Das Ziel dieser Themenhausarbeit ist der Begriff der Menschenwürde im Grundgesetz für die
Bundesrepublik Deutschland, in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und in
dem Vertrag über eine Verfassung für Europa zu vergleichen. Meine Leitfrage lautet dabei:
Falls es Unterschiede in dem Begriff der Menschenwürde in diesen Texten gibt, was sind die
Gründe dafür? Diese Fragestellung wird dadurch begründet, dass es zwischen den zu
vergleichenden Dokumenten eine Zeitspanne von mehr als 50 Jahren liegt – das Grundgesetz
für die Bundesrepublik Deutschland wurde im Jahr 1949 rechtskräftig, die Charta der
Grundrechte der Europäischen Union wurde im Jahr 2000 von den Mitgliedsländer feierlich
erklärt und der Vertrag über eine Verfassung für Europa ist im Moment zwar als Text fertig
und von vielen Mitgliedsländern der Europäischen Union ratifiziert, aber noch nicht als ein
völkerrechtliches Vertrag geltend – und der Rechtscharakter dieser Dokumente sich
voneinander unterscheidet.
Diese Arbeit beginnt mit der für den Vergleich nützlichen Darstellung der Begriffsgeschichte
der Menschenwürde. Danach wird die Menschenwürde als Verfassungsbegriff im
Allgemeinen erörtert. Im dritten Teil komme ich zu dem Grundgesetz. Bei allen drei zu
behandelnden Dokumenten fand ich sinnvoll die Entstehungsgeschichte kurz und knapp
einzugehen, da der Hintergrund eine Rolle bei dem daraus resultierenden Text spielt. Nicht
nur wegen des Lerneffekts habe ich bei dem Grundgesetz und der Charta zusätzlich die
Grundrechte im Generellen behandelt, sonst hätte ich die Stellung der Menschenwürde in den
Dokumenten ja nur begrenzt betrachten können. Im Abschluss zum dritten Teil komme ich zu
der Menschenwürde im Grundgesetz. Hier wird die rechtliche Stellung der Menschenwürde
im Grundgesetz dargestellt, wie die Menschenwürde geschützt wird, gefolgt von den
Grundrechtträgern und -verpflichteten und die Beziehung zwischen der Menschenwürde und
den Menschenrechten. Im vierten Teil werde ich die Charta behandeln. Nach der
Entstehungsgeschichte folgt die Darstellung der Grundrechte in der Charta und abschließend
wird die Menschenwürde in der Charta besprochen. Vor dem Vergleich werde ich noch im
fünften Teil die EU-Verfassung angehen. Gleich nach dem Entstehungs- und
Ratifizierungsprozess werde ich mich mit der Menschenwürde in der EU-Verfassung
beschäftigen.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
1. Die Begriffsgeschichte der Menschenwürde
2. Menschenwürde als Verfassungsbegriff
3. Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
3.1 Die Entstehung des Grundgesetzes und des Art. 1 I GG
3.2 Die Grundrechte im Grundgesetz
3.3 Die Menschenwürde im Grundgesetz
4. Charta der Grundrechte der Europäischen Union
4.1 Entstehungsgeschichte der Charta
4.2. Grundrechte in der Charta
4.3 Menschenwürde in der Charta
5. Vertrag über eine Verfassung für Europa
5.1. Der Entstehungsprozess der Verfassung
5.2. Menschenwürde in der EU-Verfassung
6. Der Begriff der Menschenwürde im Grundgesetz, inder Charta der Grundrechte der EU und in der EU-Verfassung im Vergleich
Nachwort
Literaturverzeichnis
Vorwort
Das Ziel dieser Themenhausarbeit ist der Begriff der Menschenwürde im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und in dem Vertrag über eine Verfassung für Europa zu vergleichen. Meine Leitfrage lautet dabei: Falls es Unterschiede in dem Begriff der Menschenwürde in diesen Texten gibt, was sind die Gründe dafür? Diese Fragestellung wird dadurch begründet, dass es zwischen den zu vergleichenden Dokumenten eine Zeitspanne von mehr als 50 Jahren liegt – das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland[1] wurde im Jahr 1949 rechtskräftig, die Charta der Grundrechte der Europäischen Union[2] wurde im Jahr 2000 von den Mitgliedsländer feierlich erklärt und der Vertrag über eine Verfassung für Europa[3] ist im Moment zwar als Text fertig und von vielen Mitgliedsländern der Europäischen Union ratifiziert, aber noch nicht als ein völkerrechtliches Vertrag geltend – und der Rechtscharakter dieser Dokumente sich voneinander unterscheidet.
