Management Summary: Die Betriebswirtschaftslehre wurde in den vergangenen Jahrzehnten durch einen intensiven Wandel ihres Gegenstandes beeinflusst. Auch auf der Basis praktischer Bedürfnisse entstand eine Menge an neuen Konzeptionen, Modellen und Entwicklungen. Eine dieser relativ jungen Entwicklungen ist das Supply Chain Management, in dessen Mittelpunkt die unternehmensübergreifende Integration logistischer Wertschöpfungsprozesse steht. Eine funktionale Konzeption der Logistik gehört der Vergangenheit an. Heute werden sie und die mit ihr verbundenen Prozesse ganzheitlich betrachtet. Die permanent angestrebte Optimierung dieser Prozesse muss über die gesamte Wertschöpfung erfolgen, auch über Unternehmensgrenzen hinaus. Die Ziele der Produktionslogistik werden demnach nicht mehr nur im eigenen Unternehmen verfolgt, sondern bereits über Unternehmensgrenzen hinweg durch Zusammenarbeit und Abstimmung mit den Lieferanten angestrebt. Hierbei wurden zunächst die Lieferketten (Supply Chains) betrachtet. Heute ist der Begriff der Logistik-Netzwerke in aller Munde, da sich ein Verständnis durchsetzt, dem zufolge das Unternehmen nicht bloß als Teil einer linearen Lieferkette gesehen, sondern als Knotenpunkt verschiedener Netzwerke betrachtet wird, da es zumeist eine Vielzahl von Lieferanten wie auch Kunden hat. Dementsprechend schwierig gestaltet sich die Prozessoptimierung. Aufgrund des steigenden Konkurrenz- und Kostendrucks in vielen Branchen bedarf es einer verbesserten Abstimmung zwischen den beteiligten Unternehmen, um eine Verbesserung der Visibilität und damit der Planbarkeit und Reagibilität sowie schließlich eine Senkung der Gesamtherstellungskosten von Produkten zu erreichen. Einen Lösungsansatz bietet das Konzept der Collaboration (Supply Chain Collaboration), welches auf die Schnittstellen zwischen beteiligten Unternehmen fokussiert. Ziel ist eine Erhöhung der Effizienz für die beteiligten Partner, jedoch nicht über zentrale Planung und Vorgaben, sondern durch kollaborative Abstimmungsprozesse.
INHALTSVERZEICHNIS
Management Summary
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Produktionslogistik und Supply Chain Management
2.1 Elemente der Logistik und ihre Entwicklung
2.1.1 Bestandteile und Aufgaben der Logistik
2.1.2 Wandel und Bedeutung der Logistik in der BWL
2.1.3 Einfluss von Megatrends auf die Logistik
2.1.4 Die organisatorische Entwicklung der Logistik
2.1.5 Logistik als Querschnittsfunktion in Unternehmen
2.2 Produktionslogistik
2.2.1 Definition und Konzeption der Produktionslogistik
2.2.2 Ziele der Produktionslogistik
2.3 Supply Chain Management
2.3.1 Grundprinzipien und Definition
2.3.2 Ziele und Erfolgspotentiale
2.3.3 Planungsstrategien in Wertschöpfungsketten
2.3.3.1 Die Gestaltung von Geschäftsprozessen
2.3.3.2 Die Schiebe-Logistik
2.3.3.3 Die Zieh-Logistik
2.3.4 Herausforderungen des Supply Chain Management
2.3.5 Entwicklung zur ganzheitlichen Prozessbetrachtung
2.4 Logistik-Netzwerke
2.4.1 Ebenen in einem Netzwerk
2.4.2 Supply Chain vs. Supply Network
3 Konzepte der Produktionslogistik
3.1 Prozesskettentransparenz
3.1.1 Identifikationssysteme
3.1.1.1 Barcode
3.1.1.2 Radiofrequenz-Identifikation 24 Die veränderte Rolle der Produktionslogistik und des Supply Chain Management in Logistik-Netzwerken
3.1.2 Tracking & Tracing
3.1.3 Ergebnisorientierte Steuerung von Prozessketten durch Supply Chain Event Management
3.2 Anlieferkonzepte
3.2.1 Just in Time
3.2.2 Just in Sequence
3.3 Versorgungskonzepte
3.3.1 Vendor Managed Inventory
3.3.2 Konsignationslager
3.3.3 Das Lieferanten-Logistik-Zentrum
3.4 Steuerungsverfahren der Produktionsversorgung
3.4.1 Material Requirements Planning
3.4.2 Fortschrittszahlen
3.4.3 Kanban
3.4.4 Conwip-Steuerung
3.4.5 Polca
3.4.6 Optimized Production Technology
3.4.7 Retrograde Terminierung
3.5 Elemente der Produktionsplanung und -steuerung
3.5.1 Die Relevanz der Produktionsplanung und -steuerung für die Logistik
3.5.2 Kennzahlensysteme zur Steuerung
3.5.2.1 Kennzahlen und ihre Bedeutung in der Logistik
3.5.2.2 Kennzahlen zur Bewertung von Supply Chains
3.5.2.3 Die Balanced Scorecard
4 Das Prinzip des Supply Chain Management für die Produktionslogistik
4.1 Strategische Elemente des Supply Chain Management
4.2 Operative Elemente des Supply Chain Management
4.3 Steuerungskonzepte
4.3.1 Hierarchische Supply-Chain-Steuerung
4.3.2 Heterarchische Supply Chain Collaboration
4.4 Übertragbarkeit der SCM-Konzepte auf die Produktionslogistik 47 Die veränderte Rolle der Produktionslogistik und des Supply Chain Management in Logistik-Netzwerken
4.5 Produktionsplanung und Steuerungssysteme in der Produktions- logistik und ihre Verwendbarkeit für das Supply Chain Management..
