfrequenz als auch der systolische Blutdruck bei der Anwesenheit von Hunden signifikant gesunken ist. (vgl. ebd.: 77) Einen gleichartigen Ansatz wählten ebenfalls Hansen, Messenger, Baun und Megel. Auch hier wurden die Herzfrequenz, der Blutdruck und die Körpertemperatur von Kindern während einer medizinischen Untersuchung gemessen. Diesmal konnten keine Unterschiede zwischen der Interventions- und der Kontrollgruppe erkannt werden. Allerdings ließen konkrete Beobachtungen des Verhaltens der Kinder die Forscher darauf schließen, dass das Stressniveau der Kinder, die während der medizinischen Untersuchung einen Hund in ihrer Umgebung hatten, geringer ausfiel. (vgl. ebd.: 77f.) Auch hier lassen die Forschungsergebnisse die Interpretation zu, dass zu den positiven Wirkungen der hundegestützten Interventionen die Stressminderung zählt. Dies zeigt auch die Studie von Beetz et al. In dieser Studie wurden unsicher gebundene männliche Kinder einer stressinduzierten sozialen Situation ausgesetzt. Eine Gruppe der Jungen wurden von einem Hund begleitet, die Kontrollgruppe von einer Studentin. Beetz et al. ließen den Kortisolspiegel im Speichel der Probanden messen. Die gemessenen Ergebnisse zeigen, dass der Kortisolspiegel der Jungen, die von dem Hund begleitet wurden, signifikant geringer war. Dieses Ergebnis lässt darauf schließen, dass der Kontakt und die Interaktion mit einem Hund zu einer deutlichen Reduktion der hormonellen Stresssymptome führen. (vgl. ebd.: 81) Eine weitere Wirkung, die bei Kindern erforscht wurde, ist die Auswirkung von Hunden auf das Lernen und auf die sozialen Kontakte von Kindern. Kurt Kotrschal und Brita Ortbauer untersuchten die Kurzzeiteinflüsse von Hunden auf das Sozialverhalten von Grundschülern an einer Wiener Volksschule. Der Hund begleitete die Schüler über vier Wochen. Dreimal in einer Woche zeigte der Hund in einer Unterrichtsstunde Präsenz. Kotrschal und Ortbauer kamen zu folgenden Ergebnissen: Die Beziehung der Schüler zum Hund fiel sehr individuell aus. Ebenso stellten sie unterschiedliche Auswirkungen auf die Lernenden fest. Durch das differenzierte Verhalten der Schüler in den Interaktionen mit dem Hund wurde das Verhalten in der gesamten Klasse harmonischer. So kamen ruhige und unbeteiligte Schüler aus ihrer Isolation heraus und nahmen vermehrt am Klassengeschehen teil. Auf der anderen Seite wurden verhaltensauffällige, laute und sehr bewegungsaktive Schüler weniger auffällig. Bei dieser Gruppe konnten die stärksten Wirkungen bzgl. des Verhaltens der Schüler festgestellt werden. Es wurden mehr positive Sozialkontakte beobachtet, die Aufmerksamkeit gegenüber der Lehrerin steigerte sich, da sie auch als „Herrin“ des Hundes wahrgenommen wurde. (vgl. Kotrschal, Ortbauer 2003, S. 270ff.) Diese Ergebnisse zeigen eine deutliche Verbesserung des Klassenklimas sowie der sozialen Interaktionen. Die vermehrte Aufmerksamkeit gegenüber der Lehrperson lässt ebenfalls auf verbesserte Lernprozesse schließen. (vgl. Julius et al. 2014, S. 69) Julius et al. (2014) fanden in einer Reihe von Studien weitere Daten, die auf eine positive Veränderung „zwischenmenschlicher, sozialer Interaktionen“ (ebd.: 67) in Anwesenheit eines Hundes schließen lassen. Die Studie von Hergovich, Monshi, Semmler und Zieglmayer stellt heraus, dass die Schüler in einer ersten Klasse laut den Beobachtungen der Lehrkraft besser in das soziale Gefüge integriert waren, wenn ein Hund Präsenz zeigte. (vgl. ebd.) Diese Beobachtungen bestätigte ebenfalls die Studie von Kotrschal und Ortbauer (2003). Um den Effekt auf das verbesserte Lernen zu beleuchten, wird die Studie von Gee, Harris und Johnson angebracht. Die Forscher fanden heraus, dass Kinder motorische Geschicklichkeitsaufgaben im Beisein eines Hundes schneller lösten. Es gibt zwei Interpretationsansätze für dieses Ergebnis. Zum einen können die Kinder durch den Hund motivierter gewesen sein. Zum anderen kann der Hund zur Stressreduktion des Kindes beim Erfüllen der Aufgabe beigetragen haben. (vgl. ebd.: 68f.) Eine weitere Wirkung wurde erforscht: die Empathiefähigkeit. In diesem Bereich der Wirkungen ist zu erklären, dass dieses spezielle Gebiet aktuell noch zu wenig erforscht ist und die Messung der Empathiefähigkeit die Forscher vor eine große Herausforderung stellt. Aus diesem Grund gibt die folgende Studie nur einen Hinweis auf die gesteigerte Empathiefähigkeit und die Herausbildung dieser. Hergovich untersuchte in einer Grundschule Erstklässler über einen Zeitraum von drei Monaten. Diese Klasse wurde in dieser Zeit von einem Schulhund begleitet. Innerhalb dieses Zeitraums beobachteten die Forscher vermehrte Empathie und eine Feldunabhängigkeit bei den Kindern. (vgl. ebd.: 70) „Mit dem Konstrukt Feldunabhängigkeit wird die Fähigkeit beschrieben, Selbst und Nicht-Selbst voneinander zu trennen. Sie ist somit eine Grundvoraussetzung für das Erkennen von Stimmungen und Bedürfnissen anderer Personen und kann damit als Indikator für Empathie dienen“ (ebd.).
Ein weiteres Feld, das ebenso erforscht wurde und im Rahmen der Arbeit aufgegriffen werden soll, ist der hundegestützte Einsatz bei Studenten und Erwachsenen. Auch hier wurden sowohl die hormonellen als auch die Wirkungen auf der sympatho-adrenergen Stressachse untersucht. Vormbrock und Alf untersuchten in den achtziger Jahren, wie sich der Kontakt zu Hunden auf den Blutdruck der Studenten auswirkte. Sie ließen die Studenten vier Versuchsbedingungen durchlaufen und erhoben die Blutdruckwerte der Studenten entweder beim Streicheln eines Hundes, beim Lesen, beim Ausruhen und beim Unterhalten. Das Ergebnis zeigte, dass beim Streicheln eines Hundes der Blutdruck am niedrigsten war. (vgl. Julius et al. 2014, S. 57) Vormbrock und Grossberg kamen drei Jahre später in ihrer Versuchsreihe zu ähnlichen Ergebnissen: Eine Gruppe der Studenten durfte nur über Augenkontakt mit dem Hund interagieren, die zweite Gruppe nur sprachlich und bei der dritten Gruppe lief die Interaktion nur über den körperlichen Kontakt. Die Forscher kamen zu dem Ergebnis, dass der Blutdruck am niedrigsten war, wenn die Studenten körperlichen Kontakt zu dem Hund hatten. (vgl. ebd.: 76) Eine weitere Studie, die die hormonellen Wirkungen von hundegestützten Interventionen untersuchte, ist die Studie von Barker, Knisley, McCain und Best. Sie untersuchten bei Pflegekräften den Kortisol-, Adrenalin- und Noradrenalinspiegel. Die Interventionsgruppe durfte 20 Minuten mit einem Therapiehund interagieren und die Kontrollgruppe ruhte für 20 Minuten ohne Anwesenheit eines Hundes. Die Kortisol-, Adrenalin- und Noradrenalinwerte wurden vor, während und nach der Intervention im Blutserum gemessen. Ebenso wurde das Speichelkortisol erfasst. Die Ergebnisse waren nur bei dem Speichelkortisol eindeutig gesunken. Die Forscher interpretierten die Ergebnisse als stresssenkende Indikation für die Anwesenheit des Hundes. (vgl. ebd.: 80) Neben den sympatho-adrenergen und hormonellen Wirkungen eines Hundes gibt es aber auch noch Untersuchungen bzgl. einer erhöhten Vertrauenswürdigkeit von Menschen in Begleitung eines Hundes. Guenguen und Ciccotti untersuchten in Form von mehreren Experimenten, ob sich das Sozialverhalten von Menschen in Begleitung und Anwesenheit eines Hundes veränderte. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass ein Hund das soziale Annäherungsverhalten unterstützt und ein fremder Mensch zudem vermehrt positiv bewertet wird, wenn er in Begleitung eines Hundes ist. So werden fremden Menschen in Begleitung eines Hundes mehr Vertrauen und mehr Sympathie entgegengebracht. (vgl. ebd.: 73)
Die aktuelle Studienlage zeigt eine Fülle an positiven Wirkungen bei der Umsetzung von hundegestützten Interventionen – begonnen bei den grundsätzlichen hormonellen Effekten sowie weiterführend auf der komplexeren sympatho-adrenergen Stressachse. Diese Ergebnisse lassen auf eine körperliche Reduktion von Stress auf den Körper schließen. Weitere Vorteile des Einsatzes eines Hundes zeigen sich im Bereich der sozialen Interaktion. Dieser Bereich ist unabhängig von Altersstrukturen, Krankheiten und Bildungsniveaus. Dementsprechend konnten Wirkungen sowohl bei Kindern, Erwachsenen, Senioren mit und ohne eine Demenzerkrankung als auch bei psychisch Erkrankten festgestellt werden. Dasselbe gilt ebenfalls für die Reduktion von Angst und Furcht. Auch hier wurden keine Unterschiede in der Altersstruktur festgestellt. Ebenso wurden positive Ergebnisse im Bereich der Vertrauensbildung und der Ausbildung von Empathie geliefert. Diese beiden Bereiche benötigen weitere Forschungen, um empirische Aussagekraft zu entwickeln. Aktuell liefern sie eine Idee und eine Möglichkeit einer positiven Wirkung.
In der aktuellen Forschungslage fehlt derzeit die spezifischere Untersuchung des Einsatzes von Hunden im berufsbildenden Bereich. Anhand der Ergebnisse der dargelegten Studien können diese jedoch auch auf die Schüler der Berufsbildung übertragen werden. Aus dem aktuellen Forschungsstand wird ersichtlich, dass physiologisch positive Wirkungen unabhängig von Altersstrukturen auftreten und an kein spezifisches Setting gebunden sind. Des Weiteren gibt es keinen aktuellen Forschungsstand im Bereich des pädagogischen und didaktischen Einsatzes von Hunden in der Schule.
Im weiteren Verlauf der Arbeit wird vereinzelt auf die vorgestellten Studien in den jeweiligen Kapiteln vertiefend eingegangen.
