In dieser Arbeit wurde die Nahrungszusammensetzung von Larven der beiden Elbfischarten Finte (Alosa fallax) und Stint (Osmerus eperlanus) untersucht. Ziel war es, eine Einschätzung über die Bedeutung verschiedener Nahrungsorganismen für die Ernährung der untersuchten Larvenstadien zu geben.
Darüber hinaus war eine Betrachtung der selektiven oder unselektiven Aufnahme verschiedener Nahrungsorganismen durch die gefangenen Larven Teil dieser Arbeit. Hiermit sollte geklärt werden, ob es Unterschiede in der Strategie der Nahrungsaufnahme bei den untersuchten Arten gibt.
Um einen Bezug zu den in der Umwelt vorhandenen Zooplanktonorganismen zu haben und um deren Abundanzen zu kennen, wurden im Untersuchungszeitraum an jeder Station parallel zu jedem Ringnetzhol Planktonproben gesammelt und ausgewertet.
Bei der Bearbeitung der Fische wurden diese zunächst in verschiedene Entwicklungsetappen eingeteilt und Unterproben jedes Probentages einzeln gemessen und gewogen. Anschließend wurden von jedem Probentag und jeder Station zehn Tiere pro Etappe auf ihre Mageninhalte hin untersucht. Es erfolgte eine Auszählung der gefressenen Nahrungspartikel.
Für die Elektivitätsbestimmung nach IVLEV erfolgte die Bestimmung der prozentualen Anteile der verschiedenen Taxa in den Mageninhalten. Diese wurden dann ins Verhältnis zu den prozentualen Anteilen der Planktonorganismen in der Umwelt gesetzt.
Um die Bedeutung der einzelnen Nahrungsorganismen für die beiden Arten zu bestimmen, erfolgte eine Auswertung der Mageninhalte nach ZANDER (1982). Dafür war es nötig die Trockengewichte der gefressenen Individuen zu berechnen.
Es wurde festgestellt, dass Finte und Stint aller Entwicklungsstadien adulte Calanoidae selektiv aufnehmen. Stinte zeigen ansonsten nur noch für Harpacticoidae bei einigen Etappen eine unselektive Aufnahme. Alle anderen untersuchten Nahrungsorganismen wurden von den Stinten gemieden.
Finten aller Etappen zeigten bei Copepoditen, und Harpacticoiden eine unselektive, teilweise auch eine selektive Aufnahme. Nauplien wurden dagegen nur von der Etappe C unselektiv aufgenommen und von größeren Etappen gemieden. Cyclopoidae und sonstige Cladoceren wurden nur von Finten der Etappe E unselektiv aufgenommen.
Für die Ernährung beider Arten spielen demzufolge die Calanoidae (Eurytemora affinis) die bedeutendste Rolle.
Inhaltsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
2 Untersuchungsgebiet
3 Material und Methoden
3.1 Fangstationen
3.2 Probennahme
3.2.1 Beprobungsmodus
3.2.2 Fanggeräte
3.2.2.1 Ringnetz
3.2.2.2 Ruttner-Schöpfer
3.2.3 Bestimmung abiotischer Parameter
3.3 Untersuchte Arten
3.3.1 Die Finte (Alosa fallax)
3.3.2 Der Stint (Osmerus eperlanus)
3.4 Probenbearbeitung
3.4.1 Bearbeitung der Fischproben
3.4.2 Bearbeitung der Zooplanktonproben
3.4.3 Magenanalysen
3.5 Auswertung
3.5.1 Berechnung der Fischabundanzen
3.5.2 Berechnung der Fischbiomassen
3.5.3 Berechnung der Zooplanktonabundanzen
3.5.4 Elektivität nach IVLEV
3.5.5 Main-Food-Index
4 Ergebnisse
4.1 Abiotische Parameter
4.2 Fischabundanzen und –biomassen
4.3 Zooplanktonabundanzen
4.4 Elektivität nach IVLEV
4.5 Magenanalysen und MFI
4.5.1 Längen und rekonstruierte Biomassen der Nahrungsorganismen
4.5.2 Main-Food-Index (MFI)
4.5.2.1 Station 1
4.5.2.2 Station 5
4.5.2.3 Station 6b
5 Diskussion
5.1 Methodenkritik
5.1.1 Zooplanktonproben
5.1.2 Elektivitätsindex nach IVLEV
5.2 Nahrungswahl und –zusammensetzung der untersuchten Arten
5.3 Ausblick
6 Zusammenfassung
7 Literaturverzeichnis
8 Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1 Lage der Probennahmestationen im Mühlenberger Loch
Abb. 2 Entwicklungsetappen der Larven nach KOBLIZKAJA
Abb.: 3 Darstellung der Sichtverhältnisse im Untersuchungszeitraum an den Stationen 1, 5 und 6b