4.5.1 Enterprise Resource Planning
4.5.2 Advanced Planning and Scheduling
4.5.3 Data Warehouse System
4.6 Make or buy in der Produktionslogistik
4.6.1 Make-or-buy-Entscheidungen im Unternehmen
4.6.2 Segmente der Logistics Service Provider und ihre Rolle im Markt
4.6.3 Supplier Integration
5 Supply Chain Collaboration als Konzept für die Unterstützung der Ziele der Produktionslogistik
5.1 Begriff und Merkmale einer Collaboration
5.2 Collaboration in der Supply Chain
5.3 Elemente der Collaboration
5.4 Voraussetzungen für die Implementierung von Supply Chain Collaboration
5.5 Bewertung der Supply Chain Collaboration hinsichtlich der Produktionslogistik
5.6 Erfolgspotenziale der Supply Chain Collaboration
5.7 Entwicklung der Supply Chain Collaboration
5.8 Grenzen der kollaborativen Zusammenarbeit
6 Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 01: Logistik als bestimmender Wettbewerbsfaktor
Abbildung 02: Die Entwicklung der Logistik
Abbildung 03: Funktionale Teilsysteme der Logistik
Abbildung 04: Die Supply Chain aus dem Unternehmensblickwinkel
Abbildung 05: Einfluss-Szenario auf Supply Chains
Abbildung 06: Die Push- und die Pull-Logistik
Abbildung 07: Bullwhip-Effekt entlang der Supply Chain
Abbildung 08: Ganzheitliche Betrachtung der Wertschöpfungskette
Abbildung 09: Verbindungsarten zwischen Netzwerkpartnern
Abbildung 10: Zuliefernetzwerk
Abbildung 11: Grundprinzip der RFID-Technologie
Abbildung 12: Kostenreduktion durch Just-in-Time-Anlieferung
Abbildung 13: Entwicklung der computergestützten Planungssysteme
Abbildung 14: Die Definition von Fortschrittszahlen entlang eines Herstellungsprozesses
Abbildung 15: Kanban-Steuerung
Abbildung 16: Hauptkennzahlen des SCOR
Abbildung 17: Ebenen des SCOR-Modells
Abbildung 18: Supply Chain Scorecard
Abbildung 19: Koordinationsansätze in unterschiedlichen Netzwerkstrukturen.
Abbildung 20: Leistungsmerkmale der ERP- u. APS-Systeme im Vergleich
Abbildung 21: APS-Struktur
Abbildung 22: Abgrenzung der Logistics Service Provider
Abbildung 23: Fünf Stufen zur Integration der Geschäftspartner
Abbildung 24: Formen der Collaboration
Abbildung 25: Zeitliche Einordnung der Prozesse in der Collaboration
Abbildung 26: Kollaborationsprozesse im Supply Chain Management
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die veränderte Rolle der Produktionslogistik und des Supply Chain Management in Logistik-Netzwerken
„Es sind nicht die stärksten
der Spezien die überleben, nicht die intelligentesten, sondern die, die am schnellsten auf Veränderungen reagieren können“
C. Darwin
1 Einleitung
Die Logistik befindet sich in einem dynamischen Wandlungsprozess. Weltweite Wertschöpfungsnetze, immer neue Möglichkeiten der Informationstechnik sowie veränderte Aufgabenverteilungen in der Supply Chain kennzeichnen das Geschehen. Zur nachhaltigen Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit müssen die Unternehmen ihre Konzepte an die zukünftige Entwicklung anpassen. Die Lo- gistik findet ihren Platz zunehmend in der Unternehmensführung, und Logistiker werden zu Prozessmanagern, die in der Lage sind, die Wertschöpfungskette über die Unternehmensgrenzen hinweg organisatorisch und wirtschaftlich zu planen und zu steuern.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Thematik der veränderten Rolle der Produktionslogistik und des Supply Chain Management in Logistik-Netz- werken.
Zunächst werden die theoretischen Grundlagen der Begriffe Logistik, Produk- tionslogistik und Supply Chain Management erläutert. Neben aktuellen Ansätzen wie der Entwicklung von „Push“ zu „Pull“ Supply Chains wird auch auf das Kernproblem, den „Bullwhip-Effekt“, eingegangen. Von großer Bedeutung ist an dieser Stelle die Anforderung der Ausrichtung aller Supply-Chain-Aktivitäten auf die Bedürfnisse des Kunden und die Notwendigkeit einer ganzheitlichen Betrachtung.
Im dritten Kapitel werden die wesentlichen Konzepte der Produktionslogistik aufgezeigt. Neben der Verbesserung der Visibilität werden Anliefer- und Versorgungskonzepte betrachtet sowie die bekanntesten Steuerungsverfahren der Produktionsversorgung und die wesentlichen Elemente der PPS.
Der vierte Teil befasst sich mit der Darstellung und Analyse des SCM-Prinzips und seiner Bedeutung für die Produktionslogistik. Hier soll aufgezeigt werden, wie SCM heute auf der Inboundseite des Unternehmens, also zum Lieferanten hin, die Ziele der Produktionslogistik unterstützt, und es sollen Versorgungskonzepte dargestellt werden, die überhaupt erst mit dem SCM-Gedanken möglich geworden sind.
Den Kern der Diplomarbeit bildet das Konzept der Supply Chain Collaboration zur Unterstützung der Ziele der Produktionslogistik. Zuerst werden die theoretischen Grundlagen und die Voraussetzungen für eine Implementierung beschrieben. Dem folgt abschließend die Nennung der Erfolgskriterien und Grenzen sowie ein Ausblick auf die künftige Entwicklung.
Den letzen Teil bildet die Schlussbetrachtung, in der eine kritische Würdigung des Themas erfolgt.
Auf diesem Fundament aufbauend können durch Initiativen im Bereich Supply Chain Collaboration die notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden, um auch in den Supply-Chain-Netzwerken der Zukunft erfolgreich zu sein.
2 Produktionslogistik und Supply Chain Management
Im Folgenden werden die wesentlichen Begriffe der Themenstellung aus der Fachliteratur hergeleitet. Der erste Abschnitt erklärt zunächst die Begriffe Logistik, Produktionslogistik, Supply Chain Management und Logistik-Netzwerke, um eine Basis für die eigentliche Fragestellung zu schaffen.
2.1 Elemente der Logistik und ihre Entwicklung
Die Einführung in die Grundlagen der betriebswirtschaftlichen Logistik beginnt mit einer Diskussion ihrer Bestandteile und Aufgaben. Dem folgt ein Blick auf ihren Wandel und die Einflüsse von Megatrends in der heutigen Zeit. Das Kapitel schließt mit einer Beschreibung der organisatorischen Entwicklung und der daraus resultierenden Querschnitts-Betrachtung der Logistik.
