Der Dekubitus gehört zu den gravierenden Gesundheitsrisiken für hilfe- und pflegebedürftige Menschen. Es gilt als allgemein anerkannt, dass während der perioperativen Behandlungsphase der Patienten ein deutlich erhöhtes Dekubitusrisiko besteht. Die bisher in den Funktionsbereichen angewandten Prophylaxemaßnahmen beschränken sich häufig auf die reduzierte Perspektive der mehr oder weniger konsequenten intraoperativen Druckentlastung ohne durchgängige Evaluation. Mit dem Erscheinen des Expertenstandards zur „Dekubitusprophylaxe in der Pflege“ durch das Deutsche Netzwerk für Qualitätssicherung in der Pflege im Jahre 2000, steht der Praxis zu diesem Pflegeproblem eine wissenschaftliche Grundlage für das pflegerische Handeln zur Verfügung. Die Standardkriterien beziehen sich auf Bedingungen der stationären bzw. poststationären Pflege und der dort möglichen Pflegeinterventionen. Für eine Umsetzung in den Funktionsbereichen ergeben sich hinsichtlich der spezifischen perioperativen Bedingungen diverse Fragestellungen. Im Besondern ist hier die geforderte standardisierte Risikoeinschätzung hervorzuheben. Mit Hilfe einer Vorstudie zur quantitativen Erhebung von perioperativ entstandenen Hautschädigungen wird die Entscheidung für eine Projektierung zur Untersuchung des Expertenstandards im perioperativen Kontext dargestellt. Nach Abschluss der Projektplanung hinsichtlich Teilaufgaben, Ressourcen, Projektgruppenstruktur und–Ablauf, werden die Fragestellungen systematisch abgearbeitet. Die einleitende Situationsanalyse bearbeitet die speziellen perioperativen Risikofaktoren und die zur Anwendung kommenden Lagerungshilfsmittel. Dazu werden die als variabel eingestuften Risikofaktoren aus den standardisierten Einschätzungsskalen nach BRADEN, NORTON und WATERLOW auf deren perioperative Wirksamkeit hin überprüft. Dies erfolgt ebenso für die verschiedenen Lagerungshilfsmittel in Abhängigkeit zur Liegezeit der Patienten. Für die quantitative Untersuchung kommt dabei Datenmaterial aus einer Stichprobengruppe von rund einhundert operierten Patienten zur Auswertung. Im Rahmen eines alternativen SOLL- Konzeptes werden alle Kriterien des Expertenstandards einem möglichen perioperativen Kontext gegenübergestellt und kommentiert, sodass die Bewertung der Umsetzungsmöglichkeit im Funktionsbereich erfolgen kann. Abschließend werden mögliche Maßnahmen und Folgeprojekte dargestellt, die zur Umsetzung des SOLL- Konzeptes notwendig erscheinen.
Inhaltsverzeichnis
Anlagenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Die Dekubitusprophylaxe im Funktionsbereich OP
1.1 Der Dekubitus als Pflegeproblem
1.2 Problemstellung
1.3 Fragestellungen und Hypothesen
1.4 Themenabgrenzung
1.5 Projektzugang
1.5.1 Vorstudie als Entscheidungshilfe zur Projektierung
1.5.2 Datenwahl für quantitative Situationsanalyse
1.5.3 Auswertung der Vorstudie
1.6 Projektplanung
1.6.1 Projektstrukturierung und Datenwahl
1.6.2 Projektgruppenstruktur
1.6.3 Planung von Projektablauf und Ressourcen
2 Die perioperative Dekubitusprophylaxe im Kontext des Expertenstandards
2.1 Situationsanalyse
2.1.1 Risikofaktoren für die Entstehung des Dekubitus
2.1.2 Standardisierte und perioperative Risikofaktoren
2.1.3 Überprüfung perioperativer Risikofaktoren in der Stichprobengruppe
2.1.4 Wertigkeit der standardisierten Risikoskalen
2.1.5 Hilfsmittel zur perioperativen Druckentlastung
2.2 Entwicklung alternativer Soll-Konzepte
2.2.1 Alternativen zu vorhandenen Lagerungshilfsmitteln
2.2.2 Die Kriterien des Expertenstandards unter perioperativen Bedingungen
