In dieser Arbeit werden die Einflussfaktoren auf den Wohnungsmarkt am Beispiel der Bayerischen Landeshauptstadt gezeigt, die aktuelle Wohnungsmarktentwicklung in München analysiert und die lokalen Marktverhältnisse mit jenen in anderen ausgewählten Metropolen verglichen. Die Ausarbeitung und Auswertung relevanter Kenngrößen für unterschiedliche Märkte gibt Aufschluss über die derzeitige Marktlage und zukünftige Entwicklungsmöglichkeiten.
Dazu werden im ersten Schritt die Wirkmechanismen des Wohnungsmarktes untersucht und Einflussfaktoren auf Angebot und Nachfrage identifiziert. Anschließend werden die Triebkräfte und deren Entwicklung auf der Nachfrageseite analysiert. Die Prüfung der Struktur und Motivation der angebotsseitigen Gegenspieler führt im weiteren Verlauf zur Untersuchung des Münchner Wohnungsbestandes. Aktuelle Zahlen zu Baurechtschaffungen, Bautätigkeiten und Fertigstellungen sowie geplante Projektentwicklungen werden als Indikatoren zur mittelfristigen Angebotsentwicklung in Augenschein genommen.
Die Entwicklungsrecherche zu ökonomischen Rahmenparametern wie Kaufkraft, Arbeitslosenquote, Bau- und Baulandpreisen sowie zum Zinsniveau für Wohnbaukredite komplettiert die Untersuchung der Einflussfaktoren auf die Wohnraumanbieter. Abschließend werden die gewonnenen Kenngrößen zur Erschwinglichkeit, zum Price-Rent-Ratio und zum Price-Income-Ratio mit ausgewählten Metropolen im internationalen Kontext verglichen und daraus Schlüsse für die weiteren Entwicklungsmöglichkeiten des Münchner Wohnungsmarktes abgeleitet.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Wohnungsmarktanalyse
2.1 Theoretische Grundlagen
2.1.1 Immobiliensystem
2.1.2 Einflussfaktoren auf die Mietpreisbildung
2.1.3 Preisfindung durch Angebot und Nachfrage
2.1.4 Zusammenfassung
2.2 Wohnungsnachfrage
2.2.1 Einflussfaktoren auf die Wohnungsnachfrage
2.2.2 Gründe für die Wohnungsnachfrage
2.2.3 Bevölkerungsbestand und -entwicklung
2.2.4 Haushalts- und Familientypen
2.2.5 Mikro- und Makroökonomische Faktoren
2.2.6 Nachfrageseitige Subventionen
2.2.7 Zusammenfassung
2.3 Wohnungsangebot
2.3.1 Struktur des Wohnungsmarktes
2.3.2 Wohnungsbestand und Bautätigkeit
2.3.3 Ökonomische Einflussfaktoren
2.3.4 Zusammenfassung
2.4 Internationale Vergleichsmärkte
2.4.1 Auswahl der Vergleichsmärkte
2.4.2 Wohnqualitäten im Vergleich
2.4.3 Verfügbare Fläche für 1.500 USD
2.4.4 Affordability
2.4.5 Price-Income-Ratio
2.4.6 Price-Rent-Ratio
2.4.7 Zusammenfassung
3 Limitationen
4 Präsentation der Ergebnisse
5 Diskussion der Ergebnisse
6 Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Immobiliensystem
Abb. 2: Einflussfaktoren auf die Mietpreisbildung
Abb. 3: Wohnungsmarktzyklus
Abb. 4: Zu- und Abgänge von Wohnungen
Abb. 5: Transparency Index für Deutschland
Abb. 6: Nachfrage am Wohnungsmarkt
Abb. 7: Bevölkerungsentwicklung Deutschland
Abb. 8: Wanderungssaldo München
Abb. 9: Geburtenüberhang München
Abb. 10: Bevölkerungsentwicklung München
Abb. 11: Altersstruktur Bevölkerung München
Abb. 12: Bevölkerungsquerschnitt BRD, München
Abb. 13: Durchschnittliche Wohnfläche pro Einwohner Münchens
Abb. 14: Durchschnittliche Wohnfläche pro Person im nationalen Vergleich
Abb. 15: Durchschnittliche Haushaltsgröße in München
Abb. 16: Haushalte und Wohnungsbestand München
Abb. 17: Haushaltszusammensetzung München
Abb. 18: Altersstruktur der Ein-Personen-Haushalte und Haushaltsgrößen
Abb. 19: Bevölkerung in Privathaushalten nach Altersgruppen und Haushaltsgröße
Abb. 20: Einwohnerzuwachs nach Alters- und Haushaltsgruppen 2014 vs. 2030
Abb. 21: Zuwachs Haushalte nach Größe bis 2030
Abb. 22: Lebenszyklus und Haushaltsgröße
Abb. 23: Münchens Eigentümerquote im Europäischen Vergleich
Abb. 24: Verfügbares Einkommen, Mietbelastung, Verbraucherpreisindex
Abb. 25: Erschwinglichkeit München
Abb. 26: Arbeitslosenquote München, Bayern, Deutschland
Abb. 27: Wohnungseigentümerstruktur in München und Deutschland
Abb. 28: Eigentümer des Gebäudes
Abb. 29: Privateigentümer nach Umfang des Eigentums
Abb. 30: Immobilienvermögen in Deutschland indirekte Vehikel
Abb. 31: Chart DAX vs. E&G - DIMAX
Abb. 32: Private Wohnungsunternehmen in München
Abb. 34: Anzahl verkaufter Wohnungen nach Verkäufertyp
Abb. 35: Anzahl verkaufter Wohnungen nach Käufertyp
Abb. 36: Anbietermotive
Abb. 37: Der Bestand an Wohnungen 1980 - 2018
Abb. 38: Haushalte und Wohnungsbestand München
Abb. 39: Wohnungsstruktur München
Abb. 40: Struktur der Haushalte und Wohnungsstruktur
Abb. 41: Struktur der Haushalte und Wohnungsstruktur
Abb. 42: Fertiggestellte Wohnungen in München
Abb. 43: Wohnungsbestand und jährlicher Reinzugang
Abb. 44: Genehmigte und Fertiggestellte Wohnungen
Abb. 45: Bauüberhang im Wohnungsbau
Abb. 46: Entwicklung Versiegelungsgrad München
Abb. 47: Versiegelung im nationalen Vergleich
Abb. 48: Flächennutzung München
Abb. 49: Aktuelle Entwicklungsflächen in München
Abb. 50: Wohnungsbaukredite und Bauaktivität
Abb. 51: Preisindizes für den Neubau von Wohngebäuden
Abb. 52: Entwicklung der Kaufpreise für Eigentumswohnungen
Abb. 53: Entwicklung der Mietpreise in München
Abb. 55: Price-Rent-Ratio, Price-Income-Ratio
Abb. 56: Bevölkerungsentwicklung Metropolen
Abb. 57: Number of households vs. Current population
Abb. 58: Verfügbare Fläche für 1.500 USD
Abb. 59: Erschwinglichkeit im internationalen Vergleich
Abb. 60: Price-Income-Ratio
Abb. 61: Price-Rent-Ratio
1 Einleitung
Bereits im Jahr 1983 betitelt die ZEIT einen Artikel über das geschichtliche Verhältnis zwischen Mietern und Vermietern mit der Schlagzeile: „Die Miete ist immer zu Hoch“ (Prause, 1983). Beispiele, die bis in die Römerzeit zurückreichen, beschreiben in dieser Veröffentlichung die immerwährende Unzufriedenheit von Mietern mit der Mietpreisentwicklung. Die Wohnungspolitik ist seit den ersten Jahren der Weimarer Republik, zu Beginn des 20. Jahrhunderts, ein zentraler Bestandteil der Sozialpolitik und wird meist als unzureichend mieterfreundlich empfunden (Prause, 1983).
In dieser Arbeit werden die Einflussfaktoren auf den Wohnungsmarkt am Beispiel der Bayerischen Landeshauptstadt gezeigt, die aktuelle Wohnungsmarktentwicklung in München analysiert und die lokalen Marktverhältnisse mit jenen in anderen ausgewählten Metropolen verglichen. Die Ausarbeitung und Auswertung relevanter Kenngrößen für unterschiedliche Märkte gibt Aufschluss über die derzeitige Marktlage und zukünftige Entwicklungsmöglichkeiten. Eine objektive Untersuchung der aktuellen Marktlage soll die einleitend zitierte Schlagzeile be- oder entkräftigen.
