Medien und Politik beschäftigen sich seit Monaten intensiv mit der „Problematik des
demographischen Wandels“ in Deutschland. Im Vordergrund der Diskurse steht
dabei insbesondere die Bedeutung des Geburtenrückgangs. DER SPIEGEL betitelt
im September 2005 „Generation Kinderlos“ einen Bericht über die niedrige
Geburtenrate in Deutschland: „Kinder sind die Zukunft eines Landes – gerade in
Deutschland aber mangelt es an Nachwuchs. ... Der gesamte Wohlstand gerät in
Gefahr...“ (BORNSTEIN, JUNG und THEILE 2005: 62).
Die Bevölkerungsschrumpfung, die im direkten Zusammenhang mit dem
Geburtenrückgang in Deutschland steht, bringt erhebliche Auswirkungen für unsere
Gesellschaft und die Wirtschaft mit sich. Exemplarisch genannt seien die
Auswirkungen auf die Sozialversicherungssysteme und das Fehlen an
Steuerzahlern, Konsumenten und jungen, innovationsfreudigen Arbeitskräften, die für
ein fortschreitendes Wirtschaftswachstum in Deutschland notwendig sind.
Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen, die
einerseits durch eine geringe Geburtenrate und andererseits durch eine zunehmende
Zahl älterer Menschen entstehen, hat sich die Familienpolitik u. a. zum Ziel gemacht,
die Geburtenrate zu fördern. Um eine aktive Bevölkerungspolitik in diesem Sinne
betreiben zu können muss zunächst geklärt werden, woran es liegt, dass sich Paare
immer häufiger gegen Kinder entscheiden. Es stellt sich dabei die Frage: Welche
Einflussfaktoren auf den Kinderwunsch gibt es, die für oder gegen die Realisierung
des Kinderwunsches sprechen?
In der vorliegenden Arbeit sollen zunächst die demographischen Entwicklungen in
Deutschland betrachtet werden. Anschließend werden theoretische
Erklärungsansätze des generativen Verhaltens vorgestellt und Einflussfaktoren auf
den Kinderwunsch betrachtet, die für bzw. gegen die Entscheidung von eigenen
Kindern sprechen. Abschließend werden des Weiteren politische Perspektiven in
Betracht gezogen, die zur Förderung der Geburtenrate beitragen könnten.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Demographie
2.1 Geburtenhäufigkeit
2.2 Prognose
2.3 Ehen, Scheidungen, Lebensformen und Familiengründung
2.4 Zusammenfassung
3 Kinderwunsch
3.1 Theoretische Überlegungen
3.2 Einflussfaktoren
3.2.1 Negative Einflussfaktoren
3.2.1.1 Finanzielle Einschränkungen
3.2.1.2 Vereinbarkeit von Familie und Beruf
3.2.1.3 Persönliche Einschränkungen
3.2.1.4 Biographische, biologische und gesundheitliche Gründe
3.2.1.5 Zukunftssorgen
3.2.1.6 Angst vor Krankheit des Kindes
3.2.1.7 Wohnsituation
3.2.1.8 Partnerschaftliche Gründe
3.2.1.9 Gesellschaftliche Gründe
3.2.2 Positive Einflussfaktoren
3.2.2.1 Psychische Nutzendimension
3.2.2.2 Sozial-normative Nutzendimension
3.2.2.3 Ökonomisch-utilitaristische Nutzendimension
3.2.3 Zusammenfassung
4 Politische Perspektiven
5 Fazit
Anhang
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Medien und Politik beschäftigen sich seit Monaten intensiv mit der „Problematik des demographischen Wandels“ in Deutschland. Im Vordergrund der Diskurse steht dabei insbesondere die Bedeutung des Geburtenrückgangs. DER SPIEGEL betitelt im September 2005 „Generation Kinderlos“ einen Bericht über die niedrige Geburtenrate in Deutschland: „Kinder sind die Zukunft eines Landes – gerade in Deutschland aber mangelt es an Nachwuchs. ... Der gesamte Wohlstand gerät in Gefahr...“ (Bornstein, Jung und Theile 2005: 62).
Die Bevölkerungsschrumpfung, die im direkten Zusammenhang mit dem Geburtenrückgang in Deutschland steht, bringt erhebliche Auswirkungen für unsere Gesellschaft und die Wirtschaft mit sich. Exemplarisch genannt seien die Auswirkungen auf die Sozialversicherungssysteme und das Fehlen an Steuerzahlern, Konsumenten und jungen, innovationsfreudigen Arbeitskräften, die für ein fortschreitendes Wirtschaftswachstum in Deutschland notwendig sind.
Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen, die einerseits durch eine geringe Geburtenrate und andererseits durch eine zunehmende Zahl älterer Menschen entstehen, hat sich die Familienpolitik u. a. zum Ziel gemacht, die Geburtenrate zu fördern. Um eine aktive Bevölkerungspolitik in diesem Sinne betreiben zu können muss zunächst geklärt werden, woran es liegt, dass sich Paare immer häufiger gegen Kinder entscheiden. Es stellt sich dabei die Frage: Welche Einflussfaktoren auf den Kinderwunsch gibt es, die für oder gegen die Realisierung des Kinderwunsches sprechen?
In der vorliegenden Arbeit sollen zunächst die demographischen Entwicklungen in Deutschland betrachtet werden. Anschließend werden theoretische Erklärungsansätze des generativen Verhaltens vorgestellt und Einflussfaktoren auf den Kinderwunsch betrachtet, die für bzw. gegen die Entscheidung von eigenen Kindern sprechen. Abschließend werden des Weiteren politische Perspektiven in Betracht gezogen, die zur Förderung der Geburtenrate beitragen könnten.
2 Demographie
2.1 Geburtenhäufigkeit
„Die Geburtenhäufigkeit wird ... vorrangig mit der ´zusammengefassten Geburtenziffer´ quantifiziert. Diese gibt die durchschnittliche Kinderzahl an, die eine Frau im Laufe ihres Lebens hätte, wenn die Verhältnisse des betrachteten Jahres von ihrem 15. bis zu ihrem 49. Lebensjahr gelten würde. Diese Kennziffer ist unabhängig von der jeweiligen Altersstruktur der Bevölkerung.“ (Pötzsch, O.; Sommer, B. 2003: 10)
Ende des 19. Jahrhunderts gebar eine Frau im Schnitt um die 4,7 Kinder, bis 1915 verringerte sich die Geburtenziffer deutlich auf 2,92 Kinder pro gebärfähiger Frau (Bib 2004: 19). Wie der Abbildung 1 entnommen werden kann, lag im Jahr 1965 die Geburtenhäufigkeit in West- und Ostdeutschland bei einer Rate um 2,5 Kinder pro gebärfähiger Frau. Anschließend sank die Geburtenziffer bis Mitte der 70er Jahre deutlich auf 1,45 bzw. 1,54. In den alten Bundesländern schwankt seit Mitte der Siebziger die zusammengefasste Geburtenrate zwischen 1,28 bis 1,52 Kinder.
Entgegen dem westdeutschen Trend stiegen 1980 die im Schnitt geborenen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1 Quelle: Eigene Darstellung, Daten: Statistisches Bundesamt Pressestelle (2006)
Kinder in Ostdeutschland wieder auf 1,94 an. Nach der Wiedervereinigung verringerte sich diese Geburtenziffer auf einen Tiefstand von 0,84 Kinder im Jahr 1995. Seitdem steigt die Geburtenziffer wieder und lag im Jahr 2004 mit 1,31 Kinder pro gebärfähiger Frau am westdeutschen Durchschnitt (1,37 Kinder pro gebärfähiger Frau).
Die Zahl der Kinder, die eine Frau im Laufe ihres Lebens zu Welt bringt, ist von Generation zu Generation verschieden. Wie anhand Abbildung 2 erkannt werden kann, waren Frauen des Geburtsjahrgangs 1935 nur zu einem geringen Teil (zu 6,3%) ohne Kinder, zu über der Hälfte gebaren die Frauen drei und mehr Kinder. Die Kinderlosigkeit stieg seitdem stetig an und erreichte zum Geburtsjahrgang 1967 einen Höhepunkt von 28,6%. Dementsprechend sank die Mehrkindfamilie in diesem Jahrgang auf 20,6%. Wenn diese Frauen sich überhaupt für ein Kind entscheiden, dann haben sie bevorzugt zwei Kinder. Birg (2002: 74) interpretiert diese Feststellung damit, dass die Entscheidung Kinder zu bekommen „ ...eine folgenreichere Einschränkung des biographischen Universums der Lebenslaufalternativen“ (Birg 2002: 74) bedeutet, als sich anschließend für weitere Kinder zu entscheiden.