2.2.3 Kommentierung der Kriterien aus fachpflegerischer Sicht
2.3 Mögliche Maßnahmen zur Umsetzung
3 Zusammenfassung und Ausblick
Literaturverzeichnis
Glossar
Anlagenverzeichnis
1. Nationaler Expertenstandard zur Dekubitusprophylaxe
2. Organigramm klinikinterner Projektbereich
3. Praxisstandard zur intraoperativen Patientenlagerung (Seite 1-2)
4. Planungsblatt – Vorstudie zur quantitativen Situationsanalyse
5. Erhebungsbogen zur quantitativen Situationsanalyse
6. Planungsblatt – Projekt (Seite 1-2)
7. Übersicht Ressourceneinsatz im Projekt
8. Norton-Skala, modifiziert
9. Braden-Skala
10. Waterlow-Skala
Verzeichnis Abbildungen
Abb.1 Auswahl der Stichprobengruppe für die Vorstudie
Abb.2 Konzentration der Stichprobe
Abb.3 Hautschädigungen in der Stichprobengruppe
Abb.4 Entscheidungskriterien zur Projektierung
Abb.5 Organisationsmodell der Projektgruppe
Abb.6 Kommunikationsstruktur zwischen den Beteiligten im Projekt
Abb.7 Verteilung der in Anspruch genommenen Ressourcen in Personal- und Zeitstunden
Abb.8 Risikofaktoren für die Entstehung eines Dekubitus
Abb.9 standardisierter Risikofaktoren und deren perioperative Wirksamkeit
Abb.10 Überprüfung der periop. Risikofaktoren in der Stichprobengruppe
Abb.11 postoperative Hautläsionen im Verhältnis zu verwendetem Lagerungs- mittel / Liegezeit
Abb.12 Ursachen für unvollständige Anwendung der 15cm-Weichlagerungs-matte
Abb.13 gefährdete Körperregionen für die Entstehung eines Dekubitus
Verzeichnis Tabellen
Tab.1 Grobgliederung der Arbeitspakete für das Projekt
Tab. 2 Operationalisierung der Risikofaktoren zur periop. Einschätzung
Tab. 3 Kriterien d. Expertenstandards im stationären u. operativen Kontext
Tab. 4 mögliche Maßnahmen zur Umsetzung alternativer SOLL-Konzepte
1 Die Dekubitusprophylaxe im Funktionsbereich OP
1.1 Der Dekubitus als Pflegeproblem
Der Dekubitus, dessen Entstehen durch adäquate Pflegemaßnahmen meist verhindert werden kann, gehört zu den gravierenden Gesundheitsrisiken pflegebe-dürftiger Menschen (vgl. Dt. Netzwerk f. Qualitätssicherung i.d. Pflege, 2000, S.7, S.9). Nach einer Expertise aus dem Jahre 1997 verursacht dieses Pflege-problem in der Bundesrepublik jährlich Behandlungskosten in Millionenhöhe (vgl. STEINGAß et al, 2002, S.585, 590). Neben dem Verlust an Lebensqualität für die betroffenen Patienten, unterstreicht auch die aktuelle Kostensituation im Gesundheitswesen die Relevanz dieser Thematik.
Druckgefährdete Personen sind in allen Bereichen des Gesundheitswesens anzutreffen. Daher hat das deutsche Netzwerkwerk für Qualitätssicherung in der Pflege im Jahr 2000 einen nationalen Expertenstandard „Dekubitusprophylaxe in der Pflege“ (s. Anlage 1) herausgegeben mit dem zentralen Ziel, die Entstehung eines Dekubitus zu verhindern. Der Standard basiert auf der Auswertung von über einhundertfünfzig Quellen aus der nationalen und internationalen Fachliteratur und wird als wissenschaftlich fundiert angesehen. Seine Einhaltung wird zunehmend von den medizinischen Diensten der Kassen (MDK) gefordert (vgl. FACHBERATUNG FÜR RECHT UND FÜHRUNG, 2004; DEMSKI / v. STÖSSER, 2004). BIENSTEIN stellte schon zu einem früheren Zeitpunkt fest, dass auch während der Operation ein erhebliches Dekubitusrisiko für den Patienten besteht, was die Relevanz der Problematik auch im pflegerischen Teilbereich der prä-, peri- und postoperativen Funktionspflege unterstreicht (vgl. BIENSTEIN, 1997, S.125). Eine Untersuchung von Lagerungsschäden bei Patienten im neurochirurgischen OP der Universitätsklinik Heidelberg weist ebenfalls auf die perioperative Dekubitusproblematik hin (vgl. UNI- HEIDELBERG, 1999).