Abb. 4 Darstellung der durchschnittlichen Wassertemperatur und Sauerstoffkonzentration aller Stationen im Probennahmezeitraum
Abb. 5 Darstellung der durchschnittlichen Wassertemperatur und Sauerstoffsättigung aller Stationen im Probennahmezeitraum
Abb. 6 Darstellung der durchschnittlichen Leitfähigkeit und Salinität aller Stationen im Probennahmezeitraum
Abb. 7 Gesamtabundanzen und Abundanzen der gefangenen Arten an Station 1 über den gesamten Untersuchungszeitraum
Abb. 8 Gesamtabundanzen und Abundanzen der gefangenen Arten an Station 5 über den gesamten Untersuchungszeitraum
Abb. 9 Gesamtabundanzen und Abundanzen der gefangenen Arten an Station 6b über den gesamten Untersuchungszeitraum
Abb. 10 Gesamtbiomasse und Biomasse der gefangenen Arten an Station 1 über den gesamten Untersuchungszeitraum
Abb. 11 Gesamtbiomasse und Biomasse der gefangenen Arten an Station 5 über den gesamten Untersuchungszeitraum
Abb. 12 Gesamtbiomasse und Biomasse der gefangenen Arten an Station 6b über den gesamten Untersuchungszeitraum
Abb. 13 Prozentuale Verteilung des Zooplanktons an den Station 1 während des Untersuchungszeitraums
Abb. 14 Prozentuale Verteilung des Zooplanktons an Station 5 während des Untersuchungszeitraums
Abb. 15 Prozentuale Verteilung des Zooplanktons an Station 6b während des Untersuchungszeitraums
Abb. 16 Elektivitätsindex für Finte B (n=1)
Abb. 17 Elektivitätsindex für Finte C1 (n=53)
Abb. 18 Elektivitätsindex für Finte C2 (n=42)
Abb. 19 Elektivitätsindex für Finte D1 (n=40)
Abb. 20 Elektivitätsindex für Finte D2 (n=47)
Abb. 21 Elektivitätsindex für Finte E (n=42)
Abb. 22 Elektivitätsindex für Stint C1 (n=17)
Abb. 23 Elektivitätsindex für Stint C2 (n=18)
Abb. 24 Elektivitätsindex für Stint D1 (n=28)
Abb. 25 Elektivitätsindex für Stint D2 (n=62)
Abb. 26 Elektivitätsindex für Stint E (n=180)
Abb. 27 Nahrungszusammensetzung der Finten im Entwicklungsstadium C an Station
Abb. 28 Nahrungszusammensetzung der Finten im Entwicklungsstadium D und E an Station
Abb. 29 Nahrungszusammensetzung der Stinte im Entwicklungsstadium C und D an Station
Abb. 30 Nahrungszusammensetzung der Stinte im Entwicklungsstadium E an Station
Abb. 31 Nahrungszusammensetzung der Finten im Entwicklungsstadium B und C an Station
Abb. 32 Nahrungszusammensetzung der Finten im Entwicklungsstadium D und E an Station
Abb. 33 Nahrungszusammensetzung der Stinte im Entwicklungsstadium C und D an Station
Abb. 34 Nahrungszusammensetzung der Stinte im Entwicklungsstadium E an Station
Abb. 35 Nahrungszusammensetzung der Finten im Entwicklungsstadium C und D an Station 6b
Abb. 36 Nahrungszusammensetzung der Finten im Entwicklungsstadium E an Station 6b
Abb. 37 Nahrungszusammensetzung der Stinte im Entwicklungsstadium C und D an Station 6b
Abb. 38 Nahrungszusammensetzung der Stinte im Entwicklungsstadium E an Station 6b
Tabellenverzeichnis
Tab. 1 Termine der Probennahmen und Anzahl der Hols
Tab. 2 Berechnetes mittleres Fangvolumen aus den Ringnetz- fängen der untersuchten Probentage
Tab. 3 Verwendete Geräte zur Messung abiotischer Parameter
Tab. 4 Bestimmte Taxa aus den Zooplanktonproben
Tab. 5 Fangdaten und Anzahl untersuchte Finten und Stinte
Tab. 6 Verdauungsgrade der Magen-Darminhalte
Tab. 7 Formeln zur Berechnung der Biomasse der gefundenen Nahrungsorganismen
Tab. 8 Werte der Zooplanktonabundanzen [Ind/m³] an Station 1 bis 6b
Tab. 9 Mittlere Längen und Standardabweichung der gemessenen Taxa
Tab. 10 Berechnetes Trockengewicht in µg/Ind. der gefundenen Nahrungsorganismen und Abkürzungen
1 Einleitung
Fischlarven vollziehen bei ihrer Entwicklung von der Fischlarve zum adulten Tier grundlegende Veränderungen ihrer Morphologie und Physiologie.