1.3 Ziele und Fragestellung der Arbeit
Als Ausgangslage der Arbeit dient die Annahme, dass der herrschenden Komplexität der pflegeberuflichen Ausbildung (vgl. Ertl-Schmuck 2009, S. 7f.) mit professionellem Lehrhandeln begegnet werden muss. Anhand des Kapitels 1.1 wurde diese Komplexität bereits in Ansätzen deutlich. Es sollen nun im Verlauf der Arbeit folgende Fragestellungen beantwortet werden: Welche grundsätzlichen Anforderungen und Herausforderungen – v. a. auch im Rahmen der beruflichen Bildung, der Besonderheiten des Pflegeberufes sowie aufgrund der Lerngruppen – begegnen den Lehrenden der pflegerischen Ausbildung? Wie lassen sich die Herausforderungen begründen?
Hervorgehoben wird im Rahmen der Arbeit der Einsatz von Hunden, die aufgrund evolutionsbiologischer Charakteristika die Kooperation mit dem Menschen suchen und sich daher für die Zusammenarbeit mit Lehrenden und Auszubildenden besonders eignen. (vgl. Kapitel 1.2) Der Schulhund kann unter anderem einen Beitrag zur Herausbildung der gesetzlich geforderten Personal- und Sozialkompetenz künftiger Pflegekräfte leisten, da er auf entsprechende Eigenschaften wie Verantwortungs- und Pflichtbewusstsein positiv einwirkt. (vgl. Vernooij, Schneider 2018, S. 177)
Es besteht nun bei den Autoren dieser Arbeit die Annahme, dass durch den gezielten Einsatz von Schulhunden den berufsspezifischen Anforderungen und Herausforderungen begegnet werden kann. Allerdings wird anhand des oben angeführten Forschungsstandes bereits deutlich, dass die wissenschaftlichen Untersuchungen sich überwiegend auf die Zusammenarbeit zwischen Tieren – im Speziellen Hunden – und Kindern bzw. Jugendlichen beziehen und im pädagogischen Setting für „ältere“ Lernende lediglich Untersuchungen an einer Universität bei Studenten durchgeführt wurden. Der berufsbildende Bereich wurde bisher nicht berücksichtigt. Durch die vorliegende Arbeit soll nun beantwortet werden: Inwiefern wirken insbesondere Hunde begünstigend auf Lehr-Lernprozesse, die auch für den pflegeberuflichen Bildungsbereich von Bedeutung sind? Welche evaluierten Theorien und Konzepte zum hundegestützten Einsatz bzw. zur hundegestützten Zusammenarbeit mit dem Menschen existieren bereits, die jene Wirkungen in den Fokus nehmen, die für das Lernen nutzbringend sind? Inwieweit sind diese übertragbar für den Bereich der pflegeberuflichen Ausbildung?
Des Weiteren soll die vorliegende Arbeit zeigen, dass Schulhunde einen nützlichen Beitrag zur Begegnung mit heterogenen Merkmalen der Lernenden leisten können. Dies meint beispielsweise den Umgang mit negativ geprägten Bildungsbiografien der Auszubildenden sowie mit Ängsten und Stresssituationen. Der Zugang zum Auszubildenden kann für den Lehrer mit einem Hund erleichtert werden und damit die Beziehungsbildung voranbringen. Auch die Beziehung zwischen den Schülern kann positiv gestaltet werden, um ein lernförderliches Klassenklima zu erzeugen. Der Hund hat hier die Aufgabe als „Brückenbauer“ zu fungieren. Doch wie kann dies im Unterricht und auch in den Pausenzeiten gefördert werden? Welche didaktisch-methodische Gestaltung ist mit dem Einsatz eines Hundes im Setting Schule sinnvoll, um heterogenen Merkmalen begegnen zu können? Um qualitätsorientiert und professionell als Lehrender handeln zu können, sollte jedoch ein grundlegendes didaktisches Konzept existieren, mit dem sich die Lehr-Lernhandlungen theoretisch und wissenschaftlich fundiert begründen lassen. (vgl. Gröschke In: Möhrke 2012, S. 75) Wie sollte ein solches Konzept zum Einsatz von Schulhunden gestaltet sein, um diesen Ansprüchen gerecht zu werden? Wie kann den Anforderungen und Herausforderungen der pflegeberuflichen Ausbildung mithilfe des Konzeptes didaktisch-methodisch begegnet werden?
Bestandteil professionellen Lehrerhandelns ist es, kreativ mit Ressourcen umzugehen und diese didaktisch begründet einzusetzen, um die Weiterentwicklung von Schule voranzutreiben. (vgl. Riedel 2011, S. 86) Riedel bezeichnet dies als Innovationskompetenz. (vgl. ebd.) Ein solches Vorgehen weicht konventionelle Herangehensweise des Unterrichtens auf. Dies ist zum einen motivationspsychologisch günstig, da neue Reize – wie im Rahmen der vorliegenden Arbeit der Einsatz des Hundes – den Aspekt der Interessantheit einer Lernsituation beeinflussen können. (vgl. ebd.) Die vorliegende Arbeit soll nun eine Option darlegen, Strukturen des konventionellen pflegeberuflichen Unterrichts sinnvoll und begründet zu ergänzen, um der Innovationskompetenz und somit einem Teil der Kompetenzanforderung an professionelle Lehrende Rechnung tragen zu können. Sie präsentiert Ergebnisse bezüglich des Einsatzes von Schulhunden in der pflegeberuflichen Ausbildung im Setting der Berufsfachschule und gibt daraufhin Empfehlungen für die praktische Umsetzung.
1.4 Aufbau der Arbeit
Entsprechend der zu beantworteten Frage- und Zielstellungen, gestaltet sich der Aufbau der Arbeit. Zunächst werden theoretische Grundlagen sowie Begründungen für das zu entwickelnde Konzept gelegt. Aufgrund dessen klärt das zweite Kapitel die Fragen, welche gesetzlichen, didaktischen und berufsfeldspezifischen Anforderungen in der theoretischen pflegeberuflichen Ausbildung an den Lehrenden gestellt werden und welchen Herausforderungen für die Lern- und Bildungsprozesse es zu begegnen gilt. Hier werden mögliche Anknüpfungspunkte für den Einsatz des Schulhundes herausgearbeitet. Im nachfolgenden Kapitel wird der Fokus themenspezifisch auf die tiergestützten Interventionen gelegt, deren Betrachtung für die theoretische Fundierung des Konzeptes unerlässlich ist. Näher erläutert werden die Entwicklungen, die Formen und die derzeit gängigen – und doch diffusen – Begrifflichkeiten tiergestützter Interventionen. Des Weiteren erfolgt eine Orientierung an Formen des Einsatzes von Hunden. Es wird geklärt, in welchen Bereichen und unter welchem Verständnis das zu entwickelnde Konzept zum Einsatz des Schulhundes betrachtet wird. Im letzten Kapitel der theoretischen Begründung der Arbeit werden die Grundlagen der Tier-Mensch-Beziehung näher betrachtet. Hierbei werden verschiedene Theorien erläutert, die das Verständnis und den Nachvollzug der Entstehung außergewöhnlicher Beziehungen zwischen Menschen und Tieren im Allgemeinen ermöglichen soll. Des Weiteren wird sich explizit zu den Wirkungsweisen eines Hundes auf den Menschen geäußert. Dabei werden Wirkungsweisen in den Bereichen näher erklärt, die in pflegerischen Lern- und Bildungsprozessen von Bedeutung sind. Beispielsweise werden die Bereiche, die grundlegend für das Ermöglichen des Lernens sind, thematisiert. Dazu zählen u. a. die angeregte Aufmerksamkeit der Lernenden, die Reduktion von Ängsten und Stress, die Förderung sozialer Interaktionen zwischen allen beteiligten Akteuren sowie die Unterstützung kommunikativer Prozesse.
Der zweite Teil der Arbeit ermöglicht eine Orientierung für das zu entwickelnde Konzept durch die Erläuterung bereits bestehender und empirisch fundierter Konzepte hundegestützter Interventionen. Hier werden Umsetzungen der Interventionen im therapeutischen Bereich – bspw. der Ergo- und Psychotherapie, dem pflegerischen Bereich sowie dem pädagogischen Bereich näher vorgestellt. Zentrale Aspekte werden daraufhin herausgearbeitet und anschließend auf das zu entwickelnde Konzept für die pflegeberufliche Ausbildung übertragen.
Im dritten Teil der Arbeit wird auf der Grundlage der Erkenntnisse der vorhergegangenen Kapitel, ein Konzept zum Einsatz von Schulhunden in der pflegeberuflichen Ausbildung entwickelt, um die initialen Fragestellungen zu beantworten und den Zielsetzungen konstruktiv zu begegnen. Dabei wird sich an den Dimensionen gesetzlich geregelter schulischer Qualität orientiert, um diese entsprechend bei der Konzeptentwicklung und -umsetzung zu gewährleisten und transparent zu gestalten. Im Detail bedeutet dies: Es werden rechtliche, ethische und hygienische Grundlagen und Richtlinien festgelegt. Ebenso werden Rahmenbedingungen am Setting Schule sowie die Anforderungen und Voraussetzungen an das Mensch-Hund-Team näher beleuchtet. Um die Einhaltung der Richtlinien zu gewährleisten, ist eine Sicherung der Qualität des Konzeptes von enormer Bedeutung. Somit werden die Rahmenbedingungen für den Einsatz eines Schulhundes an der Berufsfachschule gelegt. Mithilfe einer exemplarischen Lernsituation erfolgt die didaktische Aufbereitung des Schulhundeinsatzes. Hierbei wird sowohl der Bereich des Unterrichtes als auch der Pause mit aufgegriffen.
Das entwickelte Konzept gilt es abschließend kritisch zu bewerten sowie Desiderata aufzuzeigen.
Teil 1 – Theorie
2 Anforderungen und Herausforderungen im Setting Berufsfachschule der Pflegeausbildung
2.1 Grundlagen zur Sicherstellung der Qualität der beruflichen Ausbildung
Sowohl die Altenpflege- als auch die Gesundheits- und Krankenpflegeausbildung sind bundeseinheitlich geregelt und in den jeweiligen Gesetzen – KrPflG bzw. APflG mit den jeweiligen Ausbildungs- und Prüfungsverordnungen (AltPflAPrV, KrPflAPrV) – verankert. (vgl. Ertl-Schmuck, Fichtmüller 2009, S. 119)
Die Umsetzung dieser Gesetze erfolgt jedoch länderspezifisch. Weitere rechtliche Grundlagen sind aufgrund des im Grundgesetz (GG) Artikel sechs sowie 30 verankerten Bildungsföderalismus die Schulgesetze des entsprechenden Bundeslandes (vgl. BMJV 2019) sowie die Schulordnung für die Berufsfachschule (BFSO). (vgl. SMK 2018b) Im ersten Artikel des sächsischen Schulgesetzes ist der grundsätzliche Erziehungs- und Bildungsauftrag festgeschrieben, der für sämtliche Schulformen verbindlich ist: „Die Schule fördert die Lernfreude der Schüler. Mit der Vermittlung von Alltags- und Lebenskompetenz und durch Berufs- und Studienorientierung bereitet sie die Schüler auf ein selbstbestimmtes Leben vor. […] Die Schüler sollen insbesondere lernen, […] selbstständig, eigenverantwortlich und in sozialer Gemeinschaft zu handeln, […] für sich und gemeinsam mit anderen zu lernen und Leistungen zu erbringen, […] die eigene Wahrnehmungs-, Empfindungs- und Ausdrucksfähigkeit zu entfalten [sowie] kommunikative Kompetenz und Konfliktfähigkeit zu erwerben, […]“ (SMK 2018a).