1.2 Problemstellung
Der Gegenstandsbereich der folgenden Arbeit bezieht sich auf einen Operations-bereich mit siebzehn Operationssälen aus fünf operativen Fachgebieten und rund achtzig pflegerischen Mitarbeiter/innen. Der aus leitenden und ausbildenden Fachkräften gebildete „Arbeitskreis Pflegequalität“ (s. Anlage 2) war zuständig für die Erstellung fachübergreifender Praxisstandards, in denen u.a. die Maß-nahmen zur Dekubitusprophylaxe abgehandelt wurde (s. Anlage 3). Aus dem grundsätzlich angenommenen perioperativen Dekubitusrisiko, resultierte eine druckreduzierende Weichlagerung mit Gelmatten. Die standardisierte Ein-schätzung des individuellen Dekubitusrisikos der Patienten erfolgte nicht. Der nationale Expertenstandard zur Dekubitusprophylaxe in der Pflege lag bei der Literaturrecherche zur Erstellung des Praxisstandards noch nicht vor. Eine Überprüfung des Praxisstandards im Jahre 2001 mittels Checklisten zeigte einen hohen Erfüllungsgrad der Struktur- und Prozesskriterien. Auf die Überprüfung der Ergebniskriterien wurde verzichtet, da keine Meldungen über im OP entstandenen Hautläsionen vorlagen. Die von der Stabsstelle „Pflegeexperte Wundmanagement“ (siehe Anlage 2) verfasste Statistik des Jahres 2002 über intern entstandene Dekubitalulcera zeigte lediglich zwei Fälle, bei denen als Entstehungsort der OP aufgeführt war. Bei rund 15.000 operierten Patienten p.a. (Quelle hausinterner Zahlenbericht 2002) wurde dies als tolerabel eingestuft.
Ab dem 2. Quartal 2003 gingen bei der Pflegedienstleitung vermehrt Meldungen über Dekubitalulcera im Steißbereich der Patienten ein, die in den OP-Bereichen entstanden sein sollten. Dabei waren verschiedene Fachbereiche und Patienten mit unterschiedlicher physischer Grundsituation betroffen. Eine präoperative Risiko-einschätzung lag in den meisten Fällen nicht vor. Als Sofortmaßnahme wurden, nach Rücksprache mit der Pflegeexpertin für Wundmanagement, für alle OP-Bereiche 15 cm dicke Weichlagerungsmatratzen aus viskoselastischem Material beschafft, die eine höhere Druckentlastung erreichen sollten, als die bisher ver-wendeten Gelmatten. Trotz der Anschaffung in ausreichender Menge erfolgte deren Einsatz nicht in dem geplanten Ausmaß.
Mit dem nationalen Expertenstandard zur Dekubitusprophylaxe lagen mittlerweile wissenschaftliche Erkenntnisse vor, die bisher keinen Einfluss auf die Inhalte der hausinternen Praxisstandards hatten. Die Anpassung von Standards an den Stand von Wissenschaft und Technik ist jedoch grundlegender Bestandteil von Qualitätssicherung und Risikomanagement. Auch die unmittelbar postoperative Versorgungsphase der Patienten im Aufwachraum, war nicht in eine durchgängige Interventionskette der Dekubitusprophylaxe integriert.
Die folgende Arbeit untersucht Möglichkeiten und Verbesserungspotentiale durch die Umsetzung des Expertenstandards „Dekubitusprophylaxe in der Pflege“ in den perioperativen Funktionsbereichen.
1.3 Fragestellungen und Hypothesen
Aus der Problemstellung entwickelten sich die nachfolgenden Fragestellungen und Hypothesen.
Fragestellung 1: Wie hoch ist die tatsächliche Anzahl der perioperativ induzierten Hautläsionen und Dekubiti im Untersuchungsbereich?