2.1.1 Bestandteile und Aufgaben der Logistik
Die Bewegung stetig wachsender Güterströme ist eine der Hauptaufgaben, welche die Logistik heute übernehmen muss. Sie ermöglicht die zielgerichtete Steuerung und die Verwendung von Informationen auf ihrem Weg durch das Unternehmen und die gesamten Supply Chains. Mit der Gestaltung und Koordination aller unternehmensinternen und -übergreifenden Güter- und Informationsflüsse verknüpft die Logistik Unternehmensteile, Lieferanten und Kunden in Netzwerken miteinander.1 Die grundsätzliche Aufgabe der Logistik ist die Bereitstellung des richtigen Objekts in der richtigen Zeit, Menge und Qualität am richtigen Ort. Als „richtig“ lässt sich in diesem Zusammenhang die Realisierung der bestmöglichen zur Auswahl stehenden Alternative definieren.2 Zusammen- fassend lässt sich Logistik als Funktion der räumlichen und zeitlichen Trans- formation von Gütern beschreiben.3 Hauptziel ist die Gestaltung der Prozesse und die Einführung umfassender Logistiksysteme, für deren Effizienz es unabdingbar ist, über die Kenntnis der Prozess- und Wertschöpfungsstrukturen sowie der Informations-4 und Materialflüsse zu verfügen.5 Zu den Bestandteilen der Logistik gehören die Bereiche Technik, Informatik und Betriebswirtschaft.6
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb 01: Logistik als bestimmender Wettbewerbsfaktor7
2.1.2 Wandel und Bedeutung der Logistik in der BWL
In den vergangenen Jahren hat die Bedeutung der Logistik, besonders für alle produzierenden und Handelsunternehmen, stark zugenommen. Vor allem in der Konsumgüterindustrie und bei technisch aufwendigen Produkten ist sie zu einem immensen Servicefaktor geworden, und bei allen Gütern ist sie auch ein erheblicher Kostenfaktor. Besonders die Serviceerwartungen der Kunden sind in den letzten Jahren gestiegen und haben extrem hohe Anforderungen an die Logistik gestellt. Auch im Hinblick auf Kostenoptimierung spielt sie bei der Schaffung von Wettbewerbsvorteilen eine erhebliche Rolle. Dies betrifft alle Teilgebiete der Logistik.8
Im Zuge der Internationalisierung der vergangenen Jahre hat das Thema Global Sourcing (Nutzung weltweiter Beschaffungsquellen) für die Beschaffungslogistik und den Einkauf besondere Herausforderungen und Potentiale geschaffen. Die Die veränderte Rolle der Produktionslogistik und des Supply Chain Management in Logistik-Netzwerken Produktionslogistik ist durch die abnehmende Fertigungstiefe an einzelnen Standorten und die zunehmende Produkt- und Variantenvielfalt ebenfalls ein wichtiger Bestandteil der Logistik.9
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 02: Die Entwicklung der Logistik10
Als Konsequenz aus der Tatsache, dass Logistik in den letzten Jahren beträchtlich an Bedeutung gewonnen hat, werden Unternehmen produkt- und auftragsgerecht gestaltet. Dieses Modell zeichnet sich aus durch Produktivität und Flexibilität und lässt erkennen, dass kurze Lieferzeiten, hohe Termintreue und Qualität bei Unternehmen eine immer stärkere Gewichtung erfahren. Weiterhin sind niedrige Bestände und geringe Durchlaufzeiten sowie eine gute Kapazitätsauslastung von wirtschaftlicher Bedeutung, da diese die Rentabilität erhöhen.11
2.1.3 Einfluss von Megatrends auf die Logistik
Megatrends wirken langsam und kontinuierlich über viele Jahre hinweg und werden zur Normalität. Unternehmen können diese Megatrends nicht beeinflussen, sondern sollten sie in ihren Planungen berücksichtigen.12 Die vergangenen Jahre und Jahrzehnte wurden von verschiedenen Megatrends geprägt, welche insbeson- dere die Logistik beeinflusst haben. Kennt und versteht ein Unternehmen diese Trends, wird es aktuellen und künftigen Herausforderungen erfolgreicher begegnen können.13
Drei Megatrends sind momentan im Bereich der Logistik zu erkennen:
1.) Der Trend zur Globalisierung14 ist stark von den internationalen Kapital- und Wirtschaftsströmen geprägt und vom technologischen Wandel gezeichnet.15 Global agierende Unternehmen wie Hewlett-Packard, Daimler oder Wal-Mart nutzen die weltweit kostengünstigsten und leistungsfähigsten Standorte als Rationalisierungspotenzial.16 Kleine und mittlere Unternehmen hingegen suchen Kooperationen und bilden Netz- werke mit vor- und nachgelagerten Partnern.17
2.) Als zweiter Megatrend ist die Individualisierung zu nennen, welche sich bei Unternehmen in der Konzentration auf Kernkompetenzen äußert. Alle anderen Tätigkeiten werden an spezialisierte Partner ausgelagert. Somit wächst die Anzahl der Partner entlang der Wertschöpfungskette18. Dies hat zur Folge, dass nicht mehr einzelne Unternehmen, sondern ganze Liefer- ketten miteinander konkurrieren.19
3.) Steigende Kundenanforderungen und die Entwicklung vieler Branchen zu Käufermärkten20 bilden den dritten Megatrend.21 Besonders Industrie- unternehmen können nicht umhin, verstärkt wachsende Kundenbedürf- nisse zu berücksichtigen. Im intensiveren Wettbewerb spielen Flexibilität und Qualität eine immer bedeutendere Rolle.22
2.1.4 Die organisatorische Entwicklung der Logistik
Die gesamtheitliche Betrachtung von Prozessen wie auch die strategische Orientierung haben zu einer Erweiterung des logistischen Aufgabenspektrums geführt.23 Logistik wurde in der Vergangenheit isoliert und nachgelagert betrachtet, d.h. nicht in die Entscheidungen von Einkauf und Vertrieb einbezogen. Heute liegen Logistik und Einkauf, aus Gründen der besseren Koordination, eng beieinander. Die Versorgung der Produktion ist hierbei vorrangiges Ziel, damit Materialien entsprechend der Logistikdefinition hinsichtlich Menge, Termin, Ort, Qualität, Kosten und Information richtig bereitgestellt werden können.24 Für den Bereich Einkauf geht es in erster Linie nicht mehr nur darum, günstige Preise auszuhandeln, auch die richtige Bereitstellung der Ware ist heute entscheidend. Hierbei handelt es sich zwar um ein elementares Logistikziel, es findet allerdings im Einkauf zunehmend Beachtung. Des Weiteren werden bei Einkaufsentschei- dungen auch vermehrt resultierende Bestandskosten (Kapitalbindungskosten, Schwund und Abwertung bzw. Obsoletrisiko) und Lagerkosten (Flächen- und Infrastrukturkosten) berücksichtigt.
