Im Zentrum der vorliegenden Magisterarbeit stehen vier Studien zur Geschichte der deutschen Literatur, die zwischen 1835 und 1883 verfasst wurden. Gemeinsam ist diesen Studien, dass sie das „klassische“ Jahrzehnt Goethes und Schillers als Höhepunkt der deutschsprachigen Literaturgeschichte konturieren. Es geht hierbei nicht darum, mittels einer Analyse der vier literaturgeschichtlichen Studien einem vermeintlichen „Kern“ der Weimarer Klassik näherzukommen. Vielmehr konzentriert sie sich von Beginn an auf die rezeptionsgeschichtlich virulente Frage, wie die zehnjährige Allianz zwischen Goethe und Schiller in vier Literaturgeschichten des 19. Jahrhunderts dargestellt und bewertet wurde.
Inhaltsverzeichnis:
0. Einleitung
1. August Vilmar: Das klassische Jahrzehnt als Ausfluss eines göttlichen Gesetzes
1.1 Vilmars Literaturgeschichtsauffassung von Goethe und Schiller
1.2 Das Zusammenwirken Goethes und Schillers
1.3 Die literarische Bewertung Vilmars
2. Georg Gottfried Gervinus: Die Politisierung des klassischen Jahrzehnts
2.1 Die Darstellung des klassischen Jahrzehnts
2.1.1 Die Politisierung des klassischen Jahrzehnts
2.1.2 Die literarhistorische Methodologie Gervinus‘
2.2 Gervinus‘ literarische Wertung
3. Hermann Hettners Betrachtung des klassischen Jahrzehnts vor dem Hintergrund einer antikisierenden Kunsttheorie
3.1 Hettners Darstellung des klassischen Jahrzehnts
3.1.1 Das klassische Jahrzehnt im aufklärerischen Kontext
3.1.2 Die Literaturgeschichte Hettners als „Ideenarchitektonik“
3.1.3 Der zitierende Stil
3.1.4 Literatur und Kunst
3.2 Hettners literarische Wertung
4. Wilhelm Scherers klassisches Jahrzehnt als dritte Blütezeit
4.1 Scherers Darstellung des klassischen Jahrzehnts
4.1.1 Das Zusammenwirken von Goethe und Schiller als dritte Blütezeit der deutschen Literatur
4.1.2 Die positivistische Darstellung des klassischen Jahrzehnts
4.1.3 Bildung einer nationalen Ethik
4.2 Die literarische Bewertung bei Scherer
5. Zusammenfassung
6. Literaturverzeichnis
6.1 Primärliteratur:
6.2 Sekundärliteratur
6.3 Tertiärliteratur
0. Einleitung
„Um aber unsere Klassiker so falsch beurteilen und so beschimpfend ehren zu können, muß man sie gar nicht mehr kennen.“1 So kritisiert Friedrich Nietzsche in seinen Unzeitgemäßen Betrachtungen schonungslos die Bildungsphilister, welche der Verherrlichung ihres eigenen Standes mit Dignität und Hoffnung zuliebe die deutsche Klassik um 1800 als historisches Ereignis huldigen.2 Das Vergessenskonzept Nietzsches findet aber nicht bei der Klassik-Legende3 Anwendung. Die „Weimarer Klassik“ wird von manchen wie selbstverständlich als Höhepunkt der deutschen nationalsprachlichen und -literarischen Entwicklung gesehen, bei der das Zusammenwirken von Goethe und Schiller im Mittelpunkt steht. So wird die Frage aufgeworfen, wie sich die Ergebnisse des gemeinsamen Schaffens nach und nach zum nationalen bzw. internationalen Kulturkult entwickeln. Die historische Vorstellung von einer „Weimarer Klassik“ um 1800 ist keine Selbstbezeichnung, sondern stammt aus dem 19. Jahrhundert.4 Sie wird vor allem durch die nationale Literaturgeschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts konstituiert, welche die Zusammenarbeit zwischen Goethe und Schiller von 1794 bis 1805, als Teil einer nationalen Identität und Kulturrepräsentation der Deutschen, inszeniert. Daher setzt die vorliegende Arbeit sich mit den literaturgeschichtlichen Darstellungen des 19. Jahrhunderts auseinander, die sich auf das „klassische“ Jahrzehnt beziehen, also jenen Zeitraum, der sich vom Horen-Programm 1794 bis zu Schillers Tod 1805 erstreckt. Es wird davon ausgegangen, dass die Literaturgeschichtsschreibung als ein exemplarisches Feld das klassische Jahrzehnt aus vielfältigen Gründen als nationalen Mythos legitimiert. Demzufolge unternimmt die vorliegende Arbeit keine Analyse der substantialistischen Begriffsgeschichte bezüglich des Klassischen, sondern untersucht das Jahrzehnt rezeptionsgeschichtlich.
Zu dieser Thematik liegen zurzeit verschiedene größere literaturwissenschaftliche Studien vor.5 Außerdem gibt es zu den Autoren, die sich auf diesem Gebiet einen Namen gemacht haben, wie beispielsweise Schlegel, Vilmar, Gervinus, oder Scherer umfassende Monografien.6 Dennoch sind deren Darstellungen über das klassische Jahrzehnt - von den Autoren meist das wichtigste Kapitel in deren Literaturgeschichten - bislang kaum systematisch analysiert worden. Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist weder eine Erkenntnisgewinnung bezüglich der Literaturgeschichte der „Weimarer Klassik“, noch eine ideologische oder sozialgeschichtliche Interpretation literaturhistorischer Tätigkeit im 19. Jahrhundert. Stattdessen lautet die Forschungsfrage: Wie wird die gemeinsame Arbeit von Goethe und Schiller im klassischen Jahrzehnt in den Literaturgeschichten des 19. Jahrhunderts dargestellt und bewertet?
Die Untersuchung umfasst hierbei die folgenden literaturgeschichtlichen Darstellungen: August Friedrich Christian Vilmars Vorlesungen über die Geschichte der deutschen National-Literatur (1845),7 Georg Gottfried Gervinus' Geschichte der poetischen National-Literatur der Deutschen (1835-1842),8 Hermann Julius Theodor Hettners Literaturgeschichte des achtzehnten Jahrhunderts (1856-70)9 und Wilhelm Scherers Geschichte der Deutschen Litteratur (1883).10 Obwohl diese Auswahl lediglich einen kleinen Teil der Literaturgeschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts umfasst, so ist es doch aus drei Gründen zulässig, diese Autoren auszuwählen: Anstatt eines oberflächlichen Blicks auf die Gesamtheit aller Literatur zum aufgeführten Thema richtet die Arbeit ihren Blick auf eine geringere Anzahl an Werken, die jedoch in ihrer Qualität hervorstechen. So gehören die zu untersuchenden Schriften zu den in der Forschung anerkannten und wichtigsten Beiträgen zur Literaturgeschichte.11 Alle behandelten Verfasser sind wissenschaftlich engagiert: Gervinus ist Historiker, Vilmar Theologe, Hettner Literatur- und Kunsthistoriker und Wilhelm Scherer Germanist. Der zweite Punkt betrifft die Form der Literaturgeschichte. Hier werden die universalen Literaturgeschichten untersucht, in denen das klassische Jahrzehnt als Teil der gesamten deutschen Literaturgeschichte erörtert wird. Schließlich beschränken sich alle ausgewählten Literaturgeschichten auf keine bestimmte Zielgruppe, wie beispielsweise Schüler oder Gelehrte: Sie sind von vornherein bei der Vermittlung literarhistorischer Erkenntnisse auf einen allgemeinen Rezipientenkreis ausgerichtet.