Hypothese 1: Die Anzahl der in den Funktionsbereichen des OP entstandenen bzw. induzierten Dekubiti ist höher als bisher angenommenen.
Fragestellung 2a: Welche Faktoren sind für die perioperative Entstehung eines Dekubitus von besonderer Bedeutung?
Fragestellung 2b: Welcher Stellenwert ergibt sich daraus für eine perioperative Risikoeinschätzung mittels der standardisierten Einschätzungsskalen nach NORTON, BRADEN und WATERLOW (s. Anlage 6-8)?
Fragestellung 2c: Welche Hilfsmittel zur Druckentlastung stehen in den Funktionsbereichen zur Verfügung und welche Wirksamkeit ist zu erwarten? Aus welchen Gründen kamen die angeschafften Weichlagerungsmatten bisher nicht im gewünschten Ausmaß zur Anwendung?
Fragestellung 2d: Welche alternativen SOLL- Konzepte können sich aus den Kriterien des Expertenstandards für die perioperative Dekubitusprophylaxe ergeben?
Hypothese 2: Der Expertenstandard zur Dekubitusprophylaxe in der Pflege kann grundsätzlich auch unter perioperativen Bedingungen umgesetzt werden
Fragestellung 3: Welche Maßnahmen sind zur Umsetzung alternativer SOLL- Konzepte zu planen?
1.4 Themenabgrenzung
Die Arbeit ist als Machbarkeitsstudie hinsichtlich neuer Pflegeprozessabläufe der Dekubitusprophylaxe innerhalb der Funktionsbereiche ausgelegt. Es wird nicht die eigentliche Umsetzung der Maßnahmen und deren Evaluation beschrieben. Wie bereits einleitend beschrieben, sind gefährdete Personen in allen Bereichen des Gesundheitswesens anzutreffen; gleiches gilt somit auch für alle Phasen des Krankenhausaufenthaltes eines Patienten. Daher muss die Verhinderung eines Dekubitus grundsätzlich als interdisziplinäre Aufgabe angesehen werden. Die Untersuchung dazu notwendiger Informations- und Kooperationsstrukturen zwischen den verschieden Bereichen einer Einrichtung kann in dieser Arbeit nur ansatzweise erfolgen. Gleiches gilt für den grundsätzlichen Umgang mit dem Pflegeprozess, bzw. dessen Implementierung bei den Pflegenden, da das Thema Dekubitusrisiko nur eines von vielen Pflegeproblemen darstellt.
Im Bezug auf die geschilderte Problemlage richtet sich der Fokus der Situations-analyse exemplarisch auf das Dekubitusrisiko im Steiß- bzw. Sacralbereich, obwohl auch andere potentiell gefährdete Körperregionen einem besonderen intraoperativen Risiko ausgesetzt sein können.
1.5 Projektzugang
Die Problemstellung sowie die Inhalte des Expertenstandards waren wiederholt auf den Routinebesprechungen zwischen Bereichsleitungen und Pflegedienst-leitungsteam thematisiert worden. Hier erfolgte im Konsens die Einschätzung, dass die Problembearbeitung ein Projekt – „...ein Vorhaben, das im wesentlichen durch die Einmaligkeit der Bedingungen in ihrer Gesamtheit gekennzeichnet ist...“ (s. WAGNER (1), 2002, S.11) – mit erheblichen Aufwand an Zeit und Bindung personellen Ressourcen darstellen würde. Es bestand keine Einigung über die Möglichkeiten zur Umsetzung des Expertenstandards. Viele der dort aufgeführten Prozesskriterien erschienen als undurchführbar. Die noch offene Aufgabenstellung ohne Klarheit über Lösungsweg und Bearbeitungsmethode sowie hohem Risiko, klassifizierte dieses Projekt nach WAGNER als sog. Pionierprojekt (vgl. WAGNER (1), 2002, S.11). Eine Vorstudie sollte durch Erzeugung relevanter Informationen über den Projektbedarf als Entscheidungs-hilfe und Richtungsweisung für die nachfolgende Projektierung dienen (vgl. WAGNER (1), 2002, S.37).