Dazu werden im ersten Schritt die Wirkmechanismen des Wohnungsmarktes untersucht und Einflussfaktoren auf Angebot und Nachfrage identifiziert. Anschließend werden die Triebkräfte und deren Entwicklung auf der Nachfrageseite analysiert. Die Prüfung der Struktur und Motivation der angebotsseitigen Gegenspieler führt im weiteren Verlauf zur Untersuchung des Münchner Wohnungsbestandes. Aktuelle Zahlen zu Baurechtschaffungen, Bautätigkeiten und Fertigstellungen sowie geplante Projektentwicklungen werden als Indikatoren zur mittelfristigen Angebotsentwicklung in Augenschein genommen. Die Entwicklungsrecherche zu ökonomischen Rahmenparametern wie Kaufkraft, Arbeitslosenquote, Bau- und Baulandpreisen sowie zum Zinsniveau für Wohnbaukredite komplettiert die Untersuchung der Einflussfaktoren auf die Wohnraumanbieter. Abschließend werden die gewonnenen Kenngrößen zur Erschwinglichkeit, zum „Price-Rent-Ratio“ und zum „Price-Income-Ratio“ mit ausgewählten Metropolen im internationalen Kontext verglichen und daraus Schlüsse für die weiteren Entwicklungsmöglichkeiten des Münchner Wohnungsmarktes abgeleitet.
2 Wohnungsmarktanalyse
In den nächsten Kapiteln wird eine deskriptive Untersuchung des Münchner Wohnungsmarktes hinsichtlich der Mietpreisentwicklung die Grundlage für eine Einordnung im internationalen Vergleich schaffen. Verschiedene allgemeingültige Zusammenhänge aus der Immobilienwirtschaft werden dabei auf den Münchner Markt angewendet, Kenngrößen entwickelt und in zeitliche Relation gesetzt bzw. mit denjenigen anderer Märkte verglichen. Durch dieses deduktive Vorgehen wird abschließend geklärt, inwieweit der Münchner Wohnungsmarkt derzeit unverhältnismäßig teuer ist. Nach einer einleitenden Theorierecherche zur Kenngrößenermittlung werden mittels quantitativer Forschung Datensätze gesammelt und ausgewertet. Dabei wird den Kriterien Objektivität, Reliabilität und Validität besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Die Datenquellen werden sorgfältig ausgewählt und evaluiert. Nachdem die Daten aufbereitet wurden und Kenngrößen herausgearbeitet sind, können diese miteinander verglichen werden.
2.1 Theoretische Grundlagen
Zunächst wird im Folgenden eine Einordnung des Mietwohnungsmarktes im Immobiliensystem vorgenommen. Anschließend werden objekt- und marktspezifische Einflussfaktoren auf die Mietpreisbildung identifiziert und dabei die Eigenheiten des Immobilienmarktes erörtert.
2.1.1 Immobiliensystem
Ursprünglich ist ein Markt ein „Ort“, an dem Angebot und Nachfrage aufeinandertreffen (Brauer, Grundlagen der Immobilienwirtschaft, 2011, S. 13). Der Immobilienmarkt besteht aus einer Vielzahl unterschiedlicher Lokalmärkte, die in Abhängigkeit zueinander stehen und in Teilen grundsätzliche Abweichungen zu einem idealen Markt aufweisen (Kurzrock, 2015, S. 18). Die vielseitigen räumlichen Teilmärkte sind eine Folge der Eigenheiten „Standortgebundenheit“ und „Heterogenität“ des gehandelten Guts „Immobilie“ (Brauer, Grundlagen der Immobilienwirtschaft, 2011, S. 14). Regional unterschiedliche Marktentwicklungen mit Angebots- und Nachfrageüberhängen haben differenzierte Preisentwicklungen zur Folge. Zudem ist der Immobilienmarkt in besonderem Maße von den vor- und nachgelagerten Märkten, deren Zusammenwirken und Einflussfaktoren die folgende Grafik zeigt, abhängig (Kofner, Wohnungsmarkt und Wohnungswirtschaft, 2010, S. 24).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Neben den Bewegungen auf den Bau-, Flächen- Transaktions- und Kapitalmärkten beeinflussen auch die Märkte, in denen die Nachfrager bzw. Nutzer tätig sind, den Immobilienmarkt (Vornholz, 2015, S. 32).
Der Wohnimmobilienmarkt ist ein sachlicher Teilmarkt der Immobilienmärkte. Er unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von anderen Teilmärkten, wie beispielsweise dem Büromarkt. Innerhalb des Wohnimmobilienmarkts wird weiter unterschieden zwischen dem Miet- und dem Eigentumsmarkt (Brauer, Grundlagen der Immobilienwirtschaft, 2011, S. 15). Der Wohnungsmietmarkt wird somit von einer Vielzahl örtlich und sachlich unterschiedlicher Märkte beeinflusst, deren Entwicklung und Wirkmechanismen für eine Markteinschätzung untersucht werden müssen.
2.1.2 Einflussfaktoren auf die Mietpreisbildung
Im Wesentlichen wird die Mietenentwicklung vom Wohnungsangebot im Verhältnis zur Wohnungsnachfrage und der daraus resultierenden Konkurrenzsituation bestimmt. Die Interessentenanzahl und -struktur variiert jedoch in Abhängigkeit von objektspezifischen Eigenschaften stark (Iwanow, 2008, S. 103). Für jede einzelne Immobilie oder Mietwohnung, die gehandelt wird, bildet sich eine einmalige Interessentengruppe, deren Zahlungsbereitschaft bei sonst unregulierten Bedingungen den zeitabhängigen Marktwert einer Mietwohnung definiert. Für die Nachfrager sind die folgenden Objekteigenschaften von prioritärer Bedeutung:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Divergierende Lage- und Objekteigenschaften einer Mietwohnung sprechen unterschiedliche Interessentengruppen an. Die Wohnungsgröße beispielsweise kann für Familienoder Single-Haushalte geeignet sein. Die Lage des Gebäudes innerhalb einer Stadt oder innerhalb eines Stadtteils zieht nachweislich unterschiedliche Bevölkerungsschichten an (Thierstein, Förster, Conventz, Erhard, & Ottmann, 2013, S. 8). Je nach lokaler Versor- gungs- und Erholungsverfügbarkeit in der Umgebung einer verfügbaren Wohnung wird die Bewerberzahl und damit der mögliche Maximalmietzins sinken oder steigen (Iwanow, 2008, S. 111).
Die Mietpreise sind zwar innerhalb eines begrenzten Rahmens objektabhängig, regional Entwicklungshorizonte hängen jedoch vielmehr von gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Tendenzen und deren Einfluss auf Nachfrage und Angebot ab (Kurzrock, 2015, S. 18). Diese Strömungen werden in den nächsten Kapiteln für die Stadt München eingehender betrachtet und daraus Prognosen abgeleitet.
2.1.3 Preisfindung durch Angebot und Nachfrage
Das in Deutschland vorherrschende Wirtschaftssystem, die soziale Marktwirtschaft, schafft den Ordnungsrahmen für die Wohnungswirtschaft: „Aufgrund der Informationsund Kommunikationsfunktion des Preissystems verfügen die Marktteilnehmer über die erforderlichen Informationen, um die individuelle Angebots- und Nachfrageentscheidung treffen zu können. Hieraus resultiert die Koordinationsfunktion des Preismechanismus, die dazu führt, dass die Interaktionen der einzelnen Wirtschaftssubjekte auf dem Markt in der Summe zur Maximierung der gesellschaftlichen Wohlfahrt führen“ (Gondring & Eckard, 2001, S. 76). Wie sich später herausstellen wird, ist die Informationsverfügbarkeit in der Wohnungswirtschaft limitiert, wodurch die Interaktion der Marktteilnehmer gehemmt wird und die Erreichung des Ziels der Maximierung des gesellschaftlichen Nutzens fraglich ist.