Die Untersuchung besteht aus fünf Kapiteln: Das erste behandelt die theologische Literaturgeschichte von Vilmar, das zweite die politische von Gervinus, das dritte Hettners ästhetische und das vierte die positivistische von Scherer. Hier werden anhand einschlägiger Texte ausgewählter Autoren die Historiographie des Zusammenwirkens von Goethe und Schiller thematisiert und diskutiert. Die Literaturgeschichte des klassischen Jahrzehnts wird hauptsächlich in Hinsicht auf die Ansätze der Periodisierung, den Aufbau des historischen Verlaufs, die literarische Bewertung sowie ihre Spezifik analysiert. Es gilt weiterhin jene Faktoren zu berücksichtigen, die sich auf das Verfassen der jeweiligen Literaturgeschichten auswirken. Das fünfte Kapitel fasst die Untersuchungsergebnisse zusammen und geht dabei auf die Konstruktionsproblematik der Literaturgeschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts bezüglich des klassischen Jahrzehnts ein, welche zugleich auf die Wissenschaftsgeschichte der Germanistik verweist.
1. August Vilmar: Das klassische Jahrzehnt als Ausfluss eines göttlichen Gesetzes
In diesem Teil steht das klassische Jahrzehnt, das August Vilmar in seinen Vorlesungen über die Geschichte der deutschen Nationalliteratur behandelt, im Mittelpunkt. Es ist nicht das erste Mal, dass eine Vorlesung als Vorlage für eine Literaturgeschichte dient: Von 1801 bis 1804 hielt bereits August Wilhelm Schlegel die Vorlesungsreihe Über schöne Literatur und Kunst in Berlin, sein Bruder Friedrich Schlegel veranstaltete 1812 in Wien eine Vortragsreihe zur Geschichte der alten und neuen Literatur. Weiterhin lassen sich in diesem Zusammenhang Joseph Görres sowie Johann August Zeunes Vorlesungen über das Nibelungenlied anführen.12
Vilmar hält in den Jahren 1843 und 1844 Vorlesungen „für das Publikum beiderlei Geschlechts über die deutsche Nationalliteratur im großen Saal der Markesschen Konditorei“13 in Marburg. Im Herbst 1844 gibt er seine erste Niederschrift unter dem Titel Vorlesungen über die Geschichte der deutschen Nationalliteratur heraus, die ab 1848 unter dem Namen Geschichte der deutschen Nationalliteratur veröffentlicht wird. Seine Literaturgeschichte ist im 19. Jahrhundert „ein literarhistorischer Beststeller ersten Ranges.“14 Wilhelm Scherers Literaturgeschichte entsteht sogar unter der Absicht, „die populäre Literaturgeschichte Vilmars zu verdrängen.“15 Zu neuer Popularität gelangt Vilmars Geschichte der Deutschen Nationalliteratur im Jahr 1936, da sie während des Nationalsozialismus' bearbeitet und wieder aufgelegt wird.
1.1 Vilmars Literaturgeschichtsauffassung von Goethe und Schiller
Das folgende Kapitel beschäftigt sich mit Vilmars Darstellung und Bewertung des klassischen Jahrzehnts in den einschlägigen Kapiteln Göthe, Schiller, Göthe und Schiller.
Die Ausführungen des evangelischen Theologen zu Beginn seines Goethe-Kapitels lassen darauf schließen, dass die Anfertigung einer Literaturgeschichte über den Dichter mit Problemen behaftet ist. Hier vergleicht er die frühere Blütezeit der deutschen Literatur im Mittelalter mit der zurzeit vorherrschenden und geht davon aus, dass Literaturgeschichten umso klarer und wertvoller seien, je mehr Zeit zwischen ihrer Anfertigung und dem Schaffen des behandelten Literaten vergangen ist. Daher würde er sich erst mit Goethe und Schiller befassen, wenn „nicht allein die Epigonenzeit vollständig abgelaufen, sondern auch erst wieder ein neuer Geisterbeherrschender Genius aufgetreten sein, aus dessen Standpunct wir den früheren Genius betrachten.“16 Da „wir (...) noch mitten in der geistigen Bewegung“ stünden,17 die von Goethe verursacht werde, sei der Theologe nicht in der Lage, die zweite Blütezeit gattungsgeschichtlich und in einem geschichtlichen Sinnzusammenhang bezüglich der gesamten deutschen Literatur zu erkennen und darzustellen. Um dieses Dilemma zu überwinden, bedient er sich der biographischen Methode: Demnach verweilt er bei der Darstellung über Goethe und Schiller mehr im „Einzelne[n], als bei den großen Erscheinungen der alten Zeit.“18 Vilmar gliedert die Geschichte der deutschen Literatur von der Bibelübersetzung Wulfilas, über die Gotik, bis zur Goethezeit in drei Epochen: „Älteste Zeit“ (bis 1150), „Alte Zeit“ (1150-1624) und „Neue Zeit“ (1624-1832). Die letzten beiden unterteilt er wiederum in drei Perioden, welche bei der „Alten Zeit“ systematisch nach Gattungsprinzipien und bei der „Neuen Zeit“ nach „große[n] Dichterpersönlichkeiten“ geordnet sind.19 Die dritte Periode der „Neuen Zeit“ (17601832), die den Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit umfasst, wird hauptsächlich nach sechs Literaten und ihren Schulen gegliedert (Klopstock, Lessing, Wieland, Herder, Goethe und Schiller), wobei chronologische und gattungsspezifische Ordnungsprinzipien in den Hintergrund treten. Hierbei werden Goethe und Schiller jeweils separat behandelt; das gemeinsame Schaffen der beiden Dichter wird jedoch nicht explizit in einem eigenen Kapitel thematisiert - anders als bei den anderen Literaturhistorikern wie beispielsweise Gervinus oder Hettner. Vilmar verweist also bloß in den jeweiligen Biographien auf das Zusammenwirken von Goethe und Schiller. Zugleich macht Vilmar auf die Unmöglichkeit der vollständigen Darstellung Goethes in seiner allgemeinen Literaturgeschichte aufmerksam:
Auch das bin ich außer Stande zu leisten, alle einzelnen, ja nur alle hauptsächlichen Züge in Göthes Dichterbilde in lebendiger, farbengetreuer Wiederspiegelung zu zeigen - eine Analyse einer sämmtlichen oder auch nur aller seiner bedeutendsten Werke zu geben: bekanntlich machen die zu „Göthes Verständnisse“ geschriebnen Bücher, gute und schlechte, schon eine nicht ganz unbedeutende Bibliothek aus, und es würde schon darum ein Unternehmen, wie das angedeutete, teils das Ebenmaß stören, welches eine allgemeine Geschichte der Poesie, soll sie ihre eigene Wirkung nicht vernichten, vor allem einzuhalten hat.20
Vilmar rechtfertigt die eingeschränkte Betrachtung Goethes also mit dem Argument, dass es sich um eine „allgemeine Geschichte der Poesie“21 handle.Wie angedeutet sieht Vilmar bei der literaturgeschichtlichen Darstellung Goethes die Schwierigkeit einer umfassenden Behandlung, weswegen er lediglich flüchtige Konturen von ihm zeichnet. Die Metaphorik des Portraitzeichnens von Vilmar verdeutlicht seine Motivation, Umrisse des ,Goethebildes‘ vor allem grob wiederzugeben und wenn möglich zu korrigieren. Dieser Verzicht auf die Vollständigkeit des Goethe-Bildes ist für Vilmar kein Defizit, da er von Anfang an „die Geschichte der deutschen Literatur „nur in den flüchtigsten Strichen und leichtesten Skizzen (...) schildern“22 will. Vilmar ist der Auffassung, dass eine verkürzte Darstellung ebenso viel Wahrheit enthalte, wie ein umfassendes Werk. Hierauf verweist er in der Einleitung der Vorlesungen über die Geschichte der deutschen Nationalliteratur: „Die Kritik war ihr erster Gesichtspunkt nicht, sollte und durf[t]e es nicht sein; es galt mir darum, die Gegenstände selbst in ihrer Wahrheit und Einfachheit zu den Gemütern Unbefangener reden zu lassen.“23 Er schreibe seine Literaturgeschichte für „die unbefangenen Gemüter“24, welche mit Kritik, Gelehrsamkeit sowie Wissenschaft nichts zu tun haben. Von vorneherein bringt er seine antiwissenschaftliche Einstellung zum Ausdruck, wenn er im Vorwort erklärt:
Die Gelehrsamkeit, die Wißenschaft, die Kritik waren und sind anderwärts auf diesem Gebiete hinreichend vertreten, dem Leben war und ist noch immer verhältnismäßig wenig dargeboten worden. Dem Leben aber hat diese Geschichte der deutschen Literatur dienen wollen, dem ganzen und vollen Leben meines Volkes, in der Kraft seiner Thaten, wie in der Macht seiner Lieder, in dem Stolz seiner angebornenWeltherschaft, wie in der selbstverschuldeten Demütigung unter Fremde, indem lachenden Glanze seiner Fröhlichkeit wie in dem tiefen Ernst seiner christlichen Frömmigkeit.25
Nach Vilmar wird die Wissenschaft also schon gebührend berücksichtigt, weswegen er sich vorwiegend an jene Leser richtet, die sich nicht in dieser Form mit Literaturgeschichte auseinandersetzen. Dabei verweist er auch auf die historische Entwicklung der nationalen Literatur, deren Blütezeit er als das Bekenntnis zum Christentum interpretiert. Somit versucht der Theologe mit seiner Literaturgeschichte das deutsche Volk wieder zum Christentum zu bekehren.
Insgesamt ziehen sich seine biographische und oberflächliche Arbeitsweise sowie seine antiwissenschaftliche Auffassung wie ein roter Faden durch seine Darstellung über das Zusammenwirken Goethes und Schillers, welche im Folgenden analysiert wird.
1.2 Das Zusammenwirken Goethes und Schillers
In diesem Teil werden die einschlägigen Kapitel Vilmars in Hinsicht auf das klassische Jahrzehnt untersucht. Wie bereits aufgezeigt löst Vilmar hier das Zusammenwirken Goethes und Schillers von 1794 bis 1805 in den jeweiligen Biographien auf und behandelt es nicht explizit. Vilmar teilt das Schaffen Goethes in drei Zeiträume ein, deren erster die Genieperiode vor 1774 umfasst. Der zweite erstreckt sich auf die Zeit seines Eintritts in die Weimarischen Hofdienste von 1775 bis kurz nach der Fertigstellung der Wahlverwandtschaften. Der letzte Abschnitt, den er „die klassische Lebensgeschichte“26 nennt, erörtert er an den Werken Achilleis und Die natürliche Tochter. Von diesen drei Perioden hält Vilmar die erste Dichterperiode für Goethes Entwicklung am entscheidensten. Er bezeichnet sie auch als Geniezeit oder die Sturmund-Drang-Periode, weil „jene großen Eigenschaften (.) sich nun gleich in den frühsten Dichterschöpfung Göthes, und zwar auf das allerentschiedenste, ja entschiedener als in manchen späteren aus[prägten].“27 Dementsprechend misst Vilmar dem frühen Werk Goethes wie beispielsweise dem Götz von Berlichingen eine besondere Bedeutung zu. In der zweiten Periode konzentriert sich der Theologe zuerst auf die fünf Meisterwerke, die während Goethes Italienreise entstehen: Iphigenie, Egmont, Tasso, Claudine und Faust. Außerdem verweist der Verfasser vereinzelt auf das Zusammenwirken beider Dichter in seinen Interpretationen von Hermann und Dorothea, Wilhelm Meister sowie Die Natürliche Tochter hin. Hierbei stellt er die These auf:
Wie hoch man auch die mittelbare Einwirkung Schillers auf Göthe anschlagen möge, die unmittelbare Einwirkung Schillers für Göthe nur nachtheilig sei, während umgekehrt Göthes Einwirkung auf Schiller, je unmittelbarer und directer sie war, desto köstlichere Früchte trug.