Diese Arbeit beginnt mit der für den Vergleich nützlichen Darstellung der Begriffsgeschichte der Menschenwürde. Danach wird die Menschenwürde als Verfassungsbegriff im Allgemeinen erörtert. Im dritten Teil komme ich zu dem Grundgesetz. Bei allen drei zu behandelnden Dokumenten fand ich sinnvoll die Entstehungsgeschichte kurz und knapp einzugehen, da der Hintergrund eine Rolle bei dem daraus resultierenden Text spielt. Nicht nur wegen des Lerneffekts habe ich bei dem Grundgesetz und der Charta zusätzlich die Grundrechte im Generellen behandelt, sonst hätte ich die Stellung der Menschenwürde in den Dokumenten ja nur begrenzt betrachten können. Im Abschluss zum dritten Teil komme ich zu der Menschenwürde im Grundgesetz. Hier wird die rechtliche Stellung der Menschenwürde im Grundgesetz dargestellt, wie die Menschenwürde geschützt wird, gefolgt von den Grundrechtträgern und -verpflichteten und die Beziehung zwischen der Menschenwürde und den Menschenrechten. Im vierten Teil werde ich die Charta behandeln. Nach der Entstehungsgeschichte folgt die Darstellung der Grundrechte in der Charta und abschließend wird die Menschenwürde in der Charta besprochen. Vor dem Vergleich werde ich noch im fünften Teil die EU-Verfassung angehen. Gleich nach dem Entstehungs- und Ratifizierungsprozess werde ich mich mit der Menschenwürde in der EU-Verfassung beschäftigen. Der sechste und letzte Teil dieser Arbeit fasst in dem Vergleich der Menschenwürde im Grundgesetz, in der Charta und in der EU-Verfassung auch die Ergebnisse den vorherigen Kapitel zusammen. In meinem Nachwort werde ich abschließend versuchen, die Leitfrage dieser Arbeit zu beantworten, jedoch nicht jedes Detail des vorher geführten Vergleiches anzugehen.
1. Die Begriffsgeschichte der Menschenwürde
Der Gedanke von einer Würde des Menschen taucht schon im antiken Rom auf: als ‚Dignitas’ stand sie im Zentrum der römischen Kultur, nicht zuletzt deswegen, weil sie –anstatt sich nur auf die soziale Stellung oder die Macht zu beziehen – die Tugend vorrangig stellte und somit die Römer zu einer Selbstdisziplin zwang.[4] Das Verständnis der Menschenwürde in der jüdisch-christlichen Tradition stützt sich auf das erste Buch der Bibel, das Buch Genesis: „Dann sprach Gott: Laßt uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich. [...] Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; / als Abbild Gottes schuf er ihn. / Als Mann und Frau schuf er sie.“[5] Die Gottesebenbildlichkeit wird ausführlich von Thomas von Aquin erörtert und davon ableitend kommt er zu dem Begriff der menschlichen Würde. Nach Thomas ist der Mensch von Natur aus frei, und existiert, weil er existieren will. Die Rechts- und Gesellschaftsordnung von Thomas beruht darauf, dass der Mensch in der Lage ist, Entscheidungen und Verhaltensweisen zu treffen.[6] Doch das moderne Denken über die Menschenwürde wurde erst von Immanuel Kant geprägt. Nach Kant ist der Mensch nicht nur ein Mittel, sondern ein Zweck in sich selbst und so kann es keine Willkür bestehen. Wie Thomas, denkt auch Kant, dass die Würde des Menschen an Autonomie und Freiheit des Menschen knüpft, aber bei Kant steht im Mittelpunkt die Vernunft und die Gottesebenbildlichkeit nach Thomas wurde zu der Menschheit gewechselt. Genau diese Idee, dass der Mensch ein Repräsentant der Menschheit ist und aus diesem Grund in seiner Würde geachtet werden soll, ist m.E. der Wendepunkt zum modernen Denken über die Menschenwürde.[7]
