In dieser Hausarbeit soll anhand von Beispielen an Videos herausgefunden werden, ob und wie Medien Emotionen auslösen und ob diese dann ein Überwältigungspotenzial mit sich bringen oder nicht. Somit ergibt sich die Fragestellung: Können durch die Anwendung digitaler Medien im Politikunterricht Emotionen hervorgebracht werden, welche dann die Gefahr der Überwältigung der Schülerinnen und Schüler (SuS) mit sich bringen?
Rationalität taucht immer wieder als Oberbegriff in der politischen Bildung auf. Als oberstes Ziel bzw. Leitidee der politischen Bildung kann man die Entwicklung der politischen Mündigkeit nennen, zu der "Autonomie, Emanzipation, Verantwortung, Kritikfähigkeit" und das „Vermögen zu politischen Urteilen und Handeln“ (Petri 2018: 140) zählen. Unter welchen Richtlinien dieses Ziel zu erreichen gilt, legt der Beutelsbacher Konsens fest und benennt dabei folgende Grundsätze: 1. Überwältigungsverbot: SuS dürfen vom politischen Bildner nicht in ihrer freien Urteilsbildung beeinflusst (überwältigt) werden.
2. Kontroversitätsgebot: Politische Bildner zeigen den SuS verschiedene „Standpunkte, Argumente und Handlungsoptionen“ auf. 3. Befähigung zur Partizipation: Die SuS sollen Kompetenzen erlernen, um an politischen Angelegenheiten partizipieren zu können.
Anja Besand (2017: 68) warnt hier vor Zurückhaltung: Anstatt Kontroversen auszuweichen, soll man genau diese zum Mittelpunkt von Bildungsprozessen machen und Konflikte und Diskussionen herbeiführen. Dass dabei auch Emotionen entstehen, ist eine „Selbstverständlichkeit“ der politischen Bildung. Besand (2015: 12) unterstreicht zudem die Relevanz von Emotionen im politischen Kontext und macht deutlich, dass SuS in ihrem Alltag von Emotionen begleitet werden. Eine große Skepsis jedoch herrscht dabei, wenn es um die Frage geht, wie man Emotionen in den Politikunterricht einbeziehen kann. Auf der einen Seite dieser Debatte scheint also der „klassische“ rationale Politikunterricht zu stehen und auf der anderen Seite fordern nun immer mehr Autoren die Einbeziehung von Emotionen in den Bildungsprozessen. Somit ist die Frage danach, ob Emotionen Überwältigungspotenzial mit sich bringen durchaus legitim. Zudem spielen Medien in der Lebenswelt der Jugendlichen eine immer wichtigere Rolle, sodass unter anderem die politische Bildung immer mehr Medieneinsatz im Unterricht fordert.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Emotionen
2.1. Definition von Emotionen
2.2. Bedeutung für den Politikunterricht
2.3. Unterschiede zwischen Emotionen und ähnlichen Phänomenen
3. Rationalität vs. Emotionalität
3.1. Forderung nach Emotionen im Politikunterricht
4. Einfluss digitaler Medien auf die Emotionen
4.1. Spezifika von „Bewegtbildern“
4.2. Einfluss von Emotionen auf die Informationsverarbeitung
4.3. Beispiele
4.4. Umgang mit dem Überwältigungspotenzial von Bewegtbildern
4.5. Bezug zu anderen Medien
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Oft hat man im Laufe seines Lehramtsstudiums gehört, dass man seinen Unterricht (vor allem Politikunterricht) so gestalten soll, dass die Schülerinnen und Schüler (SuS) nicht „überwältigt“ werden sollen. Rationalität taucht hier immer wieder als Oberbegriff in der politischen Bildung auf. Als oberstes Ziel bzw. Leitidee der politischen Bildung kann man die Entwicklung der politischen Mündigkeit nennen (GPJE 2004: 9), zu der "Autonomie, Emanzipation, Verantwortung, Kritikfähigkeit" und das „Vermögen zu politischen Urteilen und Handeln“ (Petri 2018: 140) zählen. Unter welchen Richtlinien dieses Ziel zu erreichen gilt, legt der Beutelsbacher Konsens fest und benennt dabei folgende Grundsätze (vgl. bpb 2011 nach Wehling 1977):
1. Überwältigungsverbot: SuS dürfen vom politischen Bildner nicht in ihrer freien Urteilsbildung beeinflusst (überwältigt) werden.
