Das Hauptanliegen dieser Arbeit ist es herauszufinden, inwieweit Konzeptionen den pädagogischen Fachkräften eine Orientierung im Alltag in der Zusammenarbeit mit den Eltern bieten. Wie erleben Erzieher_innen und Kindheitspädagog_innen die Erziehungspartnerschaft? Wann wird diese auf den Prüfstand gestellt?
Eine Heranziehung unterschiedlicher theoretischer Grundlagen und der vorliegenden Empirie stellt das Spannungsfeld der normativen Vorgaben und der Wirklichkeit von Bildungs-und Erziehungspartnerschaft heraus. Herausforderungen werden formuliert, mit denen der Ansatz der Erziehungspartnerschaft in der pädagogischen Praxis verbunden ist.
Ein weiteres Ziel ist es, die Perspektive der pädagogischen Fachkräfte auf die Transfermöglichkeiten der Erziehungspartnerschaft zu erfahren und ihre Einschätzung über die, als wertvoll empfundenen Orientierungshilfen in der Zusammenarbeit zu erfassen. Dazu werden Erfahrungen, Einstellungen und Meinungen der pädagogischen Fachkräfte erlangt. Es wird also nicht die Wirksamkeit der Erziehungspartnerschaft an sich erforscht, sondern die Übertragbarkeit auf die erforschten frühpädagogischen Einrichtungen.
Inhaltsverzeichnis
1. EINLEITUNG
2. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
2.1. ZENTRALE BEGRIFFE
2.1.1. Konzeption
2.1.2. Erziehungspartnerschaft
2.2. GESETZLICHE VORGABEN
2.3. ERZIEHUNGSPARTNERSCHAFT IN KONZEPTIONEN
2.4. PÄDAGOGISCHE HALTUNG
2.5. ZWISCHENFAZIT
3. EMPIRISCHER TEIL
3.1. METHODIK
3.2. FORSCHUNGSPROZESS
3.2.1. Entwicklung der Forschungsfrage
3.2.2. Forschungsdesign
3.2.3. Methode der Gruppendiskussion
3.2.4. Planung, Vorbereitung, Durchführung
3.3. BESCHREIBUNG DER AUSWERTUNGSMETHODE (DIE DOKUMENTARISCHE METHODE)
3.3.1. Formulierende Interpretation
3.3.2. Reflektierende Interpretation
3.3.3. Diskursbeschreibung
3.3.4. Typenbildung
3.3. AUSWERTUNG
3.3.1. Formulierende Interpretation
3.3.2. Reflektierende Interpretation
3.3.3. Falldarstellung
3.3.4. Komparative Analyse und Typenbildung bzw. Rahmungen
4. DISKUSSION
5. FAZIT
LITERATURVERZEICHNIS
ANHANG
1. Einleitung
Seit ihren Anfängen agierten frühkindliche Einrichtungen ohne die Rückbesinnung auf eine pädagogische Konzeption. Mit dem Gesetzeserlass für Kinder- und Jugendhilfe (KJhG) 1991 erarbeiteten sich die meisten frühpädagogischen Einrichtungen pädagogische Konzeptionen als Handlungsgrundlage. (vgl. Knauf 2005, o.S.) Diese Handlungsgrundlage soll auch bei der Erziehungspartnerschaft eine Orientierungshilfe bieten. In unzähligen wissenschaftlichen Artikeln wie Bragsten 2012, Baum 2012, Brandhorst/Kohr 2006, Krenz/Klein 2010, Kokigei 2018, um nur einige zu erwähnen, wird die Bedeutung der Erziehungspartnerschaft und die der pädagogischen Konzeptionen (weiter im Text Konzeption), als Instrument für die pädagogische Arbeit, hervorgehoben. So beschreibt die Deutsche Liga für das Kind & Save the Children (2017) eine Bildungsund Erziehungspartnerschaft wie folgt:
„Wenn diese Partnerschaft gelingt, findet das Kind die besten Entwicklungsbedingungen vor. Familie und Kita bzw. Kindertagespflegestelle öffnen sich füreinander, machen ihre Erziehungsvorstellungen und Bildungsangebote im wechselseitigen Austausch transparent, richten ihr gemeinsames Handeln am Wohl des Kindes aus und unterstützen sich hierbei wechselseitig“ (S. 5).
Ein weiteres Beispiel liefert der Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder von 0 bis 10 Jahren in Hessen (vgl. Hessisches Ministerium für Soziales und Integration/Hessisches Kultusministerium 2016, S.108). Hier wird dafür plädiert, dass eine Zusammenarbeit mit Eltern eine Erziehungspartnerschaft anstreben soll. So kann zunächst festgehalten werden, dass die Erziehungspartnerschaft von fachpolitischen Diskursen gewünscht wird und stets als positiv erachtet wird.
Mittlerweile finden sich jedoch immer mehr Kritiker_innen, die die politisch angestrebte Erziehungspartnerschaft in Frage stellen. (vgl. Betz 2015; Betz et al. 2017; Brandhorst/Kohr 2006; Cloos/Karner 2010; Brock 2011) Diese Kritik bezieht sich oft auf das Konstrukt der Erziehungspartnerschaft als solches. Hierbei werden die oben geschilderten Anforderungen an die Zusammenarbeit als ein gemeinsames Handeln und wechselseitiger Austausch kritisiert. Denkbar sei es, dass es für Kinder bereichernd sein kann, wenn es eine fehlende Konsistenz zwischen frühpädagogischer Einrichtung und Eltern gibt und das Kind in der Einrichtung etwas anderes erlebt als Zuhause (vgl. Knoll 2018, S. 93). Das soll als ein exemplarisches Beispiel dienen und auf die Problematik hinweisen.
Konzeptionen werden ebenso wie die Erziehungspartnerschaft stets positiv gesehen und eindeutig als eine normative Vorgabe erachtet. Eine Konzeption beschreibt pädagogische Ziele und den Weg der Umsetzung (Kokigei 2018, o.S.). Sie enthält abgesprochene Richtlinien für die Gestaltung des Kita-Alltags und ist der verbindliche Rahmen für die Arbeit aller Mitarbeiter/innen (ebd.). Andre Dupuis unterstreicht, worum es bei einer Konzeption gehen soll:
„Es geht dabei um eine reflektierte, fundierte Darstellung der pädagogischen Arbeit in einer Einrichtung, verknüpft mit dem theoretischen Wissen derjenigen, die diese Konzeption verfasst haben. Damit wird sich eine Konzeption immer an und mit der Realität der spezifischen Kindertageseinrichtung befassen.“
Die Recherchen der Autorin ergaben keine Ergebnisse dazu, die auch die Konzeption an sich als Konstrukt hinterfragt hätten. Somit fungieren Konzeptionen u.a. als verankerte pädagogische Basis in den Einrichtungen für eine förderliche Zusammenarbeit mit Eltern. In wieweit sie ihren Zweck erfüllen, wird dabei nicht hinterfragt.
Aus dem gegebenen Anlass beschäftigt sich die vorliegende Forschung mit dem (Un-) Sinn von Konzeptionen mit dem besonderen Fokus auf die Erziehungspartnerschaft. Das Hauptanliegen dieser Arbeit ist es herauszufinden, inwieweit Konzeptionen den pädagogischen Fachkräften eine Orientierung im Alltag in der Zusammenarbeit mit den Eltern bieten. Wie erleben Erzieher_innen und Kindheitspädagog_innen die Erziehungspartnerschaft? Wann wird diese auf den Prüfstand gestellt?
Eine Heranziehung unterschiedlicher theoretischer Grundlagen und der vorliegenden Empirie stellt das Spannungsfeld der normativen Vorgaben und der Wirklichkeit von Bildungs- und Erziehungspartnerschaft heraus. Herausforderungen werden formuliert, mit denen der Ansatz der Erziehungspartnerschaft in der pädagogischen Praxis verbunden ist.
Ein weiteres Ziel ist es, die Perspektive der pädagogischen Fachkräfte auf die Transfermöglichkeiten der Erziehungspartnerschaft zu erfahren und ihre Einschätzung über die, als wertvoll empfundenen Orientierungshilfen in der Zusammenarbeit zu erfassen. Dazu werden Erfahrungen, Einstellungen und Meinungen der pädagogischen Fachkräfte erlangt. Es wird also nicht die Wirksamkeit der Erziehungspartnerschaft an sich erforscht, sondern die Übertragbarkeit auf die erforschten frühpädagogischen Einrichtungen.
Entscheidende Erkenntnisse über den Nutzen der Konzeptionen und Handlungsempfehlungen werden herausgearbeitet, welche die Realisierung einer erfolgreichen Zusammenarbeit mit Eltern beeinflussen. Dieser Fragestellung wird im Rahmen einer Gruppendiskussion nachgegangen.
Zuerst werden die theoretischen Grundlagen vorgestellt und erläutert. Dabei werden die Begriffe Konzeption und Erziehungspartnerschaft definiert und kritisch hinterfragt. Sodann werden die gesetzlichen Grundlagen dargestellt und anschließend der Stellenwert der Erziehungspartnerschaft in Konzeptionen beschrieben.
Anschließend soll die pädagogische Haltung als einer der wichtigsten Faktoren für eine gelungene Zusammenarbeit mit den Erziehungsberechtigten eingebracht werden. Ein Zwischenfazit rundet den ersten Teil der Forschung ab.
Im empirischen Teil der Arbeit wird zuerst die Methodik vorgestellt. Dazu zählen der Forschungsprozess mit der Entwicklung der Forschungsfrage sowie das Forschungsdesign. Hiernach wird die Methode der Gruppendiskussion sowie die Auswertung mit der dokumentarischen Methode verdeutlicht.
Im Anschluss daran werden die Gruppendiskussionen ausgewertet und die Ergebnisse in Form der Falldarstellung und der komparativen Analyse zusammengetragen. In einer Diskussion werden die empirischen Ergebnisse in den theoretischen Kontext eingeordnet. Ein abschließendes Fazit liefert Schlussfolgerungen über die vorliegenden Ergebnisse.
2. Theoretische Grundlagen
2.1. Zentrale Begriffe
Dieses Kapitel widmet sich dem Begriff und der Entstehung der Konzeption und der Erziehungspartnerschaft. Zunächst soll die Bedeutung von Konzeptionen in Kindertagesstätten erschlossen werden. Im Anschluss wird die Erziehungspartnerschaft näher betrachtet. Es soll angemerkt werden, dass die Begriffe Erzieher_innen/ frühkindliche Fachkräfte und Pädagog_innen synonym verwendet werden und keine Wertung der Professionalität beinhalten. Ebenso verhält es sich mit den Begriffen der frühpädagogischen Einrichtungen/ Kindergarten/ Kita/ Kindertageseinrichtung.
