Am Beginn der Neuzeit steht den Menschen ein Wandel in Gesellschaft und Politik bevor. In besonders starkem Maße bekommen die Randgruppen und Minderheiten diese Veränderungen zu spüren, allen voran das Fahrende Volk. Hatten sie im Mittelalter noch die Möglichkeit, ein relativ freies und uneingeschränktes Leben zu führen, so wird ihnen die Welt zu Beginn des 16. Jahrhunderts immer feindlicher. Zeichnete sie im Mittelalter noch die Vielfalt der Gruppierungen und die Vielseitigkeit des Einzelnen aus, so werden am Ende dieser Epoche andere, für sie meist nicht erfüllbare Ansprüche an sie gestellt. Hier soll nun anhand zweier fahrender Berufe, der Hausierer und Kessler, die Situation der Menschen, ihre Eigenheiten und Probleme untersucht und dargestellt werden; dabei beschränken sich die Ausführungen auf das 16. bis 18. Jahrhundert. Wichtige Fragen werden sein, wie der Hausierer seinen Beruf ausübte und warum es ihn gab. Ferner sollen noch die Reaktionen, die der Hausierer bei Bevölkerung und Obrigkeiten hervorrief, untersucht werden. Wichtig wird hier vor allem der Unterschied zwischen Stadt und Land sein.
Bei der zweiten Berufsgruppe, die der Kessler, soll vor allem auf ihre Eigenheiten als zünftisch organisierte Gruppe unter den Vaganten eingegangen werden, und damit einhergehend ihre Bemühungen die eigene Ehre zu bewahren. Der Hausierer betrieb einen Wanderhandel, bei dem er mit seinen Waren umherzog und von Haus zu Haus ging um sie zum Verkauf anzubieten. Er wurde dazu nicht aufgefordert und verhielt sich aktiv, indem er dem Kunden entgegenging.
Die Hausierer verkauften per Bauchladen, Leinwandpacken oder Karren. Sie tauschten ihre Waren gegen Geld oder Naturalien wie Eier oder Butter, in seltenen Fällen stellten sie auch Verkaufsbelege aus.
Der Großteil der Hausierer zog auf eigene Faust durchs Land und verdiente gerade soviel um zu überleben oder um einen kleinen Zusatzverdienst zu haben. Die wenigen Hausierer, die sich mit ihrem Handel ein gutes Einkommen sichern konnten, verfügten in den meisten Fällen über ein gewisses Grundkapital und waren mit einem obrigkeitlichen Handlungspatent ausgestattet.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
I. Die Hausierer
I.1 Der Standpunkt der Bevölkerung
I.2 Gründe für das Bestehen des Hausierberufs
I.3 Das Verhältnis der Obrigkeiten zu den Hausierern
I.3.1 Gesetze und Verordnungen
I.3.2 Anwendung der Verordnungen
II. Die Kessler
II.1 Die Kesslerkreise und ihre Organisation
II.2 Die Rechte und Pflichten der Kessler und ihrer Schirmherren
II.2.1 Die Pflichten des Schirmherrn
II.2.2 Die Pflichten und Rechte der Kessler
II.2.3 Die Handwerkssatzungen
II.3 Das Kesslergericht
II.4 Die freien Kessler
Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Einleitung
Am Beginn der Neuzeit steht den Menschen ein Wandel in Gesellschaft und Politik bevor. In besonders starkem Maße bekommen die Randgruppen und Minderheiten diese Veränderungen zu spüren, allen voran das Fahrende Volk. Hatten sie im Mittelalter noch die Möglichkeit, ein relativ freies und uneingeschränktes Leben zu führen, so wird ihnen die Welt zu Beginn des 16. Jahrhunderts immer feindlicher. Zeichnete sie im Mittelalter noch die Vielfalt der Gruppierungen und die Vielseitigkeit des Einzelnen aus, so werden am Ende dieser Epoche andere, für sie meist nicht erfüllbare Ansprüche an sie gestellt. Hier soll nun anhand zweier fahrender Berufe, der Hausierer und Kessler, die Situation der Menschen, ihre Eigenheiten und Probleme untersucht und dargestellt werden; dabei beschränken sich die Ausführungen auf das 16. bis 18. Jahrhundert. Wichtige Fragen werden sein, wie der Hausierer seinen Beruf ausübte und warum es ihn gab. Ferner sollen noch die Reaktionen, die der Hausierer bei Bevölkerung und Obrigkeiten hervorrief, untersucht werden. Wichtig wird hier vor allem der Unterschied zwischen Stadt und Land sein.