„Nicht von dem Wohlwollen des Fleischers, Brauers oder Bäckers erwarten wir unsere Mahlzeit, sondern von ihrer Bedachtnahme auf ihr eigenes Interesse. Für den Ausgleich der Interessen sorgt die "unsichtbare Hand" des Marktes“ (Smith, 1852, S. 6). Mit dieser, wahrscheinlich bekanntesten Metapher der Wirtschaftswissenschaften, die Adam Smith im Jahr 1776 äußerte, wird die natürliche Regulierung des Marktes durch Angebot und Nachfrage beschrieben. Staatliche Eingriffe in dieses "offensichtliche und einfache System der natürlichen Freiheit", schreibt er weiter, stören und führen zu schlechteren Ergebnissen“. An diesem Grundprinzip hat sich seit dem 18. Jahrhundert nichts geändert. Die Märkte regulieren sich selbstständig, „mit dem Ergebnis, dass knappe Faktoren ihrer sozial nützlichsten und damit effizientesten Verwendung zugeführt werden“ (Gondring & Eckard, 2001, S. 76). Dabei hebt sich der Wohnungsmarkt allerding durch eine Vielzahl an Eigenheiten von den meisten anderen Märkten ab:
2.1.3.1 Langlebigkeit
Das Gut Wohnung ist außerordentlich langlebig. Nach deutschen bzw. europäischen Normen errichtete Gebäude haben eine Lebenserwartung von 70 bis 100 Jahren (Piffaretti, 2017). Die Gesamtnutzungsdauer ist in vielen Fällen jedoch deutlich länger. Rund 10Pro- zent aller Münchner Wohnungen befinden sich in Gebäuden, die vor dem Jahr 1918 errichtet wurden (Statistisches Amt München, 2019). Das älteste, noch erhaltene Wohnhaus Münchens wurde sogar Anfang des 16. Jahrhunderts errichtet (Gehlert, 2015). Für den Wohnungsmietmarkt bedeutet das ein sehr vielfältiges Angebot in Bezug auf Qualität, Größe und Ausstattung des gehandelten Guts. Auf Anbieterseite müssen Bestandshalter mit neuen Projektentwicklungen konkurrieren (Bach, Ottmann, Sailer, & Uterreiner, 2011, S. 14).
2.1.3.2 Kapitalintensivität
Verglichen mit anderen Märkten binden Investoren mit dem Kauf oder der Errichtung von Immobilien relativ viel Kapital für verhältnismäßig lange Zeiträume. Um den Begriffen „relativ“ und „verhältnismäßig“ einen Bezug zu geben, sei hier auf die 2019 verbreitete Renditeerwartung von 2,0 Prozent bis 3,8 Prozent für Wohnbauinvestoren in München hingewiesen (Bulwiengesa, 2019, S. 10). Nach 26 bis 50 Jahren ist die Investition demzufolge amortisiert. „Beim Endinvestor, der die Immobilie zum Zwecke dauerhafter Vermietung oder Eigennutzung im Bestand behält, ist die hohe Kapitalbindung entsprechend lang. Auch er trägt das Risiko einer veränderten Marktlage in Form stagnierender oder sinkender Mietpreise, was die langfristige Werthaltigkeit der Immobilie beeinflusst“ (Brauer, Grundlagen der Immobilienwirtschaft: Recht - Steuern - Marketing - Finanzierung - Bestandsmanagement - Projektentwicklung, 2013, S. 13).
2.1.3.3 Trägheit bei Nachfrage- oder Angebotsüberhang
Lange Genehmigungsdauern und lange Herstellungsphasen behindern schnelle Marktanpassungen bei Nachfrageänderungen. Dieses Elastizitätsdefizit ist typisch für den Immobilienmarkt und hat den sogenannten „Schweinezyklus“ zur Folge. Der „Schweinezyklus“ beschreibt ursprünglich die verzögerte Angebotsanpassung von Schweinefleisch auf eine steigende Nachfrage aufgrund der erforderlichen Aufzuchtzeit. Diese verzögerte Marktreaktion lässt sich ohne Weiteres auf den Wohnungsmarkt übertragen. Hohe Gewinnerwartungen bei einem Nachfrageüberhang führen zum Anstoß neuer Immobilienentwicklungen. Von der Investitionsentscheidung bis zur Marktzuführung vergehen 3-5 Jahre (Fabricius, 2018). Oder deutlich mehr, sobald ein Bebauungsplanverfahren vorgelagert ist, innerhalb derer weitere Investitionsbeschlüsse in selbiges Produkt gefasst werden. Mit der Fertigstellung der Neubauten entsteht ein Angebotsüberhang und die Gewinnerwartungen sinken, bis neue Investitionsentscheidungen ausbleiben. Wachsender Wohnflächenbedarf durch Bevölkerungszuwächse und Haushaltsveränderungen verknappen das Angebot im Laufe der Zeit wieder und steigern damit die Gewinnerwartungen von Investoren. „Der Wohnungsmarktzyklus in seinem zeitlichen und ursächlichen Zusammenspiel zwischen Schwankungen auf der Nachfrageseite (als Indikator: Erstbezugsmieten) und Investorenreaktion auf der Angebotsseite (als Indikator: Baugenehmigungen und -fertigstellungen) [ist] hier dargestellt“ (Piesch, 2002, S. 9):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Wohnungsmarktzyklus (Landeshauptstadt München, 2020), (Bulwiengesa AG, 2020), (Landeshauptstadt München Referat für Stadtplanung und Bauordnung, 2006, S. 37), (Landeshauptstadt München Referat für Stadtplanung und Bauordnung, 2011, S. 4)
Der zyklische Höhepunkt der Erstbezugsmieten war 1992, seitdem hat sich der Markt bis etwa 1996 entspannt. Seit 1997 ziehen die Erstbezugsmieten wieder an, der Anstieg hat sich seit 1999 beschleunigt. Aufgrund der langen Planungs- und Realisierungszeiten reagieren die Baugenehmigungen mit einer circa 2- bis 3-jährigen und die Baufertigstellungen mit einer circa 4-jährigen Zeitverzögerung auf diese Marktsignale. Diese Zeitverzögerung ist typisch für den Wohnungsmarkt. Sie trägt zum Zyklus des Marktgeschehens bei. Die Landeshauptstadt kann den freifinanzierten Wohnungsneubau hauptsächlich über kontinuierliche Bereitstellung von Baurecht beeinflussen. Seit Mitte der 90er Jahre hat sie dies verstärkt getan. Das Jahr 2003 stellte den Tiefpunkt der Baufertigstellungen im Wohnungsneubauzyklus dar, die Baugenehmigungen als Frühindikator wiesen zu diesem Zeitpunkt trendmäßig schon wieder nach oben und erlaubten positive Marktentwicklungsprognosen (Piesch, 2002, S. 10). Der nächste Tiefpunkt der Mietniveaus zeichnet sich im Jahr 2005, vier Jahre nach Beginn des Fertigstellungstiefs 2001, ab. Die außergewöhnlich hohe Fertigstellungszahl im Jahr 2006 resultiert aus Nachmeldungen zuvor nicht gemeldeter Fertigstellungen (Licha & Heinrich, 2011, S. 24). Seit diesem leichten Mietrückgang steigen die Mietpreise bis heute kontinuierlich an. Mit zwei bzw. vier Jahren Verzögerung folgte das letzte Genehmigungs- bzw. Fertigstellungstief. Auch diese Indikatoren wachsen seit 2010 annähernd rezessionsfrei.
2.1.3.4 Ortsgebundenheit
Namensgebend für Immobilien ist deren Immobilität, die deren wesentliches Merkmal darstellt und jedes Objekt einzigartig macht. Nutzung und Wert der Immobilie stehen in direktem Zusammenhang mit der geografischen Lage des Grundstücks und sind untrennbar damit verbunden. Eventuelle Einflüsse aus der Umgebung, zum Beispiel durch die Ansiedlung lärmintensiver Handwerksbetriebe, können den Wert der Immobilie beeinträchtigen. „Eine weitere direkte Folge der Immobilität ist eine Segmentierung des Immobilienmarktes in geografische Teilmärkte. Der Wettbewerb einzelner Immobilien findet somit meist innerhalb eines lokalen Submarktes statt. Eine Büroimmobilie in Frankfurt konkurriert nicht direkt mit einer vergleichbaren Büroimmobilien in New York oder Tokio“ (Rottke & Thomas, 2017, S. 144). Die Konkurrenz ausschließlich innerhalb geografischer Teilmärkte gilt für den Wohnungsmarkt nur bedingt. Die fortschreitende Globalisierung in Verbindung mit der zunehmenden Mobilität der Bevölkerung führt zu wachsender Flexibilität bei der Wahl des Wohnorts. Im Jahr 2019 pendelten über 45 Prozent der Erwerbstätigen aus dem Münchner Umland in die Stadt, um dort zu arbeiten (Osel, 2019). Der zu betrachtende Submarkt geht also weit über die Stadtgrenzen hinaus.