2.1.1. Konzeption
Die Bedeutung des Begriffes Konzeption wird im alltäglichen Sprachgebrauch oft mit der von Konzept verwechselt oder als Synonym verwendet. Zuerst sollen diese Begriffe voneinander abgegrenzt werden. Die Herkunft des Wortes Konzeption kommt aus dem lateinischen - conceptio und bedeutet Empfängnis, Inbegriff, „das Zusammenfassen“. Ein Konzept, laut Duden ist:
1. (bildungssprachlich) einer Lehre, einem Programm, [künstlerischen] Werk zugrunde liegende Anschauung, Leitidee; geistiger Entwurf
2. (Medizin) Empfängnis (o.S.)
Eine Konzeption definiert Duden wie folgt:
1. skizzenhafter, stichwortartiger Entwurf, Rohfassung eines Textes, einer Rede o. Ä.
2. klar umrissener Plan, Programm für ein Vorhaben
3. Idee, Ideal; aus der Wahrnehmung abstrahierte Vorstellung (o.S.)
Erst beim zweiten Durchlesen wird der erste Unterschied zwischen den beiden Begriffen deutlich. Ein Konzept ist eine undifferenzierte Planbeschreibung, eine anfängliche Skizze, die viel Raum für Interpretationen (aber auch Missverständnisse) lässt. So ist ein Konzept ein Umriss einer Idee, welche jedoch nicht ausreichend Transparenz und Tiefenverständnis für eine Lösung bietet. Im Gegensatz dazu wird eine Konzeption als eine grundlegende Leitidee, ein konkretes Vorgehensprogramm oder als ein inhaltlicher Ablaufplan beschrieben. Außerdem werden von „Duden-Online“ weitere ähnliche Begriffspaarungen vorgeschlagen, die den gleichen Charakter aufweisen, wie: Argument und Argumentation oder Produkt und Produktion. Besonders an diesen Beispielen wird die Endgültigkeit oder aber der Prozess in der Wortgestaltung deutlich. (vgl. Stecker 2019, S.3)
Laut Tassilo Knauf stammt die Idee, pädagogische Arbeit, ihre Begründungen und Ziele in Text (und Bildern) zu dokumentieren und damit nach innen und außen transparent zu machen, aus Reggio Emilia in Norditalien. (vgl. 2005, o.S.) Um 1970 begannen die Fachkräfte die Fülle von Ideen und Erfahrungen, die in den noch "jungen" kommunalen Kindertagesstätten gesammelt wurden, zu verschriftlichen, zusammenzufassen und damit für das eigene Team, für Eltern, den Träger und alle Interessierten als Spiegel des Erreichten und als Programm für die Weiterentwicklung fest zu halten. Über das an der Reggio-Pädagogik besonders interessierte Schweden gelangte die Idee knapp zwei Jahrzehnte später nach Deutschland. (Vgl. ebd.) Als 1991 das Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) verabschiedet wurde, erarbeiteten sich die frühpädagogischen Einrichtungen zunächst eine Konzeption als pädagogische Handlungsgrundlage.
Wichtig erscheint die Konkretisierung des Begriffes in Bezug auf Kindertageseinrichtungen. Armin Krenz bietet folgende Definition:
“Eine Konzeption ist eine schriftliche Ausführung aller inhaltlichen Schwerpunkte, die in der betreffenden Kindertagesstätte für Kinder, Eltern, die Mitarbeiter/-innen selbst, den Träger und die Öffentlichkeit bedeutsam sind und wirksam werden. Dabei spiegelt die Konzeption die Realität wider und verzichtet auf bloße Absichtserklärungen. Jede Konzeption ist damit individuell und trifft in ihrer Besonderheit nur für diese spezifische Einrichtung zu, um das besondere Profil zu verdeutlichen und unverwechselbar mit anderen Institutionen zu sein. Ihre Aussagen sind für Mitarbeiter/-innen verbindlich und stellen in ihrer Gesamtheit einen festen Bestandteil des Dienstvertrages dar.” (2008, S.10)
Ludger Pesch betont in seiner Definition den Prozesscharakter und die Bedeutung von Umsetzungsmaßnahmen, die überprüfbar sind:
"Unter einer pädagogischen Konzeption verstehe ich den Zusammenhang von Aussagen über Erziehungsziele, pädagogische Standards und Umsetzungsmaßnahmen, der eine ideelle Grundlage für das Handeln in der Einrichtung bildet. Die notwendige Transparenz, aber auch die Überprüfbarkeit und die Möglichkeit der Weiterentwicklung erfordert dabei eine schriftliche Fassung - in irgendeiner Form." (1996, S. 174)
Auch Heike Baum unterstreicht die Relevanz von der “Wirklichkeitsbeschreibung” in Kindertagesstätten:
“Die (Weiter-) Entwicklung und die Verschriftlichung der pädagogischen Haltung, der Vorgehensweisen und der Alltagshandlungen der pädagogischen Mitarbeiter/innen. Es wird beschrieben, dass alles, was in der Kita passiert, von den pädagogischen Fachkräften durchdacht und gewollt ist. Also auch was unerwartet passiert, kann von den Erzieher/innen pädagogisch begründet werden. Die Themen, welche in einer Konzeption aufgenommen werden können, reichen von A wie Aufnahme der Kinder bis zu Z wie Zusammenarbeit im Team.” (2012, o.S.)
Die Autoren sind sich demnach einig, dass die Konzeption die aufgeführten Aspekte beinhalten soll. Krenz und Baum definieren die Konzeption als ein Instrument, das aus dem “gelebten Alltag” niedergeschrieben wird. Sie unterstreichen die Individualität der Einrichtungen, die auf die Besonderheit derjenigen Einrichtung eingeht. Pesch betont die Konzeptionsentwicklung als ein Prozess. Baum greift zwar den wichtigen Punkt der pädagogischen Haltung auf, geht aber in ihrer Beschreibung nicht mehr ins Detail, was den Einfluss der pädagogischen Haltung verringert. Es bleibt jedoch festzuhalten, dass eine Konzeption eine Umsetzung von Konzept (-en) beinhaltet. Eine Konzeption ist realitätsbezogen und soll die Einrichtung so präsentieren, wie sie tatsächlich arbeitet und die beschriebenen Konzeptionsziele vor Ort umsetzt. Sie wird von allen Mitarbeitern gemeinsam für die Öffentlichkeit entwickelt und immer wieder fortgeschrieben.
Es gibt noch keine wissenschaftlichen Befunde, die die Einzigartigkeit der einzelnen Konzeptionen bestätigen kann. So ist es fraglich, ob die Konzeptionen individuell für die jeweils spezifische Einrichtung angepasst werden können. Hier bleibt es zu vermuten, dass sich die Fachkräfte an bereits vorhandenen Konzeptionen und Bildungsplänen sowie wissenschaftlich als adäquat empfundenen und ausformulierten Inhalten orientieren, die sie letztendlich anpassen. Schließlich geht es dabei nicht nur um die eigene Perspektive der “gelebten” pädagogischen Arbeit, sondern auch um die Erfüllung der Erwartungen von der Öffentlichkeit und der Politik. Diese Auffassung unterstützt auch Krenz/Klein:
“Die Erwartungen und Ansprüche - gerade vor allem an die Elementarpädagogik - sind tatsächlich vielfältig und bei genauer Betrachtung auch sehr widersprüchlich. Auf der einen Seite gibt es Eltern, die voller Ungeduld darauf warten, dass ihr Kind möglichst frühzeitig auf die Schulzeit vorbereitet wird, auf der anderen Seite gibt es Eltern, die vehement dafür eintreten, dass ihr Kind ausgiebig und viel spielen kann. [...] Dann gibt es die Erwartungen des Trägers, dass der Kindergarten gut laufen soll, Eltern möglichst keinen Grund für Beschwerden haben, die Arbeit selbst, möglichst kostenneutral gestaltet werden soll, [...] der Kindergarten auch nach außen ein gutes Bild abzugeben habe, die Mitarbeiterinnen Loyalität gegenüber dem Träger zu zeigen haben und sie gleichzeitig Verständnis für die finanziellen Einschneidungen und ungeliebten Personalkürzungen zeigen sollten. Schließlich folgen Ansprüche aus dem Qualitätsmanagement, den Bildungslinien, neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen (Beispiele: Resilienz und Bindungsforschung), die sich mit weiteren Erwartungen der Kinder und des Kollegiums zu einem nahezu unüberschaubaren Erwartungsgeflecht aufbauen.” (S. 124f)
In der Auslegung wird es sichtbar, dass die Wunschvorstellung, die Realität in der Konzeption widerzuspiegeln und “auf bloße Absichtserklärungen” (Krenz 2008, S.10) zu verzichten, schlichtweg nicht möglich sein kann. Die Vielfalt an Erwartungen, die vom Träger gestellt werden, ein gutes Bild nach außen abzugeben; die Ansprüche des Qualitätsmanagements und der Bildungslinien sowie des aktuellen wissenschaftlichen Standes müssen bei der Erstellung der Konzeption berücksichtigt werden. Nicht zuletzt stellen die Eltern ihre eigenen Erwartungen an die Fachkräfte. So handelt es sich um ein Balancieren zwischen verschieden Anforderungen und nicht “nur” um das Niederschreiben der tatsächlichen pädagogischen Praxis.
Eine aktuelle Erklärung bietet Marianne Kokigei (2018, o.S). Sie schließt die oben genannten Anforderung mit in die Definition einer Konzeption ein:
“Eine pädagogische Konzeption beschreibt den Bildungsauftrag der Kita und seine konkrete Umsetzung entsprechend der Gesetze von Bund und Ländern sowie den jeweiligen Bildungsleitlinien. Sie enthält abgesprochene Richtlinien für die Gestaltung des Kita-Alltags und ist der verbindliche Rahmen für die Arbeit aller Mitarbeiter/innen. Sie enthält die Grundüberzeugungen des Teams, ihre Sicht auf Kinder und deren Entwicklung. Sie verknüpft theoretisches Wissen mit der Haltung / Einstellung des Teams und schafft die notwendige Grundlage zur Überprüfung der geleisteten Arbeit im Sinne der Zielsetzung (Effektivität und Qualität der Arbeit). Aus der Konzeption wird sichtbar, wie der Bildungsauftrag in dieser Kita von diesem Team wahrgenommen und umgesetzt wird (professionelles Selbstverständnis).”
Die Definition umfasst den Bildungsauftrag, die gesetzlichen Richtlinien und verdeutlicht den Verbindlichkeitscharakter.