Hier unterscheidet der Verfasser zwischen direkter und indirekter Wirkung Schillers, wobei er unter der direkten Wirkung die explizite Auseinandersetzung mit einem literarischen Werk versteht. Demnach ziehe dieser großen Nutzen aus dem Einfluss Goethes, während Vilmar die Wirkung Schillers auf Goethe nur teilweise anerkennt. Für ihn sei die direkte Wirkung Schillers auf die Dichtung Goethes sogar schädlich - umgekehrt jedoch vorteilhaft. So wird beispielsweise Goethe „durch [die indirekte Wirkung Schillers] nach seiner eigenen, oft wiederholten Erklärung zu neuer Freudigkeit des Schaffens angeregt und emporgehoben.“29 Als positives Beispiel in diesem Sinne führt Vilmar das bürgerliche Epos Hermann und Dorothea an, welches demnach „eins von gleichem und sogar, Faust ausgenommen, höherem Range“30 sei. Für Vilmar besteht der Erfolg des Werkes darin, dass der Dichter in der Periode seines lebhaftesten Verkehrs mit Schiller durch dessen Einfluss zu seiner zweiten Jugend der Dichtung angeregt werde. Der Theologe hebt außerdem positiv hervor, dass Goethe sich bei der Anfertigung des Epos‘ nicht von Schiller unmittelbar beeinflussen lässt.31 So bleibe „vielmehr (...) Göthe mit diesem Gedichte seiner älteren Eigenheit treu.“32 Weiterhin führt Vilmar als negatives Beispiel Wilhelm Meister an, welcher „unter mehrfachem Besprechen und Hin- und Herreden mit Schiller aus älteren Entwürfen und Arbeiten“33 entstanden sei. Nach Vilmar weiche Goethe aufgrund des direkten Einflusses Schillers von seinem ursprünglichen Plan, der Darstellung „des wahrsten, lebendigsten Weltlebens, gleich Werther“, 34 ab. Goethe eifere beim Wilhelm Meister den damaligen „Tendenzromanen“ nach und habe zum Ziel, sittlichen Widerwillen zu erregen.28 So stehe der große Aufwand, den Goethe zu Beginn des Romans betreibt, zum Fortgang und Schluss in einem künstlerisch unbefriedigenden Verhältnis.29 Daher sei die direkte Auswirkung Schillers auf Goethes schädlich. Auf gleiche Weise argumentiert Vilmar beim Drama Die Natürliche Tochter: Das Drama entstehe, als „der Dichter die Anregung aus Schillers großartiger dramatischer Wirksamkeit“30 empfange. In diesem Werk versuche Goethe - beeinflusst von Schiller - die Idee der Französischen Revolution darzustellen. Nach Vilmar sei dem Autor dieses Thema unangenehm, und dieser besitze außerdem nicht die „Natur“, ein politisches Thema zu bearbeiten.31 Demzufolge interpretiert Vilmar das Werk als ein gescheitertes Experiment, da es unter der direkten negativen Auswirkung Schillers entstanden sei: „Daher sind denn die Charaktere in der natürlichen Tochter auf eine ganz ungöthische Weise verflüchtigt und verblasen, wie auch die fast wunderliche Aufführung der Personen schon ausweist: ‘König. Herzog. Graf.‘“32
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Vilmar betrachtet zwar den Einfluss Schillers auf Goethe negativ. Umgekehrt hebt er das Zusammenwirken beider Dichter im entsprechenden Kapitel für Schiller jedoch positiv hervor. Da der Einfluss Goethes auf Schiller nach Vilmar positiv bewertet wird, akzentuiert der Autor bei der Behandlung von Schiller in besonderem Maße ihre Zusammenarbeit. Zuerst richtet Vilmar seinen Blick auf die dramatischen und lyrischen Tätigkeiten des Dichters. Er teilt Schillers Beschäftigung mit dem Drama und der Lyrik jeweils in drei Zeitabschnitte ein: Die erste Phase des Dramatikers, nämlich die Genieperiode des Freiheitskämpfers sei eine Zeit des form- und ziellosen Strebens, in der sich Schiller gegen bestimmte Zustände wende, wie beispielsweise die Französische Revolution. Schillers Werke aus der ersten Periode, wie beispielsweise Die Räuber, Fiesco, Kabale und Liebe oder Don Karlos werden von Vilmar als ideologische Zeitstücke der Französischen Revolution bezeichnet. Für Vilmar seien sie keine klassischen Kunstwerke, sondern lediglich „die Abbilder damalige[r] gährende[r] Gemütszustände.“33 In der zweiten Periode verweist Vilmar auf die Beruhigung der gährenden Stoffe im Wallenstein, was der Autor auf Schillers philosophische und historische Studien zurückführt, aber mehr noch auf seinen Verkehr mit Goethe ab dem Jahre 1794. Statt strebender und ringender Gemüter und Ideen sieht Vilmar Schiller nun als Goethes Jünger: Die Wahl des Stoffes beim Wallenstein sei geglückt, darüber hinaus führe der Einfluss Goethes dazu, dass Schiller die eigene Natur - die ideenhafte Erfindung der Darstellung - einschränke. Weiterhin versuche Schiller seinen literarischen Gegenstand „in dessen voller historischen Wirklichkeit vollkommen bewusst und mächtig zu machen.“34
Das lyrische und didaktische Schaffen Schillers ordnet Vilmar ebenfalls in drei Zeiträume ein: Die erste leidenschaftliche Periode, die Vilmar zwischen 1780 und 1782 verortet, wiederhole die durch die Französische Revolution angeregte Idee, die Schiller bereits in seiner dramatischen Zeit verfolgt habe.35 So entstehen beispielsweise Werke wie An Minna, die Kindsmörderin oder Amalia. Danach folgt die „philosophische und reflektierende Periode“ Schillers, wo laut Vilmar der Mangel an realem Inhalt nicht durch die schöne Sprache ausgeglichen werde. Für Vilmar entstehen die besten lyrischen Werke Schillers - dank seinem Kontakt mit Goethe - in der dritten Periode:
Aus der Zeit des Zusammenwirkens mit Göthe stammen die vortrefflichsten lyrischen Gedichte unseres Sängers, deren Deutschland auch dann noch eingedenk bleiben wird, wenn andere Sterne und andere Sonnen an seinem Dichterhimmel werden aufgegangen sein.36
Insgesamt spricht sich Vilmar sehr für Goethe aus und bezieht zugleich Stellung gegen die Schillersche ideologische und künstlerische Poesie. Aus diesem Grund falle auch der Höhepunkt von Schillers Schaffen sowohl im Drama als auch in der Lyrik in die Zeit des Zusammenwirkens mit Goethe, nämlich ab 1794: „Aus dieser Periode stammen denn auch nicht allein Schillers beste lyrische Gedichte, (...) sondern auch seine größten, oder vielmehr seine wahrhaft großen Tragödien.“37