Im neunten Artikel des sächsischen Schulgesetzes wird der Auftrag der Berufsfachschule festgeschrieben, die als Institution für die theoretische Ausbildung der Schüler zuständig ist: „In der Berufsfachschule werden die Schüler in einen oder mehrere Berufe eingeführt oder für einen Beruf ausgebildet. Außerdem wird die allgemeine Bildung gefördert“ (ebd.).
Jede Schule ist laut ihres Erziehungs- und Bildungsauftrages verpflichtet, ein individuelles pädagogisches Konzept zu entwickeln. (vgl. ebd.: §3a) Des Weiteren organisiert und gestaltet jede Schule den Unterricht auf Grundlage der jeweiligen Lehrpläne (vgl. ebd.) – im Rahmen dieser Staatsexamensarbeit exemplarisch herangezogen: der Lehrplan der Altenpflege. „Die pädagogischen, didaktischen und schulorganisatorischen Grundsätze zur Erfüllung des Erziehungs- und Bildungsauftrages im Rahmen der zur Verfügung stehenden Ressourcen legt die Schule in einem Schulprogramm fest“ (ebd.). Die Schulaufsichtsbehörde und die Schulen sind in der Pflicht, die Qualität kontinuierlich zu verbessern und sichern mittels interner und externer Evaluation die Umsetzung des Erziehungs- und Bildungsauftrages. (vgl. ebd.) Die „oberste Schulaufsichtsbehörde kann externe Evaluation und Untersuchungen zu Schülerleistungen anordnen sowie die Auswahl der teilnehmenden Schulen auf die Schulaufsichtsbehörde übertragen“ (ebd.).
Bindend im Freistaat Sachsen ist dafür die Kriterienbeschreibung des Landesamtes für Schule und Bildung (LaSuB 2018). Diese fungiert als ein Bezugsrahmen für die Beurteilung schulischer Qualität und bildet des Weiteren die Grundlage für konzeptionelle Weiterentwicklungen. Außerdem orientiert sie sich an den Inhalten für die Qualitätsentwicklungsprozesse an den Schulen und unterstützt und berät diese thematisch. (vgl. LaSuB 2018) Die jeweiligen Schulprogramme, Bildungsstandards der Länder sowie die Lehrpläne bilden die Bezugspunkte für die Überprüfung der Schulqualität. (vgl. ebd.: 5) Schulqualität meint: „Die Qualität eines Ergebnisses oder Prozesses gilt dann als gegeben, wenn sie den Anforderungen und Erwartungen entspricht. In die Definition schulischer Qualität fließen Anforderungen und Erwartungen in Form von Wert- und Zielvorstellungen aller an Bildung interessierten Gruppierungen ein“ (ebd.). Die schulische Qualität wird im Rahmen eines politischen Prozesses ausgehandelt. (vgl. ebd.) Die Erwartungen an die Ergebnisse schulischer Arbeit werden in den Bildungs- und Erziehungszielen des Sächsischen Schulgesetzes festgesetzt, die bereits oben angeführt wurden. (vgl. ebd.) Auch lassen sich die Anforderungen an die jeweiligen Prozesse der Qualitätssicherung durch wissenschaftliche Erkenntnisse ableiten. Inhaltlich erfolgt in der Kriterienbeschreibung eine erste Unterteilung in Qualitätsbereiche, wie zum Beispiel Lehren und Lernen, Schulkultur, Management und Führung, Kooperation und Entwicklung der Professionalität. (vgl. ebd.) Diese Bereiche beziehen sich auf die Prozesse, die in der Schule stattfinden. Der Bereich der Ergebnisse bezieht sich auf die Resultate, die aus den Prozessen hervorgehen. (vgl. ebd.) Die festgelegten Qualitätsbereiche werden in verschiedene Qualitätsmerkmale unterteilt, die konkret beschreiben, wodurch sich schulische Qualität auf der Prozess- und Ergebnisebene auszeichnet. (vgl. ebd.) Des Weiteren bilden sie eine Ordnungsfunktion für die Qualitätskriterien. (vgl. ebd.) Die „einschlägige Forschung zu Erfolgsfaktoren schulischen Wirkens“ (ebd.) bilden die Grundlage dieser Kriterien. Auch sind sie lerntheoretisch und erziehungstheoretisch fundiert. (vgl. ebd.)
Beispielsweise zählen Sozial-, Methoden- und Lernkompetenz als Kriterien für die Erfüllung des gesetzlich festgelegten Bildungs- und Erziehungsauftrages, der den Qualitätsbereich der Ergebnisse repräsentiert und die wiederum für den Ausbildungserfolg der jeweiligen Institution stehen. (vgl. ebd.: 6, 10) Ein weiteres Kriterium zur Sicherstellung von Lehr- und Lernprozessen im Qualitätsbereich des Lehrens und Lernens ist das Fördern intrinsischer Motivation. Diese „stellt eine zentrale Komponente des selbstbestimmten Lernens dar. Intrinsische Motivation liegt vor, wenn Lernende eine Lernhandlung durchzuführen wünschen oder beabsichtigen, weil die Handlung an sich bereits als interessant, spannend oder herausfordernd erscheint. […] Mit Blick auf den Lernerfolg sind die Vorzüge der intrinsischen gegenüber der extrinsischen Motivation belegt“ (ebd.: 19). Dies gelingt durch das Aktivieren von Interesse oder auch durch die Stärkung des Selbstkonzeptes. (vgl. ebd.) Dem Selbstkonzept kommt dabei eine sehr wichtige Bedeutung zu, denn im Bereich der beruflichen Bildung hat die zunehmende Selbstübernahme der Lernhandlung eine zentrale Bedeutung für das Erlangen der beruflichen Handlungskompetenz: „Durch die Stärkung des Selbstkonzeptes können die intrinsische Motivation und die Fähigkeit zur Selbstkontrolle beim Lernen erhöht werden. Lob, Anerkennung, konstruktive Kritik und das Aufzeigen von Verbesserungsmöglichkeiten sollen die Schülerinnen und Schüler dazu befähigen, selbstgesteuert bzw. selbstbestimmt zu lernen und zu arbeiten“ (ebd.). Des Weiteren gilt es, Lernprozesse über das Aufrechterhalten der Aufmerksamkeit der Lernenden positiv zu beeinflussen (vgl. ebd.), da Aufmerksamkeit „die Voraussetzung dafür [ist], dass Inhalte überhaupt von den Schülerinnen und Schülern aufgenommen und verarbeitet werden können“ (ebd.: 16). Die Förderung des Anwendungsbezugs mit dem Bezug zur beruflichen Handlung ist v. a. für Schulen des berufsbildenden Sektors ein zentrales Qualitätskriterium für den Qualitätsbereich des Lehrens und Lernens. (vgl. ebd.) Laut LaSuB (2018) müssen „handlungsorientierte Lehr- und Lernprozesse geschaffen werden, deren Ausgangspunkt der jeweiligen beruflichen Handlung entstammt. In den lernfeldstrukturierten Berufen sind die beruflichen Handlungen Grundlage der entwickelten Lernsituationen. Diese Form des Unterrichtsaufbaus ermöglicht den Lernenden und fordert von ihnen den Transfer zwischen erworbenen Kenntnissen und praktischer Anwendung. Die Lernumgebung sollte die Spezifik der beruflichen Anwendungssituation simulieren“ (ebd.: 18). Auch das Wohlbefinden der Schülerinnen und Schüler ist ein Qualitätsindikator für ein positives Schulklima: „Empfundener Leistungsdruck, empfundener Disziplindruck, empfundene Sinnhaftigkeit des Lernens, Schulfreude und Schulangst/Prüfungsangst können beispielsweise das Wohlbefinden fördern oder beeinträchtigen“ (ebd.: 21). Damit liegt ebenfalls ein Augenmerk auf der Förderung leistungsstarker und leistungsschwacher Schülerinnen und Schüler, die ebenfalls zur optimalen Qualität im Bereich der Schulkultur beiträgt: „Die Erfüllung des Erziehungs- und Bildungsauftrages bedeutet, das Lehren und Lernen auf die gesamte Leistungsbreite der Schülerschaft zu beziehen. Eine individuelle Förderung leistungsstarker und leistungsschwacher Schülerinnen und Schüler ist somit unerlässlich“ (ebd.: 22).
Die aufgeführten Ziele und Inhalte geben eine Orientierung, woran die schulische Arbeit und damit schulische Qualitätsentwicklung ausgerichtet werden kann. Aus ihnen lassen sich ebenfalls Kriterien für die interne – aber auch die externe – Evaluation von Schulen ableiten. (vgl. ebd.: 6) Auch geben sie eine Orientierung für das im weiteren Verlauf der Arbeit zu entwickelnde Konzept.
Als weiteres rechtlich verbindliches Ordnungsmittel zur Gestaltung der beruflichen Ausbildung gelten die jeweiligen Lehrpläne. Bezogen auf die Altenpflege dienen hier als Gesetzesgrundlagen das AltPflG sowie die AltPflAPrV. Der Aufbau des Lehrplanes ist lernfeldstrukturiert. Auch wird die grundlegende Handlungsorientierung in der theoretischen Ausbildung hervorgehoben:
„Die Strukturierung der Ausbildung im berufsbezogenen Bereich setzt das didaktische Prinzip der Handlungsorientierung um, Lehr- und Lernprozesse richten sich an beruflich relevanten Handlungen aus.
Theoretisches Wissen ist in einem engen Zusammenhang mit der Herausbildung praktischer Fähigkeiten und Fertigkeiten zu vermitteln. Dadurch sollen die Schülerinnen und Schüler zu theoriegeleitetem Handeln in der Praxis befähigt werden. Durch eine sinnvolle Vernetzung pflegerisch orientierter Komponenten mit sozialpädagogischen Betreuungsaspekten sind sie in der Lage, komplexe Aufgabenstellungen situationsbezogen zu bewältigen.
Handlungsorientierter Unterricht erfordert von den Lernenden das komplexe Erfassen der beruflichen Wirklichkeit. Das Nachvollziehen, Einschätzen und Bewerten von Handlungen stehen im Vordergrund. Die Schülerinnen und Schüler werden befähigt, selbstständig Arbeitsabläufe zu verinnerlichen, zu planen, durchzuführen, Kompromisse zu finden und dabei eigene Erfahrungen und Wertschätzungen einzubringen.
Um die Komplexität der beruflichen Aufgaben zu erfassen, ist vernetztes und integratives Arbeiten generelles Unterrichtsprinzip. Der Unterricht ist so zu gestalten, dass er die Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler aus der praktischen Ausbildung aufgreift und die Anforderungen der beruflichen Praxis widerspiegelt“ (SMK 2003, S. 7).