Ferner gilt es zu betonen, dass die Vorlage einer Konzeption notwendig ist, um eine Erlaubnis für den Betrieb des Kindergartens zu erlangen. Folgend wird ein Auszug aus dem Sozialgesetzbuch (SGB) - Kinder- und Jugendhilfe - § 45 Erlaubnis für den Betrieb einer Einrichtung dargelegt:
(2) “Die Erlaubnis ist zu erteilen, wenn das Wohl der Kinder und Jugendlichen in der Einrichtung gewährleistet ist. Dies ist in der Regel anzunehmen, wenn
1. die dem Zweck und der Konzeption der Einrichtung entsprechenden räumlichen, fachlichen, wirtschaftlichen und personellen Voraussetzungen für den Betrieb erfüllt sind [...]
(3) Zur Prüfung der Voraussetzungen hat der Träger der Einrichtung mit dem Antrag
1. die Konzeption der Einrichtung vorzulegen, die auch Auskunft über Maßnahmen zur Qualitätsentwicklung und -sicherung gibt [...]” (Hessisches Sozialministerium 2013, S.14)
Diese Verpflichtung deutet auf ein weiteres Kriterium hin, dass die Konzeptionen, nicht nur zur Erfassung und Verschriftlichung der pädagogischen Arbeit in Kindertagesstätten dient, sondern als eine nötige bürokratische Abwicklung einer Erlaubnis für den Betrieb verstanden werden kann. Diese Auflage drängt die ursprüngliche Vorstellung einer Konzeption in ein Verwaltungssystem, das über die Angemessenheit der Verschriftlichung entscheidet. Oder anders gesagt - die Fachkräfte haben den Zwang, die Konzeption auch mit “bloßen Absichtserklärungen” zu füllen, um ein erwünschtes Bild nach außen geben zu können und somit die Betriebserlaubnis zu erhalten. Förderlich wäre es, wenn die tatsächlich geleistete pädagogische Arbeit und die zu erwartende pädagogischen Arbeit deckungsgleich wären. In Anbetracht der Fülle an Anforderungen und Erwartungen erscheint dies jedoch utopisch. Diese Aussage soll nicht den Wert der pädagogischen Arbeit in Frage stellen, sondern nur verdeutlichen, dass bestimmte Auflagen das Bild des pädagogischen Verständnisses verzerren kann.
2.1.2. Erziehungspartnerschaft
Früher wurde von Elternarbeit gesprochen, wenn es um die Beschreibung der Kooperation und Interaktion mit Eltern ging. Wie kam es also von Elternarbeit zur Erziehungspartnerschaft? Wie bereits in meiner Forschungsarbeit 2018 ausgelegt, beschränkte sich die frühere Elternarbeit in der klassischen Konzeption auf Elternabende und bei Bedarf - Termingespräche (vgl. Textor 2018, S.11). Seit den 60er Jahren konkurriert eine intensive Elternarbeit mit der klassischen Konzeption - die Pädagog_innen definieren sich als kompetent und die Eltern werden dabei als inkompetent betrachtet (vgl. ebd.). In den 90ern kam der Boom, die Eltern als Kunden und die Kindertageseinrichtungen als Dienstleister zu betrachten (vgl. ebd.). Diese hierarchischen Perspektiven mit Über- und Unterordnung deuten von einer asymmetrischen Beziehung und gelten als zeitüberholt und nicht mehr aktuell. Die neueste Konzeption der Elternarbeit ist die Erziehungs- und Bildungspartnerschaft und wurde von Textor (1997) als Leitbegriff eingeführt. Die Grundidee kommt aus England 1997 mit dem Early Excellence Ansatz. Dieser beschreibt die konsequente Abkehr vom Defizitblick (vgl. Rau/Saumweber/Kluger 2018, S.5). Stattdessen werden die Potentiale der Kinder und ihrer Familien einbezogen und das Handeln an eben diesen ausgerichtet. Dabei spielt die Partizipation aller Beteiligten eine zentrale Rolle, um passgenaue Antworten auf die Bedarfe der Kinder und ihrer Familien zu finden. In der nächsten Konsequenz bedeutet dies auch eine Vernetzung mit anderen Dienstleister_innen im Stadtteil sowie eine Öffnung in eben diesen. (vgl. ebd.) So wurde dieser Ansatz nicht nur in Deutschland eingeführt, sondern von der Politik dankend angenommen und in den Bundesbildungsplänen (und anderen Leitlinien zur Erziehung) umgesetzt.
Zunächst soll die Wortgestaltung „Erziehungspartnerschaft“ betrachtet werden. Diese setzt sich aus Zweierlei Begriffen zusammen - Erziehung und Partnerschaft. Der Erziehungsauftrag wird an die Erzieher_innen bereits im Gesetz festgehalten und ist das natürliche Recht und die Pflicht der Eltern, was ebenfalls im Grundgesetz festgehalten wurde : „Pflege und Erziehung ...ist das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht“ (Art. 6 GG). Es gibt unzählige Definitionen von Erziehung in der Literatur. Hier zeigt sich die erste Schwierigkeit, den Begriff richtig zu interpretieren. Zunächst sollen zwei mögliche Sichten aufgezeigt werden.
Erziehung ist an eine Hierarchie gebunden:
“Erziehung ist ... dasjenige Handeln, in dem die Älteren (Erzieher) den Jüngeren (Edukanden) im Rahmen gewisser Lebensvorstellungen (Erziehungsnormen) und unter konkreten Umständen (Erziehungsbedingungen) sowie mit bestimmten Aufgaben (Erziehungsgehalten) und Maßnahmen ( Erziehungsmethoden) in der Absicht einer Veränderung (Erziehungswirkungen) zur eigenen Lebensführung verhelfen, und zwar so, dass die Jüngeren das Handeln der Älteren als notwendigen Beistand für ihr eigenes Dasein erfahren, kritisch zu beurteilen und selbst fortzuführen lernen” (Bokelmann, in Speck & Wehle 1970, S. 185).
Dieses Erziehungsverständnis ist hierarchisch definiert, indem beteiligte Personen, Erziehende und “Zu-Erziehende” sind. Deshalb wird der Begriff der Erziehung gern um die selbstorganisierten Lernprozesse erweitert. Die Erziehung wird dann als eine Fülle an spezifischen Lernprozessen verstanden. Schaub & Zenke 2000 beschreiben Erziehung demnach als Handlungen von Erziehenden, z.B. Eltern, Lehrer_innen und Ausbilder_innen, die bewusst und absichtlich unter Einsatz von bestimmten Mitteln und Maßnahmen erfolgen, um Kindern und Jugendlichen erwünschte Kompetenzen, Verhaltensweisen und Wertorientierungen zu geben, wobei die als falsch oder schädlich erkannten Eigenschaften des Kindes durch Erziehung verhindert oder unterdrückt werden sollen. Diese intentionale Erziehung wird durch planmäßige, zielorientierte Handlungen bestimmt (vgl. S. 277 f.). Hurrelmann unterstreicht in seiner Definition noch deutlicher als Schaub & Zanke den Aspekt der Subjektivität:
„Erziehung kann als Versuch der Beeinflussung (Intervention) verstanden werden, durch den eine Verbesserung und Vervollkommnung der Persönlichkeit des Erzogenen erreicht werden soll“ (Hurrelmann 2006, S. 156).
Die dabei angestrebten Erziehungsziele sind von den Erziehenden subjektiv beeinflusst, bevorzugte Eigenschaften bei Heranwachsenden heutzutage sind Ehrlichkeit, Selbstständigkeit, Verantwortungsgefühl und Selbstvertrauen (vgl. ebd.).
Wie bereits oben erwähnt, ist der Erziehungsbegriff nicht eindeutig darzustellen. Die ältere Perspektive aus den 70er Jahren auf die Erziehung, sie sei hierarchisch oder die moderne westliche Sicht, einer eigenständigen und emanzipierten Person, in der die Erziehenden als Wegbegleiter und Partner verstanden werden, deutet auf einen Wandel hin. So ist es denkbar, dass die pädagogischen Fachkräfte, die in den 70-80er Jahren ausgebildet wurden, diese erlernte hierarchische Haltung immer noch inne tragen. Demnach entsteht im Praxisalltag nicht nur eine Vielfalt an Subjektivität, wie die Erziehung auszusehen hat und an verschiedenen Wertvorstellungen und Wissen, sondern auch verschiedene Haltungen, die miteinander kollidieren können und trotzdem miteinander vereinbart werden müssen.
Wenn es um Vereinbarungen geht, liegt das Wort der Partnerschaft nicht mehr fern. Das aus Liebesbeziehungen bekannte Wort “Partnerschaft” erscheint in der Erzieher_in - Eltern (oder andere Erziehungsberechtigten) Konstellation erstmal ungewohnt. Doch was sind Partner? “Partner sind zunächst einmal Menschen, die miteinander in einer familiären, sozialen oder beruflichen Beziehung stehen, gemeinsame Ziele verfolgen oder eine gemeinsame Tätigkeit ausüben”, so Viernickel (2009, S.60). Außerdem betont sie die Gleichwertigkeit und die Gleichberechtigung der Partner. Eine partnerschaftliche Beziehung soll von symmetrischen Austauschprozessen geprägt sein. (vgl. ebd.) Ferner erwähnt sie, dass eine Erziehungspartnerschaft, ein Prozess und ein Ergebnis eines gemeinsam beschrittenen Weges sind. Viernickel reißt kurz auch die Haltung der Akteure an: ”...immer fair miteinander umzugehen und Vertrauen zueinander zu haben.” (ebd., S. 61) Betrachtet man diese Gegebenheiten und die Unterschiede in der Ausbildung, so bleibt es fraglich, in wieweit diese Symmetrie im Praxisalltag eines Kindergartens wieder zu finden ist.