Die Bewertung der beiden Dichter setzt Vilmar im folgenden Kapitel Göthe und Schiller fort. Es beginnt mit dem 40 Jahre währenden Streit über den Vorrang Schillers vor Goethe oder Goethes vor Schiller, welcher nach Vilmar nur selten aus literarischer Perspektive geführt wird. Dieser Streit sei unmöglich zu schlichten, sodass „man doch lieber nicht streiten solle, wer von ihnen größer sei, Schiller oder Goethe, sondern sich freuen, daß zwei solche Kerle vorhanden seien.“38 Ähnlich wie Gervinus führt Vilmar die unterschiedlichen Persönlichkeiten von Goethe und Schiller an: zum einen Goethe, der vom Besonderen zum Allgemeinen denke, sowie Schiller, der vom Allgemeinen auf das Besondere schließe. Allerdings gibt Vilmar keine Auskunft darüber, welchen er den Vorzug gibt. Vielmehr stellt er sie als gleichberechtigt nebeneinander. Er betrachtet die Dichter als die geistigen Repräsentanten seiner Zeit, sogar der Menschheit.39 Aus diesen Ausführungen leitet Vilmar weitere Urteile über die Dichtungen und Vorzüge der beiden Persönlichkeiten ab: Goethe wird als Vertreter der Naturpoesie angesehen, während die Kunstpoesie durch Schiller verkörpert werde. An diese Sichtweise, also an das Nebeneinanderstehen der Goetheschen Naturpoesie und der Schillerschen Kunstpoesie knüpft Vilmar seine Blütezeit-Theorie an: Hier vergleicht er die Dichtung Goethes und Schillers mit der ersten Blütezeit der alten deutschen Literatur. Er geht nämlich davon aus, dass die deutsche Literatur bis zum damaligen Zeitpunkt zwei poetische Blütezeiten habe, welche beide durch die Koexistenz der Naturpoesie und der Kunstpoesie gekennzeichnet sei. Damit weicht er der Entscheidung des langjährigen Streits bezüglich der zwei Naturen Goethes und Schillers aus und führt an, dass Goethe und Schiller „in ihrer Eigentümlichkeit und Berechtigung anzuerkennen und zu begreifen“40 seien. Er wird noch deutlicher und meint, „daß das heutige junge Geschlecht, welches darüber einig zu sein scheint, daß Schiller der Dichter der Freiheit, Göthe der Dichter der Knechtschaft sei, ist nicht wert, Schiller zu lesen.“41
Obwohl Vilmar die zeitorientierte oder individuelle Bewertung von Literatur ablehnt und sich für einfache dichterische Kriterien ausspricht, hält er selbst auch an keinen strengen literarischen Betrachtungsweisen fest. Dies liegt darin begründet, dass zur Zeit Vilmars keine einheitliche Methodologie für die Auseinandersetzung mit literarischen Texten vorhanden war. Daher verbindet er die Literatur mit der Theologie. Seine literarische Bewertung dient nunmehr der Rechtfertigung seiner theologischen Ideen. So behandelt der Theologe im Kapitel Göthe und Schiller hauptsächlich das Verhältnis der beiden Dichter zum Christentum. Um Bezugspunkte der beiden zum Christentum zu finden, geht er von der These aus, dass eine „Dissonanz zwischen dem Christentum, und nicht bloß dem kirchlichen, und unsern großen Dichtern vorhanden ist.“42 So verfolge Goethe nach Vilmar den Pantheismus, während Schiller mehr auf einem rationalistischen, den Menschen vergötternden Standpunkt stehe.43 Hier nennt Vilmar die unstete Einstellung beider Dichter zum Christentum als Beispiel: So ließe sich beispielsweise in der Vorrede zu Den Räubern das feindselige Verhältnis zum Christentum ablesen, während sich Schillers friedliche Meinung über diese Religionsgemeinschaft an anderer Stelle äußere, er gibt dabei jedoch kein Beispiel an, das seine These stützt.51 An dieser Stelle führt Vilmar ein Gleichnis in Form einer rhetorischen Frage an: Er vergleicht die schwankenden Gedanken beider Autoren zum Christentum mit der auf dem Wasser hin- und herschaukelnden Blüte der Wasserlilie, die leicht von Wellen und Stürmen beeinflusst werde. Somit begreift Vilmar die schwankende Beziehung als oberflächliche Erscheinung. Die Blüte der Wasserlilie wurzele gleichzeitig fest im Wasser, womit er „de[n] tiefe[n] Grund beider Dichter“ meint.52 Mit Hilfe dieses Gleichnisses möchte Vilmar zu erkennen geben, dass er anstelle einer oberflächlichen Interpretation, welche beispielsweise aus einzelnen Zitaten oder Textstellen bestehe, die Wurzel bzw. das Wesen der Dichtung von Goethe und Schiller betrachten würde.44 In diesem Zusammenhang lässt Vilmar beide Dichter nicht direkt als Christen wirken, sondern sieht in ihrer Poesie „eine Art weltlich[es] Evangelium.“45 So unterstellt er Goethe eine Neigung zur gegebenen Welt, die er zusammen mit dem Quietismus verbindet. Im Vergleich zu Gervinus, welcher die Passivität Goethes zu seiner Gegenwart geringschätzt, begreift Vilmar sie im religiösen Kontext als die demütige Anerkennung des göttlichen Gesetzes. Hier trage Goethe zur Anerkennung und Erhaltung der Ordnung der Welt bei, die nach Vilmar als von Gott gegeben angesehen wird. Auf gleiche Weise interpretiert Vilmar die Dichtung Schillers als christlichen Geist. Dieser greife das Element des Christentums der Goetheschen Dichtung auf und erhebe es zu einer Regel. Vilmars Ausführungen zu Schiller sind jedoch relativ kurz und argumentativ schwächer als bei Goethe. Schließlich zieht Vilmar das Fazit, dass die Poesie Schillers sowie Goethes vom heiligen christlichen Geist zu verantworten sei: „Wer sie ganz, wer sie recht zu verstehen weiß, dem sind auch sie Solche, die es menschlich dachten übel zu machen, während die Führung aus der Höhe es gut durch sie gemacht hat.“55 Um seine These zu stützen, führt Vilmar den ersten Teil des Fausts als Beispiel an: Er interpretiert ihn als „eine Vorbereitung auf die höchste, die christliche Weltanschauung“56, das Menschliche werde dem Göttlichen gegenübergestellt. Hier zeigt sich Vilmars Hoffnung auf die Erneuerung des Christentums. Für ihn sei „Gottesoffenbarung und Poesie in ihrer Wurzel und letztem Wesen Eins.“46
Schließlich verweist er auf den Irrtum, „Dichtung und zeitliche Erscheinung der Person durcheinander zu mengen.“47 Er unterscheidet also zwischen Dichter und Dichtung. Vilmar negiert nicht, dass Goethe überhaupt gegen das Christentum sei, während Schiller eher den moralischen Standpunkt der Rationalisten vertritt, welche die geschichtliche Grundlage des Christentums als nicht notwendig annehmen.48 Der Theologe betrachtet die Ansichten der beiden Dichter als beschränkte Standpunkte von Personen in der Zeit. Goethes Ablehnung des Christentums bezieht Vilmar auf die unwahre Redseligkeit der subjektiven Dichter wie beispielsweise Lavater, welcher das Christentum in äußerst subjektiver Gestalt thematisiert. Dabei beziehe sich Schillers Position auf das geschmacklose, abgelebte kirchliche Christentum innerhalb der evangelischen Kirche seiner Zeit.49 In diesem Zusammenhang besitzt Vilmars Kampf gegen den Zeitgeist eine politische sowie gesellschaftliche Implikation.50 Hier knüpft er seine literarische Bewertung an ein religiöses Ideal und offenbart seine antirevolutionäre sowie antiaufklärerische Einstellung.