Ebenfalls werden neben den gesetzlich festgelegten Zielen, Inhalten und Qualitätskriterien zur Absicherung eines optimalen Bildungsweges im Rahmen der beruflichen Ausbildung Anforderungen an die Lehrkräfte gestellt, die von der KMK (2019) in den „Standards für die Lehrerbildung: Bildungswissenschaften“ festgeschrieben wurden. Diese tragen ebenfalls zur Sicherung der Qualität der beruflichen Ausbildung bei und wurden länderspezifisch übernommen. (vgl. KMK 2019, S. 2)
„Die […] Standards für die Lehrerbildung formulieren Kompetenzen in den Bildungswissenschaften, die für die Ausbildung und den Berufsalltag von Lehrkräften von besonderer Bedeutung sind. […] Bildungswissenschaftliche Standards müssen sich […] an der Entwicklung von Gesellschaft und Schulen, an den Veränderungen in den Schulen und in der Schülerschaft sowie dementsprechend geänderten Anforderungen an die Lehrerschaft orientieren. Der achtsame, konstruktive und professionelle Umgang mit Vielfalt, die Fähigkeit und Bereitschaft zur Kooperation mit anderen Professionen und Einrichtungen erhalten dabei ebenso zunehmend Bedeutung. […] Die Länder kommen überein, die hier vorgelegten Standards für die Lehrerbildung zu implementieren und anzuwenden“ (ebd.).
Die Kompetenzen der Standards für die Lehrerbildung gilt es im beruflichen Alltag als Lehrender umzusetzen. (vgl. ebd.: 4) Aus ihnen ergeben sich die grundlegenden Anforderungen an das berufliche Handeln der Lehrkraft. (vgl. ebd.) Kompetenzen, die im Rahmen der Konzeptentwicklung dieser Arbeit grundlegende Orientierung bzgl. der Anforderungen an das Lehrerhandeln bei der Umsetzung des Konzeptes geben, sind u.a.:
„Lehrkräfte planen Unterricht unter Berücksichtigung unterschiedlicher Lernvoraussetzungen und Entwicklungsprozesse fach- und sachgerecht und führen ihn sachlich und fachlich korrekt durch“ (ebd.: 7). […] „Lehrkräfte diagnostizieren Lernvoraussetzungen und Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern; sie fördern Schülerinnen und Schüler gezielt […]“ (ebd.: 11).
„Lehrkräfte unterstützen durch die Gestaltung von Lernsituationen das Lernen von Schülerinnen und Schülern. Sie motivieren alle Schülerinnen und Schüler und befähigen sie, Zusammenhänge herzustellen und Gelerntes zu nutzen.“ (ebd.: 8)
„Lehrkräfte fördern die Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler zum selbstbestimmten Lernen und Arbeiten“ (ebd.).
„Lehrkräfte kennen die sozialen, kulturellen und technologischen Lebensbedingungen, etwaige Benachteiligungen, Beeinträchtigungen und Barrieren von und für Schülerinnen und Schüler […] und nehmen im Rahmen der Schule Einfluss auf deren individuelle Entwicklung“ (ebd.: 9).
„Lehrkräfte vermitteln Werte und Normen, eine Haltung der Wertschätzung und Anerkennung von Diversität und unterstützen selbstbestimmtes und reflektiertes Urteilen und Handeln von Schülerinnen und Schülern“ (ebd.: 10).
Eine bedeutende Herausforderung bei der Umsetzung der Anforderungen des beruflichen Handelns des Lehrers ist es, der Heterogenität der Lernenden in den Lehr-Lernprozessen angemessen zu begegnen. (vgl. ebd.: 7, 11) Im weiteren Verlauf des Kapitels wird dieser Aspekt nochmals vertiefend aufgegriffen, da er vor allem im Kontext der pflegeberuflichen Ausbildung einen hohen Stellenwert einnimmt.
Anhand der in diesem Kapitel angeführten gesetzlichen Grundlagen sowie aufgrund der Anforderungen zur Qualitätssicherung in der Bildung zeigen sich bereits die in didaktischen Kontexten der Berufsbildung zu beachtenden typischen Charakteristika – wie der Bezug zur Handlungsorientierung sowie die Aufforderung zur Herausbildung der beruflichen Handlungskompetenz, die nachfolgend vertiefend betrachtet werden.
2.2 Didaktische Grundlagen der beruflichen Bildung
Nach dem oben angeführten Bildungs- und Erziehungsauftrag des sächsischen Schulgesetzes wird in der Berufsschule die allgemeine Bildung erweitert sowie die Berufsbezogenheit dieser Erweiterung hervorgehoben. (vgl. KMK 2018a, S. 4) Es lässt sich daraus ableiten, dass das zentrale Ziel der beruflichen Ausbildung das Erlangen der beruflichen Handlungskompetenz durch den Lernenden ist. (vgl. ebd.) Darunter ist – wie bereits angeführt – nach Bader „die Fähigkeit und Bereitschaft des Menschen, in beruflichen Situationen sach- und fachgerecht, persönlich durchdacht und in gesellschaftlicher Verantwortung zu handeln sowie seine Handlungsmöglichkeiten ständig weiterzuentwickeln“ (Bader 1989, S. 74f.) zu verstehen. Bader unterteilt die übergeordneten Dimensionen der Fach-, Human- und Sozialkompetenz mit der jeweils einschließenden Methoden-, Sprach- und Lernkompetenz. (vgl. ebd.: 75) Ähnlich diesem Verständnis formuliert die KMK ihren Kompetenzbegriff mit den entsprechenden Dimensionen. (vgl. KMK 2007, 10f.) Diese werden nach der KMK in Anlehnung an Bader (vgl. Bader 1989, S. 75) wie folgt definiert:
„ Fachkompetenz bezeichnet die Bereitschaft und Befähigung, auf der Grundlage fachlichen Wissens und Könnens Aufgaben und Probleme zielorientiert, sachgerecht, methodengeleitet und selbstständig zu lösen und das Ergebnis zu beurteilen.
Humankompetenz bezeichnet die Bereitschaft und Befähigung, als individuelle Persönlichkeit die Entwicklungschancen, Anforderungen und Einschränkungen in Familie, Beruf und öffentlichem Leben zu klären, zu durchdenken und zu beurteilen, eigene Begabungen zu entfalten sowie Lebenspläne zu fassen und fortzuentwickeln. Sie umfasst Eigenschaften wie Selbstständigkeit, Kritikfähigkeit, Selbstvertrauen, Zuverlässigkeit, Verantwortungs- und Pflichtbewusstsein. Zu ihr gehören insbesondere auch die Entwicklung durchdachter Wertvorstellungen und die selbstbestimmte Bindung an Werte.
Sozialkompetenz bezeichnet die Bereitschaft und Befähigung, soziale Beziehungen zu leben und zu gestalten, Zuwendungen und Spannungen zu erfassen und zu verstehen sowie sich mit Anderen rational und verantwortungsbewusst auseinander zu setzen und zu verständigen. Hierzu gehört insbesondere auch die Entwicklung sozialer Verantwortung und Solidarität. Bestandteil sowohl von Fachkompetenz als auch von Humankompetenz als auch von Sozialkompetenz sind Methodenkompetenz, kommunikative Kompetenz und Lernkompetenz.
Methodenkompetenz bezeichnet die Bereitschaft und Befähigung zu zielgerichtetem, planmäßigem Vorgehen bei der Bearbeitung von Aufgaben und Problemen (zum Beispiel bei der Planung der Arbeitsschritte). Kommunikative Kompetenz meint die Bereitschaft und Befähigung, kommunikative Situationen zu verstehen und zu gestalten. Hierzu gehört es, eigene Absichten und Bedürfnisse sowie die der Partner wahrzunehmen, zu verstehen und darzustellen. Lernkompetenz ist die Bereitschaft und Befähigung, Informationen über Sachverhalte und Zusammenhänge selbstständig und gemeinsam mit Anderen zu verstehen, auszuwerten und in gedankliche Strukturen einzuordnen. Zur Lernkompetenz gehört insbesondere auch die Fähigkeit und Bereitschaft, im Beruf und über den Berufsbereich hinaus Lerntechniken und Lernstrategien zu entwickeln und diese für lebenslanges Lernen zu nutzen“ (KMK 2007, 10f.).
Des Weiteren versteht Hortsch (2015) unter beruflicher Handlungskompetenz das „Vermögen, die Zuständigkeit in Bezug auf berufliche Handlungen zu erkennen und Qualifikation – als eine auf bestimmte berufliche Tätigkeiten ausgerichtete Disposition von Persönlichkeitseigenschaften – funktionell werden zu lassen“ (Hortsch 2015, S. 20). Diese besteht aus drei Bestandteilen: „Die sachliche Komponente […] [ist] die informative Voraussetzung für die berufliche Handlung“ (ebd.), die methodische Komponente ist als die „subjektive Möglichkeit für die Handlung [sowie] […] das notwendige „Beschaffen“ (ebd.) dieser Möglichkeit, die „soziale Komponente bringt dispositionell eine subjektive Notwendigkeit für die Handlung hervor [bspw.] […] das Werten sozialer Beziehungen“ (ebd.).