Werden beide Begriffe zu einem der “Erziehungspartnerschaft” zusammengefasst, so entsteht keine neue Definition. Ein Blick in das Fachwörterbuch für Erzieher_innen verrät, was mit der Erziehungs- und Bildungspartnerschaft gemeint ist:
"Erziehungspartnerschaft meint die gemeinsame Verantwortung und die partnerschaftliche Zusammenarbeit von Eltern und Erzieherinnen in Bezug auf die Erziehung eines Kindes. Grundlage der Partnerschaft sind Dialog und Kommunikation. Gemeinsam werden Erziehungsvorstellungen und Erziehungsziele zum Wohle des Kindes ausgetauscht, diskutiert und vereinbart. Wenn Eltern und Erzieherinnen als Ko-Konstrukteure im Erziehungs- und Bildungsprozess gemeinsam Kinder erziehen, ihnen Entwicklungs- und Lernhilfen und damit Möglichkeiten zu vielfältigen Selbstbildungsprozessen geben, dann schließt die Erziehungspartnerschaft die Bildungspartnerschaft mit ein. Gemeinsam werden Bildungsziele, Themen und Interessen der Kinder ausgetauscht und vertieft. Bildungsangebote können zwischen Kindertageseinrichtung und Elternhaus vernetzt werden." (Volmers 2012, S.134)
Der Begriff der Bildungspartnerschaft (und nicht der Erziehungspartnerschaft) ist vor allem in den Bildungsplänen der Länder zu finden und richtet sich an den Auftrag zur Bildung, Erziehung und Betreuung aus dem Kinder- und Jugendhilfegesetz von 1991 (§ 22 Abs. 1, 2). So heißt es z.B. im hessischen Bildungs- und Erziehungsplan:
“Diese Erziehungspartnerschaft ist zu einer Bildungspartnerschaft auszubauen. Wie die Erziehung, soll auch die Bildung zur gemeinsamen Aufgabe werden, die von beiden Seiten verantwortet wird. Wenn Eltern eingeladen werden, ihr Wissen, ihre Kompetenzen oder ihre Interessen in die Kindertageseinrichtung bzw. Schule einzubringen, erweitert sich das Bildungsangebot.” (2014, S.110)
Allerdings war die Suche nach einer allgemein anerkannten Bildungsdefinition für den Vorschulbereich, noch nach einem festgehaltenen, allgemein gültigen Bildungsverständnis, das eine Definition ersetzt, vergeben. Weder im oben genannten Gesetz (§ 22 Abs. 1,2), noch im Hessischen Bildungsplan erfolgt eine nähere Bestimmung der Begriffe bzw. Vorschläge zu ihrer Realisierung. Hier stellt sich die Frage, ob Bildung und Erziehung im Elementarbereich nicht gleichgesetzt werden kann, um den Begriffswahnsinn zu entzerren und überschaubarer zu gestalten. Außerdem bleibt die Frage, warum der Begriff der “Zusammenarbeit” abgelöst wurde. Eine Zusammenarbeit setzt eine Partnerschaft voraus und deutet von Gemeinsamkeit, was für eine vereinte Zielsetzung zu Gunsten der Kinder durchaus förderlich ist. Aus diesem Grund werden beide Begriffe - Zusammenarbeit und Erziehungspartnerschaft - in der nachfolgenden Arbeit gleichwertig und synonym verwendet. Der Begriff „Erziehungspartnerschaft“ wird hier als Oberbegriff für die Kooperation und eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen pädagogischen Fachkräften und den Eltern oder anderen wichtigen Bezugspersonen des Kindes verwandt. Ziel ist, das Kind gemeinsam nach besten Kräften in seiner Entwicklung zu unterstützen und zu fördern. Auf den Begriff der „Erziehungsund Bildungspartnerschaft“ - als Wortkombination wird in der nachfolgenden Arbeit aus den oben genannten Gründen verzichtet.
Dass eine Zusammenarbeit mit Erziehungsberechtigten in Kindertagesstätten unabdingbar ist, wurde in mehreren Studien nachgewiesen. Demzufolge erweist sich neben dem rechtlichen Aspekt die Zusammenarbeit mit Eltern als eine entwicklungspsychologisch relevante Position für die Förderung der Kinder. Hier kann auf Studien zu Bindungsverhalten und seiner Bedeutung für die kindliche Entwicklung (vgl. z.B. Brisch et al. 2002) sowie auf Studien zur Mutter-Kind-Interaktion (vgl. z.B. Esser et al. 1995) hingewiesen werden. Der Bedeutung der Eltern in der kindlichen Entwicklung entsprechend, zeigen internationale Studien, dass insbesondere langfristige Erfolge von Fördermaßnahmen in Tageseinrichtungen wesentlich davon abhängen, ob Eltern in die Maßnahmen einbezogen wurden (vgl. Mundt 1980). Dies spiegelt sich auch im fachwissenschaftlichen Diskurs wider (z. B. Wolf 2006; Viernickel 2006; Fried & Roux 2006; Kasüschke & Fröhlich-Gildhoff 2008).
Wäre die Erziehungspartnerschaft, wie in der Definition beschrieben, in der Praxis identisch umsetzbar, so könnten sich alle Beteiligten an einem durchdachten und erfolgversprechenden Bildungsangebot erfreuen. Jedoch bleibt es fraglich, ob diese Partnerschaft, die schon als Liebesbeziehung selten dem Ideal entspricht (obwohl es um starke, intensive und kontinuierliche Beziehungen geht), hier als eine sporadische Kooperation, die nur wenige Stunden im Jahr in Anspruch nimmt, dem Ideal entsprechen kann.
Fraglich ist auch die Dimension der Symmetrie. Brandhorst/Kohr behaupten das Gegenteil und unterstreichen, dass Elternarbeit in vielen pädagogischen Institutionen einer strukturellen Asymmetrie unterliegt, die den Eltern zunächst die unterlegenere Position zumisst. An dieser Stelle „blind“ von Partnerschaft zu reden, kommt auch und gerade aus der Sicht der betroffenen Eltern einem puren Euphemismus gleich (vgl. Brandhorst/Kohr 2006, S.158). So weisen z. B. auch Cloos und Karner (2010) darauf hin, dass der Begriff der ,Partnerschaft‘ ein grundsätzlich asymmetrisches Verhältnis zwischen Eltern und Fachkräften nicht ausreichend reflektiert. Beide Akteure haben andere Sichtweisen, Ziele und auch unterschiedliche Interessen, die nicht immer partnerschaftlich oder gar ,auf Augenhöhe' abzugleichen sind. Nicht selten sehen sich Erzieher_innen und Eltern als Konkurrenz, schieben sich wechselseitig die Schuld für Probleme der Kinder zu und Ähnliches. Ebenso betont auch Brock 2011, es sei wichtig, mögliche existierende Machtasymmetrien und Hierarchien in den Blick zu nehmen, zu reflektieren und zu bearbeiten. Die unterschiedlichen Rollen - und dabei entstehende potentielle Konflikte und Konkurrenzen - sollen immer wieder betrachtet und bearbeitet werden und nicht unter dem Deckmantel der Partnerschaft verschleiern. (vgl. S. 16)
Hier zeigt es sich, dass die Kritiker_innen nicht stillhalten und einige Aspekte der “gut gemeinten” Partnerschaftsvision in Frage stellen.
Tanja Betz hat 2015 mit ihrer Expertise und Kritik an die Erziehungspartnerschaft ebenso für viel Unruhe und Verwirrung des neuen Konzeptes gesorgt. Zunächst sollen ihre Hauptkritikpunkte dargelegt werden:
- Betz kritisiert, „Bildungs- und Erziehungspartnerschaft“ sei vieldeutig, einseitig positiv besetzt und trage zur Ideologisierung der Diskussion bei. Häufig fehlt es an einer Abgrenzung von Begriffen wie Elternarbeit, Elterneinbeziehung, Elternmitwirkung, Elternmitbestimmung, Elternpartizipation, Elternbeteiligung, Elternbildung, Familienbildung, Elternförderung, Eltern-Coaching, Elternberatung, Elternkommunikation und Eltern-Kooperation. (vgl. Betz 2015, S.16) Dieser ungenaue Sprachgebrauch lasse vermuten, dass ihm in der Praxis von Kindertagesstätten eine Vielzahl von Realisierungsmöglichkeiten entspricht, deren Wertigkeit sehr unterschiedlich zu beurteilen ist. Außerdem wäre aber die Bildungs- und Erziehungspartnerschaft fast ausschließlich positiv besetzt. Bildungs- und Erziehungspartnerschaft gelte als anzustreben und beinhalte angeblich eine Win-WinSituation sowohl für die Einrichtungen als auch für die Familien. In Wirklichkeit stünden jedoch die Institutionen im Mittelpunkt (vgl. ebd. S.6). Die negativen Effekte würden ebenso ausgeblendet, wie die Ausgangsbedingungen, unter denen sich eine partnerschaftliche Beziehung gar nicht realisieren lässt (vgl. ebd. S.53). In verstärktem Maße geschehe das durch das häufig formulierte Postulat, Bildungs- und Erziehungspartnerschaft sei „auf Augenhöhe“ zu realisieren. Damit werde eine Statusgleichheit von Fachpersonal einerseits und Familien und Eltern andererseits gefordert, die sich unter realen Bedingungen nicht herstellen lässt. In Wahrheit bestehe zwischen professionell ausgebildeten Fachkräften und Eltern-Laien begründetes hierarchisches Gefälle. (vgl. ebd.)