Keine der ersten Verfassungen und menschenrechtsrelevanten Dokumenten wie die Magna Charta vom 1215 oder Virginia Bill of Rights vom 1787 verweisen auf den Begriff der Menschenwürde, obwohl er im 18. Jahrhundert schon längst verbreitet war. Die Reichsverfassung vom 1919 ist die erste Verfassung in dem die Menschenwürde erwähnt wird. Nach Art. 151 I der Reichsverfassung: „muß die Ordnung des Wirtschaftslebens den Grundsätzen der Gerechtigkeit mit dem Ziele der Gewährung eines menschenwürdigen Daseins für alle entsprechen.“[8] Erst aber nach dem unsagbaren Leiden der Menschheit wegen des zweiten Weltkriegs hat sich die Menschenwürde als Rechtsbegriff etabliert. Schon während des Krieges wurde es klar, dass es einen engen Zusammenhang zwischen der Achtung der Menschenwürde und dem Weltfrieden gibt. Auf der Konferenz in Jalta entschieden die drei Großmächte Großbritannien, Sowjetunion und die USA eine Konferenz der Vereinten Nationen am 25.April 1945 nach San Fransisco einzuberufen. Auf dieser Konferenz wurde das erste völkerrechtliche Vertragswerk, die Charta der Vereinten Nationen, vorbereitet,[9] die die Menschenwürde in ihrer Präambel nennt: „WIR, DIE VÖLKER DER VEREINTEN NATIONEN – FEST ENTSCHLOSSEN, [...] unseren Glauben an die Grundrechte des Menschen, an Würde und Wert der menschlichen Persönlichkeit, an die Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie von allen Nationen, ob groß oder klein, erneut zu bekräftigen.“[10] Der Charta folgten in Bälde weitere völkerrechtliche Verträge, die sich auf die Menschenwürde beziehen, wie z.B. die UNESCO Satzung[11] oder die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte.[12] Ein anderer Aspekt gewann die Menschenwürde, als die Siegermächte des zweiten Weltkrieges Kriegsverbrechertribunale in Nürnberg und Tokio errichteten. Die deutschen und japanischen Hauptkriegsverbrecher wurden wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt.[13]
2. Menschenwürde als Verfassungsbegriff
Die Menschenwürde als Verfassungsbegriff hat keine lange Tradition. Vielleicht ist das ein Grund dafür, weswegen es für sie auch keine klare Definition gibt. Als ein sehr offener Begriff ist sie schwer zu definieren, doch mit ihrem höchsten Rechtswert stellt sie eine positive[14] Verfassungsgarantie dar und steht in der Mitte des Wertsystems.[15] Die Menschenwürde ist ein Prinzip des Völkerrechts. Als Prinzip stellt sie die Leitlinie der Rechtsordnung und ihre Auslegung dar und hat somit Teil an dem Fundament des Völkerrechts. Die Menschenwürde ist auch ein Rechtsgrundsatz, weil sie in allen wichtigen Rechtskreisen und im innerstaatlichen Recht aller Kulturen und Völker zu finden ist und auf das Völkerrecht übertragbar ist.[16] Ob die Menschenwürde aber ein Völkergewohnheitsrecht darstellt, ist unklar, da es: „über den Gewohnheitsrechtscharakter einzelner Rechte ohnehin immer Unklarheit bestehen wird, wird auch über die Gestalt der Würde als Gewohnheitsrecht immer in Einzelheiten Unklarheit bestehen.“[17] Die Menschenwürde wird als ein sittlicher Wert anerkannt und da sie als solches in das positive Verfassungswerk übernommen wurde, ist sie ein Rechtswert und ein positivrechtliches Gebot. In vielen Staatsverfassungen ist die Menschenwürde als etwas permanentes, unverlierbares und unverzichtbares gedacht und wie es z.B. in dem Art. 1 I GG durch den Satz „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ beansprucht wird, kann dieser Wert auch nicht durch positives Tun verschafft werden.[18]
Die Menschenwürde ist immer auf Personbezogen, und auf die biologische Tatsache, dass der Mensch in seinem Menschsein ein Mensch ist. Zu diesem Gedanken gehört die Unantastbarkeit des Menschen, aber auch die Überlegung welche die Minimalbedingungen eines Menschen sind.[19] Obwohl Individuumsbezogen ist die Menschenwürde ein allgemeiner und überindividueller, also inhärenter Begriff.[20] Eine Minimalkonzeption der inhärenten Menschenwürde würde sich auf die Tatsache stützen, dass die Menschenwürde in dem moralischen Recht besteht nicht erniedrigt zu werden und dass, „Der Respekt gegenüber der inhärenten Würde von Menschen besteht demnach in der Berücksichtigung dieses moralischen Rechts. Dieses moralische Recht kann nur Wesen zugeschrieben werden, die erniedrigt werden können.“[21] Da es unklar ist, ob auch Tiere erniedrigt werden können, wird die (Menschen)Würde somit nur mit dem Menschen verbunden.