So kommt es während der frühen Larvenentwicklung zu einer Aufzehrung des embryonalen Dottersacks und einer Umstellung der endogenen auf eine exogene Ernährung. Damit einhergehend ändert sich auch die Physiologie des Tieres und es kommt zu einer Ausbildung und Weiterentwicklung der Sinnesorgane, der Muskulatur und des Enzymsystems. Weiterhin entwickeln sich nach und nach die verschiedenen Flossen, das Schuppenkleid, die Pigmentierung sowie die inneren Organe (BERTRAM 2002).
Anhand der äußeren morphologischen Merkmale lassen sich die einzelnen Entwicklungsstadien abgrenzen und beschreiben. So wurde die Entwicklung der Larven der Kaspischen Plötze von KOBLIZKAJA (1981) in sechs verschiedene Etappen eingeteilt, die mit verschiedenen Buchstaben gekennzeichnet sind. Darüber hinaus erfolgte die Einteilung in verschiedene Stanzen (Vor-, Früh- und Postlarven). Die Einteilung nach KOBLIZKAJA (1981) findet in dieser Arbeit Verwendung.
Neben den morphologischen und physiologischen Umgestaltungen kommt es bei den Fischlarven zu einer Verhaltensänderung. Nach dem Schlüpfen machen viele Larven eine Ruhephase durch, während der sie sich, wie z.B. die Salmonidae, im Kies verbergen oder wie viele Cyprinidae mit Klebdrüsen an Pflanzen, Treibgut o.ä. heften (MUUS/DAHLSTRÖM 1968). Nach dem Aufbrauchen des Dottersacks gehen Fischlarven gewöhnlich in eine pelagische Lebensweise an der Wasseroberfläche über und ernähren sich planktivor (MUUS/NIELSEN 1999). Durch die stärkere Bedrohung von Fressfeinden entwickelt sich ein ausgeprägtes Fluchtverhalten. Außerdem wird das Schwimmverhalten optimiert um die Jagd nach Beute zu verbessern. So zeigen viele Fischlarven ein rhythmisches Schwimmmuster, bei dem einige wenige Schwanzschläge mit Ruheperioden abwechseln. Dadurch wird eine energetisch günstige Nahrungssuche in einem möglichst großen Wasservolumen möglich (BONE/MARSHALL 1985).
Die meisten Larven der Osteichthyes ernähren sich von planktischen Crustaceen (BONE/MARSHALL 1985). Verschiedene Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass sich das Beutespektrum in der Entwicklung der Fischlarven mit zunehmender Größe verändert. So nehmen die Larven der Kaspischen Plötze bei einer Länge von 5,0 mm – 8,5 mm überwiegend Volvox sp., Rotatorien und Nauplien auf. Mit zunehmender Länge (bis 12,0 mm) erfolgt die Umstellung auf Cladoceren und andere planktonische Crustaceen. Juvenile Plötzen (ca. 15,0 mm) fressen hauptsächlich benthisch lebende Insektenlarven, während sich die Adulten überwiegend von Mollusken ernähren (NIKOLSKY 1963 in BONE/MARSHALL 1985).
Durch ihre großen Individuendichten und ihre überwiegend planktivore Ernährung benötigen Fischlarven und Jungfische große Mengen an Nahrungsorganismen. In großen Flüssen und Strömen wie der Elbe finden sich solche großen Planktonpopulationen verstärkt in Flachwasserbereichen und Watten.
In der Tideelbe bilden das Mühlenberger Loch und die Hahnöfer Nebenelbe einen solchen Flachwasserbereich. Es gilt als eines der Hauptreproduktionsgebiete für den calanoiden Copepoden Eurytemora affinis (HAGGE/GREISER 1996), der dort ganzjährig 90 – 99% des Crustaceenplanktons stellt (PEITSCH 1992, KAUSCH 2002). THIEL et al. (1996) fanden heraus, dass im Bereich der Unterelbe der hier untersuchte Stint (Osmerus eperlanus) bis zu 80% des Jungfischaufkommens stellt. Der Stint ernährt sich hauptsächlich von E. affinis und gilt daher als einer der Hauptprädatoren von E. affinis im Bereich der Elbe. Neben dem Stint ist auch die in dieser Arbeit untersuchte Finte (Alosa fallax) mit bis zu 17% Abundanzanteil ein weiterer wichtiger Fisch des Elbeästuars (THIEL et al.). Auch ihre Larven und Jugendstadien ernähren sich planktivor.