Gegenvertreter und Unterstützer der Erziehungspartnerschaft, wie Sacher argumentiert mit dem Grundgesetz und der allgemeinen Haltung der Demokratie: “‘Bildungs- und Erziehungspartnerschaft‘ ist also ein politisches Gebot, das sich aus unserer demokratischen Grundordnung ergibt [...]” (2018, S.4)
- Ein weiterer Kritikpunkt von Betz ist, dass gewissermaßen einheitliche Qualitätsmerkmale der Bildungs- und Erziehungspartnerschaft für alle Eltern formuliert werden, die es so gar nicht geben kann (vgl. Betz 2015, S.10). Die „Ideologiefunktion“ des Begriffes Partnerschaft verschleiere sogar eine „gewisse Rechtlosigkeit von Eltern in Bezug auf institutionelle Belange“ (ebd. S.32) und die oft nur in Randbereichen der institutionellen Arbeit gewünschte Mitwirkung von Eltern. (vgl. ebd. S.33) Man solle die strukturelle Verankerung kollektiver Elternrechte stärken und sicherstellen, dass Eltern aus anderen Herkunftskulturen repräsentativ in ihnen vertreten sind. (vgl. ebd. S.36f) Der Merkmal einer „Willkommens- und Wohlfühlkultur“ solle sicherstellen, dass alle Eltern „sich als Teil der Schul- bzw. Kindertageseinrichtungsgemeinschaft wohl und wertgeschätzt“ fühlen (ebd. S.37). Dies sei aber mit verschiedenen Hindernissen verbunden. Vor allem müssten die unterschiedlichen Rezeptionskulturen verschiedener sozialer Milieus und diverser Gruppen von Migranten berücksichtigt werden (vgl. ebd. S.39). Die Idee „intensive und effektive Kommunikation“ zu erreichen, zielt auf den „kontinuierliche(n) Austausch zwischen Professionellen und Eltern über familiale und kindertageseinrichtungsbezogene bzw. schulische Situationen, Erwartungen und Einstellungen“. (ebd. S.42) Viele Eltern seien aber dadurch überfordert. Z. B. könnten alleinerziehende Mütter, in Vollzeit arbeitende Eltern, oft auch schon Familien mit mehreren Kindern der Forderung nach vermehrter Kommunikation und Mitwirkung kaum nachkommen und würden als „schwer erreichbar“ gelten. (vgl. ebd. S.44) Zudem seien die mit dem Qualitätsmerkmal der Kommunikation erhobenen „Forderungen bzw. ihr Ertrag hinsichtlich der mit der Zusammenarbeit anvisierten Ziele ... bislang nicht empirisch untermauert.“ (vgl. ebd. S.42)
So kann die These von Betz, dass es bei den Qualitätsmerkmalen von einer Homogenität der Elternschaft ausgegangen wird, von Vorholz/Minert bildlich bekräftigt werden. Im Folgenden wird ein Brainstorming aus einer Fortbildung dargestellt, wie pädagogische Fachkräfte - Eltern erleben. Eltern ... - Unterschiedlich, interessiert desinteressiert, besorgt, fordernd, wichtige Bezugspersonen Fachleute für ihre Kinder, überfordert, unsicher bestimmend kritisch. anstrengend jung, freundlich, all. wichtige in formal lonslrager. ängstlich, nachlässig, neugierig, dankbar, arrogant, nervig, gestresst, charmant, wissbegierig, verantwortungsbewusst, hilfsbereit, unsachlich, gehetzt, zufneden wenn es dem Kind gut geht, emotional, erwartend, besorgt um ihr Knd hilflos, offen für Neues, ohne Blick für 200 andere Kinder, egoistisch, humorlos humorvoll vergesslich * Mehr, das Beste für ihr Kind, gut informiert sein mitreden Patenlrezepte, ihr Kind im Mittelpunkt sehen, sofort gehört werden, gelobt werden. Sicherheit, abholbereite Kinder, zuviel für ihr Kind, kompetente Erziehen rmen, wo die Kinder gut aufgehoben sind, dass das Kind sich wohl fühlt, egal was. dias musst ihr hier macnen, dass das Kind in der Gruppe richtig ist, volles Unterhaltungsprogramm für am besten gar kein Geld. Respekt, Anerkennung. Fachgespräche zum Feierabend perfekte Kinder, längere Öffnungszeiten, Entspannung, zu viel und zu wenig, Mitspracnerechl, - Ehrlichkeit. Eltern uns gegenüber und auch andersrum. Respekt, die Eitern so an neh men wie sie sind, bestimmte Distanz den Eltern meinen Standpunkt zeigen, Wertschätzung. Vertrauen. Kritikfähigkeit, mehr Interesse an der Kindergartenarbeit. an einem Strang, gemeinsame Ziele, Verständnis, Fragen bei Missverständnissen gegenseitig Toleranz, aber nicht ins Persönliche. Vertrauen beidseiüa Eltern das gute Gefühl geben, dass ihr Kind bei uns gut aufgehoben sind, beideParteien sollen gegenüber der anderen Seite offen auflrelen. Kommunikation auf Augenhöhe, Eitern sollen nicht denken, wir seien die Kindermädchen mit BespaBen, Unterhaltungsprogramm, Zusammenarbeit, dass sich das Kind optimal entwickeln kann, Transparenz für die Arbeit und über das Kind Von der Eltemarbeit zur Erzienungs partnerschaft - Heidi V&rholz. Malte Mienen. 2012
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Eltern aus der Sicht der Fachkräfte. Ein Brainstorming aus Mienert/Vorholz, 2012
Auch dieser Kritikpunkt wird vom Sacher gegenargumentiert und wiederholt mit dem Grundgesetz begründet:
“Gefordert wird vielmehr ein respektvoller Umgang der Kooperationspartner trotz aller Unterschiede. Nebenbei sei bemerkt, dass jedenfalls in Deutschland - je nachdem, ob man als Kooperationsfeld die Familien oder die Bildungseinrichtungen im Auge hat - nach Art. 6, Abs. (2) und Art. 7, Abs. (1) GG entweder die Eltern oder die Fach- und Lehrkräfte in der rechtlich stärkeren Position sind, so dass auch insoweit von einer einheitlichen Hierarchie nicht die Rede sein kann.” (2018, S.8)
Weiterhin erwidert Sacher die Kritik von Betz an den strukturellen Gegebenheiten bezüglich der Elternrechte für Erziehungsberechtigte aus anderen Herkunftskulturen, wie folgt: “den Elternvertretungen z. T. bereits Rechte eingeräumt werden, die den vom Grundgesetz dafür gesteckten Rahmen weitgehend ausschöpfen. Sogar die paritätische Besetzung von Elterngremien ist in manchen Bundesländern längst rechtlich geregelt.” (ebd.)
Aus dieser Argumentation geht jedoch nicht hervor, wie die Elternrechte für Erziehungsberechtigte aus anderen Herkunftsländern gestärkt werden sollen. Auch die Begründung durch das Grundgesetz erscheint mittlerweile einseitig. Bedauerlicherweise wird die paritätische Besetzung in Elterngremien nicht als eine Selbständigkeit angenommen, sondern als ein Resultat weitreichender Bemühungen mit dem Wort “sogar” herausgestellt. Des Weiteren geht Sacher auf die Behauptung von Betz ein, die Qualitätsstandards seien empirisch nicht belegt, mit einer Gegenaussage und dem Verweis auf vor allem Henderson & Mapp 2002 und Henderson et al. 2007 einher. Dann entgegnet er:
“Stattdessen weist sie mehrmals darauf hin, dass es keine einheitlichen Standards bzw.
Qualitätsmerkmale für die Kooperation mit allen Eltern geben kann. Nur - hier kommt es letztlich darauf an, was man unter solchen Standards versteht und wie man sie formuliert. Denkbar ist z. B., dass Standards einen allgemeinen Zielrahmen vorgeben, der unterschiedlich ausdifferenziert werden kann.”
Zuletzt wird hier ein letzter Punkt der Diskussion aufgenommen:
- Betz kritisiert weiterhin, Kinder würden in der Regel nicht als eigenständige Partner gesehen, sondern lediglich als Objekte der Erwachsenen behandelt und für ihre Ziele instrumentalisiert. (vgl. 2015, S.11)
Sacher entgegnet hier, dass Betz eine einschlägige Studie, bei der rund 1400 Schüler in zwei aufeinanderfolgenden Jahren befragt wurden, nur am Rande erwähnt. (vgl. 2018, S.15) Dann listet Sacher weitere Belege auf: Eine 2009 erschienene Monografie des Autors über schülerorientierte Elternarbeit in der Grundschule wäre völlig übersehen (Sacher 2009). Auch die einschlägige internationale Literatur und Forschung sei nur unzureichend gewürdigt und manche früheren Ansätze werden gar ignoriert (vgl. ebd.).
Anhand dieser Ergebnisse zeigt sich der Zwiespalt über das Verständnis bzw. die Umsetzungsmöglichkeiten in der Praxis von Erziehungspartnerschaft. Zusammenfassend soll nicht für den goldenen Mittelweg plädiert werden. Ganz klar können die Autoren bei unterschiedlichen Aspekten ihren Standpunkt überzeugend begründen. So erscheint es zutreffend, dass Betz einmal mehr auf Gefahren hinweist, die mit einer unreflektierten und schematischen Praxis der Erziehungspartnerschaft verbunden sind. Jedoch bleibt es festzuhalten, dass das Ziel, die Eltern als Partner anzuerkennen und ihnen gegenüber einer wertschätzenden Haltung einzunehmen, sich als förderlich für die Zusammenarbeit erweist. So sollte die oberflächliche Umsetzung der Erziehungspartnerschaft nicht als Anlass dienen, es generell als undurchführbar oder gar ideologisch zu reduzieren. Die oben aufgeführten Forschungsergebnisse sprechen für eine Zusammenarbeit mit Eltern und sollten aber in ihrer Maßnahmenvielfalt überdacht werden. Ebenso sollte die Begriffsbestimmung konkretisiert werden. Hier scheint Betz die stärkere Argumentation zu zeigen, indem sie die Unschärfe der Begriffe, als eine mögliche Ursache für einen unzureichenden Transfer in der Praxis nennt. Sacher überzeugt mit der Aussage, dass Standards einen allgemeinen Zielrahmen vorgeben, der unterschiedlich ausdifferenziert werden kann. Dies spricht für die Autonomie der pädagogischen Fachkräfte, die selbst nach den institutionellen Rahmenbedingungen und der eigenen professionellen pädagogischen Haltung entscheiden können, wie sie diese Oberziele in der Praxis adäquat umsetzen können.
Die pädagogische Haltung macht bei der ganzen Diskussion einen der wichtigsten Grundpfeiler aus und sollte gesondert thematisiert werden. Zuerst jedoch soll überprüft werden, nach welchen gesetzlichen Vorgaben sich die Kindertagesstätten richten müssen und welchen Stellenwert die Erziehungspartnerschaft in den Konzeptionen der Kindertagesstätten findet.
2.2. Gesetzliche Vorgaben
Die Grundlagen für Konzeption und Erziehungspartnerschaft werden vom Gesetzgeber herangetragen. Im Folgenden soll ein Überblick der entscheidenden rechtlichen Normen gegeben werden.
Das Verständnis von Erziehungspartnerschaft begründet sich, wie bereits erwähnt, schon mit dem Grundgesetz, demzufolge „Pflege und Erziehung ... das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht“ ist (Art. 6 GG). Die Eltern sind somit die Hauptverantwortlichen für die Pflege und die Erziehung der Kinder. Sie delegieren dieses natürliche Recht und die obliegende Pflicht zeitweise an die Einrichtungen für frühkindliche Erziehung. Die Überwachung der staatlichen Gemeinschaft findet sich weiter in den Vorschriften des achten Sozialgesetzbuch (SGB VIII). Wobei letzteres auf der Landesebene jeweils weiter ausdifferenziert wird. Der hessische Bildungs- und Erziehungsplan (BEP) soll eine Grundlage für die pädagogische Arbeit in Kitas geben. Hierfür wurde sogar “... zum 1.1.2014 das Hessische Kinder- und Jugendhilfegesetzbuch (HKJGB) geändert und im Rahmen der Betriebskostenförderung des Landes an Träger von Kitas eine Qualitätspauschale für die Umsetzung des BEP eingeführt.” (Hessisches Sozial-/ und Kultusministerium o.J., o.S.) In einem Auszug aus HKJGB in der Fassung des HessKiföG heißt es:
“§ 32 Abs. 3 Für Tageseinrichtungen, welche die Grundsätze und Prinzipien des Bildungsund Erziehungsplans für Kinder von null bis zehn Jahren in Hessen (Bildungs- und Erziehungsplan) zur Grundlage ihrer pädagogischen Arbeit machen, wird eine Pauschale in Höhe von bis zu 100 Euro für jedes in der Tageseinrichtung vertraglich oder satzungsgemäß aufgenommene Kind gewährt. Dies setzt eine Erklärung des Trägers voraus, wonach
1. die pädagogische Konzeption der Tageseinrichtung die Arbeit nach dem Bildungs- und Erziehungsplan widerspiegelt und
2. mindestens eine in der Tageseinrichtung beschäftigte Fachkraft an Fortbildungen zum Bildungs- und Erziehungsplan teilgenommen hat oder die Tageseinrichtung durch eine entsprechend qualifizierte Fachberatung kontinuierlich zur pädagogischen Arbeit nach den Grundsätzen und Prinzipien des Bildungs- und Erziehungsplans beraten und begleitet wird.” (Hessisches Sozialministerium 2013, S.11)
Hier wird die Verbindlichkeit deutlich und zeigt, dass die Kindertageseinrichtungen eine Verpflichtung eingehen, um den BEP in ihrer pädagogischen Arbeit miteinzubeziehen. Dies stellt ein weiteres Spannungsfeld der pädagogischen Arbeit dar, dem die Fachkräfte gerecht werden müssen. Somit erweitert sich der „Anforderungs- und Erwartungskatalog“ an die Fachkräfte um einen weiteren Punkt.