2. Kontroversitätsgebot: Politische Bildner zeigen den SuS verschiedene „Standpunkte, Argumente und Handlungsoptionen“ (ebd.) auf.
3. Befähigung zur Partizipation: Die SuS sollen Kompetenzen erlernen, um an politischen Angelegenheiten partizipieren zu können.
Anja Besand (2017: 68) warnt hier vor Zurückhaltung: Anstatt Kontroversen auszuweichen, soll man genau diese zum Mittelpunkt von Bildungsprozessen machen und Konflikte und Diskussionen herbeiführen. Dass dabei auch Emotionen entstehen, ist eine „Selbstverständlichkeit“ der politischen Bildung (vgl. Besand 2017: 68). Besand (2015: 12) unterstreicht zudem die Relevanz von Emotionen im politischen Kontext und macht deutlich, dass SuS in ihrem Alltag von Emotionen begleitet werden. Eine große Skepsis jedoch herrscht dabei, wenn es um die Frage geht, wie man Emotionen in den Politikunterricht einbeziehen kann (Petri 2018: 164). Auf der einen Seite dieser Debatte scheint also der „klassische“ rationale Politikunterricht zu stehen und auf der anderen Seite fordern nun immer mehr Autoren die Einbeziehung von Emotionen in den Bildungsprozessen. Somit ist die Frage danach, ob Emotionen Überwältigungspotenzial mit sich bringen durchaus legitim. Zudem spielen Medien in der Lebenswelt der Jugendlichen eine immer wichtigere Rolle, sodass unter anderem die politische Bildung immer mehr Medieneinsatz im Unterricht fordert. In dieser Hausarbeit soll anhand von Beispielen an Videos herausgefunden werden, ob und wie Medien Emotionen auslösen und ob diese dann ein Überwältigungspotenzial mit sich bringen oder nicht. Somit ergibt sich die Fragestellung:
Können durch die Anwendung digitaler Medien im Politikunterricht Emotionen hervorgebracht werden, welche dann die Gefahr der Überwältigung der Schülerinnen und Schüler (SuS) mit sich bringen?
Nachdem im ersten Teil Emotionen genauer definiert werden, wird ihre Bedeutung für den Politikunterricht hervorgehoben bevor sie dann von ähnlichen Phänomenen unterschieden werden. Im zweiten Teil geht es weiter mit der Frage ob sich Emotionen und Rationalität voneinander trennen lassen, wie man es in der Vergangenheit im Politikunterricht versucht bzw. umgesetzt hat, oder ob Emotionen und Rationalität doch nicht in einem Zusammenhang bzw. in einer Wechselbeziehung zueinander stehen. Im letzten Teil geht es hauptsächlich darum, dass anhand von Videos, oder „Bewegtbilder“ (wie Straßner sie nennt), das emotionalisierende Potenzial von Medien hervorgehoben und ihre Ursache und Wirkung dargelegt wird. Schließlich folgt das Fazit dieser Hausarbeit.
2. Emotionen
Wie schwierig es ist eine Definition für den Begriff „Emotionen“ zu geben, obwohl sie uns allen bekannt sind, beschreibt Russel mit den Worten: „Everybody knows what an emotion is, until asked to give a definition“ (Fehr, Russel 1984: 464). Wenn man in der Literatur nach einer einheitlichen Definition sucht, so sucht man diese vergeblich. Lothar Schmidt-Atzert (2013) betont, dass man in der Psychologie dazu tendiert, sich immer nur die Punkte von Emotionen herauszusuchen, die einen selbst interessieren. Er verwendet hierzu die Metapher "blinder Menschen", die einen Elefanten an verschiedenen Stellen berühren und am Ende jeder zu einem anderen Ergebnis kommt (vgl. Lothar Schmidt-Atzert 2013).