2.1.5 Logistik als Querschnittsfunktion in Unternehmen
Der Wandel von Verkäufer- zu Käufermärkten intensivierte die Konkurrenz zwischen den Unternehmen. Dies hatte zur Folge, dass Serviceorientierung, Kundenwünsche, Durchlaufzeitenreduktion und Qualitätsbewusstsein an Bedeu- tung gewannen.25 In der Vergangenheit wurde die logistische Leistung getrennt von den Bereichen Beschaffung, Produktion und Vertrieb betrachtet. Logistik befasste sich vor allem mit der unternehmensinternen Optimierung der funktio- nalen Schnittstellen zwischen den einzelnen Bereichen. Diese sollten durch eine stärkere Prozessorientierung verbessert werden.26 Als einer der Ersten forderte der im Jahr 2003 emeritierte Mannheimer Universitätsprofessor Gösta B. Ihde in den siebziger Jahren eine querschnittliche Betrachtung der Unternehmenslogistik mit einem eigenständigen organisatorischen Kompetenzbereich.27 In der heutigen Zeit lassen sich aufgrund steigender Kundenanforderungen und stärkeren Wettbewerbs Die veränderte Rolle der Produktionslogistik und des Supply Chain Management in Logistik-Netzwerken die Gegebenheiten der funktionsorientierten Aufbauorganisation kaum noch umsetzen. Daher hat ein Umdenken hin zur prozessorientierten Organisation stattgefunden, bei der sich alle Prozesse auf den Kundennutzen ausrichten.28
2.2 Produktionslogistik
Die Produktionslogistik als ein Teil der logistischen Kette dient der Sicherstellung eines optimalen Informations-, Material- und Wertflusses im Transformations- prozess der Produktion. Im Folgenden werden daher ihre Begriffe und Ziele beschrieben.
2.2.1 Definition und Konzeption der Produktionslogistik
Zwischen den Bereichen Beschaffungslogistik und Distributionslogistik steht die Produktionslogistik, welche die genannten Bereiche miteinander verbindet.29 Die Hauptaufgabe besteht in der Versorgung der Produktion mit Einsatzgütern. Im Versorgungsprozess sind art- und mengenmäßige, räumliche und zeitliche Aspekte zu berücksichtigen.30
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 03: Funktionale Teilsysteme der Logistik31
Im Detail befasst sich die Produktionslogistik mit der Planung und Steuerung der Produktion sowie der internen Materialbereitstellung in Produktion und Mon- tage.32 Im Rahmen der Transport- und Lageraufgaben umfasst die Produktions- logistik die Abgabe der Halbfertig- und Fertigerzeugnisse an das Absatzlager, welches die Schnittstelle zur Distributionslogistik bildet.33
2.2.2 Ziele der Produktionslogistik
Das übergeordnete Ziel der Produktionslogistik ist die Bereitstellung von quantitativen und qualitativen Produktionskapazitäten in der erforderlichen Flexibilität.34 Dies bedeutet die Sicherstellung des Materialflusses vom Waren- eingang über den gesamten Produktionsprozess bis hin zum Warenausgang. Neben der Planung, Steuerung und Kontrolle des Warenflusses zählen auch der innerbetriebliche Transport und die Zwischenlagerung zu ihren Aufgaben.35 Im Rahmen der Versorgungssicherheit der Produktion muss die damit verbundene Kapitalbindung berücksichtigt werden. Zu hohe Bestände verdecken zudem Fehler und sind ein Indiz für unabgestimmte Prozesse. Bestände sind gebundene Kapazitäten und stellen für das Unternehmen einen hohen Kostenfaktor dar.
Zur besseren Übersicht folgt eine stichpunktartige Zusammenfassung der klassischen produktionslogistischen Ziele:
- Senkung der Durchlaufzeit und/oder Lieferzeit
- Steigerung der Termintreue
- Erhöhung der Kapazitätsauslastung
- Senkung der Fertigungstiefe
- Senkung der Kapitalbindung
- Senkung der Logistikkosten
Trotz dieser Absichten ist ein Mindestmaß an Beständen (und somit auch an Kapitalbindung) notwendig, um eventuelle Lieferengpässe zu überbrücken und einen Produktionsstillstand zu vermeiden.
2.3 Supply Chain Management
Unter Supply Chain Management (SCM) wird der Versuch einer optimalen Gestaltung des Informations- und Materialflusses zur Leistungserstellung von Erzeugnissen (Produkten oder Dienstleistungen) im gesamten Logistiknetzwerk, d.h. über mehrere Partner hinweg, unter Verwendung geeigneter Planungs- und Kommunikationstechnologien verstanden. Im Folgenden wird das SCM von verschiedenen Seiten beleuchtet.