Es zeigt sich anhand der Ausführungen zur Kompetenz, dass das Verständnis von Handlung in der beruflichen Ausbildung einen zentralen Stellenwert einnimmt: Eine für die berufliche Bildung bedeutsame Handlung hat ein – durch die Person selbst oder gemeinsam mit anderen Personen – festgelegtes Ziel, das nur durch willentliche und bewusste Tätigkeit erreicht werden kann (vgl. Gudjons 2014, S. 67) „Sie ist eine entdeckende Auseinandersetzung mit der den Menschen umgebenden Welt […], wobei diese wiederum auf die Person zurückwirkt“ (ebd.). Auch liegt hier das Paradigma zugrunde, dass der Mensch seine Umgebung und sich selbst verändern kann und sich dabei ebenfalls verändert. (vgl. ebd.: 47) Das Denken und das Handeln als solches stehen also in enger Verbindung zueinander – und finden stets in verschiedenen Situationen beeinflusst durch unterschiedliche Faktoren in der Lebenswelt des Menschen statt. (vgl. ebd.) Dieses Paradigma sowie das Verständnis, dass Handlungen im Rahmen der vollständigen Handlung – „Handlungsziel […], Handlungsplan […], Handlungsdurchführung […], Handlungsbewertung […] [sowie] Verinnerlichung […]“ – ablaufen, kann auf den beruflichen Unterricht übertragen werden. (vgl. ebd.: 50) Ergänzend zu diesem Verständnis sollte jedoch die kognitive Ebene des Handelns hinzugenommen werden. Hier werden in Anlehnung an Hacker die Vollzüge einer Urteilsbildung sowie einer Entscheidungsfindung berücksichtigt (vgl. Kersten 1995, S. 56f.), die für berufliche Handlungssituationen sowie für die entsprechende berufliche Ausbildung mit dem Ziel der Entwicklung einer beruflichen Handlungskompetenz von zentraler Bedeutung sind. Die Komponenten der Handlungsregulation sind das Richten, das Orientieren, das Entwerfen, das Entscheiden und das Kontrollieren. (vgl. Hortsch 2015, S. 26) Das Übernehmen oder das selbstständige Entwickeln von Zielen findet durch das prozesshafte Abwägen von Ergebnissen und Konsequenzen durch die handelnde Person statt, stets im Abgleich zu deren eigenem Leistungsvermögen. (vgl. Kersten 1995, S. 60) Das Gewinnen von Informationen sowie das Reaktivieren zu relevantem Wissen zur Handlungssituation sind weitere Schritte der kognitiven Handlungsdurchführung. (vgl. ebd.: 61) Abläufe von Handlungen werden entwickelt (vgl. ebd.: 67) sowie Teilziele und notwendige Arbeitsmittel beurteilt (vgl. Hortsch 2015, S. 26) und Entscheidungen zu weiteren Abläufen getroffen. Diese Entscheidungen können u.a. durch den „Nutzen einer Möglichkeit […], […] [den] Aufwand zur Realisierung einer Möglichkeit [und] die subjektive Wahrscheinlichkeit ihrer Realisierung […]“ (Kersten 1995, S. 72) beeinflusst werden. Je sicherer diese Abläufe einer Entscheidung getroffen werden, desto weniger negative Äußerungen wie Stressreaktionen treten unter Umständen in künftigen beruflichen Entscheidungssituationen auf. (vgl. ebd.: 73) Durch das Wahrnehmen und Reflektieren der eigenen Handlung einer Person – sowohl abschließend der Handlung als auch teilweise während der Herausbildung von Teilergebnissen – werden letztendlich Rückkopplungsprozesse im Rahmen des Handlungsablaufs ermöglicht. (vgl. ebd.: 75) Diese beschriebenen Prozesse gilt es als Lehrender in der beruflichen Ausbildung zu initiieren und je nach Grad der Lehrerlenkung das Maß der Handlungsregulation und somit den Anteil der Selbstständigkeit der Lernenden zu regulieren. (vgl. ebd.: 128)
Auf der Grundlage des Handlungsverständnisses lässt sich ebenfalls das Verständnis von Lernen in den beruflichen Ausbildungsprozessen betrachten, denn „alles Lernen [ist] im Grunde Handeln; auch begriffliches Lernen ist nichts anderes als geistiges Handeln“ (Gudjons 2014, S. 9). Spezifiziert auf den Bereich der beruflichen Ausbildung wird Lernen als „der individuelle Prozeß der Veränderung von Persönlichkeitseigenschaften, z.B. durch Erwerb, Festigung oder Abbau, verstanden“ (Kersten 1995, S. 128) und entspricht damit dem grundsätzlich geltenden Verständnis, dass „Lernen […] Veränderung des Verhaltens aufgrund von Erfahrungen [ist]“ (Michaelis-Jähnke 2006, S. 45). Dennoch ist es kein „unmittelbares Ziel der Lehrhandlung [,] […] die Entwicklung von Persönlichkeitseigenschaften, wie Kenntnisse Fähigkeiten, …], Einstellungen, […] [anzustreben], sondern die Aktivierung der Lernenden, die Initiierung ihres zielgerichteten Verhaltens im Sinne von Lernhandlungen bzw. von Interaktion mit dem Lerngegenstand zum Zweck ihrer Persönlichkeitsentwicklung“ (Kersten 1995, S. 130) zu bewirken. Umsetzen lässt sich dies über problemorientiertes Lernen. Die Konfrontation der Lernenden mit einem Problem – vorrangig aus dem beruflichen Bereich – stößt den oben beschriebenen Prozess der Handlung an und sorgt dafür, dass Lernende ihre Ziele im Rahmen der Problemlösung selbst bestimmen können. (vgl. ebd.: 132f.) Die weiteren Funktionen des problemorientierten Lernens bestehen darin, dass die Lernenden zu unkonventionellem Denken angehalten werden, um bestehende Handlungsmuster kritisch zu hinterfragen und Alternativmöglichkeiten auszutesten. (vgl. Hortsch et al. 2013, S. 169) Diese Form des Lernens hat vor allem mit dem Verlauf im Rahmen einer vollständigen Handlung eine enorme Bedeutung für das Erlangen der beruflichen Handlungskompetenz. (vgl. ebd.) Derzeit in der Fachliteratur beschriebene Formen der Problemlösung sind: „Versuch und Irrtum, […] Umstrukturieren, […] Anwenden von Strategien, […] Kreativität [und] […] Systemdenken“ (Michaelis-Jähnke 2006, S. 66). Des Weiteren sollte im Rahmen der beruflichen Ausbildung nachhaltiges Lernen fokussiert und das Transferieren von Aneignungsgegenständen in verschiedene berufliche Handlungssituationen ermöglicht werden. Umso nachhaltiger ist es, wenn die Handlungen im Unterricht – und somit das Lernen – ganzheitlich ablaufen. Also neben der kognitiven Dimension ebenfalls die psychomotorischen sowie die emotional-volitiven Dimensionen angesprochen werden. (Hortsch et al. 2013, S. 170) Neben diesen gewollten emotionalen Dimensionen gilt es in Lehr-Lernprozessen ebenfalls zu berücksichtigen, dass jede Aktivierung bewusster Prozesse – also auch das Lernen – […] von Emotionen begleitet [ist]“ (Schwarzkopf 2003, S. 255). „[…] [Im] Falle von positiven Emotionen [können diese] […] zuvor nur partielle Informationsverarbeitungen erweitern, sie können genauso im Falle negativer Emotionen zur Begrenzung […] ganzer Bereiche von Wissen beitragen“ (ebd.). „Lernen spielt sich zudem oft in sozialen Beziehungen ab, und die Qualität dieser Beziehungen hat nachweislich einen großen Einfluss auf das Lernergebnis. […] [Auch] können Veränderungen im zwischenmenschlichen Geschehen – sei es verändertes Engagement, eine gegenseitige Bestätigung, […] Empathie – eine profunde Veränderung des Lernprozesses herbeiführen“ (ebd.). Dies führt im optimalen Fall zu einer Steigerung der Aufnahmebereitschaft und der Konzentration. (vgl. Vernooij, Schneider 2018, S. 40) Dadurch kann die Verarbeitung von Informationen günstig beeinflusst werden. (vgl. ebd.) Auch soziale Beziehungen werden durch positive Emotionen gefördert. (vgl. ebd.) Eine Vertiefung von lernförderlichen Wirkungsweisen im Hinblick auf die emotionalen Zustände der Lernenden im Zusammenhang mit dem Einsatz von Hunden im Setting Schule wird im Kapitel 4.2.2 dieser Arbeit vorgenommen.
Emotionen wirken sich außerdem auf die grundlegende Motivation der Lernenden, eine Handlung zu vollziehen, aus. (vgl. Raufelder 2018, S. 7) Zumindest ist dies der Fall, insofern Menschen motiviert sind, positive Emotionen zu erfahren und negative zu vermeiden“ (ebd.). Grundsätzlich spielt die Motivation der Lernenden bei Lehr-Lernprozessen eine bedeutende Rolle und ist aufgrund dessen auch – wie oben bereits angeführt – als Qualitätskriterium im Unterricht als Lehrender zu fördern: „Der Lehrperson kommt als aktiver Gestalterin und Moderatorin des schulischen Lehr/Lern-Prozesses eine aktive Rolle in Bezug auf die mögliche Unterstützung motivationaler Prozesse zu“ (ebd.: 115). Als empirisch belegter motivationsfördernder Aspekt gilt für das Handeln des Lehrers die Orientierung an individuellen Bezugsnormen – also dem Vergleich der Leistungen des Lernenden im Lehr-Lernprozess mit seinen bisherigen Leistungen. (vgl. ebd.) Vor allem bei sehr heterogenen Lernenden sowie bei der Kopplung an einem kompetenzorientierten Lehr-Lernprozess – wie es in der beruflichen Ausbildung der Fall ist – ist dies besonders begünstigend für die Motivation. (vgl. ebd.: 115f.) Die Lernenden haben so die Möglichkeit, ihre eigene Entwicklung reflexiv beobachten und beurteilen zu können. (vgl. ebd.: 116) Dieses Kompetenzerleben der Lernenden fördert nachhaltig deren Selbstbestimmung, was sich wiederum auf die intrinsische Motivation begünstigend auswirkt. (vgl. ebd.) Grundlegend dafür ist jedoch Folgendes: „Soll die Motivation der Schüler/-innen unterstützt werden, dann müssen Lehrkräfte sich […] viel Zeit und Raum für den Aufbau positiver Beziehung bzw. [bei] der Berücksichtigung [dieser] sozio-emotionalen Komponente nehmen“ (ebd.: 117). Dies meint den „Aufbau eines positiven Klassenklimas unter Einbindung der Peers und gruppendynamischer Prozesse, da sowohl positive Schüler-Schüler-Verhältnisse als auch ein Klassenklima, das auf Kooperation aufbaut, sowie die Motivation der anderen Schüler/ -innen der Motivation zugutekommen kann“ (ebd.). Der Lehrende hat in diesem Kontext die Aufgabe, die Stärkung von Vertrauen sowie ein wertschätzendes und respektvolles Miteinander mit den Lernenden zu pflegen. (vgl. ebd. 117) Wichtig dafür ist, dass „[das] Auftreten und die Ausstrahlung einer Lehrkraft, die Präsenz und Wille vermittelt und für ihre Vorstellungen eintritt und diese durchsetzt […], […] von Schüler/ -innen als stimmig und authentisch erlebt [wird], was Vertrauen schafft und Motivation fördert“ (ebd.: 119). Unter anderem erfolgt dadurch auch eine günstigere Bewältigung von Angst und Stress, die sich sonst stark motivationshemmend auf den Lernenden auswirken können. (vgl. ebd.) Inwiefern hier der Einsatz von Hunden einen Beitrag zur Motivationsförderung der Lernenden leisten kann, wird im Kapitel vier dieser Arbeit vertiefend betrachtet.
Auf der Grundlage der vorhergehenden Ausführungen ist die Umsetzung eines handlungsorientierten Unterrichts in der beruflichen Ausbildung sowohl gesetzlich vorgegeben als auch didaktisch sinnvoll und sollte im Rahmen des zu entwickelnden Konzepts berücksichtigt werden. „Im handlungsorientierten Unterricht soll anhand praxisrelevanter Problemstellungen über den überwiegend gedanklichen und modellhaften Vollzug der berufstypischen Handlungsabläufe anwendungsbereites Wissen erarbeitet werden. Entscheidend trägt hierzu auch die Selbststeuerung des Lernprozesses durch die Schüler in den Phasen der vollständigen Handlung – des Planens, Durchführens und Auswertens – bei“ (Sächsisches Bildungsinstitut 2013, S. 7). Für die tatsächliche Planung und Realisierung des handlungsorientierten Unterrichts ist es allerdings notwendig, entsprechende Merkmale zu berücksichtigen: Es sollte eine Konfrontation „mit exemplarischen, für das [berufliche] Handeln des Lernenden grundlegenden und bedeutsamen Aneignungsgegenständen“ (Hortsch et al. 2013, S. 169) ermöglicht werden. Auch sollte der Unterricht „auf die Herausbildung der fachlichen, methodischen und sozialen Komponenten von Handlungskompetenz“ (ebd.) abzielen. Das Lernen findet möglichst selbstgesteuert sowie selbstbestimmt statt und orientiert sich an der Ganzheitlichkeit. (vgl. ebd.: 170) Des Weiteren sollte im handlungsorientierten Unterricht fächer- bzw. lernfeldübergreifend gearbeitet werden. (vgl. ebd.) Ein ergänzendes Charakteristikum ist, dass der Unterricht „offen für alle Gestaltungsmöglichkeiten des organisierten Lernprozesses“ (ebd.) ist. Für die Umsetzung gilt: „Handlungsorientierter Unterricht ist von anspruchsvoller Qualität, und doch realisierbar, er ist in seiner Struktur einfach, aber nicht simpel“ (Gudjons 2014, S. 10). Didaktisch-methodisch ist die Gestaltung des Unterrichts mithilfe komplexer Unterrichtsverfahren – wie das Rollenspiel oder die Projektmethode – sinnvoll, um die geforderten Merkmale des handlungsorientierten Unterrichts tatsächlich aufzuweisen. (vgl. Hortsch et al. 2013, S. 25, 27) Diese sind charakterisiert durch die Verknüpfung aus mindestens zwei verschiedenen Erkenntniswegstrukturen, durch die offenen Gestaltungsmöglichkeiten im Lehr-Lernarrangement sowie durch die Problemorientierung und -lösungsprozesse. (vgl. ebd.: 25, 168)
Im nachfolgenden Kapitel erfolgt die spezifischere Betrachtung der Charakteristika der Berufsfelddidaktik im Bereich der Pflege.