Flachwasserbereiche haben neben der Bereitstellung von ausreichend Futterorganismen für verschiedene Prädatoren noch weitere Aufgaben. Durch die Schiffbarmachung der großen Flüsse und das Eindeichen als Schutz vor Überflutungen des Hinterlandes kommt es zu starken Störungen des Ökosystems Fluss. Durch Strombaumaßnahmen wie Buhnen, Strömungsleitdämmen und der ständigen Anpassung der Fahrrinnentiefe an immer größere Schiffe wurde die Strömungsgeschwindigkeit der Flüsse und damit die Sedimentfracht erhöht. Dadurch erhöhte sich auch die Bioverfügbarkeit von organischen Partikeln aus dem Sediment, was zu einem erhöhten mikrobiellen und sauerstoffzehrenden Abbau führte. Vor allem in den Sommermonaten sind daher in der Tideelbe immer wieder Sauerstoffmangelsituationen mit Sauerstoffgehalten von unter 3 mg/l zu beobachten.
Durch die größere Wassertiefe in der Fahrrinne und die ständige Durchmischung der Wassersäule bis in tiefere Wasserschichten reicht die Zeit der Lichtexposition der planktischen Algen nicht mehr aus, um deren Grundstoffwechsel aufrecht zu erhalten. Dadurch sterben die Algen ab und werden ebenfalls in sauerstoffzehrenden Prozessen abgebaut (WOFSY 1983). Eine biogene Belüftung des Wassers im Bereich der Fahrrinne spielt daher kaum mehr eine Rolle (KAUSCH 2002). Außerdem sorgt das ungünstige Verhältnis von spezifischer (kleiner) Wasseroberfläche zum Wasservolumen für ein schlechteres Sauerstoffverhältnis.
Heutzutage sind die meisten großen Flüsse mit organischen Abfällen und gelösten Stoffen stark belastet. Der aerobe, mikrobielle Abbau dieser Stoffe und die mangelnde biogene Belüftung führen weiterhin zu einer schlechten Sauerstoffbilanz im Bereich der Fahrrinne.
In den Flachwasserbereichen der großen Ströme finden sich dagegen andere Verhältnisse als im Bereich des Fahrwassers. In den strömungsberuhigten Bereichen ist die Verweildauer des Wassers um ein vielfaches höher, wodurch hier die Selbstreinigung des Gewässers verbessert wird. Durch die Besiedelung der Schwebstoffaggregate in der Wassersäule und des Schlicks mit Algen kommt es in den Flachwasserbereichen zu einer biogenen Belüftung und einer hohen Primärproduktion. Bakterien auf den Aggregaten und Sedimenten haben einen großen Anteil an Abbau- und Umsatzprozessen von im Wasser gelösten Stoffen. Die hohe Primärproduktion von Algen und Bakterien kommt ihrerseits anderen Organismen wie Rotatorien, Wimperntierchen, Crustaceen und Nematoden zu Gute (KAUSCH 2002).
Neben der biogenen Belüftung hat auch die große spezifische Wasseroberfläche in den Flachwasserbereichen an den ausgeglicheneren Sauerstoffverhältnissen einen großen Anteil. „Sauerstofflöcher“ mit für Fische kritischen O2-Gehalten von unter 3 mg/l treten daher in diesen Bereichen, auch bei hohen Wassertemperaturen während der Sommermonate, eher selten auf.
Durch die erheblich geringeren Strömungsgeschwindigkeiten und hohen Sauerstoffgehalte bilden Flachwasserbereiche in den großen Flüssen die wichtigsten Laich- und Rückzugsgebiete für Fische. Durch die hohe Produktivität und Diversität des Zooplanktons sind Flachwasserbereiche und Süßwasserwatte ein ideales Aufwuchsgebiet für die Fischbrut (HAGGE/GREISER 1996).
Ziel dieser Arbeit ist die Untersuchung der Ernährungsgewohnheiten von Larven der Fischarten Stint (Osmerus eperlanus) und Finte (Alosa fallax). Dabei sollen folgende Fragestellungen im Mittelpunkt stehen:
- Wie ist die Nahrung der beiden Arten zusammengesetzt?