Frauen nach der Zahl der geborenen Kinder in Westdeutschland,
Geburtsjahrgänge 1935 - 1967, in %
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2
Quelle: BIB (2004: 25)Abbildung 2; Quelle: Bib (2004: 25)
(D ie Anteile, der von den Frauen geborenen Kindern beruhen teilweise auf Schätzungen, da in amtlichen Statistiken nur die Geburten „der Lebendgeborenenfolge“ für bestehende Ehen gezählt werden. Vorhergehende Ehen und die von unverheirateten Frauen geborenen Kinder werden in den amtlichen Geburtenstatistik also nicht erfasst, sie können nur geschätzt werden) (Bib 2004: 25).
Wie das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (Bib 2004: 27) beschreibt, werden in den Forschungen zum Thema Kinderlosigkeit zwei soziale Gruppen gefunden, die besonders häufig betroffen sind. Zum einen ist dies das „Karrieremilieu“; die Daten des Mikrozensus zeigen, dass 38% der Akademikerinnen im Alter von 35 - 39 Jahren kinderlos sind. Zum anderen tritt Kinderlosigkeit vorrangig bei Paaren mit einem niedrigen Einkommen auf. Diese Gruppe wir als „Milieu der konkurrierenden Optionen“ bezeichnet.
2.2 Prognose
Pötsch und Sommer (2003:10‑27) erklären in der 10. Bevölkerungsvoraus-berechnung folgendes:
In der Bevölkerungsvorausberechnung wird von einem weitgehend konstanten Geburtenverhalten ausgegangen. Es wird unterstellt, dass sich die Geburtenzahl in Deutschland bis zum Jahr 2050 auf dem Niveau von 1,4 Kinder pro Frau im gebärfähigen Alter langfristig stabilisieren wird. Die Annahme eines beständigen Geburtenverhaltens basiert auf empirischen Daten, die sich auf die Geburtenentwicklung seit Mitte der 50er Jahren stützen.
Um die gegenwärtige Bevölkerungszahl sichern zu können, wäre eine Geburtenhäufigkeit von 2,1 Kinder pro Frau notwendig. Dies bedeutet, dass bei einer angenommenen Geburtenziffer von 1,4 Kinder, die Eltern nur zu 2/3 durch die Nachkommen ersetzt werden. Dementsprechend würde die Anzahl potenzieller Mütter immer kleiner werden und die Bevölkerung zunehmend altern und schrumpfen.
In der Bevölkerungsvorausberechnung wurde unter verschiedenen Annahmen die Bevölkerungszahl in Deutschland bis zum Jahr 2050 errechnet. Unter Berücksichtigung der Geburtenentwicklung, der Lebenserwartung und der Zuwanderung wurden unterschiedliche Varianten der Bevölkerungsentwicklung ermittelt. Alle Varianten der Berechnungen zeigen, dass die Bevölkerung in Deutschland bis zum Jahr 2050 deutlich schrumpfen wird. Bei der Annahme geringer Wanderungen und geringer Erhöhung der Lebenserwartung würde die derzeitige Bevölkerungszahl von 82,5 Mio. auf 67 Mio. sinken. Lediglich bei der Variante mit einer sehr hohen Lebenserwartungs- und einer sehr hohen Wanderungsannahme bleibt die Bevölkerungszahl beinahe erhalten (81 Mio.).
2.3 Ehen, Scheidungen, Lebensformen und Familiengründung
Laut dem Statistischen Bundesamt (2005a) wurden 1950 10,8 Ehen je 1000 Einwohner geschlossen. 2004 lag die Zahl der Eheschließunge n bei 4,8 je 1000 Einwohner. Die geschlossenen Ehen sind in den letzten 50 Jahren um mehr als die Hälfte zurückgegangen.
Bei der Betrachtung der Scheidungen ist hingegen eine Zunahme zu verzeichnen.
Wurden 1970 noch 15,9 % der Ehen geschieden, stieg die Zahl in 30 Jahren, um mehr als das doppelte auf 38,5 % an (Kaufmann 2005: 125).
Mit Blick auf die sinkenden Zahlen der Eheschließungen und den steigenden Zahlen der Scheidungen, kann darauf geschlossen werden, dass die Ehe an Bedeutung verliert und sich alternative Lebensformen etablieren. Das BMGS (2005: 71-73) beschreibt die Situation wie folgt: „Im Jahr 2003 gab es in Deutschland rund 1,5 Mio. allein Erziehende mit Kindern unter 18 Jahren. Jedes achte Kind in Westdeutschland und jedes fünfte Kind in Ostdeutschland lebte bei einem allein erziehenden Elternteil“ (BMGS 2005: 72). Nichteheliche Lebensgemeinschaften mit Kindern sind in den vergangenen Jahren gestiegen und erreichten im Jahr 2003 einen Anteil von 7,4%. Daneben gab es im Jahr 2003 mindestens 58.000 statistisch registrierte gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften, davon 55% männliche und 45% weibliche Paare. Die Lebensform der Stieffamilie ist ebenfalls in Deutschland häufig anzutreffen. Nach Schätzungen gab es 1999 etwa 850.000 Stiefkinder, die mit einem leiblichen und einem Stiefelternteil zusammenlebten. Gut jede zweite eheliche Stieffamilie gilt als „komplexe Stieffamilie“ (BMGS 2005: 73), in der auch gemeinsame Kinder leben.