2.1.3.5 Nicht substituierbares Grundbedürfnis
Das Gut Wohnen kann nicht durch ein anderes Gut ersetzt werden und zählt zu einem existentiellen Grundbedürfnis, dass mit den allgemeinen Erklärungen Nr. 4, „Adequate Housing“ von der UN im Jahr 1991 als Grundrecht verankert wurde. Gemäß §181 Bewertungsgesetz ist die Wohnung wie folgt definiert: „Eine Wohnung ist die Zusammenfassung einer Mehrheit von Räumen, die in ihrer Gesamtheit so beschaffen sein müssen, dass die Führung eines selbständigen Haushalts möglich ist. Die Zusammenfassung einer Mehrheit von Räumen muss eine von anderen Wohnungen oder Räumen, insbesondere Wohnräumen, baulich getrennte, in sich abgeschlossene Wohneinheit bilden und einen selbständigen Zugang haben. Außerdem ist erforderlich, dass die für die Führung eines selbständigen Haushalts notwendigen Nebenräume (Küche, Bad oder Dusche, Toilette) vorhanden sind. Die Wohnfläche muss mindestens 23 Quadratmeter (m2) betragen“ (Bewertungsgesetz (BewG), 2008). In Einzelfällen weichen Wohnunterkünfte von dieser Definition ab, in der Regel ist Wohnen jedoch an diese oder eine ähnliche Objektbeschaffenheit gebunden und nicht substituierbar.
2.1.3.6 Überwiegend Bestandsmarkt
Seit dem Jahr 2000 ist der Wohnungsbestand in München um circa 10 Prozent auf circa 800.000 Wohnungen gewachsen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 4: Zu- und Abgänge von Wohnungen (Landeshauptstadt München, 2020)
Der jährliche Zuwachs in den vergangen zwanzig Jahren lag durchschnittlich bei circa 5.500 Wohnungen. Teil des Wohnungsbauprogramms „Wohnen in München VI“ ist die Steigerung der jährlichen Fertigstellung auf 8.500 Wohnungen pro Jahr (Landeshauptstadt München Referat für Stadtplanung und Bauordnung, 2017, S. 8). Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird dieses Förderprogramm in Sachen Wohnungspolitik noch näher erläutert.
2.1.3.7 Staatliche Eingriffe durch regulatorische Maßnahmen und Subventionen
Die staatliche Steuerung des Wohnungsmarktes beginnt bereits mit der hoheitlichen Aufgabe der Ausweisung von Bauland. Durch dieses Instrument obliegt es den Gemeinden einen Überhang oder ein Defizit an baureifem Land zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus verfügt die öffentliche Hand über eine Vielzahl weiterer Steuerungsmechanismen: „[...] zum einen durch die Festlegung der grundsätzlichen rechtlichen Rahmenbedingungen, zum anderen durch steuerliche und förderpolitische Maßnahmen, um spezifische Ziele zu erreichen. Der ordnungspolitische Rahmen der Wohnungsmärkte in Deutschland umfasst vor allem das Mietrecht, aber auch das Baurecht sowie das allgemeine Vertragsrecht. Unter den ökonomischen Instrumenten ist die Förderung der Altersvorsorge und der Eigentumsbildung durch die Eigenheimrente, des Bausparens, der Energieeinsparung und der altersgerechten Anpassung des Wohnungsbestandes zu nennen. Im Mietwohnungsbau werden sowohl Nachfrager als auch Anbieter von Wohnraum durch ökonomische Instrumente (z.B. Wohngeld, Kosten der Unterkunft und Heizung, steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten, KfW-Förderprogramme) unterstützt“ (Besecke, 2007, S. 2728).
Aber auch vom Mietrecht gehen wirtschaftliche Auswirkungen auf die Wohnungsmärkte aus, so zum Beispiel mit der Festlegung von Kappungsgrenzen für Mieterhöhungen. Aktuelle Untersuchungen belegen die hohe Bedeutung dieser Rahmenbedingungen für die Stabilität des in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern bedeutenden und qualitativ hochwertigen Mietwohnungssektors. Darüber hinaus beteiligt sich der Bund seit der Umsetzung der Föderalismusreform I an der Wohnraumförderung der Länder. Diese Mittel werden in vielfältiger Weise sowohl für den Mietwohnungsneubau als auch für die Eigentumsbildung sowie die Anpassung der Wohnungsbestände genutzt. Ergänzt werden die wohnungspolitischen Maßnahmen durch die Instrumente der Städtebauförderung (Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, 2020).
2.1.3.8 Heterogenität
Es gibt keine exakt identischen Immobilien. Allein die Einzigartigkeit der Grundstücke in Bezug auf Lage und Form macht den Markt heterogen. „Die Heterogenität von Immobilien hat zur Folge, dass diese nur schwer miteinander zu vergleichen sind. Dies wiederum - bei gleichzeitig hohen Transaktionskosten - hat zur Folge, dass die Fungibilität von Immobilien im Vergleich zu anderen Wirtschaftsgütern eher gering ist“ (Rottke & Thomas, 2017, S. 144).
2.1.3.9 Markttransparenz
Seit einigen Jahren arbeiten große Beratungsunternehmen wie Jones Lang Lasalle, Savilles, u.a., verstärkt daran, den deutschen Immobilienmarkt insbesondere für internationale Investoren transparenter zu machen. Im internationalen Vergleich schneidet der deutsche Immobilienmarkt bei dem im Zwei-Jahres-Rhythmus erscheinenden Global Real Estate Transparency Index 2018 von Jones Lang Lasalle mit Erreichung des achten Platzes verhältnismäßig gut ab (Jones Lang Lasalle IP, 2016), (Jones Lang Lasalle IP, 2018).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 5: Transparency Index für Deutschland (Jones Lang Lasalle IP, 2018)
Die Grafik zeigt das seit Beginn der wiederkehrenden Analyse zur Immobilienmarkttransparenz wachsende Datenaufkommen zum Immobilienmarkt, zu welchem auch der Wohnungsmarkt zählt.
2.1.3.10 Begrenzte Anbieter-/ Nachfrageranzahl
„Die Kundenzahl und -struktur sowie mögliche Ausgabenverschiebungen bestimmen maßgeblich den Erfolg eines Unternehmens [...] auch in einer schrumpfenden Bevölkerung kann es wachsende Bevölkerungsgruppen geben. Von diesem quantitativen Wachstum lässt sich durch Akzentverschiebung profitieren“ (Just, 2009, S. 284). Ähnlich wie in vielen anderen Branchen gilt auch für die Immobilienbranche, dass in einer entwickelten Volkswirtschaft quantitatives Wachstum zunehmend durch qualitatives Wachstum abgelöst wird. Ähnlich wie der Umsatz in der Automobilbranche selbst bei stagnierenden Haushaltszahlen erhöht werden kann, indem jeder Haushalt über mehr als ein Auto verfügt oder berufliche Mobilität das Vorhalten von Mietfahrzeugen erfordert oder indem die Menschen größere und technisch höher gerüstete Autos nachfragen, kann auch die Immobilienwirtschaft dann wachsen, wenn die Wohnungsgrößen zunehmen, es eine Nachfrage nach Wochenendwohnungen gibt oder technisch höherwertige Wohnungen ältere Wohnungen verdrängen. Dennoch ist die Anzahl der Nachfrager aufgrund der Ortsgebundenheit des gehandelten Guts und der ortsabhängigen Zielgruppen limitiert. Auch das Angebot ist vor dem Hintergrund begrenzt nutzbarer Flächen innerhalb eines Einzugsradius nicht unendlich erweiterbar.
