Nach dem Tod von Kaiser Wilhelm I. und dem Tod seines Sohns Friedrich III. 99 Tage später, ging Wilhelm II., der 29jährige Sohn Friedrichs III., als Kaiser aus dem Dreikaiserjahr 1888 hervor. Während der Großvater des neuen Kaisers dem Kanzler stets die politische Führung überlassen und sich dessen
Meinungen gebeugt hatte, war der neue Kaiser dazu nicht bereit. Er wollte die Politik selbst aktiv gestalten und stand in wichtigen Fragen im Widerspruch zu
Bismarck. Im März 1890 „bat“ der deutsche Reichskanzler Otto von Bismarck um seine Entlassung aus allen politischen Ämtern.
Nur kurze Zeit später erschien die Karikatur des britischen Illustrators Sir John Tenniel mit dem Originaltitel „Dropping the pilot“ in der satirischen Londoner Zeitschrift „Punch“. Die Karikatur, welche in dieser Arbeit interpretiert und der Hintergründe dargestellt werden sollen, hat bis in die heutige Zeit große Bekanntheit erlangt und ist z.B. auch in vielen deutschen Schulgeschichtsbüchern zu finden. Im Deutschen wird der Titel der Karikatur etwas irreführend meist mit "Der Lotse verlässt das Schiff“ übersetzt. Eine korrektere Übersetzung wäre aber wohl eher „Absetzung des Lotsen“ oder (wörtlich) „Abwurf des Lotsen“. Diese Übersetzungen erscheinen sinnvoller, da die aktive und auch ursächliche Rolle des Kaisers bei Bismarcks „Abschied“ aus seinen politischen Ämtern betont wird.
Es folgt eine kurze Beschreibung der Karikatur. Auf der Zeichnung sind zwei Personen zu sehen: Kaiser Wilhelm II. und
Otto von Bismarck. Der Kaiser steht mit Krone auf dem Kopf und verschränkten Armen an Bord eines Schiffes, fast lässig an der Reling lehnend, und schaut
auf Bismarck, der das Schiff gerade über eine Leiter verlässt. Der Blick und die Mimik des Kaisers wirken fast rührselig. Er ist im Vergleich zu Bismarcks Person
als relativ kleiner Mann dargestellt, dem die Krone zu groß zu sein scheint. Kaiserliche Würde und Führungskraft strahlt er in der Darstellung nicht aus.
Bismarcks Blick ist nach vorne gerichtet und wirkt ernst und bedächtig. Mit einer Hand berührt der alte Kanzler den Rumpf des Schiffes, welches als Metapher
für Deutschland steht, für dessen Führung sich Bismarck fast 30 Jahre lang verantwortlich zeichnete. Seine Person wirkt im Vergleich zur Darstellung
Wilhelms II. mächtig und staatsmännisch.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Zur Rolle Wilhems II. bei der Entlassung Bismarcks
3. Das Ende Bismarcks Kanzlerschaft aus englischer und deutscher Sicht
3.1 Der Blick aus dem Ausland auf Bismarcks Entlassung
3.2 Stimmung in Deutschland zum Ende Bismarcks Kanzlerschaft
4. Schlussbetrachtungen
5. Quellen- und Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Nach dem Tod von Kaiser Wilhelm I. und dem Tod seines Sohns Friedrich III. 99 Tage später, ging Wilhelm II., der 29jährige Sohn Friedrichs III., als Kaiser aus dem Dreikaiserjahr 1888 hervor. Während der Großvater des neuen Kaisers dem Kanzler stets die politische Führung überlassen und sich dessen Meinungen gebeugt hatte, war der neue Kaiser dazu nicht bereit. Er wollte die Politik selbst aktiv gestalten und stand in wichtigen Fragen im Widerspruch zu Bismarck. Im März 1890 „bat“ der deutsche Reichskanzler Otto von Bismarck um seine Entlassung aus allen politischen Ämtern.