In der Praxis ist die Menschenwürde und ihre Achtung eher indirekt und auf die Menschenrechte bezogen. Sie ist der Geltungsgrund des völkerrechtlichen Systems als eine verbindende Grundlage und ein Ursprung für einzelne Grund- und Menschenrechte, aber auch eine Interpretationshilfe durch ihre begrenzende Funktion.[22] Ohne Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden zu nennen, kommt man gar nicht an der Menschenwürde vorbei:[23] die Freiheit wird als die Handlungsfreiheit des Menschen bzw. das Persönlichkeitsrecht verstanden,[24] aber auch als die Souveränität der Staaten. Die Gerechtigkeit ist dagegen etwas, was die Menschen auch ohne Gesetze spüren können[25] und die sich mit der Gleichheit verknüpft, in dem der allgemeine Rechtsstatus eines Menschen mit den anderen als Gleicher zu nehmen ist.[26] Der Frieden ist ein Zustand, der nur dann erreichbar ist, wenn er gewollt wird.[27] Nur durch die Achtung der Menschenwürde sind diese oberste Werte zu erreichen und so wird die Achtung der Menschenwürde zu einer Notwendigkeit für das geordnete Zusammenleben und die Humanität, die sich nicht nur auf eine Weltanschauung oder ein Kontinent beziehen.[28]
3. Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
3.1 Die Entstehung des Grundgesetzes und des Art. 1 I GG
Nach dem der Plan von einer von den Siegermächten des zweiten Weltkrieges beabsichtigten Zentralinstanz für das gesamte besetzte Deutschland gescheitert hatte, wurde im Frühsommer 1948 ein Schluß-Kommuniqué veröffentlicht, in dem die beteiligten Staaten Deutschland ermöglichten: „auf der Basis einer freien und demokratischen Regierungsform die schließliche Wiederherstellung der gegenwärtig nicht bestehenden deutschen Einheit zu erlangen.“[29] Auf der Grundlage dieses Dokumentes wurde von der Ministerpräsidenten-Konferenz ein „Ausschuss von Sachverständigen für Verfassungsfragen“ eingesetzt. Der Verfassungskonvent tagte vom 10. bis zum 23. August 1948 auf Herrenchiemsee und erarbeitete einen Entwurf für das Grundgesetz. Schon die Verfassungen der deutschen Länder die vor der Veröffentlichung des Grundgesetzes beschlossenen waren, beinhalteten eine Anerkennung der Menschenwürde.[30] Der Konvent war sich einig, dass das Grundgesetz einen deutlichen unterschied zwischen einem freiheitlich demokratischen und einem totalitären Staat machen sollte. Es sollte auch darüber Klarheit herrschen, dass die Menschenwürde nicht nur vom Staat sondern auch von Privatpersonen verletzt werden kann. Deswegen sollte die leitende Norm des Kataloges klar machen, dass sowohl der Staat als auch die Privatpersonen verpflichtet sind, die Menschenwürde zu achten.[31]
Sowohl die Charta der Vereinten Nationen als auch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte haben die Aufnahme der Unantastbarkeit der Menschenwürde in das Grundgesetz beeinflusst. Wegen den schwersten Menschenwürdeverletzungen der Naziherrschaft war das Motto der neuen Verfassung „nie wieder!“ und es wurde die zentrale Stellung der Menschenwürde im Grundgesetz bestrebt. Da die Menschenwürde im Grundgesetz als eine Ablehnung der Totalität gedacht war, ist es seit seiner Entstehung umstritten, ob die Menschenwürde nun ein Grundrecht darstellt oder nicht.[32] Der erste Vorschlag für den Art. 1 im Verfassungsentwurf lautete: „Der Staat ist um des Menschen willen da, nicht der Mensch um des Staates willen. Die Würde der menschlichen Persönlichkeit ist unantastbar. Daher ist die öffentliche Gewalt in allen ihren Erscheinungsformen verpflichtet, die Menschen zu achten und zu schützen. Jedes Verhalten von Amtsträgern oder Privatpersonen, das diesen Grundsatz verletzt, wird strafrechtlich verfolgt.“[33] Nach zahlreichen Sitzungen des Parlamentarischen Rates, eines Ausschusses für Grundsatzfragen, des Allgemeinen Redaktionsausschusses und des Grundausschusses stimmte am 8. Mai 1949 das Plenum unter dem Vorsitz von Konrad Adenauer für das Grundgesetz mit 53 bejahenden gegen 12 verneinenden Stimmen zu. Noch musste das Grundgesetz durch Zweidrittel der Länder angenommen werden, was auch geschah. Am 23. Mai 1949 trat das Grundgesetz in Kraft.[34]