- Ändert sich das Nahrungsspektrum mit fortschreitender Entwicklung und zunehmender Größe der Larven?
- Werden die Nahrungsorganismen selektiv oder unselektiv aufgenommen? Gibt es Unterschiede zwischen den Arten und den einzelnen Etappen?
- Haben die beiden Arten unterschiedliche Ernährungsweisen (Partikelfraß, Filtrierer)?
Um diese Fragen zu erörtern wurden verschiedene Fisch- und Planktonproben aus der Elbe untersucht. Sie alle stammen von drei Stationen aus dem Bereich des Mühlenberger Lochs und der Hahnöfer Nebenelbe. Die Probennahme erfolgte in der Zeit von Mai bis Juni 2005 im Zuge einer anderen von Sven Oesmann durchgeführten Studie, bei der insgesamt 10 Stationen beprobt wurden.
2 Untersuchungsgebiet
Das Mühlenberger Loch liegt 2 km stromabwärts des Hamburger Hafens südlich des Hauptfahrwassers bei Stromkilometer 634. Ursprünglich handelte es sich um das Mündungsgebiet der Alten Süderelbe, die jedoch nach der großen Sturmflut von 1962 durch Deichbaumaßnahmen vom Hauptstrom getrennt und in ein Stillgewässer verwandelt wurde. Das Mühlenberger Loch selbst wurde nach 1936 von den Flugzeugwerken „Blohm&Voss“ als Hafenbecken und Erprobungsfläche für Start und Landungen von Flugbooten auf der Elbinsel (heute Halbinsel) Finkenwerder angelegt und hatte ursprünglich eine Größe von 675 ha (HAGGE/GREISER 1996).
Nach der Eindeichung der Alten Süderelbe wurde das Mühlenberger Loch nur noch von der Hahnöfer Nebenelbe zum Hauptstrom hin durchspült. Durch den Einfluss von Ebbe und Flut versandete das Mühlenberger Loch zunehmend und bildet heute das größte zusammenhängende Süßwasserwatt Europas mit periodisch trockenfallenden Wattzonen. Es handelt sich um das letzte Flachwasser- und Wattgebiet der limnischen Tideelbe (KAUSCH 2002).
Süßwasserwatten sind nach PFANNKUCHE et.al (1975) biologisch hochproduktive Zonen. Auf Grund der hohen Abundanzen von Benthos- (DÖRJES&REINECK 1981) und Zooplanktonorganismen (ORTEGA 1991, KAUSCH 1994) spielte das 675 ha große Mühlenberger Loch als bedeutendes Nahrungsgebiet für Vögel (MITSCHKE&GARTHE 1994) und Fische (THIEL 2000) eine große Rolle und war durch die Ramsar-Konvention geschützt (KAUSCH 2002).
Die zahlreichen Zooplanktonorganismen werden insbesondere von Fischlarven als Nahrungsquelle genutzt. So zeigten THIEL et al. (1995), dass im Mühlenberger Loch eine wesentlich höhere Fischdichte als in anderen Randbereichen und Nebenelben, sowie im Hauptstrom, existiert. Darüber hinaus stellt das Mühlenberger Loch auf Grund seiner strömungsberuhigten Zonen ein Aufwuchs- und Rückzugsgebiet für Fischlarven und Jungfische dar.
Durch seine funktionierende Selbstreinigung war das Mühlenberger Loch bis in die 1990er Jahre eine Gewässergüteklasse besser (KAUSCH 2002) und hatte ausgeglichenere Sauerstoffverhältnisse (CASPERS 1984) als der Hauptstrom.
Im Zuge der Werkserweiterung der Airbus Deutschland GmbH wurden ca. 170 ha des Mühlenberger Lochs zugeschüttet. Dadurch ging ein großer Teil des Ökosystems verloren.
3 Material und Methoden
Nachstehend werden die Probennahme und die Datenerhebung näher erläutert.
3.1 Fangstationen
Bei den Probennahmestationen handelte es sich um drei Stationen in der Tideelbe im Bereich des „Mühlenberger Lochs“.
Station 1 befand sich in unmittelbarer Nähe zum Hauptstrom der Elbe und war durch die größte Wassertiefe gekennzeichnet. Außerdem wurden hier auch die größten Sichttiefen gemessen.
Station 5 lag im Nebenfahrwasser direkt vor der Estemündung, bzw. dem Estesperrwerk und wies während der Probennahmen Wassertiefen von min. 200 cm auf.