Insgesamt weicht er im Kapitel der ausführlichen Darstellung des Zusammenwirkens beider Dichter aus und begründet deren Verhältnis zum Christentum wiederum selbst christlich: Das liegt einerseits daran, dass es damals noch keine Modelle für eine Literaturgeschichte gab, weswegen der Theologe einfach die theologische Methodologie auf seine Literaturgeschichte überträgt. Andererseits geht Vilmar durchwegs von keiner reinen Literaturgeschichte aus: Er stellt sich auf einen theologischen Standpunkt und versucht mit der historischen Entwicklung der Literatur eine göttlichen Berufung der Deutschen aufzuzeigen sowie das Christentum wiederzubeleben. So lässt sich sagen, dass Vilmar aus einem theologischen Interesse heraus dem Zusammenwirken Goethes und Schillers wenig Aufmerksamkeit schenkt. Er erwähnt in seiner Interpretation von Goethes Werken nur flüchtig die Zusammenarbeit beider Dichter; dagegen spielt sie eine wesentliche Rolle bei der Behandlung Schillers. Dabei betrachtet Vilmar die bilaterale Beziehung zwischen Goethe und Schiller kritisch und meint, dass der Einfluss Goethes auf Schiller auf jeden Fall positiv wirke, während die unmittelbare Auswirkung Schillers auf Goethe schädlich sei. Vilmar führt an, dass die Dichtung Goethes durch seine Weltabgewandtheit und seinen Bezug zur herzlichen Empfindung als „eine Art weltlich[es] Evangelium“51 gesehen werden kann, womit er sich gegen die revolutionäre und aufklärerische Stimmung Schillers wendet. Es dient also eher der Verherrlichung Goethes, wenn der Theologe die Periode ab 1794 in der Biographie Schillers als Höhepunkt von dessen Dichtung begreift. An dieser Stelle nehmen viele Kritiker wie Scherer Anstoß daran, dass es Vilmars Beurteilung literarischer Phänomene ab und an am rechten Maß mangele. Im Folgenden werden die literarischen Bewertungskriterien Vilmars über Goethe und Schiller in Bezug auf seine theologische Methodologie diskutiert.
1.3 Die literarische Bewertung Vilmars
In diesem Teil stehen die literarischen Bewertungskriterien Vilmars im Mittelpunkt. Die Untersuchung gliedert sich in zwei Teile: Zum einen wird die ausdrückliche Bewertung52 des klassischen Jahrzehnts Vilmars in Bezug auf die einschlägigen Kapitel analysiert, wozu auch die ästhetischen und nationalen Wertungskriterien Vilmars gezählt werden. Zum anderen erfolgt eine Analyse der methodischen Mittel der Bewertungen anhand verschiedener Beispiele Vilmars.
Im Folgenden geht es um die ausdrückliche Bewertung des klassischen Jahrzehnts durch Vilmar. Seine literarischen Bewertungskriterien lassen sich aus seinen ästhetischen Urteilen ablesen. Sein Dichtungsbegriff setzt sich aus zwei Elementen zusammen: Einerseits definiert Vilmar die Dichtung als eine göttliche Eingebung, die der Dichter unbewusst erfahren würde. Demnach stamme die dichterische Natur von Gott. An dieser Stelle begreift Viimar den Dichter als Genius und verbindet seinen Genie-Begriff mit der „In-Sich-Selbst-Vollendet-Theorie.“53 Das zeige sich ebenfalls in der Weltabgewandtheit der Genien, da sie die göttliche Muse individuell empfangen. Zum anderen legt Vilmar bei Goethe großen Wert auf Innerlichkeit und Gefühle. So drücke der Dichter diese unmittelbar aus, woraus sich ergebe, dass der Inhalt der Dichtung voller Einfachheit und Wahrheit sei. So ist hier auch zu erkennen, dass seine Sichtweise auf den Genie-Begriff sowie die Empfindung mit der Idee der Sturm-und- Drang-Periode im Einklang stehen.
Im Gegensatz zu Gervinus stelle Vilmar Goethe neben „die Dichter der Griechen, neben unsere eignen grösten alten Sänger, neben Shakespeare, neben die Volkslyrik, so daß er nur eine Stufe unter dem Volksepos, der grösten, von dem Individuum unerreichbaren, dichterischen Schöpfung des menschlichen Geistes stehen“ bleibe.54 Für Vilmar sei Goethe der größte Genius der Neuzeit, welcher mit seiner „vollesten, stärksten, unmittelbaren dichterischen Empfindung“ die Wirklichkeit poetisch gestaltet,55 ohne in theoretischen Überlegungen zu versinken. Goethe entspreche besonders der unbewussten, empfangenen sowie gefühlvollen Dichtung. Er habe die Muse, diese „kräftige, kühn einherschreitenden, ohne Kampf überwindende, heiter siegende Energie“56, von Gott empfangen. Zur Verdeutlichung dieses Punkts kontrastiert Vilmar Goethe mit Schiller: Dieser sei ein Freiheitskämpfer, der eine revolutionäre Stimmung in der Gesellschaft verbreite. Die meisten Dichtungen Schillers werden von ihm als ideologisch, künstlerisch sowie kämpferisch abgelehnt. Demgegenüber schätzt Vilmar die Weltabgewandtheit und Ablehnung der Französischen Revolution von Goethe. Andererseits zeichne sich das Schaffen Goethes durch dessen unmittelbare Wärme des Gefühls sowie den tiefen Seelenfrieden aus. Mit der Palette der Adjektive wie rein, zart, mild, völlig, weich oder ruhig würdigt der Autor das Schaffen Goethes als Ausfluss des Herzens. Im Gegensatz dazu lehnt Vilmar die reflexive und künstlerische Dichtung Schillers ab: Der Einfluss Goethes auf Schiller wird als gut erachtet. Bei dieser Argumentation muss berücksichtigt werden, dass sich Vilmars Verständnis zur Dichtung und seine Neigung für die Geniezeit auf seine theologische Ansicht zurückführen lassen, d. h. dass beispielsweise die Dichtung als Gottes Offenbarung zu verstehen sei. Die Anerkennung der göttlichen Gesetze sowie die religiöse Demut würden in der Weltabgewandtheit und Passivität Goethes ihren Niederschlag finden. Ebenso wie das Evangelium orientiere sich die Dichtung Goethes an Gefühlen. Auf diese Weise überträgt Vilmar die theologische Methodologie auf die ästhetische Beurteilung von Goethe und Schiller. An mancher Stelle entspricht die ästhetische Betrachtungsweise der theologischen: Es lasse sich beispielsweise erkennen, dass die Poesie ewig, zeitlos und gut sei, und unbewusst aus dem Trieb entstehen könne. Hierbei geht Vilmar so vor, dass er die zweite Blütezeit als das Resultat der Anerkennung des göttlichen Gesetzes betrachtet und versucht, seiner apostolischen Pflicht zufolge durch die Literaturgeschichte das Christentum wiederzubeleben. Daher lehnen sich seine ästhetischen Bewertungskriterien an die Theologie an und offenbaren wiederum durch seine theologische Orientierung die Idee des Christentums.