2.1. Definition von Emotionen
Schaut man sich den Begriff als solchen an, so ist es zusammengesetzt aus den lateinischen Wörtern „ex“ (heraus) und „movere“ (Bewegen und Erregen) (vgl. Hölzel/Jugel 2019: 248 nach Herz 2014: 17). Die Betonung hierbei liegt auf dem „Bewegt- und Ergriffensein“. Emotionen werden laut Heidenreich sozial vererbt und sind abhängig von „historisch und kulturell variablen Kontexten“ (vgl. Heidenreich 2012: 9). Dabei dienen Bezugspersonen „in der Entwicklung von Emotionen als Spiegel, Vorbilder und Lehrpersonen“ (Petri 2018: 39). Zudem entstehen sie nicht aus dem Nichts heraus (Petri 2019: 139) sondern „sind wesentlich intentional (auf etwas in der Welt gerichtet) und haben einen repräsentativen Inhalt (stellen die Welt als in bestimmter Weise seiend dar)“ (Döring 2009: 15). Auslöser für Emotionen können nach Eismann und Lammers „bestimmte Situation sein (äußerer Auslöser) oder ein Gedanke, eine Erinnerung, ein inneres Bild oder auch eine andere Emotion (innere Auslöser)“ (Eismann/Lammers 2017: 18). Emotionen verdeutlichen demnach die Rolle des Objekts für das Subjekt (vgl. Döring 2009: 70), und stehen somit in einer „engen Verbindung zu den [.] Wertvorstellungen“ des Subjekts (vgl. Petri 2018: 32 & 35). Laut Herz (2014: 18) können Emotionen vereinfacht als psychische Zustände beschrieben werden, in denen „sich objektive Realität in subjektiver Befindlichkeit widerspiegelt“ (Hölzel/Jugel 2019: 248 nach Herz 2014: 18). Somit sind Emotionen laut Hölzel und Jugel (2019: 248) „Zustände, mit denen der Mensch auf äußere Zustände reagiert“. Petri (2018: 35) fügt hinzu, dass sich Emotionen durch ein „handlungs- oder verhaltensleitenden Moment“ charakterisieren (Petri 2018: 35), welches Döring als „motivationale Kraft“ bezeichnet (Döring 2009: 15). Emotionen besitzen nach diesem Verständnis einen „verhaltensauffordernden Charakter“ (Petri 2918: 36). Was nun an dieser Stelle anzumerken ist, dass es auf der emotionalen Ebene darum geht dem „verhaltensaufforderndem Charakter“ nicht nachzugeben. Die Fähigkeit der „Emotionsregulation“ ist somit ein wichtiger Teil emotionaler „Handlungsvermittlung“, was Emotionen von Affekten unterscheidet (vgl. Petri 2019: 139). Emotionen sind zudem mit körperlichen Empfindungen verbunden („Leiblichkeit von Emotionen“ (Petri 2018: 37)) und können körperlich empfunden werden, wie etwa „Schmetterlinge im Bauch haben", wenn man verliebt ist. Emotionen werden durch Prozesse „sozialer Interaktion vermittelt und erlernt, stetig verfeinert, infrage gestellt und [.] verändert (vgl. Petri 2018: 39 nach Lehner 2014: 86f), und können verbal als auch non-verbal geäußert werden" (vgl. Petri 2018: 42 nach Gieseke 2007: 15). Anette Petri fasst nach der Auffassung von Senge 2013 Emotionen zusammen als „Bindeglieder zwischen den Akteuren, ihrem Handeln und Denken sowie der Welt“ (Petri 2018: 43 nach Senge 2013: 23). Eine Arbeitsdefinition die Petri vorschlägt ist: „Emotionen vermitteln auf der Basis von Urteilen und Bewertungen ein orientierungsstiftendes sowie handlungsvermittelndes Wissen über das Selbst und die eigenen Beziehungen zur Welt. Das besondere Zusammenwirken von Kognition und Leiblichkeit führt dazu, dass Emotionen nicht nur Wissen, sondern häufig Gewissheiten vermitteln.“ (Petri 2018: 53). Das Erleben von Emotionen löst nach Frenzel, Götz und Pekum „(1.) die Veränderung der Herzrate, des Muskeltonus, des Erregungszustands, (2.) die emotionstypischen Gedankeninhalte wie z.B. Angst, (3.) verbales und nonverbales Ausdrucksverhalten und (4.) motivationales Verhalten aus“ (Weißeno/Grobshäuser 2019: 115 nach Frenzel/Götz/Pekum 2009 : 206).
Laut Petri machen „Mimik, Gestik, Körperduktus, Stimmfarbe, Verhalten im Raum, Berührungen und das Blickverhalten [...] spezifische Expressivität von und Kommunikation mit Emotionen aus“ (Petri 2019: 140).