2.3.1 Grundprinzipien und Definition
Das Konzept des Supply Chain Management basiert auf der Grundidee, dass alle an der „Kette“ beteiligten Unternehmen Wettbewerbsvorteile erzielen.36 Die steigende unternehmensübergreifende Verknüpfung von Wertschöpfungs- prozessen sowie das Verständnis, dass die Gestaltung und Steuerung dieser Wertschöpfungsprozesse nicht an den Unternehmensgrenzen enden sollte, führen zu einer wachsenden Bedeutung des Supply Chain Management. Dieses Konzept hat in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen.37 Supply Chain Management ist eine integrale und wichtige Komponente einer zeitgerechten Logistik.38 Wörtlich übersetzt heißt „Supply Chain“ Versorgungs- oder Lieferkette. Ihr gehören alle Unternehmen an, die an der Entwicklung, Erstellung und Lieferung eines Erzeugnisses beteiligt sind. Die Supply Chain erstreckt sich vom Rohstofflieferanten bis hin zum Endverbraucher bzw. vom Lieferanten des Lieferanten bis zum Kunden des Kunden.39 In dieser Kette, die aus mehreren Stufen besteht, werden oftmals Logistikdienstleister als Bindeglied eingesetzt.40 Die erforderliche Planung, Steuerung und Kontrolle einer solchen Zusammen- arbeit soll durch das Supply Chain Management erreicht werden.41 Somit lässt sich Supply Chain Management auch als strategischer Erfolgsfaktor sowohl für ein einzelnes als auch für eine Gruppe von Unternehmen interpretieren.42 Die Wirkungsweise des Supply Chain Management verdeutlicht Wildemann anhand einer Analogie zur Leichtathletik: „Während die Weltrekordzeit im 100m- Sprint derzeit bei 9,74 Sekunden liegt, schaffte die schnellste 4x100m-Staffel eine Zeit von 37,40 Sekunden. Der durchschnittliche Wert beträgt damit 9,35 Sekun- den. Die Ursache liegt im fliegenden Start begründet. Der nachfolgende Staffel- läufer beschleunigt bereits vor Stabübergabe auf die Geschwindigkeit des Vorläufers.“43 Einen vergleichbaren Effekt erzielt ein effektives SCM.
Trotz hoher Begriffsvielfalt herrscht in der Literatur im Hinblick auf die Grundprinzipien des Supply Chain Management weitgehend inhaltliche Einigkeit, die sich in drei Punkten zusammenfassen lässt:44
- Endverbraucherorientierung: Alle Tätigkeiten in der Supply Chain dienen der Steigerung des Nutzens für den Endkunden. In der Literatur wird daher auch der Begriff der „Demand Chain“ verwendet.45
- Integrationsprinzip: In der Supply Chain sind die Beteiligten als Partner in die Wertschöpfungskette zu integrieren.46
- Effizienzprinzip: Aufbauend auf dem Integrationsprinzip geht es hierbei um die funktions- und unternehmensübergreifende optimale Ausgestaltung der Supply Chain.47
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 04: Die Supply Chain aus dem Unternehmensblickwinkel48
Die Definition des Supply Chain Management ist in Wissenschaft und Praxis durch eine Reihe von verschiedenen Ansätzen beschrieben. Ein Grund für die Inkonsistenz dieses Begriffs liegt in seiner Entstehung, die er unternehmerischer Praxis und nicht der betriebswirtschaftlichen Theorie verdankt.49 Eine umfassende Definition des Begriffs liefert Hahn:
„Supply Chain Management beinhaltet die
- Planung, Steuerung und Kontrolle
- des gesamten Material- und Dienstleistungsflusses, einschließlich der damit verbundenen Informations- und Geldflüsse,
- innerhalb eines Netzwerks von Unternehmungen,
- die im Rahmen von aufeinander folgenden Stufen der Wertschöpfungskette an der Entwicklung, Erstellung und Verwendung von Sachgütern und/oder Dienstleistungen partnerschaftlich zusammenarbeiten,
- um Effektivitäts- und Effizienzsteigerungen zu erreichen.“50
Aufgrund der Globalisierung von Märkten und des fortwährenden Kostendrucks werden Unternehmen gezwungen, ihre Wertschöpfung nicht länger im Alleingang, sondern in Zusammenarbeit mit den Partnern der Supply Chain und unter Um- ständen sogar mit ihren Wettbewerbern zu betreiben. Die Wertschöpfung eines Unternehmens erfolgt also über eine weit verzweigte Versorgungskette.51
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 05: Einfluss-Szenario auf Supply Chains52
2.3.2 Ziele und Erfolgspotentiale
Aus den in Kapitel 2.3.1. genannten Definitionen wird erkennbar, dass Supply Chain Management als Terminus für die Optimierung der Supply Chain steht.
Folgt man den Überlegungen von Busch und Dangelmaier,53 so liegen die Ziele des Supply Chain Management in der Realisierung von:
- Kostenvorteilen (z.B. Reduzierung von Bestandskosten),
- Zeitvorteilen (z.B. bei Entwicklung und Transport) und
- Qualitätsvorteilen (z.B. gemeinsame F&E-Aktivitäten sowie Informations- austausch zwischen den Unternehmen der Supply Chain).
Weiterhin soll eine Optimierung der Effektivität und Effizienz von Unternehmensaktivitäten erreicht werden.54
Für dominante Unternehmen wie Wal-Mart oder DELL ist die Supply Chain ein Mittel zur strategischen Differenzierung. Diese Anbieter setzen neue Leistungsstandards durch ihre kontinuierliche Suche nach neuen Wegen der Wertschöpfung. Durch die stetige Verbesserung ihrer Supply-Chain-Strukturen sind sie ihren Konkurrenten immer einen Schritt voraus.55
Die Abstimmung der überbetrieblichen Wertschöpfungsprozesse ist das Bestreben des Supply Chain Management, um hohe Material- und Kapazitätspuffer und die damit verbundenen Kosten zu vermeiden.56 Ausgangspunkt für diese Überlegung sind die von den Ökonomen Forrester (Bullwhip-Effekt) und Burbridge (Material- fluss in der logistischen Kette) in den 60er-Jahren veröffentlichten Arbeiten. Seit dieser Zeit ist die Bedeutung unternehmensübergreifender Logistik bekannt.57
Verschiedene Supply-Chain-Management-Studien bestätigen, dass die beteiligten Supply-Chain-Akteure Bestandsreduktionen bis zu 60 Prozent, eine Verkürzung der Taktzeiten um bis zu 50 Prozent oder eine Verbesserung der Prognose- genauigkeit von bis zu 80 Prozent vorweisen können.58 Grundsätzlich sollten sich alle Beteiligten der logistischen Kette so abstimmen, dass Rationalisierungs- potentiale freigesetzt werden.59 Kernziel des Supply Chain Management ist die Schaffung von Kundennutzen für den Endverbraucher.60 So sind speziell im Käufermarkt kurze Produktinnovationszeiten („time-to-market“) von großer Bedeutung. Eine Zusammenarbeit der Hersteller hinsichtlich der Produkt- und Prozessentwicklung und folglich auch der Entwicklungskosten kann hier vorteilhaft sein, da das unternehmerische Risiko homogen verteilt wird.61
2.3.3 Planungsstrategien in Wertschöpfungsketten
Das folgende Kapitel gibt eine Einführung in die grundsätzlichen Steuerungsphilosophien des Produktionsmanagements. Es erläutert, wie sich die Produktion durch geeignete Steuerung an wechselnde Markterfordernisse anpassen kann und was die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Ansätze sind.