Trotz der genannten Eigenheiten des Immobilien- bzw. Wohnungsmietmarktes gilt das Prinzip der näherungsweise „freien“ Preisfindung auf Märkten: „Der freie Preis räumt den Markt“ (Kofner, Wohnungsmarkt und Wohnungswirtschaft, 2010, S. 1-4).
Nicht zuletzt hat die Entwicklung webbasierter Handelsplattformen in den vergangenen 20 Jahren dazu geführt, dass der Immobilienmarkt - zumindest der Mietmarkt - an Transparenz und „Vollkommenheit“ gewonnen hat (Immobilien Scout GmbH, 2020).
Die Tragweite von Online-Wohnungsbörsen für Mieter und Vermieter wird erst bei genauerer Betrachtung erkennbar. Bis Ende der 90er Jahre wurden Mietwohnungen über lokale Printmedien, Makler und durch mündliche Empfehlungen angeboten bzw. gesucht. Für stadtfremde Nachfrager war der Vergleich verschiedener Mietswohnungen mit unterschiedlichen Lagen daher mit erheblichem Recherche- und Auswertungsaufwand verbunden. Heute können Interessierte sekundenschnell Mietmärkte in ganz Deutschland miteinander vergleichen. Auf internationaler Ebene ist dieses System noch in der Entwicklungsphase.
„An einem freien Wohnungsmarkt bestimmen nicht die Kosten die am Markt erzielbare Miete, sondern Angebot und Nachfrage in der jeweiligen Marktsituation. Der Preis bildet sich im Spannungsverhältnis von Angebot und Nachfrage. Je knapper das Angebot im Verhältnis zur Nachfrage ausfällt, desto höher steigt der Preis und umgekehrt. Für den einzelnen Wohnungsanbieter heißt das: Finden sich - bei einem allgemeinen Überangebot an Wohnraum - zu der von ihm auf der Grundlage seiner laufenden Aufwendungen (Kapital- und Bewirtschaftungskosten) kalkulierten Miete keine Mietbewerber, dann wird er seine Mietpreisforderung zurücknehmen müssen, um die Wohnung vermieten zu können. Die volle Deckung seiner Kosten durch die Mieteinnahmen ist dann nicht mehr gewährleistet. Auf der anderen Seite hat der Vermieter die Chance, mehr als seine laufenden Kosten am Markt zu verdienen, wenn die Nachfrage das Angebot übersteigt und die Wohnungsmieten steigen“ (Kofner, Wohnungsmarkt und Wohnungswirtschaft, 2010, S. 20).
Die beschriebenen Einflussgrößen auf Angebot und Nachfrage zeigen, dass der Wohnungsmarkt nicht mit den üblichen Gütermärkten gleichzusetzen ist. Die Einzigartigkeit des gehandelten Guts „Wohnen“ durch deren Langlebigkeit, Kapitalintensivität und Ortsgebundenheit einerseits und die gesellschaftliche Rolle als nicht substituierbares Grundbedürfnis auf der anderen Seite begründen staatliche Eingriffe in das Marktgeschehen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Preisbildung auf dem Mietwohnungsmarkt, wie in allen Märkten, von Angebot und Nachfrage abhängig ist. Der Einfluss von öffentlichen Eingriffen auf beiden Seiten kann nur bedingt quantifiziert werden. Steuerungswerkzeuge der öffentlichen Hand werden im weiteren Verlauf dieser Arbeit vorgestellt.
2.1.4 Zusammenfassung
Der Wohnungsmietmarkt ist von einer Vielzahl vorgelagerter Märkte abhängig, die Preise werde jedoch schlussendlich vom Schnittpunkt zwischen Angebot und Nachfrage bestimmt. Allerdings weist der Mietmarkt für Wohnungen wie der gesamte Immobilienmarkt starke Abweichungen vom idealen Markt auf. Die Langlebigkeit des gehandelten Guts, die Kapitalintensität, die Reaktionsträgheit des Marktes, die Immobilität von Wohnraum sowie die Einzigartigkeit der Immobilien selbst und die Intransparenz des Marktes sind einige der Eigenheiten des Immobilienmarkts.
2.2 Wohnungsnachfrage
„Für die Wohnungsnachfrager ist das Wohnen ein Grundbedürfnis, dessen Befriedigung zur Sicherung ihrer geistigen und biologischen Existenz unerlässlich ist. Hieraus resultiert die Dringlichkeit, die das Wohnen innerhalb der Bedürfnisstruktur eines Haushaltes besitzt. Die Nachfrager haben praktisch keine Möglichkeit der Substitution. Zwar bestehen Unterschiede in Bezug auf Zeitpunkt und Qualität der Bedürfnisbefriedigung, doch existieren weder Ersatzgüter noch ist auf Dauer eine zeitliche Aussetzung des Bedarfs denkbar. Die Wohnung gehört zu dem starren Bedarf eines Haushaltes“ (Prause, 1983). Vor diesem Hintergrund ist die Nachfrage von Wohnraum durch jeden Menschen stets gegeben. Ort, Zeitpunkt und Umfang der Nachfrageäußerung sind jedoch variable, deren Vorhersage durch die Analyse von Einflussfaktoren teilweise möglich wird.
2.2.1 Einflussfaktoren auf die Wohnungsnachfrage
Die folgende Grafik zeigt die wichtigsten Einflussfaktoren auf die Nachfrage nach Wohnraum. Die dargestellten Wirkkräfte sind wiederum selbst mit einer Vielzahl weiterer Parameter verbunden. Das verfügbare Einkommen pro Kopf beispielsweise ist von regionalen, nationalen und internationalen ökonomischen und politischen Kenngrößen abhängig. Die Eigenheimquote steht in engem Zusammenhang mit Zinsniveau und staatlichen Förderprogrammen, die wiederum politischen Ausrichtungen unterworfen sind. Indirekt wirken auch Baukosten auf die Mietpreise. Die Höhe der Baukosten und Baulandpreise in Verbindung mit der Renditeerwartung bestimmen den erforderlichen Mietzins bei der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung der Investoren. Remanenz beschreibt im Zusammenhang mit Mietwohnungen das Phänomen, dass Mieter auch bei veränderten Lebensbedingungen und Platzbedürfnisse ihre Wohnung nicht wechseln. Stirbt beispielsweise ein Ehepartner, verdoppelt sich der Wohnflächenverbrauch des Hinterbliebenen. Zuletzt sind die Anzahl und Struktur der Haushalte, welche schlussendlich von der demografischen Entwicklung einer Region abhängen, wichtige Einflussfaktoren auf die Wohnraumnach-
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 6: Nachfrage am Wohnungsmarkt, adaptiert aus (Koop, 2006, S. 14)
Die Abbildung zeigt den Untersuchungshorizont, den diese Arbeit auf der Nachfrageseite behandelt. Die genaue Beeinflussung der Nachfrage durch die dargestellten äußeren Faktoren wird im nächsten Kapitel analysiert.
2.2.2 Gründe für die Wohnungsnachfrage
Die demographische Entwicklung unter Berücksichtigung der Zu- und Abwanderungsquoten und die Entwicklung der Haushaltsgröße werden in der Regel als Nachfrageindikatoren genannt (Tilleczek, 2009, S. 13ff). Auf persönlicher Ebene führen Eheschließungen, Partnerschaften, berufliche Entwicklungen oder Fluchtzwänge zu Zu- oder Abwanderungen. Das Verhältnis von Geburten zu Sterbefällen beschreibt das natürliche Wachstum und führt zu Wohnungsauflösungen bzw. zusätzlichem Wohnraumbedarf. Die Veränderung der Haushaltsstruktur bzw. Haushaltsgröße hängt von den Lebenszyklen und den Lebensentwürfen der Individuen einer Gesellschaft ab. Grundsätzlich gehen Sozialwissenschaftler davon aus, dass mit steigendem Wohlstand die Individualität zunimmt und damit die Haushaltsgröße abnimmt. Gleichzeitig wächst der Flächenverbrauch je Individuum bei steigendem Einkommen (Kohli & Künemund, 2019, S. 157). Auch die Wahl des Wohnorts, ein weiteres Nachfragemotiv, hängt mit dem individuellen Lebenszyklus zusammen. Während jüngere Paare und Singles zentrumsnahe Wohnlagen vorziehen, streben Familien in Stadtrand- und ländlichere Lagen (Thierstein, Förster, Conventz, Erhard, & Ottmann, 2013, S. 86ff). Zuletzt kann die vermieterseitige Vertragsauflösung wegen Anmeldung des Eigenbedarfs, Abbruch oder Umwidmung ein Beweggrund Wohnungssuchender sein.