2.2. Bedeutung für den Politikunterricht
Für den Politikunterricht, der gesellschaftliche Themen zum Unterrichtsgegenstand macht heißt das, dass SuS „auf den unterschiedlichsten Ebenen Emotionen als Ausdruck der eigenen Beziehung gegenüber der unterrichtlich-vermittelten politischen Welt“, empfinden (Petri 2019: 143).
Petri (2018: 11) spricht hier von der Rolle eines „Ratgebers“, welche Emotionen bei der Auseinandersetzung mit politischen Themen einnehmen. Emotionen im Kontext Unterricht äußern sich im Wohlbefinden, Selbstbild und Leistungsbereitschaft und führen somit zu Handlungen oder aber auch zum Rückzug (vgl. Weißeno/Grobhäuser 2019: 114). Emotionale Reaktionen sind abhängig davon, wie eine Situation interpretiert wird (vgl. ebd.: 116). Diese Interpretation bezogen auf die Wichtigkeit einer Sache setzt „Handlungs- und Bewertungsprozesse“ (ebd.: 117) frei, wobei sich positive Emotionen auch positiv auf das Lernen auswirken können (ebd.). Auch Anja Besand fordert, dass das Unterrichtsklima im Politikunterricht positiv gestaltet werden sollte, damit die SuS „den Widerstand gegenüber dem ungeliebten Gegenstand Politik ablegen“ (Besand 2015: 221). Es geht darum, positive Emotionen bewusst zu machen, um damit eine Verbesserung des Unterrichts herbeizuführen (vgl. Weißeno/Grobhäuser 2019: 118).
Die Psychologie und Neuropsychologie des 20./21. Jahrhunderts schreiben Emotionen im Bezug auf einen Zusammenhang zwischen „der individuellen Konstruktion von Sinn und emotionalen Prozessen“, eine wichtige homöostatische Orientierungsfunktion zu (Hölzel/Jugel 2019: 249). Cozolino schreibt hierzu: „Positive Emotionen geben uns die Orientierung, auf Kurs zu bleiben und die Umwelt weiter zu erforschen, während negative Emotionen uns veranlassen, Anpassungen hinsichtlich unserer aktuellen Situation vorzunehmen“ (ebd. nach Cozolino 2007: 97 f.). Für den Unterricht heißt das also, dass SuS die in der Schule positive Erfahrungen machen das Bedürfnis entwickeln, auch weiterhin solche Erfahrungen zu machen, wodurch es zu einem Anstieg der Motivation kommt, das Gegenteil ist bei negativen Emotionen der Fall. Während positive Empfindungen das Lernen bestärken gehen Hölzel und Jugel so weit, zu sagen, dass negative Empfindungen das Lernen nicht nur erschweren, sondern sogar unmöglich machen können (vgl. Hölzel/Jugel 2019: 250f).
2.3. Unterschiede zwischen Emotionen und ähnlichen Phänomenen
In der Emotionspsychologie wird u.a. zwischen Stimmung, Gefühl und Affekt unterschieden wobei sich nicht alles genau trennen lässt und es zum Teil auch zu Überschneidungen kommt (vgl. Frech/Richter 2019: 11).
Affekte können als „besonders heftige Gefühlsausdrücke“ verstanden werden, welche schlagartig aufkommen (ebd.). Die „Leiblichkeit“ von der zuvor bei der Bestimmung von Emotionen die Rede war, darf nicht mit einer „unausweichlichen Impulsivität“ (Petri 2018: 37f) und auch nicht mit einer „besonders starken Intensität“ (ebd.) verglichen werden, da diese Kennzeichen von Affekten sind. Die Leiblichkeit von Emotionen kennzeichnet sich dadurch, dass der Mensch ihr nicht hilflos unterlegen ist (ebd.). Ein affektgeleitetes Verhalten zeichnet sich dadurch aus, dass das Subjekt keine Kontrolle darüber hat bzw. sich diesem ausgeliefert fühlt und das Bewusstsein über die Folgen des eigenen Handelns eingeschränkt wird (vgl. Petri 2018: 48 nach Hartmann 2010: 30; Merten 2003: 11).
Gefühle können nach Hammer-Tugendhat und Lutter als Elemente von Emotionen gesehen werden (Petri 2018: 23 nach Hammer-Tugendhat/Lutter 2010: 10). Petri erklärt, dass Gefühle als den „sich- anfühlenden Teil“ von Emotionen verstanden werden können. Sie beinhalten die „Qualität“, die „Intensität“ und die „physiologischen Begleiter von Emotionen“ (vgl. Petri 2018: 23f nach Vaas 2000: o.S.).