2.3.3.1 Die Gestaltung von Geschäftsprozessen
Supply Chain Management kann entscheidend zum Erfolg eines Unternehmens beitragen, wenn Supply-Chain-Strategien entwickelt und realisiert werden, die an die Ziele und Strategien des Unternehmens angepasst sind.62 Die Dynamisierung der Märkte zwingt Unternehmen, Angleichungen an ihren Planungsverfahren vorzunehmen.63 Da der Absatzmarkt nur in seltenen Fällen lange Lieferzeiten hinnimmt, versuchen sich die Unternehmen den Vorstellungen des Kunden anzugleichen, was ein Missverhältnis von Wunsch und Wirklichkeit zur Folge hat. Die Betriebe wollen Planungssicherheit für den gesamten Kundenbedarf, tatsächlich aber verlangt der Kunde schnelle Reaktionsfähigkeit.64 Um Kosten einzusparen, soll die Gestaltung der gesamten Supply Chain von der Kunden- nachfrage (Pull-Strategie) und nicht von den Kapazitäten der Lieferanten (Push- Strategie) festgelegt werden.65
2.3.3.2 Die Schiebe-Logistik
Das Push-Prinzip schiebt Erzeugnisse ins Lager (make-to-stock-policy). Beschaf- fungs-, Produktions- und Warenverteilprozesse werden vor Eintreffen eines Kundenauftrags angestoßen. Hierdurch kann der Eindruck entstehen, dass diese Lenkung der Supply Chain keine Existenzberechtigung mehr hat. Jedoch verspricht das Push-Prinzip für bestimmte Erzeugnisse und Rahmenbedingungen Vorteile: Stark schwankender Marktbedarf kann von der Fertigung ferngehalten werden, die Lieferzeit wird nur von der Auftragsabwicklungs- und Transportzeit bestimmt.66 Große Produktions-, Beschaffungs- und Transportlosgrößen versprechen Skalenerträge.
In der Literatur finden sich vielerlei Definitionen für den Begriff der Push- Logistik. Schönsleben beschreibt den Begriff wie folgt: „In der Schiebe-Logistik (Push-Logistik) wird ein Auftrag in Richtung der Wertschöpfung geschoben, ohne dass ein Kunde direkt darauf Einfluss nehmen oder bereits feststehen muss.“67
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 06: Die Push- und die Pull-Logistik68
2.3.3.3 Die Zieh-Logistik
Zur Einführung einer ununterbrochenen Supply Chain ist die Ausrichtung der Steuerungsphilosophie in den Unternehmen auf das Pull-Prinzip unabdingbar. Die supply-chain-orientierten Unternehmen fertigen nicht nach Plan, sondern rea- gieren auf ein Auftragssignal.69 Ein hohes Absatzrisiko, wie es für Produkte mit kurzem Lebenszyklus und einer geringen Zahl von Kunden typisch ist, ist ein wesentliches Argument für das Pull-Prinzip: Hier wird nur gefertigt, wofür auch tatsächlich ein Kundenauftrag und somit eine Absatzgarantie vorliegt. Hohe Bestandskosten sprechen ebenfalls für das Pull-Prinzip.70 Die Wertschöpfung erfolgt nur auf Nachfrage des Kunden oder als Ersatz von verbrauchten Artikeln. Eine Beispiel hierfür ist Vendor Managed Inventory (siehe Kapitel 3.3.1). Ein Absinken des Lagerbestandes in die Nähe der unteren Bestandsgrenze „zieht“ eine Nachlieferung an.71
2.3.4 Herausforderungen des Supply Chain Management
Das Supply-Chain-Management-Konzept ist durch eine hohe Vielschichtigkeit, d.h. durch die Vernetzung von Lieferanten, Material, Teilen, Produkten und Kunden geprägt. Prozesse und Lieferketten werden jedoch in vielen Unternehmen nicht eingegliedert betrachtet. Die einzelnen Unternehmen entlang der Supply Chain verfolgen ihre eigenen Interessen, wodurch sich Nachfrageschwankungen entlang der Lieferkette verstärken. Dieses Phänomen ist als „Bullwhip- Effekt“ bekannt und liegt in der Tatsache begründet, dass alle Unternehmen der Lieferkette einen eigenen Sicherheitsbestand aufbauen und der Zeitverzug im Informationsfluss vom Kunden zum Zulieferer zu einer Überreaktion in der Bestellpolitik führt, wenn zu einem früheren Zeitpunkt getätigte Bestellungen noch nicht eingetroffen sind, der Bestand aber weiter sinkt. Diese Überreaktion verstärkt sich, je weiter die Lagerstufen vom eigentlichen Bedarfspunkt entfernt liegen. Ebenfalls führen nicht synchronisierte Bestellzeitpunkte zu einer Erhöhung der Nachfrage entlang der Lieferkette.72 In der Sichtweise von Schönsleben beschreibt der Bullwhip-Effekt „ein extremes Schwanken der Bestände am Anfang einer Versorgungskette bei gleichzeitig kleiner oder keiner Änderung des Kundenbedarfs. Großer Lieferrückstand wechselt sich zudem mit großem Überbestand ab.“73 Betrachtet man Rüggebergs Ausführungen, so verdeutlicht der Bullwhip-Effekt, „dass bei lokal begrenzten Informationen und Entscheidungen kleine Nachfrageschwankungen der Endverbraucher auf jeder weiteren Stufe der Supply Chain zu immer größeren Streuungen der Bedarfsmengen führen.74 Es handelt sich hierbei um ein Phänomen der Distribution, das exemplarisch für die Schwierigkeit der Abstimmung von Lieferketten steht.