Das Heiratsalter lag im Jahr 2004 bei Frauen bei 29,4 Jahren, bei Männern bei 32,4 Jahren (Statistischen Bundesamt 2005b). Wenn geheiratet wird, dann erst im Alter um die 30 Jahre.
Ein ähnlicher Trend kann beim Blick auf den Zeitpunkt der Familiengründung (die Geburt des ersten Kindes) festgestellt werden. 2002 lag das Erstgebäralter (das durchschnittliche Alter der Eltern bei der Geburt des ersten Kindes) bei 29,3 Jahren, wobei 53,9% aller Kinder erst nach dem 29. Lebensjahr der Frau geboren wurden (Dorbritz, Lengerer und Ruckdeschel 2005: 35).
„Die Phänomene des Hinausschiebens des Zeitpunktes der Heirat und der Geburt des ersten Kindes erklären das Anwachsen der Kinderlosigkeit“ (Dorbritz und Schwarz 1996, zit. n. Borchardt und Stöbel-Richter 2004: 8). Es ist „...ein
hochsignifikanter Zusammenhang zwischen Kinderlosigkeit und Lebensform zu beobachten; bei einem Heiratsalter von über 30 Jahren konnte eine deutliche Zunahme der Kinderlosigkeit festgestellt werden“ (Borchardt und Stöbel-Richter 2004: 8). Wird die Entscheidung für ein Kind im Lebenslauf nach hinten verschoben, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Realisierung des Kinderwunsches nicht mehr erwünscht oder nicht mehr erfüllbar ist (Borchardt und Stöbel-Richter 2004: 8).
2.4 Zusammenfassung
In den letzten Jahrzehnten waren die demographischen Entwicklungen in Deutschland von einer sinkenden Geburtenziffer, wachsender Kinderlosigkeit, steigendem Erstgebär- und Heiratsalter und sinkenden Eheschließungs- und steigenden Scheidungsraten geprägt. Zudem haben sich neben der Ehe alternative Lebensformen wie die uneheliche Lebensgemeinschaft, Stieffamilien und Alleinstehende etabliert.
Prognostisch gesehen, ist für die nächsten Jahrzehnte eine gleich bleibenden Geburtenziffer, eine zunehmend alternde Gesellschaft und eine sinkenden Bevölkerungszahl zu erwarten.
3 Kinderwunsch
3.1 Theoretische Überlegungen
Mit der Kinderwunschthematik befassen sich Theorien zum generativen Verhalten. „ Als generatives Verhalten bzw. Handeln wird der die Fortpflanzung betreffende Teil demographisch relevanten menschlichen Verhaltens aufgefasst, so z.B. Eheschließungen, Schwangerschaftsverhütung, Geburten, Scheidungen, Abtreibungen u.ä.. Die Zahl der Kinder eines Paares ist auf dessen generatives Verhalten zurückzuführen“ ( Kasper 2004).
Theorien zum generativen Verhalten werden in der Literatur häufig diskutiert, wobei im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Diskurse die zunehmende Kinderlosigkeit potenzieller Eltern steht, die biologisch zwar in der Lage wären Kinder zu zeugen und zu gebären, es aber nicht tun (Steinbach 2005: 15.). Wie in Untersuchungen zum Kinderwunsch festgestellt wurde, ist bei den meisten Frauen und Männer durchaus ein Kinderwunsch vorhanden; im Durchschnitt wünschen sie sich 1,8 Kinder (Bmfsfj 2005a: 5). Die gewünschte Kinderzahl weicht damit deutlich von der derzeitigen Geburtenrate von 1,3 – 1,4 Kinder pro Frau ab. Die abweichende Geburtenziffer und die damit verbundenen steigenden Zahlen der Kinderlosen lässt die Frage auftauchen, was letztendlich die Entscheidung für oder gegen ein Kind beeinflusst. Theorien zum generativen Verhalten versuchen diese Erklärungslücke zwischen Kinderwunsch und dem tatsächlichen Geburtenverhalten zu schließen.