Station 6b lag direkt über den Wattflächen des Mühlenberger Lochs und war auf Grund des Trockenfalls bei Ebbe nur bei Hochwasser befischbar. Selbst bei Hochwasser betrug die Wassertiefe hier nicht mehr als 200 cm. Die Sichttiefe war an Station 6b am geringsten.
Die Wassertiefen der einzelnen Stationen, sowie die gemessenen Werte der Sichttiefe und anderer abiotischer Parameter sind in Anhangstabelle A1 dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Lage der Probennahmestationen im Mühlenberger Loch
3.2 Probennahme
Im folgenden Abschnitt werden der Beprobungsmodus sowie die einezelnen Fanggeräte eingehender betrachtet.
3.2.1 Beprobungsmodus
Die Beprobung der drei Stationen erfolgte von Mai bis Juli 2005 (s. Tab. 3.1). In diesen Monaten war mit einem Aufkommen von Finten- und Stintlarven zu rechnen.
Die Probennahmen wurden in dieser Zeit wöchentlich durchgeführt. Je nach Wetterbedingungen lagen zwischen den einzelnen Probennahmen 6 bis 8 Tage.
Die Probennahme erfolgte ca. 1 Stunde vor bis ca. 1 Std. nach Hochwasser, da nur in diesem Zeitraum alle Stationen angefahren werden konnten und vergleichbare Bedingungen vorhanden waren.
Da Station 6b nur bei Hochwasser befischbar war, erfolgte die Probennahme an dieser Station möglichst beim Wasserhöchststand. Station 5 wurde jeweils kurz vor Hochwasser angefahren, Station 1 kurz nach Hochwasser.
Alle Stationen wurden mit Hilfe eines GPS-Empfängers „Garmin GPS 38“ angefahren (Genauigkeit +/- 10 m).
Tab. 1: Termine der Probennahmen und Anzahl der Hols
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
In der vorliegenden Arbeit wurden nur die Proben vom 17.05.2005 bis 20.06.2005 näher untersucht, da erst ab diesem Datum Finten in den Fängen auftraten.
3.2.2 Fanggeräte
Für den Fang der hier untersuchten Fischlarven sowie der Planktonproben standen ein Schlauchboot (ca.4,50 m * 1,50 m) mit aufblasbarem Kiel und Außenbordmotor sowie zwei verschiedene Fanggeräte (Ringnetz, Ruttner-Schöpfer) zur Verfügung. Die Fanggeräte wurden an allen untersuchten Stationen eingesetzt.
3.2.2.1 Ringnetz
Zum Fang der Fischlarven wurde ein Ringnetz mit einer Maschenweite von 500 µm und einer Länge von ca. 2 m verwendet. Der Durchmesser der Netzöffnung betrug 0,92 m, die Netzöffnungsfläche 0,665 m². Zur Bestimmung des abgefischten Wasservolumens war in der Mitte der Netzöffnung ein Digital Flowmeter der Firma Hydrobios befestigt. Mit dem Ringnetz wurde nur die obere Wasserschicht abgefischt.
Die Holdauer betrug 5 Minuten. Das Ringnetz wurde während des Hols kreisförmig ca. 3-4 Meter hinter dem Boot über die Probennahmestation geschleppt. Dabei wurde eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 1,46 Knoten erreicht. Durch die kreisförmige Bewegung wurde vermieden, dass Schraubenwasser die Verteilung der Fischlarven im Wasser und deren Fluchtverhalten beeinflussen konnte.
Nach Beendigung der Fangzeit wurden die Fischlarven aus dem Steert in 1 l Kautex-Flaschen gespült und dort mit 4%igem, boraxgepuffertem Formol fixiert.
Das filtrierte Volumen Vol (Tab. 1) berechnete sich nach folgender Formel:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten(Gleichung 1)
U = vom Flowmeter abgelesene Umdrehungen pro Hol
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten= Faktor des Flowmeters U / m (eigene Eichung) = 0,27942102 U / m
A = Netzöffnung = 0,665 m²
Tab. 2: Berechnetes mittleres Fangvolumen aus den Ringnetzfängen der untersuchten Probentage
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
3.2.2.2 Ruttner-Schöpfer
Um eine Vergleichsmöglichkeit zwischen dem vorhandenen Nahrungsorganismen und den Magen-Darm-Inhalten der untersuchten Fischlarven zu haben, wurden parallel zu jedem Ringnetzhol Planktonproben an der Wasseroberfläche genommen.