Daran anschließend sieht §22 KJHG eine Zusammenarbeit mit und Beteiligung von Erziehungsberechtigten und Bezugspersonen an der Arbeit der Jugendhilfeeinrichtungen zum Wohle des Kindes und zur Sicherung der Kontinuität des Erziehungsprozesses vor. (vgl. §22, SGB VIII) Im Weiteren (§22a, Abs 1.) findet die Konzeption ihre rechtliche Verbindlichkeit wie folgt:
“ (1) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sollen die Qualität der Förderung in ihren Einrichtungen durch geeignete Maßnahmen sicherstellen und weiterentwickeln. Dazu gehören die Entwicklung und der Einsatz einer pädagogischen Konzeption als Grundlage für die Erfüllung des Förderungsauftrags sowie der Einsatz von Instrumenten und Verfahren zur Evaluation der Arbeit in den Einrichtungen. (Herv.d.V. J.S.)[...]” (vgl. §22a, SGB VIII)
Bereits im ersten Absatz wird die Konzeption als eine geeignete Maßnahme für die Sicherstellung der Qualität genannt. Die Konzeption soll demnach nicht nur entwickelt, sondern auch in der Praxis aktiv umgesetzt werden.
Des Weiteren soll, wie bereits im Kapitel 2.1. beschrieben, die Bedeutung der Betriebserlaubnis verdeutlicht werden. Hier wird die Erstellung einer Konzeption nochmals verankert, wie es im Kinder- und Jugendhilfegesetz - § 45 Erlaubnis für den Betrieb einer Einrichtung - heißt:
(2) “Die Erlaubnis ist zu erteilen, wenn das Wohl der Kinder und Jugendlichen in der Einrichtung gewährleistet ist. Dies ist in der Regel anzunehmen, wenn
2. die dem Zweck und der Konzeption der Einrichtung entsprechenden räumlichen, fachlichen, wirtschaftlichen und personellen Voraussetzungen für den Betrieb erfüllt sind [...]
(3) Zur Prüfung der Voraussetzungen hat der Träger der Einrichtung mit dem Antrag
2. die Konzeption der Einrichtung vorzulegen, die auch Auskunft über Maßnahmen zur Qualitätsentwicklung und -sicherung gibt [...]” (Hessisches Sozialministerium 2013, S.14)
Der Gedanke einer Erziehungspartnerschaft wird in Hessen von dem HKJGB (das hessische Kinder- und Jugendhilfegesetzbuch) weitergeführt. Hier heißt es in §27:
“(1)1. Die Erziehungsberechtigten der Kinder in der Tageseinrichtung sind vor Entscheidungen in wesentlichen Angelegenheiten der Bildung, Erziehung und Betreuung zu unterrichten und angemessen zu beteiligen. 2. Die pädagogischen Fachkräfte sollen im Rahmen der Bildungs- und Erziehungspartnerschaft auf einen regelmäßigen und umfassenden Austausch mit den Erziehungsberechtigten über die Bildung, Erziehung und Betreuung der Kinder hinwirken.” (§27, Abs.1, HKJGB)
Die Formulierung “Die pädagogischen Fachkräfte sollen [...] auf einen umfassenden Austausch mit den Erziehungsberechtigten [...] hinwirken” deutet auf eine verantwortungsvolle Haltung der pädagogischen Fachkräfte hin und betont ihren Auftrag die Erziehungspartnerschaft umzusetzen. Hier soll angemerkt sein, wenn eine Partnerschaft auf “Augenhöhe” erwünscht ist, beide Partner - Erzieher_innen und Eltern - die gleiche (Gesetzes-)Grundlage zur Partnerschaft haben sollten. So erscheint diese einseitige Verpflichtung der pädagogischen Fachkräfte zur Erziehungspartnerschaft wirkungslos, wenn dabei die Eltern aus der Pflicht gelassen werden. Besonders, wenn von dem Grundgesetz ausgegangen wird und „das natürliche Recht und die Plicht“ der Eltern dabei bedacht werden sowie, dass diese „nur“ an die Kindertageseinrichtungen vorübergehend delegiert werden, verschärft sich die Idee einer gesetzlichen Verpflichtung der Eltern zur Zusammenarbeit mit den frühpädagogischen Fachkräften. Wobei diese “Pflicht” zur Erziehungspartnerschaft beiderseits in Frage gestellt werden kann.
Wie bereits oben erwähnt, wird der BEP durch die gesetzliche Betriebskostenförderung von Kindertageseinrichtungen in Hessen als Basis der Konzeption genutzt. Der BEP umfasst vier Teilbereiche auf 149 Seiten. Im dritten Teil des BEP's ist ein dreiseitiger Text zur Erziehungs- und Bildungspartnerschaft mit Eltern zu finden (vgl. Hessisches Sozialministerium/hessisches Kultusministerium 2014, S.3-5). Allein dieser geringe Umfang lässt darauf schließen, dass es sich hierbei um ein Randthema handelt. Inhaltlich wird die Erziehungs- und Bildungspartnerschaft zuerst definiert. Des Weiteren werden Richtlinien zur Schließung von Erziehungsvereinbarungen gegeben, auf die Relevanz von Elterngesprächen hingewiesen und die Mitwirkung von ihnen erwähnt. Als wichtiges Anliegen wird das gemeinsame pädagogische Handeln beschrieben. Die Stärkung der elterlichen Kompetenz wird als ein weiterer Punkt aufgeführt und beinhaltet Angebote und Maßnahmen für Elternbildung, wie z.B. Elternkurse, Elterngespräche, Infos über altersgemäße Beschäftigungsmöglichkeiten für Kinder, aber auch Organisieren von Deutschkursen für Migrantenfamilien unter Einbeziehung von weiteren Institutionen.
Als letzter Unterpunkt wird im BEP die Weiterentwicklung von Kompetenzzentren genannt, hierzu gehören die Weiterentwicklung (anhand von sozialraumorientierten Konzepten) von Kindertageseinrichtungen zu „Nachbarschaftszentren“ bzw. „Familienhäusern“ (z.B. mit Eltern-Kind-Gruppen, Spielgruppen, Kurse zur Geburtsvorbereitung, Angebote der Familienbildung, Erziehungsberatung, Frühförderung, sowie die Vermittlung von Tagesmüttern und Babysittern oder Kleider- oder Spielzeugbörsen) und „Kommunikationszentren“ (z.B. für Gesprächs- und Erfahrungsaustausch, gezielte Ansprache und Angebote für sozial benachteiligte Familien und Migrantenfamilien sowie das Einbinden der Eltern bei der Mittagsbetreuung (vgl. ebd. S.110-112). Der letzte Punkt scheint innovativ zu sein, da die Umsetzung dessen bisher überwiegend eine Aufgabe der Städte und Gemeinden war. Diese Angebote sind, laut Recherchen der Verfasserin, in den Gemeinden zu finden, jedoch nicht in einer frühpädagogischen Einrichtung selbst, wie dies bereits in eigener Forschung 2018 dargelegt wurde.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der Gesetzgeber, die Konzeptionserstellung und -weiterentwicklung, sowie die Erziehungspartnerschaft in verschiedenen Gesetzen auf Bundes- und Landesebenen untermauert hat. Auch im Bildungsplan, der als Handlungsleitfaden für die pädagogischen Fachkräfte dienen soll, wurde die Erziehungspartnerschaft betont. In Anbetracht dieser, fällt es nicht schwer die Relevanz dieser Themen für die Politik zu sehen. So soll die Bedeutung an sich auch nicht angezweifelt werden. Dabei ergibt sich aber die Schwierigkeit, die Erziehungspartnerschaft auch für die Eltern verbindlich zu gestalten oder in einem Gesetz festzuhalten.
2.3. Erziehungspartnerschaft in Konzeptionen
Bisher wurden die Begriffe Konzeption und Erziehungspartnerschaft detailliert geklärt und diskutiert. Dieser Abschnitt soll einen Überblick geben, wie die beiden Begriffe zusammenhängen. Zunächst soll der Aufbau einer Konzeption erläutert werden. Denn erst, wenn das Gerüst und die Ziele einer Konzeption klar sind, kann der Fokus auf den tieferen Inhalt - die Erziehungspartnerschaft in Konzeptionen und ihren Inhalt - gerichtet werden.