Der Bedarf von Wohnraum allein stellt noch keine Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt dar. Verfügen die betroffenen Haushalte über die entsprechende Kaufkraft, besteht eine tatsächliche Nachfrage. „Das bedeutet aber, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Haushaltes darüber entscheiden, ob und in welchem Ausmaß er am Wohnungsmarkt teilnehmen kann. Unterschiede im Einkommen und in den sozialen Verhältnissen führen dazu, dass nicht alle Haushalte als gleichberechtigte Nachfrager am Wohnungsmarkt auftreten können“ (Kofner, Wohnungsmarkt und Wohnungswirtschaft, 2010, S. 19-20). Die Wohnungsnachfrage ist daher nicht ausschließlich von den oben genannten soziologischen Faktoren abhängig, sie wird darüber hinaus auch durch ökonomische Einflussgrößen bestimmt. Die häufig kritisierte Gentrifizierung innerstädtischer Lagen verdeutlicht den Zusammenhang zwischen Nachfrage und Einkommen. „Gentrifizierung bezeichnet die Verdrängung einkommensschwächerer Haushalte durch finanziell besser gestellte Haushalte in den Innenstädten“ (Kronauer, 2019, S. 129). Arme und einkommensschwächere Haushalte werden zunächst von wohlhabenderen und schließlich von ausgesprochen einkommensstarken Haushalten verdrängt. „Die ökonomische Hauptursache dieser Verdrängung ergibt sich aus den sogenannten Rentenlücken, d.h. der Diskrepanz zwischen den aktuell gegebenen und den möglichen Erträgen eines Grundstücks bzw. einer Immobilie. Dadurch eröffnen sich neue Gewinnmöglichkeiten, deren Realisierung letztlich die soziale Ausgrenzung bestimmter Milieus und die soziale Spaltung der Städte befördern“ (Kronauer, 2019, S. 129).
Um diese Gesellschaftsspaltung zu unterbinden und auch eine Mindestversorgung derjenigen Haushalte sicherzustellen, die über keine ausreichende Kaufkraft zur Teilnahme am Mietmarkt verfügen, stehen den Städten, Kommunen und Ländern angebots- und nachfrageseitige Marktsteuerungsinstrumente zur Verfügung (Kofner, Wohnungsmarkt und Wohnungswirtschaft, 2010, S. 19-20). Nachfrageseitig wird der Mietmarkt durch Wohngeldsubventionen, Mietpreisbremsen und Mietpreiskappungen staatlich beeinflusst (Thomsen, Vogt, & Brausewetter, 2019, S. 26).
Die einzelnen Einflussgrößen auf die Nachfrageseite des Mietmarktes werden in den folgenden Abschnitten für die Stadt München näher betrachtet. Die Angebotsseite wird anschließend, in Kapitel 2.3, behandelt.
2.2.3 Bevölkerungsbestand und -entwicklung
„Bevölkerungsentwicklung umfasst immer eine langfristige zeitliche Entwicklung, die von gesellschaftlichen Umbrüchen, Transformationsprozessen und der jeweiligen Prosperität bzw. dem Wohlstand einer Gesellschaft beeinflusst wird“ (Herzog, 2015, S. 13). Der jährliche Zuwachs setzt sich aus der natürlichen Bevölkerungsentwicklung - Geburtenzahl zu Sterbezahl - und dem Wanderungssaldo - Zu- zu Abwanderungszahl - zusammen. Für den Wohnungsmarkt bedeutet jeder zusätzliche Einwohner, zusätzlicher Wohnraumbedarf und, bei ausreichender Kaufkraft, Nachfragewachstum.
„Sind die Deutschen in 400 Jahren ausgestorben?“ (Meyer, 2015), fragt Focus-Online in einer Publikation aus dem Jahr 2015. Tatsächlich stagniert die Bevölkerung Deutschlands mehr oder weniger seit über 20 Jahren bei rund 82 Mio. Einwohnern. Das Statistische Bundesamt prognostizierte einen Bevölkerungsrückgang auf rund 76 Mio. Einwohner bis zum Jahr 2060, resultierend aus der sinkenden Geburtenrate, die nach derzeitiger Einschätzung weder durch die steigende Lebenserwartung noch durch hohe Zuwanderungszahlen ausgeglichen werden kann (Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, 2020).
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Abb. 7: Bevölkerungsentwicklung Deutschland (Landeshauptstadt München Referat für Stadtplanung und Bauordnung, 2020)
Für die Großstädte der Bundesrepublik stellt sich jedoch ein anderes Bild dar. München, die drittgrößte Stadt des Landes, verzeichnet seit circa 15 Jahren einen jährlichen Bevöl-
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Abb. 8: Wanderungssaldo München (Landeshauptstadt München, 2020)
Das Bevölkerungswachstum ist zu einem Großteil auf die Wanderungsüberschüsse (Zuzüge minus Fortzüge) zurückzuführen. Insbesondere in den Jahren 2007 bis 2017 wuchs die Einwohnerzahl Münchens durch im Mittel 1.500 Mehrzugänge pro Jahr gegenüber Fortzügen.
Allerdings ist das Bevölkerungswachstum auch durch einen Geburtenüberschuss zu begründen - und das ist in der Region München anders als in Bayern oder deutschlandweit, wo der natürliche Saldo seit Jahren negativ ist.
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Abb. 9: Geburtenüberhang München (Landeshauptstadt München, 2020)
Insbesondere in der Landeshauptstadt München übersteigt die Zahl der Geburten die der Sterbefälle deutlich. Seit dem Jahr 2006 ist die Stadtbevölkerung durch dieses natürliche Wachstum um 4.300 Neuzugänge reicher geworden.
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Abb. 10: Bevölkerungsentwicklung München (Landeshauptstadt München, 2020)
Seit 1900 ist die Region München eine Wachstumsregion. In den vergangenen 20 Jahren hat die Einwohnerzahl der Stadt München um etwa 250.000 Einwohner zugelegt - 1998 lebten rund 1,30 Mio. Menschen hier, 2018 waren es 1,55 Mio. Im Vergleich zum Vorjahr sind rund 15.000 Menschen hinzugekommen.
Nach der Bevölkerungsprognose des Statistischen Landesamtes wächst die Region weiter, für 2040 werden 1,85 Mio. Einwohner erwartet (Landeshauptstadt München, 2020). Das entspricht einem Zuwachs von rund 300.000 Einwohnern gegenüber 2018 in den nächsten 20 Jahren. Gezählt werden dabei alle, die ihren alleinigen oder Hauptwohnsitz in der Landeshauptstadt haben.
Trotzdem findet natürlich auch in der Region München ein demografischer Wandel statt. Während sich der Anteil der Altersgruppe zwischen 0 und 17 Jahre relativ stabil entwickelt - um die 17 Prozent - verkleinerte sich der Anteil der erwerbstätigen Bevölkerung (18-64 Jahre) von 65,2 auf 64,6 Prozent seit 2008 und soll sich bis 2038 noch weiter verringern (60,8 Prozent). Dagegen wächst der Anteil der über 65-jährigen von 18,0 auf 18,5 Prozent seit 2008 und soll bis 2038 auf 22,1 Prozent ansteigen (Landeshauptstadt München, 2020).
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Abb. 11: Altersstruktur Bevölkerung München (Landeshauptstadt München, 2020)
Der aktuelle Bevölkerungsquerschnitt Münchens dem bundesweiten Bevölkerungsquerschnitt gegenübergestellt verdeutlicht die Anziehungskraft Münchens auf Erwerbstätige.
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Abb. 12: Bevölkerungsquerschnitt BRD, München (Landeshauptstadt München, 2020) (Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, 2020)
Verglichen mit dem bundesdeutschen Durchschnitt ist die Stadt München relativ jung. Insbesondere die Altersgruppe der 25- bis 29-jährigen ist in München verhältnismäßig stark vertreten. Die über 75-jährigen sind in der bayerischen Landeshauptstadt eher in geringer Zahl ansäßig.