2.3 Berufsfelddidaktische Grundlagen der Pflegeberuflichen Ausbildung
Die Berufsfelddidaktik bzw. die Pflegedidaktik ist durch die besonderen Merkmale der Pflege und den damit einhergehenden Anforderungen an die Pflegekräfte geprägt:
„Berufliche Pflege ist ein hochkomplexes Geschehen. Es ist unstrittig, dass Pflegen professionelles Handeln erfordert. Es gilt beispielsweise, unterschiedliche Handlungslogiken miteinander zu verschränken. Berufliches Pflegehandeln ist dabei immer von den pflegebedürftigen Menschen […] mitkonstruiert, Menschen, die eigene Sinnkonstruktionen, Werte, Erfahrungen in die pflegerische Handlungssituation einbringen. Ein spezieller Körper- und Leibbezug, Erfahrungen mit existentieller Bedrohung, Leid und Sterben, eine hohe Interaktionsdichte und Handeln in Ungewissheit sind nur einige Kennzeichen beruflicher Pflege“ (Ertl-Schmuck, Fichtmüller 2009, S. 7).
Auf die daraus resultierenden Anforderungen an die Pflegekräfte gilt es, die Auszubildenden in Pflegeberufen vorzubereiten. Der Lehrplan der Altenpflegeausbildung sieht dafür Folgendes vor:
„Das Anliegen der Ausbildung besteht darin, Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten zu vermitteln, die zur selbstständigen und eigenverantwortlichen Pflege einschließlich der Beratung, Begleitung und Betreuung alter Menschen erforderlich sind. Die […] Schüler erwerben aufgaben- und persönlichkeitsbezogen sozialpädagogische und pflegerische Kompetenzen. Schwerpunkt bildet die Gesamtsituation der alten Menschen mit ihren sozialen, psychischen und physischen Problemen. Die […] Schüler entwickeln eine ganzheitliche Sichtweise für die alten Menschen und können diese bei ihrer Arbeit in den Einrichtungen der Altenhilfe umsetzen. Sie sind in der Lage, unter Berücksichtigung der individuellen Biografie und Bedürfnisse, die Betreuung und Begleitung einschließlich der Beratung der ihnen anvertrauten Personen zu planen, durchzuführen und zu reflektieren.
Neben umfassendem berufsspezifischen Wissen sind eine hohe personale Kompetenz sowie eine ausgeprägte Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit charakteristisch für diesen Beruf. Daher ist neben der Vermittlung von fachlichem Wissen die weitere Ausprägung und Festigung humanistischer Persönlichkeitsmerkmale wie menschliche Zuwendung und Empathie, Verantwortungsbewusstsein und Leistungsbereitschaft als durchgängiges Prinzip schulischer und praktischer Ausbildung zu gewährleisten“ (SMK 2003, S. 6).
Deutlich wird hier, dass auf den Persönlichkeitseigenschaften im Sinne der Personal- und Sozialkompetenz ein besonderer Fokus liegt. Dies meint v. a. Verantwortungs- und Pflichtbewusstsein, Kontakt- und Kommunikationsfähigkeit, Gemeinschaftssinn und Teamfähigkeit und insbesondere Empathiefähigkeit. (vgl. ebd.) In Pflegebildungsprozessen gilt es, dies zu berücksichtigen.
Die pflegeberuflichen Lehr-Lernprozesse sind – neben der generellen Anforderung an die Herausbildung der beruflichen Handlungskompetenz – von den Charakteristika der Pflege geprägt und finden in den Spannungsfeldern der Pflegepraxis, der Erziehungs- sowie der Pflegewissenschaft statt. (vgl. Ertl-Schmuck, Fichtmüller 2009, S. 30) Das für die Pflege so Spezifische wird bestimmt durch die Dimensionen und die daraus resultierende Vielschichtigkeit, in denen pflegerisches Handeln erfolgt. Diese Dimensionen stehen teilweise im Widerspruch zueinander und können häufig nicht aufgelöst werden. (vgl. ebd.: 27)
Das pflegerische Handeln zeigt sich als Interaktions- und Beziehungsprozess zwischen Pflegebedürftigen und den Pflegenden, wobei der Fokus im Prozess an den Bedürfnissen und dem Befinden des zu Pflegenden ausgerichtet ist. (vgl. Ertl-Schmuck 2010, S. 70) Dadurch ist die Pflege zum einen geprägt durch sprachliche Interaktionen zwischen den beteiligten Akteuren. (vgl. Ertl-Schmuck, Fichtmüller 2009, S. 28) Zum anderen besteht ein enger Zusammenhang zwischen psychosozialen Interventionen, die durch die teilweise existentiell gefährdenden Situationen der Pflegebedürftigen eine zentrale Bedeutung haben. (vgl. ebd.) Auch ist die Dimension des körperlichen bzw. leiblichen Handelns der Pflege immanent. (vgl. ebd.) Dieses leibliche Handeln kann als „eine Sensibilität für die Wahrnehmung und Interpretation pflegerischer Situationen“ (ebd.: 29) verstanden werden und meint beispielsweise das Spüren von Atmosphären und Emotionen. (vgl. ebd.) Die genannten Dimensionen fordern auch grundlegend verschiedene Wissensarten – u.a. das leibbezogene eher intuitive Wissen aber auch das empirisch fundierte Fachwissen. (vgl. ebd.) Sie sind als Basis für die Pflegenden bedeutsam, um die Zusammenhänge im pflegerischen Handeln zu verstehen. Die Relevanz der differenzierten Wissensarten zeigt sich in dem Verständnis, dass dem pflegerischen Handeln die doppelte Handlungslogik zu Grunde liegt. (vgl. ebd.: 27) Diese geht „mit der Verschränkung von wissenschaftlichem Wissen und hermeneutischem Fallverstehen [einher und] verweist auf ein Wechselspiel von distanzierter Reflexion und empathischem Sich-Einlassen“ (ebd.). In dieser Vielschichtigkeit des Pflegerischen bleibt neben dem, was kommuniziert oder bewusst wahrgenommen wird, immer eine Ungewissheit bestehen, die als ein Nicht-Wissen bzw. Nicht-Können bezeichnet werden kann. (vgl. ebd.) Auch dieser Dimension gilt es – als professionell handelnde Pflegekraft – begegnen zu können. (vgl. ebd.)
Entsprechend den Anforderungen durch die Charakteristik des Pflegerischen sowie auf der Grundlage des Lehrplanes gilt es, entsprechend didaktisch-methodisch aufbereitete Lernsituationen auf der Mikroebene zu gestalten. Das Anwenden von pflegedidaktischen Theorien oder Modellen ermöglicht hier ein professionelles Vorgehen. Im Rahmen der Arbeit wird sich aufgrund dessen exemplarisch auf die Subjektorientierte Pflegedidaktik nach Ertl-Schmuck (2010, 2017) bezogen. Komponenten dieser Theorie sind das Pflegerische Handeln (Remmers 2000), das oben bereits in Ansätzen erläutert wurde, Elemente der Leiblichkeit sowie Emotionen und die Lehr-Lernsubjekte in den pflegerischen Bildungsprozessen. (vgl. Ertl-Schmuck 2010, S. 69-79) Dem Begriff des Subjekts obliegt ein eher dialektisches Verständnis. (vgl. ebd.: 75) Akteure sind immer sowohl Subjekte als auch Objekte sowohl im Pflegerischen Handelns als auch in Lehr-Lernprozessen. (vgl. ebd.) Dieses Verständnis ist auch für das Lehrerhandeln in den pflegerischen Bildungsprozessen zentral, da die Subjektbildung der Lernenden an sich gefördert und initiiert werden sollte.
Bei der Betrachtung der Komponente des Pflegerischen Handelns ist eine vertiefende Erläuterung des hermeneutischen Fallverstehens notwendig. Diese ist – neben der geforderten beruflichen Handlungskompetenz mit ihren Komponenten – eine sogenannte Kernkompetenz von Pflegenden, da es neben dem theoretischen Wissen das eigentliche pflegerische Handeln mitbestimmt. (vgl. Dütthorn 2013, S. 35) Diese Kompetenz ermöglicht es den Pflegenden, in den komplexen Situationen des Pflegerischen Handelns „multiperspektivische Sinn- und Bedeutungszuschreibungen“ (ebd.) vorzunehmen. „Hermeneutische Fallkompetenz bedarf der Fähigkeit generalisiertes, also zeitenthobenes Wissen auf stetig wechselnde Situationen in der Zeit personenbezogen anzuwenden“ (Greb, 2010, S.144). Dies gilt es in Lehr-Lernprozessen der pflegeberuflichen Ausbildung zu fördern bzw. entsprechende Lernhandlungen zu initiieren. Grundlegend dafür ist die Auseinandersetzung der Lernenden mit authentischen Fallsituationen, wie Berichte von Patienten oder Pflegenden, die didaktisch aufbereitet werden und einen Deutungsspielraum sowie eine Mehrperspektivität ermöglichen. (vgl. Dütthorn 2013, S. 35)
Weitere Komponenten der subjektorientierten Pflegedidaktik sind die Leiblichkeit und die Emotionen, wodurch ebenfalls die Aufforderung zur Initiierung eines ganzheitlichen Lernens deutlich wird. Grundlegend dafür ist das Verständnis, dass der Körper als eine Empfindungseinheit verstanden wird. (vgl. Remmers 2000, S. 173, 331) „Dies bedeutet die Nähe zu einem anderen Körper und ein Einlassen auf die jeweilige Situation. In diesem Prozess wird von den Pflegenden eine hohe Konzentration und Aufmerksamkeit auf das leibliche Handeln gefordert, damit die Feinsinnigen leiblichen Abstimmungen zwischen dem zu pflegenden Menschen und dem Pflegenden zustande kommen“ (Ertl-Schmuck 2010, S. 74). In Abhängigkeit der Selbst- und Fremdwahrnehmung der Akteure verlaufen Berührungen und Blickkontakte in körperlich sehr nahen Interaktionsprozessen. (vgl. ebd.) Auch kann das, was vom Pflegebedürftigen nicht konkret geäußert wird, teilweise mithilfe der leiblichen Kommunikation – also durch das Einfühlen in die Atmosphäre der Situation – erschlossen werden. (vgl. ebd.: 75) Lernende sollten für diese Prozesse sensibilisiert und die ganzheitlichen Wahrnehmungen entsprechend geschult werden. Didaktisch-methodisch lassen sich hier erfahrungs- und leiborientierte Methoden in den Unterricht integrieren – bspw. Rollenspiele bzw. szenisches Spiel. (vgl. ebd.: 74) Ebenfalls sind das Erlernen eines reflektierten Verhaltens gegenüber Emotionen sowie deren angemessene Kommunikation von großer Bedeutung für künftige Pflegekräfte. (vgl. ebd.: 76) Gefühle wie Ekel, Angst oder Scham begleiten und beeinflussen das pflegerische Handeln – und entziehen sich dennoch der Möglichkeit, kognitiv beeinflusst zu werden. (vgl. ebd.) Die Akzeptanz und die Reflektiertheit solcher Emotionen wirken jedoch positiv auf die Erweiterung bestehender Wissensformen und Erweitern damit auch Prozesse der Selbst- und Fremdwahrnehmung in pflegerischen Handlungssituationen. (vgl. ebd.) Aufgrund dessen sollten auch emotionale Aneignungsgegenstände in der pflegeberuflichen Ausbildung integriert und fokussiert werden.