Weiterhin gehen die literarischen Bewertungskriterien Vilmars ebenso von nationalen Gesichtspunkten aus: Dabei behauptet er in der Einleitung seiner Literaturgeschichte, dass die Poesie die älteste und eigentümlichste Gemeinsamkeit aller Völker sei, „da in ihr der Charakter des Volkes an Leib, Seel und Geist am vollständigsten und sichersten sich ausprägt.“57 Der Gymnasiallehrer und dilettierende Germanist Vilmar beschäftigt sich lange Zeit mit der deutschen Literatur und Sprache. Er widmet sich hier der historischen Entwicklung der deutschen Literatur und Sprache, da diese ihm der vorzüglichste Gegenstand sei, um die Seele sowie den Geist des deutschen Volkes widerzuspiegeln. So schreibt er: „Kein Volk wird in seinem Sein, in seiner Entwicklung, in seinen Taten - mit einem Wort in seiner innersten Eigentümlichkeit recht begriffen, wenn es nicht in seiner Sprache begriffen wird.“58 Bei seiner Bewertung der Werke Goethes und Schillers bringt er den nationalen Aspekt in den Vordergrund. So wird beispielsweise das früheste Epos Götz von Goethe als Volksdrama gewürdigt, „welches aus einem Buße warmen und wahrhaften Nationalgefühls hervorgegangen war.“59 Ein weiteres Beispiel stelle die Trilogie Wallenstein von Schiller dar, welche von Vilmar als „seine grösten, oder vielmehr seine wahrhaft große[n] Tragödie“ bewertet wird.60 Die Anerkennung Vilmars ist insbesondere durch die Wahl Schillers zu begründen, ein Volksdrama zu entwerfen und „eine[r] historische[n] und zwar eine[r] vaterländische[n] Figur“61 zu widmen.
Nach Vilmar gelange die deutsche Literatur zweimal zur höchsten Blüte ihrer Vollendung: einmal im 13. Jahrhundert und einmal ab Klopstock bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Die deutsche Literatur wird in den Schriften Vilmars nicht als Nachzügler betrachtet, weswegen er die deutsche Dichtkunst über die, der anderen Völker, sogar die der Griechen stellt, da sie „nicht wie die Literatur der übrigen Völker nur eine, (...) sondern zwei klassische Perioden gehabt“62 haben. Für Vilmar habe die deutsche Literatur von Anfang an „das Fremde, besonders das Christentum willig in sich aufgenommen, und gerade, weil das Christentum die den Dichter auszeichnende Fähigkeit besessen habe, alle eigenen Ansprüche an das Fremde fahren zu lassen und sich ganz in dasselbe zu versenken, sei das deutsche Volk das eigentliche Dichtervolk unter den Nationen der Erde“63:
Zweimal ist auf diese Weise unser Selbst von fremden Elementen innig durchdrungen worden, um wiederum sie innig zu durchdringen: das erstemal von dem Geiste des Christentums, dessen volle und ganze Aneignung die erste klassische Periode im 13. Jahrhundert schuf, das zweitemal von dem Geiste des griechisch-römischen Altertums und dem unserer Nachbarvölker, am Ende des vorigen Jahrhunderts.64
Vilmars versteckt seinen theologischen Standpunkt hinter seinem nationalen Stolz. Einerseits begreift er die deutsche National-Geschichte als progressiven Verfall. Die erste Blütezeit im 13. Jahrhundert ist für ihn der unerreichbare Höhepunkt der deutschen Literatur, da sie das Christentum aufnehme. Die zweite Blütezeit ergebe sich aus der Befolgung der göttlichen Gesetze, die sich nunmehr bei den Dichtern in Weltabgewandtheit und Innerlichkeit äußere. Andererseits verweist Vilmar auf die „Weltherrschaft“ des deutschen Volkes.65 Die zweimalige klassische Blüte wurzele in der deutschen Literatur, nämlich in „der innersten Natur und dem eigentümlichen welthistorischen Berufe des [deutschen] Volkes.“66 Das deutsche Volk wird hier als das ausgewählte Volk Gottes angesehen. Auf diese Art lädt er den deutschen Nationalstolz religiös auf. Aus der geschichtlichen Kontinuität deutscher Literatur leitet Vilmar die Berufung des deutschen Volkes ab, Hüter der Völker zu sein:
Der Beruf des deutschen Volkes in der Zukunft wird kein anderer sein als der er seit fast zwei Jahrtausenden gewesen ist: ein Hüter zu sein unter den Völkern für Zucht und für Sitte, für Gerechtigkeit und für Hingebung, für Dichtung und Wißenschaft in ihrer stillen Innerlichkeit und für den Glauben der christlichen Kirche in seiner weltüberwindenden Herrlichkeit.67
Es zeigt sich also, dass es Vilmar nur auf den ersten Blick um die Seele des Volkes geht, die aus der Nationalliteratur zu erschließen sei. In Wirklichkeit geht es um die Darstellung seiner Auffassung von deutscher Zucht und Sitte und um das Festhalten an der Autorität der „christlichen Kirche.“68 Insgesamt bezieht Vilmar seine ästhetischen sowie nationalen Bewertungskriterien aus seinem theologischen Standpunkt. Dieser sei für ihn die Grundlage, weil „von diesem Standpunkt aus eine vollständige Würdigung, weil ein vollständiges Verständnis aller Poesie möglich ist.“69
Neben der literarischen Wertung wendet Vilmar auch verschiedene methodische Mittel, wie Vergleiche, Gleichnisse oder Analogien an, die in der Literaturgeschichte häufig Anwendung finden. Er setzt Goethe und Schiller häufig in Kontrast zueinander oder zu anderen Nationaldichtern. So vergleicht Vilmar beispielsweise Klopstock mit Goethe, um dessen Natur zu veranschaulichen:
Die anderen Dichter seiner Zeit, Klopstock nicht ganz ausgenommen, haben etwas werden wollen und sind etwas geworden: Göthe hat nichts werden wollen und ist nichts geworden: er ist gewesen, was er war.70
Besonders zu beachten gilt, dass diese methodischen Mittel der Wertung nicht nur die Haltung Vilmars verdeutlichen, sondern erneut den theologischen Bezug erkennen lassen. Als Theologe bringt er seine theologisch-orientierte literarische Wertung ein, wobei er die theologisch-gefärbten methodischen Mittel wie beispielsweise beim Wasserlilien-Gleichnis in seiner Darstellung anwendet, wodurch er den religiösen Charakter der Schriften Goethes und Schillers hervorhebt. Auch die Verfallsgeschichte der deutschen Literatur lässt sich als ein Gleichnis für das verlorene Paradies in der Bibel interpretieren. Die Literaturgeschichte Vilmars wird also auch durch seine bildhafte Darstellung sowie gehobene und begeisterte Sprache geprägt.
[...]
1 Nietzsche, Friedrich: Die Geburt der Tragödie. Unzeitgemäße Betrachtung I-IV. Nachgelassene Schriften 1870-1873. In: Colli Giorgio und Montinari, Mazzino (Hrsg): Sämtliche Werke: Kritische Studienausgabe in 15 Bänden. Band 1. München: de Gruyter. 1988. S.168.