Nur kurze Zeit später erschien die Karikatur des britischen Illustrators Sir John Tenniel mit dem Originaltitel „Dropping the pilot“ in der satirischen Londoner Zeitschrift „Punch“. Die Karikatur, welche in dieser Arbeit interpretiert und der Hintergründe dargestellt werden sollen, hat bis in die heutige Zeit große Be- kanntheit erlangt und ist z.B. auch in vielen deutschen Schulgeschichtsbüchern zu finden. Im Deutschen wird der Titel der Karikatur etwas irreführend meist mit „Der Lotse geht von Bord“ oder „Der Lotse verlässt das Schiff“ übersetzt. Eine korrektere Übersetzung wäre aber wohl eher „Absetzung des Lotsen“ oder (wörtlich) „Abwurf des Lotsen“. Diese Übersetzungen erscheinen sinnvoller, da die aktive und auch ursächliche Rolle des Kaisers bei Bismarcks „Abschied“ aus seinen politischen Ämtern betont wird.
Es folgt eine kurze Beschreibung der Karikatur (das Bild ist im Anhang zu fin- den). Auf der Zeichnung sind zwei Personen zu sehen: Kaiser Wilhelm II. und Otto von Bismarck. Der Kaiser steht mit Krone auf dem Kopf und verschränkten Armen an Bord eines Schiffes, fast lässig an der Reling lehnend, und schaut auf Bismarck, der das Schiff gerade über eine Leiter verlässt. Der Blick und die Mimik des Kaisers wirken fast rührselig. Er ist im Vergleich zu Bismarcks Per- son als relativ kleiner Mann dargestellt, dem die Krone zu groß zu sein scheint. Kaiserliche Würde und Führungskraft strahlt er in der Darstellung nicht aus. Bismarcks Blick ist nach vorne gerichtet und wirkt ernst und bedächtig. Mit ei- ner Hand berührt der alte Kanzler den Rumpf des Schiffes, welches als Meta- pher für Deutschland steht, für dessen Führung sich Bismarck fast 30 Jahre lang verantwortlich zeichnete. Seine Person wirkt im Vergleich zur Darstellung Wilhelms II. mächtig und staatsmännisch.
Die vorliegende Arbeit stellt nun zunächst in knapper Form die Rolle des Kai- sers bei Bismarcks Entlassung dar. Anschließend soll den Fragen nachgegan- gen werden, was die Karikatur darüber aussagt, wie die Entlassung Bismarcks aus der politischen Führungsrolle in England gesehen wurde, welche Rolle Bis- marck für Deutschland zugewiesen wurde und wie sich die Stimmung bei und zu seinem Rücktritt bzw. seiner Entlassung darstellte. Zudem soll betrachtet werden, wie die Deutschen zum Abschied „ihres“ Kanzlers standen. Unter- schiede dieser ausländischen und inländischen Perspektiven sollen herausge- stellt werden.
2. Zur Rolle Wilhelms II. bei der Entlassung Bismarcks
Direkt nach der Thonbesteigung Wilhelms II. schien für Bismarck alles in Ordnung. Er glaubte nicht daran, dass der junge Kaiser eigene politische Ideen hatte und auch noch den Willen, diese zu verwirklichen.1 Mit dieser Einschätzung unterlag der Kanzler allerdings einem Irrtum.
Am deutlichsten kamen zunächst die außenpolitischen Gegensätze zum Tra- gen. Vor allem der Rückversicherungsvertrag mit Russland, Bismarcks Werk, stand auf der Kippe (und wurde schließlich auch nicht verlängert). Innenpoli- tisch kam es durch die unterschiedlichen Positionen zur Sozialpolitik und zum Sozialistengesetz dann endgültig zum Bruch. Allerdings waren es nicht die sachlichen Differenzen, die zum Bruch zwischen Kaiser und Kanzler führten. Vielmehr waren es die persönlichen Bestrebungen des Kaisers den Kanzler loszuwerden und so unangefochten die führende Rolle im Staat übernehmen zu können.2
In den letzten Tagen vor Bismarcks Entlassung ging es nur noch um die Frage, wer in der Öffentlichkeit als der Verantwortliche gelten würde. Bismarck reichte sein Entlassungsgesuch erst nach Aufforderung durch den Kaiser ein. In Bis- marcks Schreiben, dessen Veröffentlichung durch den Kaiser zunächst verhin- dert wurde, stellte der alte Kanzler die Gegensätze in den außenpolitischen Fragen in den Vordergrund und betonte die Notwendigkeit guter Beziehungen zu Russland.3
Wilhelm II. tat in seiner Reaktion auf das Entlassungsgesuch so, als ob er Bis- marck mit Bedauern scheiden sehe: „Mir ist so weh, als hätte ich noch einmal meinen Großvater verloren. Aber von Gott bestimmtes ist zu tragen, auch wenn man darüber zu Grunde gehen sollte. Das Amt des wachhabenden Offiziers auf dem Staatsschiff ist mir zugefallen. Der Kurs bleibt der alte. Volldampf voran!“4, schrieb der Kaiser nach Bismarcks Entlassung an den Großherzog von Baden. Auch hier taucht die Metapher des Staatsschiffs auf und Wilhelm II. sieht sich als neuer „Lotse“. Nicht der neue Kanzler würde also in Zukunft die politische Richtung vorgeben, sondern der Kaiser. Das Bedauern, welches der Kaiser vortäuscht, ist auch in der Karikatur erkennbar, wenn man den rührseligen Blick Wilhelms II. betrachtet. Seine lässige Haltung steht dazu allerdings im Wider- spruch, so wie es in der Realität Widersprüche zwischen seiner wahren Mei- nung und der veröffentlichten Meinung gab.