3.2 Die Grundrechte im Grundgesetz
Unter Grundrechten im Grundgesetz versteht man die Art. 1-19 GG.[35] Die Grundrechte können in drei Hauptgruppen gegliedert werden. Unter liberalen bzw. Freiheitsgrundrechten versteht man die Rechte, die den Menschen vor einen willkürlichen Eingriff des Staates schützen. Auf der Spitze der Freiheitsrechte steht der Art. 1 GG, der das Verhältnis von Mensch und Staat reguliert: „ Art. 1 [Schutz der Menschenwürde] (1) 1Die Würde des Menschen ist unantastbar. 2Sie zu achten und zu schützen, ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit der Welt. (3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.“ Art. 2 GG garantiert die freie Entfaltung der Persönlichkeit und das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit und Art. 3 GG Gleichheit vor dem Gesetz.[36] Die zweite Hauptgruppe der Grundrechte sind die Staatsbürgerrechte bzw. politische Grundrechte, die den Menschen eine Staatsangehörigkeit und Mitwirkungsmöglichkeit in der Gesellschaft gewährleisten. Dazu zählen u.a. das Recht auf Staatsangehörigkeit und aktives und passives Wahlrecht. Die letzte Gruppe der Grundrechte bilden die sozialen Grundrechte, die als Staatszielbestimmungen in den Verfassungen der neuen Länder aufgenommen sind. Das Recht auf Arbeit, Wohnen oder angemessenen Lebensunterhalt können die sozialen Grundrechte im Grundgesetz darstellen.[37]
Die Grundrechte werden nicht nur durch das Grundgesetz, sondern auch durch die Landesverfassungen garantiert. Die Grundrechte kommen sowohl Privatpersonen als auch Beamten, Soldaten, Schülern oder Strafgefangenen zu Gute.[38] Man unterscheidet aber zwischen Grundrechten die entweder Menschenrechte – also alle Staatsangehörigkeiten schützen – oder Bürgerrechte sind,[39] die nur den deutschen Staatbürgern zustehen.[40] Die öffentliche Gewalt ist an der Achtung der Grundrechte gebunden, aber für die Bürger sind sie nicht verbindlich, zumal dies zu einem Freiheitsverlust und übertriebenen Kontrolle der Menschen führen würde. Deswegen ist eine s.g. Drittwirkung der Grundrechte nur gelegentlich zugelassen.[41] Alle Grundrechte sind nicht sofort vollziehbar: Nur diejenigen, die den Menschen vor dem Staat schützen, können sofort vollziehbar wirken: „Grundrechte dagegen, die auf ein positives Tun des Staates oder auf Teilhabe am Staat gerichtet sind, sind ohne nähere Gesetzgebung nicht vollziehbar.“[42] Die Grundrechte haben im Grundgesetz eine Doppelfunktion: erstens stellen sie als subjektives Anspruchsrecht die Stellung bzw. die Rechtsposition des Menschen in dem Staat fest[43] und zweitens sind sie ein wichtiger Teil der objektiven Wertordnung und bilden das ethische und politische Fundament für das staatliche Handeln, also für den Rechtstaat.[44] Bei den objektiven Gewährleistungen von Einrichtungen, den s.g. Einrichtungsgarantien,[45] unterscheidet man zwischen Institutsgarantien und institutionellen Garantien. Wenn man das Grundgesetz interpretiert, hat man fast ausschließlich mit Institutsgarantien zu tun, die diejenigen Einrichtungen gewährleisten, die ihre causa in einem Grundrecht im Sinne eines subjektiven Rechts haben. Damit eine Grundrechtsnorm[46] als ein subjektives Recht und Grundrecht behandelt werden kann, muss eine objektiv-rechtliche Grundrechtsbestimmung vorlegen. Der Grundrechtsbestimmung muss den Grundrechtsträger begünstigend und berufbar sein und einen klaren positiven und für den Adressaten verpflichtenden Rechtsgehalt haben.[47]
[...]