Der Grund für diesen Effekt ist in der Handlungsweise der einzelnen Beteiligten der Supply Chain zu finden. Die beteiligten Unternehmen stehen nur mit ihren unmittelbaren Lieferanten und Kunden in Kontakt, sodass mangelnder Informationsaustausch zu einer Bedarfsschwankung führt, die weit über der ursprünglichen Nachfrageschwankung liegt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 07: Bullwhip-Effekt entlang der Supply Chain75
Beim Konsumgüter-Konzern Procter & Gamble wurde dieser Effekt in den neunziger Jahren erstmals untersucht. Von dessen Papierwindel Pampers be- stellten die Großhändler, trotz konstanter Nachfrage des Marktes, unterschiedliche Mengen, wodurch eine Kapazitätsplanung sehr schwierig wurde. Auch führte dies zum Aufbau von Beständen in der eigenen Produktion. Die Bestellungen von Procter & Gamble bei seinen Lieferanten schwankten noch stärker. Unterstellt man ein Modell in vier Stufen (Händler, Großhändler, Produzent und Zulieferer), so hat die Untersuchung von P&G gezeigt, dass bereits die Bestellungen nach der ersten Stufe, d.h. die des Handels, dem ursprünglichen Bedarf der Endverbraucher nicht mehr entsprachen. Entstehen hierdurch nachgelagerte Produktions- und Lieferengpässe, so führt dies zu einer Verlängerung der Reaktionszeiten. Die resultierenden Überbestände schlagen sich in hohen Kosten und einem schlechten Servicegrad nieder. Um den Bullwhip-Effekt zu vermeiden, müsste eine mehrstufige Supply Chain von einer zentralen Stelle geplant werden. Dies ist in der Praxis so gut wie unmöglich und auch nicht das Ziel von unabhängig operierenden Unternehmen, da jedes von ihnen zunächst seine eigenen Ziele verfolgt.76
Eine Gegenmaßnahme, die von Alicke und Kowalewski dargestellt wird, ist die Glättung der Auftragsdaten, um die Variabilität schon in der Entstehung zu verringern. Das Aufschaukeln wird verringert, die Bestände entlang der Supply Chain können deutlich reduziert werden. Die stochastische Nachfrage wird über die Stufe, die den Kundenbedarf befriedigt, abgefangen. Erfolgreich angewendet wurde das beschriebene System in der High-Tech-Industrie bei stark volatilen Märkten.77
2.3.5 Entwicklung zur ganzheitlichen Prozessbetrachtung
Eine intensive Zusammenarbeit zwischen allen Partnern ist die Grundlage für eine funktionierende Supply Chain.78 Die weitestgehende Realisierung haben zweifel- los die Automobilindustrie und die Hightech-Branche erzielt, die wiederum einen mühsamen, aber Erfolg versprechenden Entwicklungsprozess hinter sich haben.79 Die überbetriebliche Partnerschaft in Form einer Supply Chain kann als derzeit höchste Entwicklungsstufe der Logistik bezeichnet werden und soll zu einer Ergebnisoptimierung im gesamten Wertschöpfungsnetzwerk führen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 08: Ganzheitliche Betrachtung der Wertschöpfungskette81
Elementarer Erfolgsfaktor ist das Bestreben zur vertrauensvollen Kooperation und engen partnerschaftlichen Geschäftsbeziehung. Aus dieser Kombination resultiert eine unternehmensübergreifende Wertsteigerung für den Kunden, welche eine hohe Kapazitätsauslastung und einen hohen Lieferservicegrad, eine schnelle Reaktionsfähigkeit sowie niedrige Bestände und Durchlaufzeiten ermöglicht.82
2.4 Logistik-Netzwerke
Zum Abschluss der Begriffsbildung erfolgt in diesem Kapitel eine kurze Beschreibung von Logistik-Netzwerken. Hierbei werden ihre Merkmale und Vorzüge erklärt und in den Kontext des Supply Chain Management gesetzt.
2.4.1 Ebenen in einem Netzwerk
Als Folge der zahlreichen Faktoren, welche die Globalisierung in den vergangenen Jahren forciert haben, müssen sich Unternehmen heute mit neuen, komplexen Herausforderungen auseinandersetzen. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, konzentrieren sich viele auf ihre Kernkompetenzen bei gleichzeitiger Sicherung globaler Ressourcen und Spezialisierungsvorteile. Als „Königs- weg“ gelten globale Netzwerke.83
Folgt man den Ausführungen von Messner, so stellt ein Netzwerk „ein Geflecht von Beziehungen zwischen autonomen Akteuren dar, die sich zusammenfinden, um ein gemeinsames Ergebnis zu erreichen“84.
Logistiknetzwerke zeichnen sich nach Scholz-Reiter/Tervo durch „eine ständig wachsende Komplexität aus und sind heute mehr denn je herausgefordert, sich schnell an die dynamisch sich verändernden Märkte anzupassen. Um ihre Chance am Markt zu verbessern, besinnen sich viele Unternehmen auf ihre Kern- kompetenzen und gehen deshalb Kooperationen mit Zulieferern und Distributoren ein."85 Unter Kooperation versteht Pfohl (in diesem Kontext) „die freiwillige Zusammenarbeit von Unternehmen, mit dem Ziel, hieraus gewisse Vorteile zu ziehen.“86
Durch den Trend zur Reduktion der Fertigungstiefe werden in produzierenden Unternehmen die vielseitigen Leistungsbeziehungen zu Lieferanten und Kunden belebt. Daraus resultiert eine ausgeprägte Vernetzung von Organisationseinheiten, da der Bezug von externen Leistungen zunimmt.87 Ein Netzwerk ist somit das maßgebliche Modell zur Darstellung der Grundstruktur von Logistiksystemen. Im Rahmen der Produktionslogistik kann es sich um logistische Netzwerke handeln, deren Fertigungssegmente die Knoten des Netzwerks darstellen.88
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 09: Verbindungsarten zwischen Netzwerkpartnern89
Die unternehmensübergreifende Zusammenarbeit durch Logistiknetzwerke stellt in vielen Branchen ein Hilfsmittel der Logistikoptimierung dar. Ihre größten Vorteile sind:90
- Synergie- und Kosteneffekte,
- Transfer von Logistik-Know-how,
- Zugang zu neuen Kunden und Märkten über zusätzliche Distributionsnetze,
- Aufteilung der Logistikrisiken entlang der Wertschöpfungskette,
- Konzentration auf Kernkompetenzen.
[...]
1 vgl. Baumgarten/Thoms (2002), S. 2; Wagschal (2006), S. 82
2 vgl. Rennemann (2007), S. 16
3 vgl. BSH (2007), S. 9
4 Informationsfluss wird in Gablers Logistiklexikon definiert als „Austauschbeziehung von Informationen zwischen einem oder mehreren Informationsentstehungsorten und einem oder mehreren Empfängern.“ [Klaus/Krieger (2004), S.211]
5 vgl. Baumgarten (2004), S. 51f.