2.2.4 Haushalts- und Familientypen
„Die Wohnungsnachfrage wird neben der Bevölkerungsentwicklung maßgeblich von der Haushaltsentwicklung beeinflusst und determiniert“ (Koch, Ehrentraut, Neumann, & Pivac, 2017, S. 3). Dabei sind hinsichtlich der Haushaltsstruktur insbesondere die Größe der Haushalte und das Alter der Haushaltsmitglieder, vorrangig bei Ein-Personen-Haus- halten, für eine Nachfrageprognose relevant. Grund dafür ist der Unterschied zwischen der Nachfrage älterer Haushalte und jener jüngerer oder derer von Familienhaushalten (Iwanow, 2008, S. 12). Weiterhin gibt eine Analyse des Flächenbedarfs je Einwohner Aufschluss über den Wohnraumbedarf einer Gesellschaft. Die Eigenheimquote lässt abschließend Rückschlüsse auf den Mietmarkt zu.
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Abb. 13: Durchschnittliche Wohnfläche pro Einwohner Münchens (Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie, 2020)
Der steigende durchschnittliche Wohnflächenverbrauch je Einwohner von circa 0,2 m2 pro Jahr ist nach einer Theorie von Gabathuler, die den Wohnflächenverbrauch dem Einkommen pro Kopf gegenüberstellt, auf den zunehmenden Wohlstand zurückzuführen (Gabathuler, 1988, S. 33ff). Die daraus resultierende geringere Haushaltsdichte ist ein wichtiger Grund für die Angebotsverknappung und damit für die zu beobachtenden Preissteigerungen in aufstrebenden Großstädten.
In den neunziger Jahren betrug der jährliche Wohnflächenzuwachs pro Einwohner im Mittel circa 0,3 m2. Ab 1998 ist ein Rückgang des mittleren Wohnflächenverbrauchs je Person infolge des Einwohnerzuwachses zu verzeichnen. Zwischen 1998 und 2010 betrug der jährliche Zusatzbedarf circa 0,1 m2 pro Person. Der sprunghafte Anstieg um rund 2,8 m2 im Jahr 2011 ist auf den durchgeführten Zensus in jenem Jahr zurückzuführen. Seit der Volkszählung liegt der Wohnflächenverbrauch relativ konstant bei circa 43 m2 pro Person. „Für die Zukunft wird mit einem weiteren, wenn auch nur moderaten Anstieg des Wohnflächenkonsums je Person gerechnet. Es sei auf die Situation in anderen prosperierenden europäischen Großstädten wie z. B. in der Schweiz mit deutlich höherer durchschnittlicher Wohnfläche je Person (Zürich, Bern: je über 50 m2/ Person) hingewiesen“ (Piesch, 2002, S. 6).
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Abb. 14: Durchschnittliche Wohnfläche pro Person im nationalen Vergleich (Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie, 2020), (Statistisches Amt Hamburg und Schleswig-Holstein, 2019), (Statistik Berlin Brandenburg, 2020)
Im bayerischen Vergleich steht den Münchner Einwohnern die geringste Wohnfläche zur Verfügung. Der bundesweite Durchschnitt liegt mit 46,7 m2 pro Person circa 4 m2 über dem Münchner Durchschnitt. Die Bewohner anderer deutscher Großstädte wie Berlin und Hamburg müssen sich jedoch mit noch weniger Fläche zufriedengeben. Hier stehen 39,2 m2 (Berlin) bzw. 38,5 m2 (Hamburg) pro Person zur Verfügung.
Laut Definition des Statistischen Bundesamtes zählt als Haushalt: „jede zusammenwohnende und eine wirtschaftliche Einheit bildende Personengemeinschaft sowie Personen, die allein wohnen und wirtschaften“ (Statistisches Bundesamt, 2020). Der nachfragebestimmende Faktor dieses Bereichs ist die Anzahl der Haushalte insgesamt. Beeinflusst wird die Anzahl der Haushalte durch die zwei Parameter: Bevölkerungsentwicklung und Belegungsdichte. Die Bevölkerungsentwicklung wurde bereits im vorangehenden Kapitel analysiert. Die Entwicklung der Belegungsdichte in den vergangenen 20 Jahren zeigt die nachfolgende Grafik.
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Abb. 15: Durchschnittliche Haushaltsgröße in München (Landeshauptstadt München Referat für Stadtplanung und Bauordnung, 2020)
Die Belegungsdichte ist zwar gegenüber dem Jahr 2000 annähernd unverändert, seit dem Höchstwert von 1,81 Personen je Haushalt im Jahr 2010 ist sie jedoch wieder leicht rückläufig. Die Stadt München rechnet mit einem Rückgang dieses Wertes auf 1,77 Personen je Haushalt bis 2030 (Hanke, 2015, S. 16).
Eine Gegenüberstellung des Bevölkerungswachstums mit der Entwicklung der Wohnungsanzahl bestätigt die Annahme, dass die Nachfrage das Angebot übersteigt.
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Abb. 16: Haushalte und Wohnungsbestand München (Landeshauptstadt München, 2020)
Der Vergleich der Entwicklung der Gesamthaushalte mit der Bevölkerungsentwicklung zeigt ein deutliches Auseinanderdriften der Trendlinien. Die Einführung der Zweitwohnungssteuer im Jahr 2006, die Registerbereinigungen in den Jahren 2009 und 2017 berücksichtigt, liegt der Wohnungszuwachs bei rund 5.500 Wohneinheiten pro Jahr. Bei einer Belegungsdichte von 1,8 Personen je Haushalt und einem Bevölkerungszuwachs von durchschnittlich 16.400 Personen pro Jahr, in den vergangenen 20 Jahren müsste der Wohnungsbestand jährlich um rund 9.200 Wohnungen wachsen. Das jährliche Defizit an Neubauwohnungen liegt demnach bei circa 3.700 Wohnungen.
Die aktuelle Leerstandsquote von 0,2 Prozent ist ein weiteres Indiz dafür, dass der Wohnungsbedarf nicht gedeckt ist (Statistisches Bundesamt, 2020). In den vergangenen 20 Jahren wurden jährlich durchschnittlich circa 3.700 WE zu wenig geschaffen.
Besonders nachgefragt sind kleinere Wohnungen für ein bis zwei Personen, wie die Entwicklung der Haushaltszusammensetzung zeigt.
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Abb. 17: Haushaltszusammensetzung München (Landeshauptstadt München, 2020)
Insbesondere die Ein- und Zwei-Personen-Haushalte verzeichnen ein markantes Wachstum. Der durchschnittliche jährliche Zuwachs an Ein-Personen-Haushalten seit 2007 liegt bei circa 4.000 Wohneinheiten. Im gleichen Zeitraum legten die Zwei-Personen-Haus- halte jährlich um rund 1.900 Wohneinheiten zu, während größere Familienhaushalte mit durchschnittlich -190 WE (Drei-Personen-Haushalte), 627 WE (Vier-Personen-Haus- halte) und 271 WE (Fünf- und Mehr-Personen-Haushalte) Zuwachs rückläufig sind bzw. mehr oder weniger stagnieren. Diese Beobachtung lässt den Schluss zu, dass neben dem Bevölkerungswachstum die fortschreitende Individualisierung mit dem Trend zum Ein- Personen-Haushalt auch zukünftig für zusätzlichen Wohnraumbedarf sorgen wird (Hanke, 2015, S. 18). Teilen sich heute noch durchschnittlich rund 1,8 Personen einen Haushalt, werden es nach einer Hochrechnung der Planet Home Group im Jahr 2035 nur noch rund 1,7 Personen sein (Breyer, 2018, S. 2). Interessant und aufschlussreich ist die Untersuchung der Altersstruktur der Ein-Personen-Haushalte.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 18: Altersstruktur der Ein-Personen-Haushalte und Haushaltsgrößen (Landeshauptstadt München, 2020)
Bei kleineren Haushalten mit einer oder zwei Personen erscheint insbesondere die Entwicklung der Zahl der Hochbetagten beachtenswert. In der Altersgruppe der ab 80jährigen ist sowohl für die Ein-Personen-Haushalte als auch für die Zwei-PersonenHaushalte jeweils ein Zuwachs um rund 12.000 Wohnberechtigte bis 2030 zu erwarten. Da Personen dieser Altersgruppe häufig besondere Ansprüche an Wohnraum, z.B. hinsichtlich Barrierefreiheit haben, wird dies zukünftig im Wohnungsbau verstärkt zu berücksichtigen sein (Hanke, 2015, S. 21).