[1] Weiter nur Grundgesetz oder GG.
[2] Weiter nur Charta.
[3] Weiter nur EU-Verfassung oder EUVerf.
[4] Marhaun, A., S. 206.
[5] Gen 26f, Neue Jerusalemer Bibel, Einheitsübersetzung mit dem Kommentar der Jerusalemer Bibel, Freiburg u.a., 51985.
[6] Messner, J., in: Rauscher/Weiler, S. 249-250.
[7] Aawani, S., S.82-83.
[8] Holzhüter, W., S. 24.
[9] Gareis, S., Varwick, J., S. 157 u. 162.
[10] Präambel, Charta der Vereinten Nationen (26.6.1945), in: Randelzhofer, S. 1.
[11] Vom 16. November 1945.
[12] Vom 10. Dezember 1948.
[13] Holzhüter, W., S. 27-28.
[14] „Recht ist, was in einem bestimmten Verfahren von einer hierfür eingerichteten staatlichen Einrichtung oder einer vom Staat dazu ermächtigten Stelle für Recht erklärt worden ist, so beispielsweise ein vom Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates verabschiedetes Bundesgesetz […]. Man bezeichnet dieses staatlich gesetzte Recht als positives Recht.“, Avenarius, H., S. 2.
[15] Aawani, S., S.82-83.
[16] Marhaun, A., S. 209 u. 220.
[17] Ebd., S. 220.
[18] Maunz, T., Dürig, G., S. 1 I 3.
[19] „Dieser Gebrauch von „Person“ kann leider selbst irreführend sein, weil „Person“ oft in der Bedeutung von „menschliches Wesen“ verwendet wird. Dennoch sind die Begriffe nicht bedeutungsgleich; es könnte eine Person geben, die nicht Mitglied unserer Spezies ist. Es könnte auch Mitglieder unserer Spezies geben, die nicht Personen sind.“, Singer, P., S. 120.
[20] Aawani, S., S.87 u. 98.
[21] Balzer, P., S. 13.
[22] Marhaun, A., S. 240-241.
[23] „Da die Anerkennung der allen Mitgliedern der menschlichen Familie innewohnenden Würde und ihrer gleichen und unveräußerlichen Rechte die Grundlage der Freiheit, der Gerechtigkeit und des Friedens in der Welt bildet [...]“, Präambel, Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, am 10. Dezember 1948, in: Randelzhofer, S. 125.
[24] „Die grundrechtliche Freiheit ist [...] keine isolierte Freiheit, sondern gleichzeitig Bindung und Verantwortung, rechtlich geordnete Freiheit. Der Freiheitsraum jedes Einzelnen endet dort, wo der Freiheitsraum eines anderen beginnt. Freiheit ohne Solidarität, ohne Einbindung in das größere Ganze, ohne Verantwortung für den anderen, für das Gemeinwohl in der Gesellschaft führt schließlich zur Ausbeutung.“, Piazolo, M., S. 95.
[25] „Man muss sich nur darüber klar werden, dass Gerechtigkeit ein Ideal ist, dem man sich nur annähern, das man aber nie völlig verwirklichen kann. Absolute und über jeden Zweifel stehende Gerechtigkeit übersteigt die menschliche Leistungsfähigkeit.“, Adamovich, L., in: Fischer, M., S. 21.
[26] Brugger, W., S. 21.
[27] Marhaun, A., S. 301.
[28] Reiter, J., Aus Politik (B 23-24 / 2004).
[29] Holzhüter, W., S. 33.
[30] S. Verfassung des Landes Hessen vom 1. Dezember 1946, Verfassung des Freistaates Bayern vom 2. Dezember 1946, Verfassung des Saarlandes vom 15. Dezember 1947 oder Verfassung der Freien Hansestadt Bremen vom 21. Oktober 1947.
[31] Sternberg, N., S. 194-195.
[32] Holzhüter, W., S. 43.
[33] Sternberg, N., S. 194.
[34] Löw, K., S. 30.