6 vgl. Pawellek (2007), S. 15
7 Darstellung aus Cramer (2004), S. 8
8 vgl. Miebach/Müller (2006), S. 20
9 ebd., S. 20
10 Darstellung aus Baumgarten et al. (2004), S. 3
11 vgl. Pawellek (2007), S. 18f.
12 vgl. Kernler (2003), S. 1
13 vgl. Arndt (2006), S. 8
14 Prozess fortschreitender weltwirtschaftlicher Verflechtung
15 vgl. Arndt (2006), S. 8; Klaus/Kille (2006), S. 18
16 vgl. Corsten/Gabriel (2003), S. 20
17 vgl. Kernler (2003), S.1f.
18 „Die Wertschöpfungskette beschreibt die Abfolge von wertschöpfenden Aktivitäten innerhalb der einzelnen Wertschöpfungsstufen. Das Supply Chain Management fokussiert die Versorgungssicherheit und die Verfügbarkeit von Waren, Materialien und Informationen. Die zunehmende Arbeitsteilung zwischen Unternehmen führt zu unternehmensübergreifenden Wertschöpfungsnetzwerken, die eine Koordination hinsichtlich Kosten, Zeit, Menge und Qualität durch das SCM erfordert“ (Wildemann (2007), S. 1724)
19 vgl. Kernler (2003), S. 2
20 Von Käufermärkten wird gesprochen, wenn die Käufer eine stärkere Marktstellung als die Verkäufer haben.
21 vgl. Arndt (2006), S. 18
22 vgl. Baumgarten/Thoms (2002), S. 8; Corsten/Gabriel (2003), S. 24f.
23 vgl. Erdmann (2003), S. 20
24 vgl. Pawellek (2007), S. 144
25 vgl. Merkel/Heymans (2003), S. 7
26 vgl. Baumgarten (2004), S. 4
27 vgl. Ihde (1972), S. 19ff.
28 vgl. Baumgarten (2003a), S. 27; Arndt (2006), S. 38
29 vgl. BSH (2007), S. 20
30 vgl. Ihde (2001), S. 278
31 Darstellung aus Wildemann (2005a), S. 53
32 vgl. Schulte (2005), S. 343; Wildemann (2005a), S. 35
33 vgl. Pfohl (2003), S. 193
34 vgl. ebd., S. 193; Brand/Griebel/Schallner (2004), S. 323
35 vgl. Pawellek (2007), S. 14; BSH (2007), S. 20
36 vgl. Kaluza/Blecker (2000), S. 127
37 vgl. Stölzle/Hoffmann/Hofer (2005), S. 52; Wilhelm (2007), S. 28
38 vgl. Baumgarten/Thoms (2002), S. 20
39 vgl. Becker (2002), S. 65; Beckmann (2004), S. 1; Vahrenkamp (2005), S. 24f.
40 vgl. Busch/Dangelmaier (2004), S. 4; Roesgen (2007), S. 12
41 vgl. Betge (2006), S. 7; BSH (2007), S. 152
42 vgl. Heusler (2004), S. 1
43 Wildemann (2005b), S. 504
44 vgl. Zimmermann (2003), S. 13
45 vgl. Pfohl (2000), S. 27
46 vgl. Stölzle/Heusler/Karrer (2001), S. 73
47 vgl. Pfohl (2000), S. 11
48 Darstellung aus Busch/Lange/Langemann (2004), S. 10
49 vgl. Rüggeberg (2003), S. 21
50 Hahn (2002), S. 1064
51 vgl. Jahns/Wolf (2006), S. 235
52 Darstellung aus Baumgarten/Thoms (2002), S. 8
53 vgl. Busch/Dangelmaier (2004), S. 8f.
54 vgl. Werner (2008), S. 25
55 vgl. Cohen/Roussel (2006), S. 11
56 vgl. Bloech et al. (2004), S. 362
57 vgl. Rüggeberg (2003), S. 4
58 vgl. Baumgarten/Darkow (2002), S. 92; Baumgarten/Thoms (2002), S. 28; Beckmann (2004), S. 15
59 vgl. von Steinaecker/Kühner (2001), S. 41
60 vgl. Rüggeberg (2003), S. 22
61 vgl. Schönsleben (2007), S. 96
62 vgl. Schnetzler/Schönsleben (2005), S. 61ff.
63 vgl. Straube/Beyer (2006), S. 364
64 vgl. Kernler (2003), S. 55
65 vgl. Rüggeberg (2003), S. 6
66 vgl. Melzer-Ridinger (2003), S. 30
67 Schönsleben (2007), S. 164
68 Darstellung aus Slack/Chambers/Johnston (2004), S. 348
69 vgl. Becker (2004), S. 77
70 vgl. Melzer-Ridinger (2003), S. 30
71 vgl. Roth (2005), S. 128
72 vgl. Groll (2004), S. 14; Vahrenkamp (2005), S. 36f.; Slack et al. (2006), S. 227f.
73 vgl. Schönsleben (2007), S. 106
74 vgl. Rüggeberg (2003), S. 18
75 Darstellung nach Slack et al. (2006), S. 228
76 vgl. Alicke (2005), S. 99ff.
77 vgl. Alicke/Kowalewski (2001), S. 86ff.
78 vgl. Schönsleben (2007), S. 201
79 vgl. Bretzke/Klett (2004), S. 145
81 Darstellung aus Wildemann (2003), S. 3
82 vgl. Staberhofer/Rohrhofer (2007), S. 38
83 vgl. Jahns/Hartmann (2007), S. 129f.
84 Messner (1995), S. 170
85 Scholz-Reiter/Tervo (2005), S. 13ff.
86 Pfohl (2004a), S. 4
87 vgl. Milling/Dengel (2003), S. 136
88 vgl. Pfohl (2004c), S.106
89 Darstellung aus Pfohl (2004a), S. 16
90 vgl. Jahns et al. (2006), S. 22
- Arbeit zitieren
- Philippe Mattner (Autor:in), 2008, Die veränderte Rolle von Produktionslogistik und Supply Chain Management in Logistik-Netzwerken, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/91523
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