Bundesweit veranschaulichen die folgenden Graphen auf Basis von Daten des Statistischen Bundesamtes den steigenden Bedarf von kleinen, barrierefreien Wohnungen in den nächsten 20 Jahren. Gleichzeitig wird erwartet, dass die Anzahl der Drei- und Mehr-Personen-Haushalte zurückgehen wird.
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Abb. 19: Bevölkerung in Privathaushalten nach Altersgruppen und Haushaltsgröße (Statistisches Bundesamt, 2020)
Die Säulendiagramme zeigen Prognosewerte zur Altersstruktur der deutschen Bevölkerung in den nächsten 20 Jahren. Oben links ist die Entwicklung der Altersverteilung der Gesamtbevölkerung abgebildet. Die übrigen fünf Diagramme zeigen die Altersstruktur der einzelnen Haushalte in Abhängigkeit der darin lebenden Personenzahl. Die Anzahl der in Ein-Personen-Haushalten Lebenden (unten links) wird in den nächsten 20 Jahren um circa 2 Mio. wachsen. Dieses Wachstum wird in erster Linie durch Personen mit einem Alter über 60 Jahre verursacht.
Für die Stadt München untersuchte das Statistische Amt der Landeshauptstadt München im Jahr 2014 die zu erwartende Entwicklung der Haushaltsstruktur. Die zu diesem Zeitpunkt erhobenen Haushaltsgrößen in Abhängigkeit vom Alter der Bewohner werden in der nachfolgenden Grafik auf Grundlage von Prognosen des Referats für Stadtplanung und Bauordnung mit der zu erwartenden Haushaltszusammensetzung im Jahr 2030 verglichen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 20: Einwohnerzuwachs nach Alters- und Haushaltsgruppen 2014 vs. 2030 (Hanke, 2015), (Landeshauptstadt München, 2020)
In Folge der Bevölkerungsentwicklung ist über alle Altersgruppen, ausgenommen die geburtenschwachen Jahrgänge nach Ende des Zweiten Weltkriegs, für München mit einer größeren Personenzahl in Privathaushalten zu rechnen. Dabei zeichnet sich eine Veränderung der Haushaltszusammensetzung in Bezug auf das Alter der Bewohner ab. Zwischen 2014 und 2030 rechnet das Statistische Amt mit einem Zusatzbedarf von circa 75.000 Ein-Personen-Haushalten. Besonders die Gruppen der 30- bis 39-jährigen und der über 80-jährigen verursachen diesen Zusatzbedarf. Die fortschreitende Individualisierung - besonders bei Männern in den Dreißigern - sowie die Alterung der ersten Generation der Unverheirateten und Geschiedenen sieht das Statistische Amt als Gründe für diese Entwicklung. Die Zahl der Hochbetagten wird bis 2030 sowohl bei Frauen als auch bei Männern vor dem Hintergrund der steigenden Lebenserwartung weiter anwachsen. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Frauen in höherem Alter noch in einem Zwei-Perso- nen-Haushalt leben, während Personen im Alter von 40 bis 64 Jahren dagegen seltener in Zwei-Personen-Haushalten leben werden. „Dies korrespondiert einerseits mit der bereits beschriebenen Zunahme der Ein-Personen-Haushalte bei den über 50-jährigen. Gleichzeitig steigt jedoch der Anteil der 50- bis 64-jährigen in größeren Haushalten ab 4 Personen, was wahrscheinlich Folge eines höheren Alters bei der Geburt der Kinder und einer daraus resultierenden Verschiebung der Familienphase ist“ (Hanke, 2015, S. 18). Die Verschiebung der Familienphase ist auch im Verhalten der 20- bis 29-jährigen zu erkennen. Ihr Anteil in Haushalten ab drei Personen ist seit Mitte der 90er Jahre zu Gunsten der Ein- und Zwei-Personen-Haushalte deutlich zurückgegangen. Das steigende Alter von Müttern spiegelt sich auch im Altersdurchschnitt der Drei-Personen-Haushalte wider. Der stärkste Zuwachs wird bis 2030 von den 30 bis 39-jährigen verursacht. Kinder und Jugendliche bis 14 Jahre leben vor allem in größeren Haushalten mit vier und mehr Personen. Eher selten leben Kinder in alleinerziehenden Haushalten mit lediglich zwei Personen. Im Jahr 2014 wurden rund 5 Prozent der Kinde bis vier Jahre in Zwei-PersonenHaushalten großgezogen, bis zum 14. Lebensjahr stieg dieser Anteil auf circa 9 Prozent. Nach der vorliegenden Prognose wird sich an diesen Zahlen in den nächsten Jahren nichts ändern. Aufgrund der demografischen Entwicklung wird jedoch mit einer deutlichen Zunahme der Drei-, Vier- und Fünf-Personen-Haushalte gerechnet. Insgesamt wird der Zusatzbedarf für diese Haushalte bis 2030 auf rund 80.000 Nutzer geschätzt. Die meisten Erwachsenen in den größeren Haushalten ab vier Personen sind derzeit und voraussichtlich auch zukünftig zwischen 40 und 49 Jahre alt, gefolgt von den 30- bis 39-jährigen. Die Altersgruppe der 50- bis 59-jährigen ist bereits wesentlich seltener in diesen Haushalten anzutreffen, da in diesem Alter häufig zumindest die ältesten Kinder bereits ausgezogen sind. Infolge der immer späteren Familiengründung steigt jedoch auch in diesem Alter die Wahrscheinlichkeit, noch in einem Haushalt mit vier und mehr Personen zu leben (Hanke, 2015, S. 19). Für über 80-jährige Münchner wird bis 2030 gegenüber 2014 zusätzlicher Wohnbedarf für 26.000 Personen entstehen. Davon werden rund 12.000 Senioren in Ein-Personen-Haushalten leben und weitere 12.000 in Zwei-Personen-Haushal- ten. Die Altersgruppe der 70- bis 79-jährigen wird in München insgesamt zurückgehen. Zusammengefasst ist der zusätzliche Wohnungsbedarf für München bis 2030 gegenüber 2014 im nachfolgenden Diagramm dargestellt.
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Abb. 21: Zuwachs Haushalte nach Größe bis 2030 (Hanke, 2015), (Landeshauptstadt München, 2020)
Die seit der Erhebung der Daten im Jahr 2014 errichteten und abgerissenen Wohnungen sind bei obigem Diagramm bereits berücksichtigt. In den kommenden 10 Jahren werden also zusätzlich rund 50.000 Wohnungen für Ein-Personen-Haushalte, 12.000 Wohnungen für Zwei-Personen-Haushalte und circa 5.000 Wohnungen für Drei- und Mehr-PersonenHaushalte benötigt. Den oben bereits erwähnten Zusammenhang zwischen individuellem Lebenszyklus und Haushaltsgestaltung zeigt das folgende Diagramm.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 22: Lebenszyklus und Haushaltsgröße (eigene Darstellung)
Meist beginnt das eigenständige Leben in einem Ein-Personen-Haushalt. Die Familiengründung begann bis circa 1990 mit Mitte 20. Heute liegt das Durchschnittsalter von Frauen bei der Geburt des ersten Kindes in München bereits bei fast 32 Jahren (Wenzlaff, Trend zur späten ersten Mutterschaft, 2015, S. 10). Väter sind zu diesem Zeitpunkt im Durchschnitt 35 Jahre alt. Gegenüber dem 20. Jahrhundert ist daher der Lebensabschnitt als Familienhaushalt nach hinten verschoben. Die bereits erwähnte längere Lebenserwartung führt mitunter zu einem langen Lebensabschnitt von Paaren in Zwei-Personen-Haus- halten nach dem Auszug der Kinder.
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- Citation du texte
- Lukas Eckhardt (Auteur), 2020, Der Münchner Wohnungsmarkt im internationalen Vergleich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/914354
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