1.5.1 Vorstudie als Entscheidungshilfe zur Projektierung
Die Zielsetzung der Vorstudie lag somit in der Überprüfung der Anzahl von im OP entstandener Dekubiti (Hypothese 1). Neben einer quantitativen Erhebung der postoperativen Hautschädigungen, sollte gleichzeitig das Grundlagenmaterial für die Situationsanalyse eines ggf. nachfolgenden Projektes erfasst werden.
Bedingung für die Durchführung der Vorstudie war ein möglichst geringer Ressourceneinsatz ohne übermäßige Belastung der im Tagesablauf einge-bundenen Pflegeakteure. Die Erstellung des Ablaufplanes der Vorstudie (s. An-lage 4) erfolgte auf Basis dieser Vorgabe. Die Vorbereitung, ein Großteil der Durchführung sowie die Ablaufüberwachung und Auswertung der Vorstudie wurde von den Mitarbeitern der Pflegedienstleitung – als Initiatoren des Projektes – durchgeführt. (vgl. WAGNER (1), 2002, S.37) Diese Gruppe bestand aus der Pflegedienstleitung (Planungskürzel = PDL) und der qualitätsbeauf-tragten Fachpflegekraft (Planungskürzel = PDL-A). Vom 01.09.03 bis 30.01.04 stand zusätzlich ein Student (Planungskürzel = PDL-S) des Studiengangs Pflege-management im Praxissemester zur Verfügung. Das Leitungspersonal aller involvierten Bereiche (Planungskürzel= BLG) wurde regelmäßig informiert, an den Entscheidungsprozessen beteiligt und war für den Informationsfluss an die Pflegenden (Planungskürzel = PP/OP) sowie deren Einweisung in den Erhebungsbogen zuständig.
1.5.2 Datenwahl für quantitative Situationsanalyse
Im Rahmen einer Querschnittsstudie wurde aus der Gesamtanzahl aller operierten Patienten innerhalb eines 3-wöchige Erfassungszeitraumes (n=829) eine gezielte Stichprobe gezogen. Das aus organisations-pragmatischer Sicht gewählte Zeit-fenster repräsentierte eine durchschnittliche Operationskapazität. In die Stich-probe wurden nach dem Konzentrationsprinzip die Patienten (n=135) aufge-nommen, bei denen postoperativ eine Nachbetreuung auf der Intermediate-Care (IMC) bzw. Intensiv- Station notwendig war. (s. Abb. 1)
Abb. 1 Auswahl der Stichprobengruppe für die Vorstudie (eigene Darstellung)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die gewählte Konzentration begründet sich in der besonderen Fallschwere (OP-Zeit) bzw. dem reduzierten Allgemeinzustandes der Patienten in dieser Gruppe, wodurch mit einer erhöhten Prädisposition für die Dekubitusentstehung zu rechnen war. Zur Validitätsprüfung der Auswahl diente der Vergleich von: Alter der Patienten, Narkoserisiko nach ASA- Score und OP-Zeit zwischen der Gesamtgruppe und der Gruppe der Stichprobe (s. Abb. 2).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2 Konzentration der Stichprobe (ASA-Score zur besseren Darstellung mit 10 multipliziert) (eigene Darstellung)
Die Erfassung der Patienten im OP-Bereich erfolgte über Erhebungsbogen (s. An-lage 5). Präoperativ wurden nur die zur Identifizierung des Patienten notwendigen Daten sowie die tatsächlich angewendeten Hilfsmittel zur Druckentlastung dokumentiert. Postoperativ erfolgte bei Übergabe aus dem OP die Dokumentation des Hautzustandes in der Steißregion durch den Fingertest nach PHILLIPS (vgl. Dt. Netzwerk f. Qualitätssicherung i.d. Pflege, 2000, S.21). Bei allen Patienten wurde am 1. postoperativen Tag ein erneuter Hautstatus nach Aktenlage auf der IMC- bzw. Intensivstation erhoben. Diese Zweiterhebung begründet sich auf den von der Expertengruppe angegebenen Stand der Literatur, nachdem auf eine wiederholte Risikoeinschätzung nach 24-48 Stunden hingewiesen wird (vgl. Dt. Netzwerk f. Qualitätssicherung i.d. Pflege, 2000, S.11). Trotz fehlender Evidenz dieser Aussage erscheint die Messung sinnvoll, da zu diesem Zeitpunkt in der Regel auch eine Risikoveränderung durch Steigerung der Aktivität und Mobilisationsfähigkeit der Patienten eintritt.