Mittlerweile existiert eine Vielzahl von Theorieansätzen. Überwiegend lassen sich diese demographischen, biologischen, sozio-ökonomischen, soziologischen und psychologischen Erklärungsansätzen zuordnen.
Borchardt und Stöbel-Richter (2004: 49) erklären folgendes: Bei Untersuchungen zum veränderten generativen Verhalten und seinen Ursachen lässt sich feststellen, dass den psychologischen Variablen eine zunehmend wichtigere Bedeutung zukommt. Durch die alleinige Betrachtung demographischer, ökonomischer und soziologischer Variablen, war das generative Verhalten nicht mehr erklärbar. ´Es hat sich gezeigt, dass der Erklärungsbeitrag von sozio-strukturellen Variablen wie Einkommen, Bildung, Beruf, Wohnort und Konfessionszugehörigkeit schwindet´ (Schneewind und Vaskovics 1997: 7; Rosenstiel et al. 1986, zit. n. Borchardt und Stöbel-Richter 2004: 49). Seit Einführung der Kontrazeptiva („Anti-Baby-Pille“) Mitte der 1960er Jahre, wurde die Option eröffnet, den Zeitpunkt der Schwangerschaft und damit die Entscheidung für ein Kind selbst zu bestimmen. Die Entscheidung für oder gegen ein Kind ist seitdem generell planbar und wurde somit zum individualisierten Kinderwunsch. In vielen Untersuchungen stellt sich daher die Frage, von welchen individuellen und psychologischen Variablen der Kinderwunsch beeinflusst wird.
Aufgrund des wissenschaftlichen Interesses an der psychologischen Dimension, wird im Folgenden das Augenmerk auf die psychologischen Theorieansätze gerichtet.
Psychologische Erklärungsansätze zum generativen Verhalten
Borchardt und Stöbel-Richter (2004: 11-22) beschreiben wie folgt:
Die psychologischen Ansätze betrachten die „...Motivationen des Kinderwunsches und deren langfristige Determinanten wie Persönlichkeit, die subjektive Bedeutung des Kinderwunsches, Einstellungen zu Schwangerschaft und Geburt, Werte und Wertorientierungen und die Partnerschaftsgeschichte“ (Borchardt und Stöbel-Richter 2004: 11 ). Sie beziehen das Erleben der einzelnen Frau, des einzelnen Mannes oder des Paares mit ein, wobei das Erleben nicht losgelöst von dem das Individuum umgebende soziale und ökologische Umfeld stattfindet. Die vorhandenen gesellschaftlichen Strukturen stellen die Rahmenbedingungen für die Entstehung individueller Wünsche, Entscheidungen und Handlungen in der Kinderfrage dar.
„Die meisten (psychologischen) Erklärungsansätze basieren wie die ökonomischen Theorien auf der Annahme rationaler Wahlhandlungen, bei denen die Individuen oder Paare sich für die Handlungsalternative entscheiden, deren erwarteter Nutzen in der Befriedigung emotionaler und sozialer Bedürfnisse am größten ist“ (Herter-Eschweiler 1998, zit. n. Borchardt und Stöbel-Richter 2004: 21/22).
Value of Children-Ansatz
Ein in der Literatur häufig diskutiertes Modell ist der Value of Children‑Ansatz (VOC-Ansatz) von Hoffmann und Hoffmann.
Der VOC-Ansatz versucht die Erklärungslücke zwischen Kinderwunsch und dem tatsächlichen Geburtenverhalten zu schließen, indem er den Nutzen, wie auch die Kosten von Kindern in das Modell einschließt.
Im Folgenden die Beschreibung des „Value of Children“- Ansatz von Borchardt und Stöbel-Richter (2004: 25-28): Hoffmann und Hoffmann legten bereit 1973 zugrunde, dass verschiedene Motivationen das generative Verhalten eines Menschen beeinflussen. Sie benennen dabei fünf Einflussfaktoren auf die Motivation sich für Kinder zu entscheiden:
- Alternative Ziele zu Kindern, wie Freizeitbeschäftigung, berufliche Karriere
- Kosten von Kindern: finanzielle Kosten, Verzicht auf andere Güter
- Barrieren, die es erschweren den angestrebten Wert von Kindern zu erreichen wie Krankheit, Wohnsituation, Arbeitslosigkeit
- Situativ förderliche Rahmenbedingungen
- Werte von Kindern
[...]
- Quote paper
- Iris Stiehle (Author), 2006, Kinder - nein Danke?! - Einflussfaktoren auf den Kinderwunsch, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/91484
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