Bei der Probennahme wurde ein Ruttner-Schöpfer mit 2 l Volumen der Firma Hydrobios verwendet. Insgesamt wurden 3 Parallelproben à 10 l Wasser pro Station und Probentag genommen.
Die gefangenen Planktonorganismen wurden in einem Planktonsieb mit 47 µm Maschenweite aufkonzentriert und dann in 250 ml Kautex-Flaschen überführt. Hier erfolgte die Fixierung mit 4%igem Zuckerformol.
Der Zucker diente der Aufrechterhaltung des osmotischen Gradienten, da sich sonst bei den vorhandenen Cladoceren der Carapax geöffnet hätte und u.U. in der Brutkammer enthaltene Eier freigesetzt worden wären.
3.2.3 Bestimmung abiotischer Parameter
Während der Probennahme wurden Messungen wichtiger abiotischer Parameter an jeder Station durchgeführt. Dies geschah unmittelbar nach oder während der Befischung. Die Parameter und verwendete Geräte sind in Tab. 3 aufgelistet, wobei die Strömungsgeschwindigkeit kurz unterhalb der Oberfläche bestimmt wurde und die Sichttiefe auf der sonnenabgewandten Seite des Bootes ermittelt worden ist.
Tab. 3: Verwendete Geräte zur Messung abiotischer Parameter
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
3.3 Untersuchte Arten
In dieser Arbeit wurden die beiden typischen Elbfische Stint (Osmerus eperlanus) und Finte (Alosa fallax) untersucht. Diese beiden Arten werden im Folgenden näher charakterisiert.
3.3.1 Die Finte (Alosa fallax)
Die Finte (Alosa fallax) ist ein anadromer Wanderfisch, der in die Familie der Clupeidae gehört. Sie steht auf der roten Liste für bedrohte Arten.
In den Monaten Mai und Juni dringen die laichreifen Tiere in die Elbe ein und laichen ca. 80.000-200.000 Eier ab, die frei in der Wassersäule driften (MUUS/NIELSEN 1999 / MUUS/DAHLSTRÖM 1968). Kurz nach der Eiablage bildet sich unter Wasseraufnahme ein perivitelliner Raum. Dadurch vergrößert sich der Eidurchmesser von 1,6 mm auf 4,5 mm (MUUS/DAHLSTRÖM 1968). Oberhalb von 15°C entwickeln sich die Eier innerhalb von 2-8 Tagen, bis die Larven bei einer Länge von 4,5 mm Schlüpfen (EHRENBAUM 1894). Noch im ersten Lebensjahr ziehen die Jungfische ins Meer. Dies geschieht im Herbst bei einer Länge von 5-6 cm (MUUS/NIELSEN 1999/MUUS/DAHLSTRÖM 1968).
Das Mühlenberger Loch ist als wichtiges Laichgebiet und als Hauptaufwuchsgebiet der Finte im Bereich der Unterelbe anzusehen (KAUSCH 2002/THIEL et al. 2001).
3.3.2 Der Stint (Osmerus eperlanus)
Der Stint (Osmerus eperlanus) ist ebenfalls ein anadromer Wanderfisch und gehört in die Familie Osmeridae.
Von Ende Februar bis Anfang Mai werden von den Weibchen ca. 8.000-50.000 Eier an festem Substrat abgelaicht. Die Eier haben einen Durchmesser von 0,6-0,9 mm (MUUS/NIELSEN 1999). RUSSEL (1976) gibt einen Eidurchmesser von 0,9-1,3 mm für den Stint an. Der Großteil der Eier entwickelt sich nicht am Ablageort, sondern flottiert zwischen suspendiertem organischem Material im Tidestrom der Elbe und wird elbabwärst verdriftet (EHRENBAUM 1894/LILLELUND1961).
Je nach Temperatur entwickeln sich die Eier innerhalb von 3-5 Wochen (MUUS/NIELSEN 1999), allerdings kann sich die Entwicklungszeit am Ende der Laichperiode auf Grund der erhöhten Wassertemperaturen auf 15 Tage verkürzen (LILLELUND 1961).
Die Stintlarven schlüpfen mit einer Länge von 5,5 – 6,0mm (EHRENBAUM 1894). Von Mai bis September halten sich die Larven und Jungfische im Mühlenberger Loch und im Bereich der Hahnöfer Nebenelbe und in der Lühesander Nebenelbe auf, bevor sie im September mit einer Länge von 4 bis 9 cm elbabwärts ziehen (LADIGES 1935). Die Unterelbe ist damit das Hauptlaich- und -aufwuchsgebiet des Stintes, der die wichtigste Fischart im Elbeästuar ist (SEPULVEDA et al. 1993).