Die Komponente der Lehr-Lernsubjekte in der Pflegebildung ist charakterisiert durch Aushandlungsprozesse, die auf dem Weg zur Subjektbildung eine große Bedeutung haben. (vgl. ebd.: 77) Diese werden im Dialog gestaltet, in dem sich „die Beteiligten in Lehr- und Lernprozessen im Kontext der zu verhandelnden Lerngegenstände mit jenen Deutungen [verständigen], die ihnen biographisch in ihrem sozialen und gesellschaftlichen Eingebundensein als Alltagstheorien und Erfahrungswissen gegeben sind“ (Ertl- Schmuck 2010, S. 69). Aushandlungsprozesse finden in der Regel am Anfang einer Lernsituation statt und orientieren sich dabei an den Inhalten und Verbindlichkeiten des Lehrplanes sowie an den Erfahrungen, Interessen und Bedürfnissen der Lernenden. (vgl. Ertl-Schmuck 2010, S. 78) Lernende und Lehrende sind somit gleichermaßen an der Gestaltung der Lehr-Lernprozesse und -interaktion beteiligt. (vgl. Dütthorn 2013, S. 34) Aufgrund dieses Verständnisses kann Lernen aus der subjektorientierten Perspektive „nur durch die geteilte Verantwortungsübernahme am Lernprozess [gelingen], wenn die Lernenden selbst ihre Lernerfahrung vor dem Hintergrund erlebter Deutungsunzulänglichkeiten mit Blick auf gesellschaftliche Rahmenbedingungen und unausweichliche Strukturen ihres „Objektseins“ kritisch zu reflektieren vermögen“ (ebd.). Eine zentrale Komponente dieses Lernens ist hierbei „das Erleben des eigenen Leibseins im Rahmen der sozialen Lebens- und Arbeitsbedingung“ (ebd.). Kritisches und reflexives Auseinandersetzen mit sich selbst, den weiteren beteiligten Akteuren und der umgebenden Umwelt sollten demzufolge didaktisch-methodisch initiiert werden.
Die angeführten Komponenten und Merkmale der Subjektorientierten Pflegedidaktik sind als Lehrender in den pflegerischen Bildungsprozessen zu berücksichtigen. Diese sind selbst als funktional werdende Aneignungsgegenstände in den Lehr-Lernprozess didaktisch aufbereitet zu integrieren. (vgl. Ertl-Schmuck 2010, S. 69-79)
Neben den für die Pflege besonderen Merkmalen ist der Ablauf des Pflegeprozesses mit standardisierten Handlungsabläufen ebenfalls Bestandteil eines professionellen Pflegehandelns. (vgl. ebd.: 77f.) Dieser orientiert sich an den Abläufen der vollständigen Handlung und ist im Pflegealltag präsent. Die Abläufe basieren auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und gehören in Bezug auf die doppelte Handlungslogik zum Teil des Regelwissens. (vgl. Ertl-Schmuck, Fichtmüller 2009, S. 27)
Im weiteren Verlauf findet eine nähere Betrachtung des Klientels der Lernenden in der pflegeberuflichen Ausbildung statt, da diese mit ihren jeweils individuellen Hintergründen auch die Bildungsprozesse mitgestalten.
2.4 Lernende in den pflegeberuflichen Ausbildungen
An der pflegerischen Ausbildung sind in der Bundesrepublik häufig freie Trägerschaften beteiligt, wodurch eine exakte statistische Erfassung zu den Altersstrukturen sowie den Bildungsbiografien der Auszubildenden an einer zentralen Stelle deutlich erschwert ist. Hier lässt sich derzeit lediglich auf Erhebungen zu Auszubildenden der Altenpflege aus dem Datenreport der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) (2018) sowie aus einer Studie von Evers et al. (2017) zur Qualitätsentwicklung der Altenpflegeausbildung in Nordrhein-Westfalen bezugnehmen. Die BGW verzeichnete in Gesamtdeutschland in der stationären und ambulanten Altenpflegeausbildung im Jahr 2015, dass 32 % der Lernenden 30 Jahre und älter sind, 15 % liegen altersmäßig zwischen 29 und 25 Jahren, 34 % zwischen 24 und 20 Jahre sowie 19 % unter 20 Jahren. (vgl. BGW 2018, S. 61) Ähnliche Verhältnisse der Altersverteilungen stellt auch die Studie von Evers et al. bei der Erfassung in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2016 fest. (vgl. Evers et al. 2017, S. 13, 58) Weitere Ergebnisse dieser Studie werden im Verlauf des Kapitels näher betrachtet.
Bereits ausgehend von den exemplarisch angeführten Altersstrukturen der Auszubildenden der Altenpflege, können diverse Herausforderungen für den schulischen Alltag abgeleitet werden. Diese lassen sich unter anderem mit dem Stufenmodell der psychosozialen Entwicklung nach Erikson (1999) begründen. Erikson arbeitet acht Phasen der psychosozialen Entwicklung eines Menschenlebens mit den jeweils spezifischen Aufgaben und damit einhergehenden und sich wechselseitig ergänzenden Krisen heraus. (vgl. Erikson 1999, S. 72f.) Im Rahmen der Altenpflegeausbildung treffen demnach Menschen aufeinander, die sich in bis zu drei verschiedenen Entwicklungsphasen befinden können: Die Phase der Adoleszenz etwa vom zwölften bis zum 19. Lebensjahr, die Phase des frühen Erwachsenenalters etwa die ersten Jahre der Zwanziger sowie die Phase des Erwachsenenalters etwa ab der zweiten Hälfte der zwanziger bis zum 50. Lebensjahr. (vgl. ebd.; vgl. Boeree 2006, S. 8, 12) In der Phase der Adoleszenz ist der Heranwachsende geprägt durch die Entwicklungsaufgabe der Reifung der eigenen Identität, die mit zunehmender Differenzierung der Persönlichkeit zu den Mitmenschen einhergeht und von „Rollen-Zurückweisungen“ (Erikson 1999, S. 97) erschüttert werden kann. (vgl. ebd.) „Rollen-Zurückweisung kann als mangelndes Selbstvertrauen auftreten, das eine gewisse Schwerfälligkeit und Schwäche hinsichtlich des zur Verfügung stehenden Identitätspotentials verdeckt, oder aber als penetranter Trotz“ (ebd.: 96). Wird diese Phase im positiven Sinne beendet, kennt der Mensch seinen Platz in der Gesellschaft. (vgl. ebd.: 13f.) Dies sollte in der beruflichen Ausbildung ebenfalls eine Aufgabe sein, dabei unterstützend einzuwirken. Die älteren Jahrgänge der Auszubildenden sind in ihren jeweiligen Phasen wiederum mit anderen Aufgaben und Krisen konfrontiert, die es zu bewältigen gilt. Im optimalen Fall ist deren Identitätsfindung bereits erfolgt. Bei den jungen Erwachsenen liegt die Entwicklungsaufgabe auf der Herausbildung von Intimität und birgt aber des Weiteren die Gefahr der Isolation. (vgl. ebd.: 14, vgl. Erikson 1999, S. 92) Nach Boeree meint „Intimität […] die Fähigkeit, anderen nahe zu sein, als Geliebte/r, Freund/in und als Mitglied der Gesellschaft“ (Boeree 2006, S. 14). Hier sollten die Rahmenbedingungen als junger Erwachsener vorgefunden werden, damit diese Entwicklungsphase nicht im negativen Fall in die Isolation führt – was in unserer heutigen Gesellschaft nach Boeree (2006, S. 14) aufgrund sehr anonymer Strukturen nicht unbedingt abwegig ist. Die älteren Erwachsenen haben die Entwicklungsaufgabe der Generativität und setzen sich mit dem Risiko der Stagnation auseinander. (vgl. Erikson 1999, S. 86) Nach Boeree meint „Generativität […] die Ausdehnung der Liebe in die Zukunft hinein. Sie umschließt die Sorge um die nachfolgende Generation sowie alle zukünftigen Generationen. Somit ist diese Phase weit weniger "selbstbezogen" als die Frage der Intimität in der vorangehenden Phase“ (Boeree 2006, S. 15). Auch im Rahmen der pflegeberuflichen Ausbildung gibt es Lernende, die bereits Eltern sind. Ihre Rolle ist für sie klar definiert und hebt sich damit von den identitätssuchenden Heranwachsenden in der Phase der Adoleszenz sehr stark ab. Anhand der Ausführungen zur psychosozialen Entwicklung nach Erikson (1999) wird sehr deutlich, dass jede Altersstufe im Rahmen der pflegeberuflichen Ausbildung – hier exemplarisch die Altenpflegeausbildung – altersspezifische Herausforderungen mit sich bringt, die im Setting der Berufsfachschule berücksichtigt werden müssen. Dies meint sowohl die Schaffung der Rahmenbedingungen, die die altersspezifische Entwicklungsaufgabe ermöglichen, als auch Förderung von sozialen Interaktionen zwischen den Schülern einer Klasse aber auch zwischen der Lehrperson und den Schülern, die für einen Lehr-Lernprozess notwendig sind.