Emotionen und Stimmungen unterscheiden sich dahingegen in der zeitlichen Ausdehnung, in der Intensität und im Grund. Während Emotionen zeitlich eingeschränkt sind, können Stimmungen länger überdauern und „stehen [.] mit der intentionalen Objektbewertung [..] in keiner Verbindung“ (Petri 2018: 49f nach Döring 2009a: 19).
3. Rationalität vs. Emotionalität
Kerstin Pohl hat sich mit der Frage auseinandergesetzt, was guter Unterricht ist und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass ein guter Politikunterricht mit positiven emotionalen Empfindungen wie Spaß, Freude, Staunen etc. verbunden ist (vgl. Petri 2018: 163 nach Pohl 2016a und 2016b). Dem entgegen scheint die Rationalität in der politischen Bildung in Deutschland zu stehen (Besand 2015: 213). Besand (2015: 213) bemängelt die Tatsache, dass einerseits in der Politik Emotionen durchaus immer wieder sichtbar werden und auch genutzt werden und anderseits man in der politischen Bildung sich um eine „sachliche [.] und rationale Auseinandersetzung“ (ebd.) bemüht. In einer Gegenüberstellung von Emotionen und Rationalität erklärt Hans-Helmut Knütter, 1991, dass Emotionen dem Menschen angeboren sind wohingegen Rationalität erlernt werden muss. Nach seinem Verständnis scheinen sich Emotionalität und Rationalität gegenüberzustehen und sich auszuschließen (vgl. Besand 2015: 214 nach Knütter 1991: 31). Fest steht allerdings, dass nach den Erfahrungen des Nationalsozialismus, der emotional geprägt wurde und mit dem hervorrufen von Emotionen eine Ausschaltung des rationalen Denkens in Verbindung gebracht wurde (vgl. Petri 2018: 164) sich die politische Bildung an einer rationalen und sachlichen Auseinandersetzung mit politischen Themen orientierte (Besand 2015: 215). Trotzdem lassen sich Emotionen von politischen Bildungsprozessen nicht distanzieren , da eine „Auseinandersetzung mit politischen Fragen grundsätzlich emotional fundiert“ ist (Besand 2017: 68). Felix Heidenreich erklärt, dass in jüngster Zeit die Wichtigkeit von Emotionen neu diskutiert wird und sich die wichtigsten „Einsichten“ in zwei Thesen zusammenfassen lassen:
Erstens: „ Rationalität und Gefühl stehen sich nicht mehr unvermittelt gegenüber, sondern bleiben auf komplexe Weise miteinander verbunden: Gefühle haben eine kognitive Funktion; sie sind nicht auf störende Einflüsse im Erkenntnisprozess zu reduzieren, mehr noch: zumindest als Ausgangspunkt von Erkenntnis sind sie unverzichtbar“.
Zweitens: „ Emotionen sind sozial vermittelt und daher von historisch und kulturell variablen Kontexten abhängig.“ (Petri 2018: 66 nach Felix Heidenreich 2012: 9).
Emotionen spielen bei der Erschließung der Welt eine zentrale Rolle und bedürfen deswegen mehr Beachtung (Besand 2017: 68). Das Problem in der politischen Bildung ist jedoch, dass durch die reine Beachtung der Rationalität Emotionen als Irrational angesehen werden (ebd.) und das traditionelle Verständnis von Emotionen seinen Blick vorzugsweise auf die manipulative Kraft der Emotionen richtet (Petri 2018: 94). Anja Besand fordert deshalb dazu auf Emotionen, anstatt diese zu ignorieren, stärker in den Blick zu nehmen und sich mit ihnen intensiver zu beschäftigen (vgl. Petri 2018: 13 nach Besand 2015: 222). Immerhin nehmen Emotionen laut Petri (2018: 94) in nahezu sämtlichen Kommunikationsprozessen wichtige Funktionen ein. Somit sollten diese gezielt hervorgerufen werden, da diese sich in Kommunikationsprozesse eigenständig entwickeln (vgl. ebd.). Zudem versteht man unter politischem urteilen, dass man die „Fähigkeit [besitzt], kontroverse Wertvorstellungen, individuelle und kollektive Interessen, politische Positionen und gesellschaftstheoretische Konzepte selbstreflexiv und kritisch abzuwägen, um ein persönliches Werturteil und eine orientierungsstiftende, kritikfähige politische Identität zu finden, zu begründen und zu reflektieren“ (Petri 2018: 202f nach Autorengruppe Fachdidaktik 2016: 146). „Persönliche