3.4 Probenbearbeitung
Die Vermessung und taxonomische Einteilung der Fische aus den Ringnetzfängen und die Auszählung der Zooplanktonproben erfolgte im Labor des Instituts für Hydrobiologie und Fischereiwissenschaft im Zeiseweg und im Labor des Biozentrums Klein Flottbek in der Ohnhorststraße.
Zur Bestimmung der Fischlarven wurden die Bestimmungsschlüssel von DIECKWISCH (1987) und SCHEFFEL (1989) verwendet.
3.4.1 Bearbeitung der Fischproben
Um überschüssiges Formol abzuwaschen, wurden die fixierten Proben zunächst einige Zeit gewässert und anschließend die Fischlarven heraussortiert. Dabei erfolgte die Einteilung der Larven in unterschiedliche Entwicklungsetappen nach KOBLIZKAJA (1981) (s. Abb. 2).
Auf einem Millimetermessbrett wurden anschließend die Total- und Standardlängen der untersuchten Fischlarven, z.T. unter Zuhilfenahme eines Binokulars der Firma Wild Heerbrugg, ermittelt. Die Bestimmung der Längen erfolgte auf 1 mm below, bzw. bei Larven unter 20 mm - sofern möglich - auf 0,5 mm below. Im nächsten Arbeitsschritt wurden alle gemessenen Larven gewogen.
Dies erfolgte auf einer Analysenwaage der Firma Satorius auf 0,01 mg, bzw. bei größeren Larven auf 0,1 mg genau.
Je nachdem wie groß die Längenunterschiede der Larven innerhalb eines Entwicklungsstadiums waren, wurden 50 bis 100 Tiere pro Entwicklungsettape gemessen und gewogen, sofern ausreichend Tiere in der Probe vorhanden waren. Überschüssige Tiere wurden gezählt und deren Gesamtgewicht ermittelt (je nach Anzahl auf 0,01 g, 1 mg, 0,1 mg oder 0,01 mg genau).
Alle gemessenen und gewogenen Fische wurden einzeln in nummerierten Eppendorf-Caps für die späteren Mageninhaltsanalysen aufbewahrt.
Die Ringnetzfänge wurden nach Möglichkeit komplett bearbeitet. War das Probenvolumen zu groß, erfolgte mit Hilfe einer Planktonwippe (Zweifachteiler) eine Teilung der Probe und nur eine Teilmenge wurde bearbeitet.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Entwicklungsetappen der Larven nach KOBLIZKAJA
3.4.2 Bearbeitung der Zooplanktonproben
Die Bearbeitung erfolgte mit Hilfe eines Binokulars „M8“ der Firma Wild Heerbrugg in Bogorov-Zählschalen.
Ausgezählt wurde je eine Planktonprobe pro Station und Probentag. Die erfassten Gattungen, sowie taxonomischen Großgruppen sind in Tab. 4 zusammengefasst.
Tab. 4: Bestimmte Taxa aus den Zooplanktonproben
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Weiterhin wurden aus allen ausgezählten Proben stichprobenartig Längenmessungen an 7 bis 100 Tieren durchgeführt. Bestimmt wurde dabei die Länge vom Kopf bis zum letzten Thoracalsegment (bei Copepoden und Copepoditen), bzw. die Gesamtlänge der Nauplien. Bei Cladoceren wurde die Carapaxlänge gemessen (BOTTRELL et al. 1976).
War die Organismendichte in den Proben sehr hoch, wurde die Probe in einem Zehnfachteiler geteilt. Es wurden dann nur Teilmengen ausgezählt und die Gesamtindividuenzahl später hochgerechnet.
Die Bestimmung der Zooplanktonorganismen erfolgte mit den Bestimmungsschlüsseln von HERBST (1962), KIEFER (1960) und STREBLE/KRAUTER (1977).
3.4.3 Magenanalysen
Es wurden an insgesamt 530 Fischlarven Mageninhaltsuntersuchungen durchgeführt. Der Untersuchungszeitraum umfasste 6 Probentage vom 17.05.2005 bis 20.06.05 (s. Tab. 5).
[...]
- Citation du texte
- Dipl.-Biologe Sebastian Schultz (Auteur), 2007, Mageninhaltsuntersuchungen an Larven von Stint (Osmerus eperlanus Linnaeus 1758) und Finte (Alosa fallax Lacépède 1803), Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/91900
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