Bei der zweiten Berufsgruppe, die der Kessler, soll vor allem auf ihre Eigenheiten als zünftisch organisierte Gruppe unter den Vaganten eingegangen werden, und damit einhergehend ihre Bemühungen, die eigene Ehre zu bewahren.
I. Die Hausierer
Der Hausierer betrieb einen Wanderhandel, bei dem er mit seinen Waren umherzog und von Haus zu Haus ging um sie zum Verkauf anzubieten.[1] Er wurde dazu nicht aufgefordert und verhielt sich aktiv, indem er dem Kunden entgegenging.
Die Hausierer verkauften per Bauchladen, Leinwandpacken oder Karren. Sie tauschten ihre Waren gegen Geld oder Naturalien wie Eier oder Butter, in seltenen Fällen stellten sie auch Verkaufsbelege aus.[2]
Der Großteil der Hausierer zog auf eigene Faust durchs Land und verdiente gerade soviel um zu überleben oder um einen kleinen Zusatzverdienst zu haben. Die wenigen Hausierer, die sich mit ihrem Handel ein gutes Einkommen sichern konnten, verfügten in den meisten Fällen über ein gewisses Grundkapital und waren mit einem obrigkeitlichen Handlungspatent ausgestattet.[3]
Diese Handlungspatente, auch Passierscheine, Freybriefe oder Attestate genannt, konnten von den Behörden ausgestellt werden und bildeten die Vorläufer des heutigen Wandergewerbescheines Sie bildeten eine Legitimation für Reisen und wurden in fast allen Landesteilen zum Hausieren benötigt. Voraussetzung für die Ausstellung waren eheliche Geburt und ein guter Leumund. Sie waren meist nur für eine voraussichtliche Dauer gültig und auch an die Einhaltung einer vorgeschrieben Reiseroute gebunden.[4]
Gehandelt wurde mit nahezu allem, von Dingen des täglichen Bedarfs bis zu ausgefallenen Kolonialwaren. Im Warensortiment befanden sich Schwämme, Wagenschmiere, Eisen- und Kurzwaren und sogar Nahrungsmittel.[5] Der tatsächliche Wert der Waren bleibt meist unklar, da es keine festen Preise gab.[6] Es gab auch Hausierer, die sich auf eine Warenart spezialisierten.[7] Die Vielfalt der Waren, besonders der Vertrieb von so genannten Luxuswaren wie Kaffee und Tee, lässt eine Verbindung zu den späteren Ladengeschäften bzw. Kolonialwarenläden erkennen; die Hausierer dürften also als deren Vorgänger bezeichnet werden.[8]
Die Grenze der Gruppe der Hausierer verlief fließend zu anderen Vagantengruppen, so traten auch Bettler und Schausteller, Juden und Zigeuner häufig als Hausierer auf; Hausierer zogen also in bunt gemischten Gruppen durch die Lande. Ausländische Hausierer waren aus Italien, Schottland, Burgund oder Savoyen[9] ; die jüdischen Hausierer wurden oft ebenfalls als Fremde angesehen und mussten ein Schutzgeld zahlen, um Hausierhandel zu betreiben[10]. Ihre Kunden fanden die Hausierer vor allem auf dem flachen Land, also im ländlich-dörflichen Bereich.[11] In den Städten gerieten sie immer wieder in Konflikte mit den dort ansässigen Kaufleuten. So beschwerten sich 1723 die Bludenzer Handelsleute, dass fremde Krämer ihrem Geschäft schaden und auch schon 1676 klagten die Vorarlberger Landstände, dass die Juden die christlichen Kaufleute um ihren Gewinn bringen.[12]
I.1 Der Standpunkt der Bevölkerung
Im Gegensatz zu den städtischen Kaufleuten stand vor allem die ländliche Bevölkerung häufig auf Seiten der Hausierer, da sie in weitaus höherem Maße auf die Hausierer angewiesen war als die Menschen, die in Städten lebten. Die Dorfbewohner wollten auf die Waren der Hausierer nicht verzichten und oftmals konnten sie es auch nicht. Ansonsten wollte man aber mit den Hausierern selbst nicht viel zu tun haben.[13] Die Bevölkerung unterstützte die Hausierer vor allem deshalb, weil sie billige Waren hatten, da die Hausierer auf Schleichwegen kamen und so die Zollgrenzen nicht passierten.[14] Durch diesen Schmuggel und andere illegale Praktiken, wie unerlaubtem Tabakhandel[15], verschlechterte sich jedoch auch die Haltung der Obrigkeiten gegenüber den ambulanten Händlern.