Einen strukturellen Überblick bietet für den Aufbau von Konzeptionen Marianne Kokigei (2007):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Aufbau von Konzeptionen (angelehnt an Kokigei 2007, S.17)
Bereits in eigener Forschung von 2018 wurde dieser Strukturvorschlag vorgestellt und soll auch hier seine Anwendung finden, da er eine einfache Übersicht ermöglicht. In diesen Schemen fungieren acht Themenfelder als mögliche Konzeptionsinhalte. So wird eine Konzeption mit der Vorstellung der Kita begonnen und mit den Qualitätsstandards untermauert. Als Kernthemen nennt Kokigei allgemeine Gegebenheiten und Rahmenbedingungen in der Einrichtung; Bildungsbereiche; Übergänge und Grundlagen für die Einrichtung (wie z.B. Bildungsauftrag, Menschenbild oder die Rolle der Erzieherin). Zu den Randthemen gehören die Kooperationen - die im Team und die mit den Eltern. Es soll an dieser Stelle festgehalten werden, dass die Erziehungspartnerschaft, wie auch nach der Schilderung des hessischen Bildungsplans, zwar als ein Stützpunkt in der pädagogischen Arbeit betrachtet wird, jedoch keines der Kernthemen darstellt. In Anbetracht der Diskussion stellt sich die Frage, ob es nicht sinnvoll wäre, Erziehungspartnerschaft als eines der Kernthemen bereits in der Ausbildung zu behandeln und folglich in der Konzeption einzusetzen, damit der Weiterbildungsbedarf in diesem Bereich sinkt. Baumeister und Grieser (2011, S.33) fanden heraus, dass Fortbildungen zur Zusammenarbeit mit Eltern, eines der Top-Themen in der Weiterbildungslandschaft sind. Eine weitere Analyse von Fröllich-Gildhoff 2011 zeigte, dass bei näherer Betrachtung der Modulhandbücher der Bachelorstudiengänge “Pädagogik der frühen Kindheit“ bzw. „Bildung und Erziehung im Kindesalter“, die an der Evangelischen Hochschule Freiburg durchgeführt wurden, das Thema in 42 von 49 Modulhandbüchern benannt, aber unterschiedlich in der Tiefe behandelt wurde. Mit Blick auf die Vergabe von Credit points ist dieses Thema jedoch kaum relevant (Fröhlich- Gildhoff et al 2011). In ähnlicher Weise soll auch die Berücksichtigung des Themas in den Lehrplänen der Fachschulen erfolgen: Hier konnten nur 11 von 16 Lehrplänen gesichtet werden, da sich die übrigen in Überarbeitung befanden oder nur eine Ausbildungsordnung vorlag. In zehn von elf Lehrplänen sind Bezüge zur Thematik „Zusammenarbeit mit Eltern“ festzustellen, in neun Lehrplänen ist es ein Querschnittsthema und in drei Rahmenlehrplänen gibt es einschlägige Module / Themenbereiche. (vgl. Friederich 2011, S. 37)
Hiermit kann der Weiterbildungsbedarf zur Zusammenarbeit mit Eltern erklärt werden. Demzufolge genießen die Fachkräfte in der Ausbildung/Studium kaum Grundlagen und verfügen somit über ein geringes Fachwissen bezogen auf die Gestaltung der Erziehungspartnerschaft. Vorholz und Mienert 2012 betonen folgende spezifische Kompetenzen bezogen auf die Zusammenarbeit mit Eltern:
- Kompetenz im pädagogischen Handeln,
- Wissen über Entwicklung von Kindern,
- Wissen über gruppendynamische Prozesse in Kindergruppen,
- Wissen über die Entwicklung Gleichaltriger
- Erfahrung mit vielen Kindern
- Grundwissen über Kommunikation mit Erwachsenen
- Möglichkeiten der Reflexion im Team
- Unterbreitung pädagogischer Angebote
- Erziehung ist der Beruf der Pädagogin
- Distanz zum Kind. (o.S.)
Die Autorinnen berücksichtigen allerdings die kommunikativen Kompetenzen (Techniken der Gesprächsführung und Beratung, Sensibilität, Empathie etc.) und Konfliktlösungsfertigkeiten (vgl. Gage/Workman 1994) nur bedingt. Ein “Grundwissen über Kommunikation mit Erwachsenen” (s.o.) reicht für den Umgang mit Erziehungsberechtigten nicht aus. Die genannten Ziele der Erziehungspartnerschaft können nur mit vorhandenen Kompetenzen ermöglicht werden und diese sind in Anbetracht der unzureichenden Vorbereitung in der Ausbildung noch ausbaufähig. Auch weitere Ressourcen, wie institutionelle Rahmen- und Strukturbedingungen (Räumlichkeiten, Zeit, Ausstattung, Finanzen) und vor allem aber die professionelle pädagogische Haltung (dazu mehr im nächsten Kapitel) sollten bei der Umsetzung einer gelingenden Erziehungspartnerschaft nicht zu unterschätzt werden, vor allem dann, wenn die Vielfalt der Anforderungen bedacht wird.
Die Erziehungspartnerschaft nimmt außerdem auch später in den Konzeptionen und Bildungsplänen nur einen unbedeutenden Teil der beschriebenen pädagogischen Arbeit ein. Auch weitere Autoren schlagen einen ähnlichen Aufbau von Konzeptionen vor, hier sei auf Krenz 2008, Knauf 2005 oder Textor 1996 hingewiesen. In keinem der Vorschläge über den Aufbau von Konzeptionen wird die Erziehungspartnerschaft betont. Dies entspricht aber nicht der tatsächlich “gelebten” Praxis. Dies bestätigt die rege Teilnahme an Weiterbildungen zu dem genannten Thema. Fröhlich-Gildhoff hebt ebenfalls hervor, dass die Zusammenarbeit mit Eltern in Kindertageseinrichtungen - neben der ,direkten' pädagogischen Arbeit mit den Kindern und der Vernetzung mit anderen Institutionen - eines von drei wesentlichen Bestimmungsmomenten moderner Frühpädagogik ist. (vgl. 2011, S.1) Handelt es sich hierbei um einen Fehler im System? So sollte diese Überlegung auch in der Bildungspolitik diskutiert werden.
Für einen Überblick soll zunächst der Aufbau von Erziehungspartnerschaft in Konzeptionen dargestellt werden.
So benennt Textor (1996) die folgende Struktur: ”Bedeutung der Erziehungspartnerschaft, Ziele, Formen, Informationsfluss, Mitbestimmungs- und Mitarbeitsmöglichkeiten, Rolle des Elternbeirats usw.” (o.S.). Baum (2012) differenziert dies weiter aus:
- Grundverständnis des Miteinanders
- Erstgespräch
- Entwicklungsgespräch
- Beteiligung von Eltern, Partizipation
- Elternabend
- Angebote an Eltern
- Elternbefragungen
- Gestaltung von Übergängen (o.S.)
Bezugnehmend auf die Diskussion, um die Erziehungspartnerschaft und die Argumentation von Sacher, dass die Beschreibung von Erziehungspartnerschaft einen allgemeinen Zielrahmen vorgibt, trifft dies hier zu. Von Textor und Baum werden Oberbegriffe genannt, die es für die Kindertageseinrichtung noch zu gestalten und auszudifferenzieren gilt. Hilfreich wäre es, die Maßnahmen zur Umsetzung zu beschreiben. Sinnlos erscheint hingegen die Auflistung von Zielen in einer Konzeption, wenn es an der Umsetzung scheitert. So sollten mögliche Maßnahmen und Methoden zur Umsetzung einer gelingenden Zusammenarbeit weiter ausgeführt werden. Dies soll nicht ausschließen, dass die Fachkräfte dann jeweils für die eigene Einrichtung entscheiden, welche Maßnahmen sie für sinnvoll und umsetzbar halten. Die Beschreibung der Maßnahmen würde die Ziele und die Formen greifbarer machen. Sonst bestätigt sich hier die These von Betz, dass die Eltern als eine homogene Masse verstanden werden und gleiche Vorstellungen überall gleich gut greifen. Wobei es anzumerken gilt, dass es “die” Eltern nicht gibt. Abgesehen von verschiedenen Erwartungen, Vorstellungen, Kenntnissen, dem Bildungsgrad, sollten auch die Besonderheiten der Erziehungsberechtigten bedacht werden. So geht es um Patchworkfamilien, alleinerziehende Elternteile, gleichgeschlechtliche Erziehungsberechtige, Migranteneltern aus verschiedenen Ländern und Kulturen (die ebenso nicht als “die” Migranten und eine homogene Masse abgestempelt werden sollen!). Dies verbildlicht ein Vergleich der Familien von früher und von heute:
Familien früher... und heute
Das traditionelle Bild von Familie
- Singles. Nichteheliche
Lebensgemeinschaft
- Multinationale Familien
- bewusste Kinderlosigkeit
- Scheidung. Wiederheirat.
Stieffamilien. Sorgerechtsteilung
- androgyne Ehen. Zweikarrierenehen
- außereheliche Beziehungen, offene Ehen
- gleichgeschlechtliche Partnerschaften
- Multiple Erwachsenenhaushalte Von der Eiternarbeit zur Erziehungspartnerschaft - Heidi Vorholz. Malte Mienert. 2012
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Familien früher...und heute aus Verholz/Mienert 2012
Wenn das pädagogische Personal in der Konzeption konkret aufführt, welche Formen der Erziehungspartnerschaft, WIE umgesetzt werden, diese gegebenenfalls noch mit Alltagsbeispielen verdeutlicht, so können sich die Eltern ohne pauschale Begriffe auf die Zusammenarbeit besser einstellen. Hier kann beispielhaft auf Formulierung, wie: “Sie beschreibt einen gemeinsamen Auftrag mit dem Ziel, Methoden und Lösungsansätze zu entwickeln, die den persönlichen Entwicklungsprozess der Kinder begleiten und gestalten” aus einer Konzeption (eines Kindergartens in Hessen) hingewiesen werden. Eine solche Aussage in der Konzeption gibt ein gutes Bild nach außen, aber verbildlicht den Inhalt nicht für die Eltern. So ist es denkbar, dass Elternteile, die keine pädagogische Ausbildung haben, keine Vorstellung unter Begriffen, wie Lösungsansätze, Entwicklungsprozesse und dessen Methoden haben. Somit kann selbst beim Wunsch sich einzubringen, nicht agiert werden, da die Fachbegriffe nicht eingängig sind. An dieser Stelle soll auch ein weiteres Beispiel aus der Praxis herangezogen werden:
“Sie als Eltern sind wertvolle, kompetente und gleichwertige Erziehungspartner und wir als pädagogische Fachkräfte hegen den Wunsch, möglichst nah mit Ihnen zusammenzuarbeiten, um im vertrauensvollen Dialog miteinander den Lernweg Ihres Kindes möglichst optimal zu gestalten. Eine Erziehungspartnerschaft beruht auf gegenseitigem Respekt, Akzeptanz, Toleranz und Wertschätzung.” (Konzeption eines Kindergartens in Hessen).
Auch diese Beschreibung klingt hervorragend und signalisiert eine offene und wertschätzende Haltung den Eltern gegenüber. Doch was ist der vertrauensvolle Dialog und der Lernweg des Kindes, das optimal gestaltet werden soll? Hier würde eine “einfache” Beschreibung, wie “Sie sind in unserer Einrichtung willkommen und wir freuen uns, wenn Sie in Bring- und Abholsituationen uns bei Bedarf (ggf. auch Beispiele hierfür) ansprechen oder auch ein angefangenes Spiel mit ihrem Kind gemeinsam zu Ende spielen...” Abhilfe schaffen. Dies soll nur als Beispiel dienen, der den Alltag im Kindergarten direkt aufgreift. Die Eltern kennen solche Situationen und bekommen konkrete Umsetzungsideen mit an die Hand. Fachausdrücke haben hier nichts zu suchen, sie verstärken nur die bereits mehrmals erwähnte Asymmetrie zwischen den beiden Polen. Denn selbst wenn die Eltern die Bereitschaft zeigen würden, die Konzeption zu lesen (was erfahrungsgemäß der Autorin als pädagogische Fachkraft im Kindergarten - nicht entspricht), könnten Eltern aus fachfremden Kreisen womöglich nichts mit den pauschalen Fachwörtern anfangen.