3. Das Ende Bismarcks Kanzlerschaft aus ausländischer und inländischer Sicht
3.1 Der Blick aus England auf Bismarcks Entlassung
Im Titel der Karikatur wird Bismarck als „pilot“ = Lotse bezeichnet. Ein Lotse ist in der Schifffahrt der erfahrene Berater des Kapitäns, der tiefgehende Kennt- nisse besitzt und das Schiff durch schwierige Fahrwasser manövriert.5 Bis- marck, dem diese Rolle in der Karikatur zugeschrieben wird, wird so als füh- rungsstarke und kompetente Persönlichkeit dargestellt, die nun von einer in keiner Weise ebenbürtigen Persönlichkeit abgesetzt wird. Der neue Lotse des deutschen Staatsschiffs würde in Zukunft der junge Kaiser sein. Wilhelm Mommsen (1966) konstatiert, es sei „erschütternd, dass die Bedeutung von Bismarcks Sturz im Ausland stärker erkannt wurde als im Deutschen Reich.“6 In England befürchtete man, dass durch Bismarcks Scheiden der europäische
Frieden in Gefahr geraten könnte. Die Kontinuität in der Außenpolitik des erfahrenen Staatsmanns würde schließlich ersetzt durch die Vorstellungen eines jungen Kaisers, dem, wie man an der Karikatur sehen kann, keine Führungskraft und politische Stärke zugetraut und zugewiesen wurde.
3.2 Stimmung in Deutschland zum Ende Bismarcks Kanzlerschaft
- innenpolitische Notwendigkeit seines Sturz
- Streitfragen Arbeiterschutz und Sozialdemokratie (Wahlen 1890)
- verschiedene Stimmungsbilder nach Landesteilen
- Hoffnungen auf Politik des neuen Kaisers (neues Deutschland)
3. Schlussbetrachtungen
Die ausländische und die inländische Sichtweise auf Bismarcks Entlassung weisen deutliche Differenzen auf. Während man im Ausland vor allem die star- ke Führungsrolle Bismarcks anerkannte, die Weichenstellungen in seiner Au- ßen- und Bündnispolitik wahrnahm und seiner Politik durch Kontinuität Vertrau- en entgegen brachte, erscheint den Deutschen durch innenpolitische Verände- rungen der Abschied von Bismarck als unumgänglich und notwendig.
4. Quellen- und Literaturverzeichnis
- Mommsen, Wilhelm: Otto von Bismarck. In Selbstzeugnissen und Bild- dokumenten, Reinbek bei Hamburg 1966.
- Dollinger, Hans: Das Kaiserreich. Seine Geschichte in Texten und Do- kumenten, Wiesbaden 1966
[...]
1 Vgl.: Mommsen, S. 141
2 Vgl.: Mommsen, S. 142
3 Vgl.: Mommsen, S. 149
4 zitiert nach: Mommsen, S. 149
5 Vgl.: Microsoft Encarta 2002: Schiffslotse
6 Mommsen, S. 149
- Citar trabajo
- Peter Kapinus (Autor), 2007, Der Lotse geht von Bord - Dropping the pilot, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/91691