Werturteile“ lassen sich nach der Fachdidaktik in zwei Urteilsdimensionen aufteilen. Dem „Sachurteil“ (bezieht sich u.a. auf Fragen nach der Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit und muss keine emotionale Komponenten beinhalten) und dem „Werturteil“ (bezieht sich u.a. auf Fragen nach Gerechtigkeit, Akzeptanz Zumutbarkeit etc.) (vgl. ebd.). Wenn also bei der Bildung persönlicher Werturteile bei den SuS Fragen nach „Gerechtigkeit, Ungleichheit, Gemeinwohl, Zumutbarkeit, Fairness, Freiheit, über Chancen und Rechte etc.“ (ebd. nach Negt 2010: 21) auftreten, dann werden diese Werturteile immer von Emotionen begleitet (ebd. nach Negt 2010: 21). Bei der Beschäftigung mit politischen Themen, in denen sich die SuS „urteilend mit Sinn- und Wertfragen beschäftigen“, (Petri 2018: 201) nehmen Emotionen nicht nur eine fundamentale Rolle ein, sondern sind von politischen Urteilen und dem Prozess der Urteilsbildung nicht zu trennen, sofern die Urteile die Positionen der SuS abbilden und nicht reines Faktenwissen betreffen (vgl. Petri 2018: 201). Laut Petri (2018: 203) äußern sich Emotionen als Bestandteil von Urteilsbildung nicht unbedingt durch übertriebene Reaktionen, sondern lösen meist innere Prozesse aus, in denen sich das Subjekt wertend mit einem Thema (hier Politik) in Beziehung setzt (vgl. Petri 2018: 203).
3.1. Forderung nach Emotionen im Politikunterricht
Petri (2018: 202) fordert somit einen Unterricht, der SuS dazu auffordert, politische Themen wertend betrachten zu können, damit diese die Kompetenzen erwerben, eigenständig ein politisches Urteil bilden zu können. Dazu gehört, dass SuS Wissen über urteilsrelevante Kriterien verfügen, dieses angemessen anwenden können und schließlich zu einem von ihnen als wichtig erachtetes persönliches Urteil kommen (vgl. Petri 2018: 202). Vor dem Hintergrund, dass Emotionen nicht mit Irrationalität gleichgesetzt werden dürfen, sondern ein Bestandteil der Urteilsbildung sind, ermutigt Petri (2018: 204) Lehrerinnen und Lehrer (LuL) dazu Emotionen in ihren Unterricht mit einzubeziehen (vgl. Petri 2018: 204). Achim Schröder (2016: 310) sagt hierzu, dass ein offener Umgang mit Emotionen von Seiten der Lehrkräfte die SuS vor einer Überwältigung (im Sinne des Überwältigungsverbots aus dem Beutelsbacher Konsens) viel mehr schützen kann, als ein Unterricht, welcher Emotionen ablehnt (vgl. Petri 2018: 204 nach Achim Schröder 2016: 310), da Emotionen Hinweise auf bestimmte Forderungen und Bedenken der SuS und bereits entwickelte Urteile geben können. Diese können LuL dann nutzen, um den Unterricht an die SuS anzupassen (vgl. Petri 2018: 204). Jedoch muss an dieser Stelle bedacht werden, dass ein emotionssensibler Unterricht nicht darauf abzielen sollte, den SuS gewünschte Emotionen aufzwingen zu wollen. Dies widerspräche nämlich dem Überwältigungsverbot (vgl. Petri 2018: 269). Beim emotionssensiblen Unterricht geht es darum, die Relevanz von Emotionen bei der politischen Urteilsbildung zu kennen und diese sowohl bei der Planung als auch bei der Umsetzung des Unterrichts mit einzubeziehen. Jedoch gilt es auch Grenzen zu kennen (vgl. ebd.). Wie sehr Emotionen in der Natur des Menschen liegen verdeutlicht zu guter Letzt ein Zitat von Hans Helmut Knütter (1991: 31): „Emotionen sind dem Menschen angeboren. Rationalität hingegen muss geübt werden.“ (vgl. Besand 2019: 82 nach Knütter 1991:31).
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- Safir Aslam (Autor), 2020, Emotionen im Politikunterricht, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/916720
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