I.2 Gründe für das Bestehen des Hausierberufs
Dennoch war die Nachfrage nach Hausierwaren zweifellos vorhanden, und die Hausierer erfüllten eine wichtige Aufgabe, indem sie die Einwohner des flachen Landes mit Waren des täglichen Bedarfs versorgten. Es gab zwar in den Städten Wochen- und auch Jahrmärkte, auf denen alles Notwendige gekauft werden konnte, aber natürlich war es für die Bevölkerung vom Land umständlich immer in die nächste Stadt zu fahren. Der Hausierer nahm ihnen diesen Weg ab und versorgte auch das Dorf mit allem Nötigen. Außerdem tauschte er oft schon kleinste Mengen an überschüssigen Lebensmitteln gegen seine Waren.[16]
Des Weiteren begünstigte die Entwicklung der Hausindustrie den Hausierhandel. Da auf dem Land oft saisonale Arbeitslosigkeit herrschte, versuchten dort viele Personen ihr Einkommen durch die häusliche Herstellung von Waren aufzubessern.[17] Wenn die Produzenten nicht selbst den Vertrieb übernahmen, waren meist Personen aus demselben Dorf dafür zuständig. Durch die Häufigkeit der Hausindustrie waren die einzelnen Dörfer jedoch schnell versorgt, so dass eine Erweiterung des Wanderradius nötig wurde. Dadurch kam der Einzelne einem Vagantenleben schon recht nahe.
[...]
[1] Karl Heinz Burmeister: Heimischer und fremder Hausierhandel in Vorarlberg, in: Gewerbliche Migration im Alpenraum, hrsg. von Ursus Brunold, Bozen 1994, S.569
[2] Ulrich Lange: Krämer, Höker und Hausierer. Die Anfänge des Massenkonsums in Schleswig-Holstein, in: Mare Balticum. Beiträge zur Geschichte des Ostseeraums in Mittelalter und Neuzeit, hrsg. von Werner Paravicini, Sigmaringen 1992, S.318
[3] Carsten Küther: Menschen auf der Straße. Vagierende Unterschichten in Bayern, Franken und Schwaben in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, Göttingen 1983, S.65
[4] Hasso von Haldenwang: Die Jenischen. Erinnerungen an die Wildensteiner Hausierhändler (Veröffentlichung zur Ortsgeschichte und Heimatkunde in Württembergisch Franken, Band 17), Crailsheim 1999, S.21 und Küther: Menschen auf der Straße, S. 41
[5] Ernst Schubert: Mobilität ohne Chance. Die Ausgrenzung des fahrenden Volkes, in: Ständische Gesellschaft und soziale Mobilität, hrsg. von Winfried Schulze, München 1988
[6] Burmeister: Heimischer und Fremder Hausierhandel in Vorarlberg, S. 582
[7] vgl. Peter Höher: Heimat und Fremde. Wanderhändler des oberen Sauerlandes. Münster 1985, S. 81. – er beschreibt hier acht Gruppen von Hausierern
[8] Lange: Krämer, Höker und Hausierer, S. 319 u. 326
[9] Schubert: Mobilität ohne Chance, S. 138 f
[10] Burmeister: Heimischer und fremder Hausierhandel in Vorarlberg, S. 572
[11] Richard van Dülmen: Dorf und Stadt 16. – 18. Jahrhundert (Kultur und Alltag in der Frühen Neuzeit, Band 2), München 1992, S. 85
[12] Burmeister: Heimischer und fremder Hausierhandel in Vorarlberg, S. 572
[13] Richard van Dülmen: Der infame Mensch. Unehrliche Arbeit und soziale Ausgrenzung in der Frühen Neuzeit, in: Arbeit, Frömmigkeit und Eigensinn, hrsg. von Richard van Dülmen, Frankfurt am Main 1990, S. 111 - 113
[14] Lange: Krämer, Höker und Hausierer, S. 323
[15] Küther: Menschen auf der Straße, S. 65
[16] Lange: Krämer, Höker und Hausierer, S. 323
[17] Küther: Menschen auf der Straße, S. 62. – hier werden Hüter als Besenbinder und Abdeckerknechte als Lederwarenhersteller dargestellt
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- Stefanie Leisentritt (Author), 2006, Fahrende Dienstleister und Gewerbetreibende, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/91728
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