[35] S. Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 in: C. H. Beck, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, München 562003: Art. 1. Schutz der Menschenwürde, Art. 2. Freiheitsrechte, Art. 3 Gleichheit vor dem Gesetz, Art.4.Glaubens- und Bekenntnisfreiheit, Art. 5. Meinungs- und Pressefreiheit, Freiheit .der Kunst und Wissenschaft, Art. 6. Ehe, Familie, nichteheliche Kinder, Art. 7. Schulwesen, Art. 8. Versammlungsfreiheit, Art.9. Vereinigungsfreiheit, Verbot von Maßnahmen gegen Arbeitskämpfe, Art. 10. Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis, Art. 11. Freizügigkeit, Art. 12. Freiheit der Berufswahl, Verbot der Zwangsarbeit, Art.12a. Wehrpflicht und andere Dienstverpflichtungen, Art. 13. Unverletzlichkeit der Wohnung, Art.14.Eigentum, Erbrecht und Enteignung, Art. 15. Sozialisierung, Art. 16. Ausbürgerung, Auslieferung, Art.16. a. Asylrecht, Art. 17. Petitionsrecht, Art. 17 a. Grundrechtsbeschränkung bei Wehr- und Ersatzdienstleistenden, Art. 18. Verwirkung von Grundrechten, Art. 19. Einschränkung von Grundrechten.
[36] Weitere Freiheitsgrundrechte sind in den Art. 4, 6, 7 11 und 16 GG zu finden.
[37] Ob es soziale Grundrechte im Grundgesetz gibt wird heftig diskutiert: „Das Grundgesetz enthält im Unterschied zu einigen Landesverfassungen keine soziale Grundrechte, wie z.B. Recht auf Arbeit oder Recht auf Wohnung. Doch ist der Gesetzgeber verpflichtet, die sozialen Voraussetzungen zu schaffen, die eine Inanspruchnahme der Grundrechte überhaupt erst ermöglichen.“, Avenarius, H., S. 27., Und ob der Einzelmensch Anspruch auf staatliche Leistungen durch Grundgesetz hat, ist ebenso fraglich: „Das Problem ist, daß der Gesetzgeber verpflichtet wäre, die Voraussetzungen für die Erfüllung solcher Ansprüche zu schaffen. Das würde das Recht des Parlaments [...] erheblich einschränken und die rechtsprechende Gewalt mit einer dem Wesen der Gewaltenteilung fremden Machtfülle ausstatten. Dementsprechend hat das BVerfG diese Frage bisher offengelassen [...]“, Hesselberger, D., S. 59.
[38] Art. 19 III GG: "(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind."
[39] S. z. B. Art. 16 GG.
[40] Avenarius, H., S. 26.
[41] Maunz, T., Dürig, G., S. 1 III 60 u. 1 III 64.
[42] Ebd., S. 1 III 44.
[43] Das heißt aber nicht, dass der Mensch einen direkten Anspruch auf staatliche Leistungen hätte.
[44] Piazolo, M., S. 94.
[45] „Einrichtungsgarantien [...] bestehen nach Maßgabe der zugrunde liegenden subjektiven Rechte. Sie bestehen dieser subjektiven Rechte wegen. Sie sind deren Umbau, nicht deren Quelle. Auch die öffentliche Funktion der Einrichtungen ist nicht ihr angelegter Zweck, sondern die Folge [...] der Betätigung des allein kausalen Individualrechts.“, Maunz, T., Dürig, G., S. 1 III 47.
[46] „Üblicherweise erschöpft sich freilich die Aufgabe der Grundrechtsnormen in einer bloß negativen Abwehrfunktion, d.h. der Staat ist verpflichtet, seinerseits das Freiheitsrecht bzw. den „Normenkern“ der Einrichtung zu achten und zu ihrem Schutz abwehrend tätig zu werden. Nun gibt es aber [...] Grundrechtsnormen, die dem Staat auch eine positive Förderungsfunktion zugunsten des betreffenden Grundrechtswertes auferlegen. [...] Die positivrechtliche praktische Bedeutung dieser zur Wertförderung verpflichtenden „Grundsatznormen“ besteht darin, daß sie unmittelbar von Verfassungs wegen den Staat auch verpflichten, nicht nur störende Eingriffe in das subjektive Recht oder den „Normenkern“ der Einrichtung, sondern darüber hinaus jeden wertstörenden [...] Eingriff zu unterlassen.“, Ebd., S.1 III 48.
[47] Sternberg, N., S. 206.
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- Magistra Artium Salla Huikuri (Autor), 2005, Was ist Menschenwürde? Das Grundgesetz der Bundesrepublik, die Charta der Europäischen Union und der Vertrag über eine Verfassung für Europa im Vergleich, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/91722
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