Auch weitere differenzierte Merkmale der Lernenden gilt es als Lehrender zu berücksichtigen. Diese generell als Heterogenität bezeichnete Herausforderung in den Lehr-Lernprozessen meint eine „[soziale], kulturelle und individuelle Unterschiedlichkeit, die stets nur unter Bezug auf Homogenität oder eine äußere Norm hinsichtlich einzelner Merkmale bestimmbar ist. [Heterogenität] bezeichnet somit ein Verhältnis von Verschiedenheit und Gleichheit oder Vergleichbarkeit, ohne das Erziehung und Pädagogik undenkbar wären. […]“ (Böhm, Seichter 2017, S. 215). Unter anderem anhand der Beurteilung der Studie in Nordrhein-Westfalen durch Evers et al. (2017) wird deutlich, dass eine „Zunahme der Heterogenität in den Voraussetzungen und bereits erworbenen Kompetenzen“ (Evers et al. 2017, S. 13) der Auszubildenden der Altenpflege erkennbar ist. Diese bezieht sich nicht nur, wie oben bereits angeführt, auf das Merkmal der Altersstruktur. „Für die Lehrenden ergeben sich andere Problembereiche, die mit einer sich verändernden Klientels in der Ausbildung verbunden werden. So beobachten die Befragten eine Zunahme in der Notwendigkeit, individuelle Lernangebote zu unterbreiten, um insbesondere lernschwächere Schülerinnen und Schüler zu begleiten und auf Prüfungen vorzubereiten. Sie beobachten in der Tendenz eine Zunahme an lernschwächeren Schülern sowie eine sinkende Motivation in der theoretischen Ausbildung. Die Motivation wird u. a. auch daran festgemacht, dass sie vielfach eine Zunahme an Fehlzeiten in den Theoriephasen beobachten“ (Evers et al. 2017, S. 14). Die steigende Zahl der lernschwächeren Schüler und die damit einhergehenden Herausforderungen für den Lehr-Lernprozess hat die Konsequenz, „dass individuelle Förderungen für besonders lernstarke Schülerinnen und Schüler nur unzureichend bis kaum realisiert werden können. So bleiben Potenziale ungenutzt und es besteht seitens der Schülerinnen und Schüler gleichermaßen Überforderungs- wie Unterforderungserleben parallel in einem Kurs“ (ebd.). Es wird im Rahmen der Studie deutlich: „Die vorliegenden und beschriebenen Ergebnisse weisen darauf hin, dass zunehmend mit einer inneren Differenzierung in den Kursen [der Altenpflegeausbildung] zu rechnen ist“ (ebd.). Hinzu kommen verschiedene Schulabschlüsse der Lernenden innerhalb eines Ausbildungsjahres, die wiederum auf unterschiedliche Bildungsbiografien hinweisen. Exemplarisch dafür lässt sich anführen, dass in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2016 35,3 % der Lernenden einen Hauptschulabschluss vorweisen konnten, 49,5 % eine Fachoberschulreife und 14,4 % eine Hochschulreife. (vgl. ebd.: 59) Damit einher geht nach den empirischen Befunden von Evers et al. (2017) eine „Abnahme verschiedener Kompetenzen […] [der Lernenden], so beispielsweise in dem Bereich der Lese- und Rechtschreibkompetenz, den Fähigkeiten in den Grundrechenarten sowie sozialer Kompetenzen“ (ebd.: 132). Die differenzierten Bildungsbiografien ergeben sich ergänzend aufgrund der vorherigen beruflichen Qualifikation der Auszubildenden. 2016 hatten 75,6 % der Auszubildenden keinerlei vorherige Qualifikationen bei Antritt der Ausbildung, 9,0 % konnten eine berufliche Qualifikation im Gesundheits- und Pflegebereich und 10,3 % eine berufliche Qualifikation außerhalb dieses Bereichs vorweisen. (vgl. ebd.: 62) 5,1 % der Auszubildenden studierten zuvor und brachen das Studium ab. (vgl. ebd.)
Auch Sahmel (2015) hebt die Heterogenität in der pflegeberuflichen Ausbildung – v. a. im Bereich der Altenpflege – hervor. (vgl. Sahmel 2015, S. 189) Er betont allerdings, dass aktuell Diskussionen dazu im Bereich der Berufspädagogik deutlich weniger geführt werden als in Bereichen der Grundschule sowie der ersten Sekundarstufe. (vgl. ebd.) Dabei sind überwiegend Dimensionen der Heterogenität in der beruflichen bzw. pflegeberuflichen Ausbildung präsent. Neben den verschiedenen Altersstrukturen, die im Bereich der Primarstufe weniger relevant sind, ist im Bereich der pflegerischen Ausbildung die geschlechterbedingte Heterogenität von Bedeutung, da Pflegeberufe weiterhin stärker von Frauen frequentiert werden. (vgl. ebd.) Sahmel betont des Weiteren: „Das Ernstnehmen der Heterogenität ist nun Teil der Ansprüche an eine (neue) Lernkultur, aus der sich eine ganze Reihe von Konsequenzen ergeben“ (ebd.: 191). Es sollte u.a. die Gelegenheit der Entwicklung einer Selbstkompetenz ermöglicht werden sowie eine entsprechende Leistungsbewertung auf verschiedenen Ebenen des Lernprozesses erfolgen. (vgl. ebd.)
Es gilt also, der wachsenden Heterogenität der Lernenden der Altenpflegeausbildung u. a. in den Merkmalen der Alters- und Geschlechterstruktur, der beruflichen Vorkenntnisse sowie der Lernleistung als Lehrender zu begegnen. Die KMK sieht, wie oben bereits angeführt, Folgendes vor: „Lehrkräfte planen Unterricht unter Berücksichtigung unterschiedlicher Lernvoraussetzungen und Entwicklungsprozesse fach- und sachgerecht und führen ihn sachlich und fachlich korrekt durch“ (KMK 2019, S. 7). Sie „wissen, was bei der Planung von Unterrichtseinheiten auch in leistungs-heterogenen Gruppen beachtet werden muss“ (ebd.). Ebenfalls „planen und gestalten [sie] Unterricht auch unter Berücksichtigung der Leistungsheterogenität“ (ebd.).
Anzumerken ist hier, dass auch die bisherige berufliche Sozialisation der Auszubildenden mit den entsprechenden beruflichen Anforderungen den Inhalt der beruflichen Handlungskompetenz beeinflusst. Je nachdem, welche Handlungen bereits im Vorfeld erlernt wurden, sind diese im weiteren Verlauf der Kompetenzentwicklung von Bedeutung. (vgl. Evers et al. 2017, S. 63) Entsprechend dieser Vorerfahrungen sollten unter anderem die Ziele, die Inhalte sowie die Methoden für den Lehr-Lernprozess im Unterricht geplant werden. Des Weiteren verdeutlicht die Studie von Evers et al. (2017), dass die reine Durchführung des geplanten Unterrichts als Aufgabe des Lehrers im Kontext der Arbeit mit heterogenen Lerngruppen zunehmend in den Hintergrund rückt. (vgl. ebd.: 102f.) Gesteigerte Relevanz haben eher Aufgaben der psychosozialen Begleitung der Lernenden durch den Lehrer. (vgl. ebd.) Eine entsprechende Lehrer-Schüler-Beziehung sollte für die Bewältigung dieser Anforderung bestehen.
Neben der Erarbeitung der Anforderungen und Grundlagen der beruflichen Ausbildung gilt es nun, die Basis der möglichen tiergestützten Interventionen näher zu betrachten. Erst dann kann geprüft werden, ob Lehrende diese Form der Intervention nutzen können, um den in diesem Kapitel angeführten spezifischen Anforderungen und Herausforderungen neben derzeit gängigen Interventionsformen zu begegnen.
3 Klärung von themenspezifischen Begrifflichkeiten
3.1 Entwicklung und Formen von tiergestützten Interventionen
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit ist eine intensive Auseinandersetzung mit den verwendeten Begrifflichkeiten „tiergestützte Intervention“ (TGI), „tiergestützte Pädagogik“ (TGP) sowie der „tiergestützten Therapie“ (TGT) notwendig, da im entsprechenden Forschungsgebiet – wie im folgenden Kapitel angeführt – derzeit noch kein klarer Konsens zum Verständnis und der Abgrenzung der jeweiligen Bereiche herrscht. Bedingt durch die fortschrittlicheren Entwicklungen auf dem Gebiet der tiergestützten Interventionen im anglo-amerikanischen Sprachraum wird ebenfalls in Ansätzen Bezug auf die englischsprachigen Begriffe genommen. (vgl. Vernooij, Schneider 2018, S. 29) Diese bilden die Grundlage für den historisch gesehenen späteren Transfer der Bezeichnungen in den deutschsprachigen Raum. (vgl. ebd.: 34, vgl. Beetz et al. 2018, S. 18) Anhand der Entwicklung entsprechender Verbände und Organisationen im Rahmen der TGI wird die derzeit noch bestehende Uneinigkeit bei Begriffsverwendungen von Formen der TGI deutlich.
Erst mit der Gründung der „Delta Society“ 1977 in den USA wurden Bezeichnungen zum gerichteten Einsatz von Tieren in Zusammenarbeit mit dem Menschen gefunden. (vgl. Vernooij, Schneider 2018, S. 30-33) Die „Delta Society“ ist ein Zusammenschluss von Wissenschaftlern und Fachexperten unterschiedlicher Disziplinen, die sich der Erforschung von Tier-Mensch-Beziehungen widmen und die tiergestützte Therapie vorerst landesweit etablierten. (vgl. Röger-Lakenbrink 2006, S. 14) Zunächst stellten sie die ersten Richtlinien und Standards zum Einsatz von Tieren im therapeutischen Kontext auf. Dabei wurde grundlegend unterschieden, ob Tiere „durch ihre bloße Anwesenheit die Stimmung und das Wohlbefinden einzelner Personen oder auch Personengruppen verbessern sollten […]“ (Vernooij, Schneider 2018, S. 30) oder ob Tiere gezielt und auf der Basis eines Therapie- oder Behandlungskonzeptes systematisch integriert werden. (vgl. ebd.) Die Stiftung ist auch heute noch ein wichtiger Bestandteil bei der Realisierung tiergestützter Interventionen – auch auf internationaler Ebene, da sie nach den neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen Rahmenbedingungen für die Umsetzung von TGI aufstellt sowie Weiterbildungsmöglichkeiten für Mensch und Tier anbietet. (vgl. Vernooij, Schneider 2018, S. 27) Autoren wie Röger-Lakenbrink (2006, S. 28), Prothmann (2008, S. 87f.), Agsten (2009, S. 23) und Vernooij, Schneider (2018, S. 30-34) beziehen zunächst die Begriffsbestimmungen der „Delta Society“, die sich seit 2012 „Pet Partners“ nennt, in ihre Arbeit mit ein. Der Bezug der Experten des Forschungsbereichs auf diese Stiftung ist begründet, da die Entwicklungen im anglo-amerikanischen Raum fortgeschrittener sind als in Deutschland. (vgl. Vernooij, Schneider 2018, S. 29). Dies lässt sich auch anhand der internationalen historischen Entwicklung der Organisationen zur Erforschung der Tier-Mensch-Beziehungen verdeutlichen, zu der Deutschland erst 1988 mit dem „Forschungskreis Heimtiere in der Gesellschaft“ einen Beitrag zur Erweiterung der Forschungsdisziplin leisten konnte. (vgl. Tab.: 1; vgl. Vernooij, Schneider 2018, S. 27f., 54-59; vgl. Beetz et al. 2018, S. 15f.)
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1 Im Rahmen der Arbeit werden vorrangig männliche Bezeichnungen verwendet. Frauen sind ausdrücklich mitgemeint.
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- Lydia Juraschek (Author), Sophie Schmacht (Author), 2019, Schulhunde. Der Einsatz am Beispiel der Pflegeausbildung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/919545
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