1.5.3 Auswertung der Vorstudie
Die Auswertung der quantitativen Untersuchung über postoperativen Haut-schädigungen führte zu folgendem Ergebnis (s. Abb. 3)
Abb. 3 Hautschädigungen in der Stichprobengruppe (eigene Darstellung)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bei der Übergabe aus dem OP wurden bei Patienten 14 deutliche Hautrötungen im Steißbereich festgestellt. Die Prüfung mittels Fingertest nach PHILLIPS ergab jedoch in keinem Fall den Nachweis eines Dekubitus. Die zweite Erhebung am ersten postoperativen Tag zeigte sieben Patienten mit einem nachfolgenden Dekubitus Grad 1.
Der Zeitraum vom Einwirken der Risiken bis zum Entstehen eines Dekubitus ist als individuell anzusehen und von den jeweils eintretenden Risikoveränderungen abhängig (vgl. Dt. Netzwerk f. Qualitätssicherung i.d. Pflege, 2000, S.11). Postoperativ ist auf Grund der reduzierten Bewusstseinslage der Patienten nach invasiven Eingriffen mit deren eingeschränkter Compliance für Mobilisations- und Lagerungsmaßnahmen bis etwa zum Morgen des ersten postoperativen Tages zu rechnen, so dass bis zu diesem Zeitpunkt auch keine erheblichen Veränderungen des Dekubitusrisikos eintreten. Daher erschien es sinnvoll, diesen Zeitraum in den Abhängigkeits-bereich operationsbedingter Risiken einzu-beziehen. Der Begriff „perioperativ“ wird daher vom Verfasser bezüglich der Dekubitusproblematik auf diesen Zeitraum erweitert definiert. Für die Über-prüfung der in der Eingangsproblematik gestellten Hypothese 1 (Anzahl der im Funktionsbereich des OP entstandenen Dekubiti) waren daher alle dokumentierten Dekubitusfälle zu werten. Daraus resultierte eine Dekubitusquote von >5 Prozent in der Stichprobengruppe. Die Hochrechnung auf ein Jahr (Patienten / Tage im Erfassungszeitraum * 250 Tage) ergab eine postoperative Dekubitusquote von >0,8 Prozent (= 111 Patienten) und lag deutlich über dem in der Ausgangslage angenommenen Wert (s. 1.2, S.5). Da davon auszugehen ist, dass auch einige Patienten außerhalb der Stichprobengruppe eine perioperative Hautschädigung erleiden, ist der Wert noch um den Faktor X zu erhöhen. Die Hypothese 1 wurde somit als verifiziert angesehen. Leider gelang es trotz ein-gehender Recherche nicht, entsprechende Vergleichswerte in der Literatur ausfindig zu machen.
Im Expertenstandard ist als endständiges Ergebniskriterium formuliert: „der Patient/Betroffene hat keinen Dekubitus“. Diese Aussage wird nachfolgend für den Fall relativiert, wenn die Situation des Patienten einer konsequenten An-wendung erforderlicher Prophylaxemaßnahmen entgegensteht (vgl. Dt. Netzwerk f. Qualitätssicherung i.d. Pflege, 2000, S.19). Inwieweit dies für die perioperative Behandlungsphase zutrifft, kann nur durch eine Situationsanalyse geklärt werden. Die Tragweite eines entstandenen Dekubitus für den Betroffenen sowie der finanzielle Abmangel infolge nicht abrechenbarer Leistungen entsteht unabhängig von seiner eventuellen Unvermeidbarkeit. Mit den Leitungsverantwortlichen wurde der Bedarf für ein entsprechendes Projekt anhand der entscheidungs-relevanten Kriterien untersucht (s. Abb. 4).
Abb.4 Entscheidungskriterien zur Projektierung (vgl. WAGNER (1), 2002, S.36)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
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- Arbeit zitieren
- Michael Barkow (Autor:in), 2006, Der Expertenstandard "Dekubitusprophylaxe in der Pflege". Möglichkeiten zur Umsetzung im operativen Funktionsbereich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/91483
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