Die Konzeption wird auch geschrieben, weil es die Politik vorsieht und die Qualität so zu sichern versucht. Die Erziehungspartnerschaft ist ein Teil der Konzeption, die ebenso in Gesetzen und Bildungsplänen der Länder (oder ähnlichen Leitlinien zur Bildung) als Auflage fungiert. Die Verbindlichkeit dieser steht offensichtlich auf der Seite der Politik und der Wissenschaft, die die Kindertagesstätten dazu instrumentalisiert, diese auszuführen. Das pädagogische Personal und die Eltern werden nicht gefragt, welche Formen und Umsetzungsmaßnahmen für sie als realistisch und nützlich erscheinen, sondern ein Bündel an pauschalen Zielsetzungen geben hier die Handlungsrichtlinie. Ein tatsächlich pädagogisch gelebter Alltag, konkrete Erwartungen vom Fachpersonal an den Eltern sowie eine Plattform für die Erwartungen der Eltern an die Erzieher_innen würde hier helfen.
2.4. Pädagogische Haltung
Genauso wenig, wie es “die” Eltern gibt, gibt es auch nicht “die” pädagogischen Fachkräfte. Die Fachkräfte haben nicht nur unterschiedliche Voraussetzungen in der Ausbildung/Studium gehabt, sondern verfügen auch über unterschiedliche Erfahrungen und Kompetenzen. Abgesehen von diesen, soll auch die einzelne Person mit ihrer eigenen Biographie in den Mittelpunkt als Handelnde gerückt werden. Letztendlich entscheidet die Person selbst, wie sie ihr Erlerntes umsetzt und im Berufsalltag implementiert. So soll in diesem Kapitel auf die professionelle pädagogische Haltung eingegangen werden.
Zunächst allgemein betrachtet, beschreiben Schwer und Solzbacher (2014, S. 107) Professionelle Haltung als „ein hoch individualisiertes (d.h. individuelles, idiosynkratisches) Muster von Einstellungen, Werten, Überzeugungen, das durch einen authentischen Selbstbezug und objektive Selbstkompetenzen zustande kommt, die wie ein innerer Kompass die Stabilität, Nachhaltigkeit und Kontextsensibilität des Urteilens und Handelns ermöglicht“. Der Begriff „professionelle Haltung“ ist auch als ein konkretes Orientierungsmuster zu verstehen, welches handlungsleitend (ethisch-moralisch), wertorientiert, Normen, Deutungsmuster und Einstellungen umfasst. Diese bringt die pädagogische Fachkraft in die Arbeit mit ein, um eine Beziehung zu gestalten. Das Bild vom Kind sowie das eigene professionelle Rollen- und Selbstverständnis prägen diese Haltung. (vgl. Nentwig-Gesemann et al. 2011, S. 10 f.)
Nach Schwer und Solzbacher gibt es drei Kennzeichen einer professionellen pädagogischen Haltung:
1. Die Standfestigkeit und Kohärenz von Entscheidungen, die oft in (pädagogischen) Situationen getroffen werden müssen.
2. Die eigenen und die fremden Gefühle, Bedürfnisse und Körperwahrnehmungen müssen integriert und einbezogen werden.
3. Das eigene Tun muss aufmerksam mit „Sinn und Verstand“ überwacht werden. (vgl. ebd., S. 107 ff.)
Elemente wie biografische Kompetenz, Selbstreflexivität, Ressourcenorientierung, Empathie, Feinfühligkeit, sensitive Responsivität und Offenheit für Wertschätzung von Diversität gelten als Kernkompetenzen pädagogischer Haltung. (vgl. ebd.) Diese Elemente zeigen auf, dass pädagogische Haltung als ein Spannungsverhältnis zwischen normativen Ansprüchen, Wirksamkeit pädagogischen Handelns und der konkreten Handlungssituation im Berufsalltag eines/einer Pädagogen/Pädagogin steht. (vgl. Helsper 2010, S.19ff) Dies verdeutlicht auch, dass pädagogisches Handeln nicht frei von Zwängen ist und ausschließlich im Rahmen sozialer Regelwerke und Normen stattfindet. Diese sozialen Regelwerke und Normane stellen in dieser Ausarbeitung die Konzeption sowie die gesetzlichen Vorgaben dar. Hinzugezogen können auch die Erwartungen der Eltern, des Trägers und der Öffentlichkeit werden. Aufgrund der Institutionalisierung pädagogischen Handelns, unterliegt dieses den Prinzipien formaler Organisationen (vgl. ebd.).
Pädagogische Konzepte (oder pädagogische Ansätze, wie nach Fröbel, Montessori etc.), die immer ein Teil von Konzeption sind, versuchen eine solche innere Haltung zu beschreiben. Aus dieser Haltung heraus lässt sich die Frage nach dem Verhalten bei der Arbeit mit Eltern eher beantworten. Viele Expert_innen beschreiben die offene, wertschätzende und akzeptierende Haltung als unabdingbar für eine gelungene Erziehungspartnerschaft (Bargsten 2012, S. 394; Fröhlich-Gildhoff 2013, S.15; Friederich 2011, S.18; Textor 2018, S.21; Wiezorek 2006, S.57).
Viernickel et al. (2013, S. 126) konstatiert die Reflexionsfähigkeit der pädagogischen Fachkräfte wie folgt: „Grundlegend für die Qualität der Umsetzung und den Umgang mit den Anforderungen ist, ob und inwiefern die Zusammenarbeit mit Familien als gleichwertige und - wichtige Aufgabe neben der pädagogischen Arbeit mit den Kindern anerkannt wird“.
Xenia Roth (2010) unterscheidet zwischen respektvoller und wertschätzender Haltung sowie vorurteilsbewusster, ressourcenorientierter und dialogischer Haltung. Die Bereitschaft zur Selbstreflexion und das Wissen um systemische Denk- und Arbeitsansätze gehören ebenso zum Rüstzeug einer frühpädagogischen Fachkraft. (vgl. S. 23 f)
Auch Wiezorek beschreibt, dass es im pädagogischen Elternbezug nicht um die Abwertung, sondern um die Auseinandersetzung mit Fähigkeiten, Eigenschaften und Verhaltensweisen und den ihnen innewohnenden Werten geht. (vgl. 2006, S.57) Die Autorin hebt auch (wie Viernickel et al.; Roth) die nötige Reflexionsfähigkeit hervor: „neben einer respektvollen Haltung gegenüber den Eltern die reflexive Haltung gegenüber den eigenen Wertvorstellungen maßgeblich, um in der pädagogischen Arbeit mit Eltern nicht in die Pädagogisierung [oder gar Belehrung] von Eltern abzugleiten“. (ebd.)
Zu diesem Thema sind ältere und neuere Ratgeber zu finden, die von Gesprächsführungstechniken bis zur Gestaltung von Elternabenden reichen. So wichtig solche Handlungsempfehlungen auch sind, fußen sie doch auf der inneren Haltung der pädagogischen Fachkräfte gegenüber den Eltern. In dieser Arbeit wird davon ausgegangen, dass es Aufgabe der professionellen Fachkraft ist, sich ihrer inneren Haltung bewusst zu sein und diese auch pädagogisch begründen zu können.
So beschreibt Schütze 2007 Spannungen zwischen Fachpersonal und Eltern als nicht primär individuelles Versagen, sondern als ein strukturelles Problem zwischen Elternhaus und Kindertagesstätte (vgl. S. 48). Der Unterschied zwischen den Rahmenbedingungen in der Einrichtung sowie im elterlichen Haushalt lässt sich „nicht aufheben, aber er lässt sich versöhnen“ (ebd. S. 48) - und zwar mindestens ansatzweise durch die innere Haltung, die mit der Idee der Erziehungspartnerschaft einhergeht.
Diese pädagogische Haltung, geprägt von Wertschätzung und Anerkennung kommt nicht von allein, sie muss erst entwickelt und ausgedehnt werden. Thiersch (2006) weist auf die Aufgabe der Fachkraft hin, sich durch fachliche Qualifizierung, eine professionelle Haltung im Umgang mit den Eltern zu erarbeiten, unterstützt durch Fortbildung sowie Supervision.
2.5. Zwischenfazit
Anhand der theoretischen Auseinandersetzung mit dem Ansatz der Erziehungspartnerschaft wird deutlich, wie vielfältig und umfangreich die Anforderungen und Gestaltungsmöglichkeiten für die pädagogischen Fachkräfte sind. Viele Forderungen und gesetzliche Normen, wie es der Hessische Bildungsplan, das SGB VIII oder das HKJHG im Hinblick auf die Konzeptionserstellung und die Zusammenarbeit mit Eltern vorsehen, stimmen mit diesem Ansatz überein. Die erste Schwierigkeit kristallisiert sich bereits an den unscharfen Begriffen, die nicht nur den Eltern wenig Orientierung bieten, sondern auch dem Fachpersonal. Pädagogische Fachkräfte sollen sich an diesen Leitlinien orientieren, um maximal jedoch einen Anstoß für die Gestaltung von Erziehungspartnerschaft zu bekommen. Um Erziehungspartnerschaft erfolgreich umzusetzen, bedarf es einer viel intensiveren Auseinandersetzung, welche die Inhalte der Konzeption und der Gesetze einschließen aber noch weiter darüber hinausgehen. Hier ist es wichtig anzumerken, dass die Formulierungen in Konzeptionen stets alltagsbezogen, mit reellen Beispielen untermauert und möglichst ohne Fachbegriffe gestaltet werden sollten.
Die zweite Schwierigkeit der Gestaltung wird in den verschiedenen Erwartungen gesehen. So scheint es unmöglich eine Konzeption zu finden, die gar keine bloßen Absichtserklärungen verwendet. Hier müssen die pädagogischen Fachkräfte der Politik, dem Träger und der Wissenschaft gerecht werden und ein gutes Bild nach außen geben. Vor allem die Vorstellungen von Eltern und Erzieher_innen bezüglich einer guten Zusammenarbeit divergieren teilweise stark. Im Hinblick darauf, ist es also sinnvoll, Einstellungen zu Betreuungs-, Erziehungs-, und Bildungsaufgaben zwischen den Akteuren zu klären. Damit dies gelingt, sollten Erzieher_innen sich zunächst über die grundlegenden Haltungen, welche für sie förderlich sind, bewusstwerden. Die richtige Einstellung ist die wichtigste Voraussetzung bei der Umsetzung von Erziehungspartnerschaft.
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