2 Vgl. Greif, Stefan: Arbeitsbuch Deutsche Klassik. München: Wilhelm Fink 2008. (UTB). S. 13.
3 Vgl. Grimm, Reinhold und Hermand, Jost (Hrsg.): Die Klassik-Legende. Frankfurt am Main: Athenäum-Verlag 1971.
4 Vgl. Schulz, Gerhard: Klassik. In: Fricke, Harald u. a. (Hrsg.): Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Bd. 2: H-O. Berlin [u. a.]: de Gruyter 2010. S. 270.
5 Siehe auch: Weimar, Klaus: Geschichte der deutschen Literaturwissenschaft bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. München: Wilhelm Fink 2003.(UTB).; Fohrmann, Jürgen und Voßkamp, Wilhelm (Hrsg.): Wissenschaftsgeschichte der Germanistik im 19. Jahrhundert. Stuttgart: J. B. Metzler 1994.; Fohrmann, Jürgen: Das Projekt der deutschen Literaturgeschichte. Entstehung und Scheitern einer nationalen Poesiegeschichtsschreibung zwischen Humanismus und Deutschem Kaiserreich. Stuttgart: Metzler 1989.
6 Siehe auch: Hans, Dierkes: Literaturgeschichte als Kritik: Untersuchung zu Theorie und Praxis von Friedrich Schlegels frühromantischer Literaturgeschichtsschreibung. Tübingen: Niemeyer 1980.; Behm, Reinhard: Aspekte Reaktionärer Literaturgeschichtsschreibung des Vormärz. Dargestellt am Beispiel Vilmars und Gelzers. In: Müller, Jörg Jochen (Hrsg.): Germanistik und deutsche Nation. 1806-1848. Zur Konstitution bürgerlichen Bewusstseins. Stuttgart: J. B. Verlag 2000.; Carl, Rolf-Peter: Prinzipien der Literaturbetrachtung bei Georg Gottfried Gervinus. Bonn: H. Bouvier u. Co. Verlag 1969.; Dobrinkat, Uta: Vergegenwärtigte Literaturgeschichte: Zum Verhältnis von Gegenwart und Vergangenheit in der Literaturgeschichtsschreibung Wilhelm Scherers am Beispiel der „Skizzen aus der älteren deutschen Literaturgeschichte“ und der „Geschichte der deutschen Literatur“. Freie Universität Berlin. Diss. 1979.
7 Vilmar, August Friedrich Christian: Vorlesungen über die Geschichte der deutschen National-Literatur. Marburg und Leipzig: Druck und Verlag der Elwertschen Universitätsbuchhandlung 1845. S. 540-604.
8 Gervinus, Georg Gottfried: Neuere Geschichte der poetischen National-Literatur der Deutschen. Zweiter Teil: Von Goethes Jugend bis zur Zeit der Befreiungskriege. Mit einem Register über das ganze Werk. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann 1842. S.439-522.
9 Hettner, Hermann Julius Theodor: Geschichte der deutschen Literatur im achtzehnten Jahrhundert. Band II. In: Erler, Gotthard (Hrsg.): Geschichte der deutschen Literatur im achtzehnten Jahrhundert. 2 Bände. Berlin: Aufbau-Verlag 1961. [Erste Aufgabe der Literaturgeschichte des achtzehnten Jahrhunderts in drei Teilen und 6 Bänden. Braunschweig 1856-70.] S.467-566.
10 Wilhelm Scherer: Geschichte der Deutschen Litteratur. Berlin: Weidmannsche Buchhandlung 1883. S. 552-613.
11 Vgl. Jeßing, Benedikt: Bibliographieren für Literaturwissenschaftler. Stuttgart: Reclam 2010. S. 57. 3
12 Vgl. Behm, Reinhard: Aspekte Reaktionärer Literaturgeschichtsschreibung des Vormärz. Dargestellt am Beispiel Vilmars und Gelzers. In. Müller, Jörg Jochen (Hrsg.): Germanistik und deutsche Nation. 1806-1848. Zur Konstitution bürgerlichen Bewusstseins. Stuttgart Weimar: J. B. Verlag 2000. S. 231.
13 Götze, Karl-Heinz: Grundpositionen der Literaturgeschichtsschreibung im Vormärz. Frankfurt am Main [u.a.]: Lang 1980. S. 182.
14 Vgl. Behm, Reinhard (2000): S. 232.
15 Fohrmann, Jürgen: Das Projekt der deutschen Literaturgeschichte. Entstehung und Scheitern einer nationalen Poesiegeschichtsschreibung zwischen Humanismus und Deutschem Kaiserreich. Stuttgart: Metzler 1989. S. 220.
16 Vilmar, August Friedrich Christian: Vorlesungen über die Geschichte der deutschen National-Literatur. Marburg und Leipzig: Druck und Verlag der Elwertschen Universitätsbuchhandlung 1845. S. 540.
17 Ebd.
18 Ebd.
19 Vgl. Götze, Karl-Heinz (1980): S. 203.
20 Vilmar, August Friedrich Christian (1845): S. 541.
21 Ebd.
22 Ebd.
23 Vilmar, August Friedrich Christian (1845): Vorwort.
24 Ebd.
25 Vilmar, August Friedrich Christian (1858): Vorwort zur vierten Auflage.
26 Ebd. S. 567.
27 Ebd. S. 543.
28 Vgl. ebd.
29 Vgl. ebd.
30 Ebd. S. 569.
31 Vgl. ebd. S. 569 f
32 Ebd. S. 570.
33 Ebd. S. 580.
34 Vgl. ebd. S. 584.
35 Vgl. ebd. S. 589.
36 Ebd. S. 590.
37 Ebd. S. 583.
38 Ebd. S. 592.
39 Vgl. ebd. S. 593.
40 Ebd. S. 595.
41 Ebd. S. 596.
42 Ebd. S. 598.
43 Vgl. ebd. S. 598.
44 Vgl. ebd.
45 Ebd. S. 601.
46 Ebd.
47 Ebd. S. 604.
48 Ebd.
49 Ebd.
50 Vgl. Götze, Karl-Heinz (1980): S. 188.
51 Vilmar, August Friedrich Christian (1845): S. 601.
52 In der vorliegenden Arbeit wird die literarische Bewertung der zu untersuchenden Autoren unter zwei Aspekten behandelt: die ausdrückliche Bewertung und ihre methodischen Mittel. Der erste bezieht sich auf die explizite literarische Haltung des Autors, während die letzte eine Wertung durch die methodischen Mittel darstellt, wie beispielsweise Vergleiche oder Analogien.
53 Pfaffenberger, Wolfgang: Blütezeiten und nationale Literaturgeschichtsschreibung: eine wissenschaftsgeschichtliche Betrachtung. Frankfurt am Main [u.a.]: Lang 1981. S. 247.
54 Vilmar, August Friedrich Christian (1845): S. 543.
55 Ebd. S. 541.
56 Ebd. S. 542.
57 Ebd. S. 1.
58 Zitat nach: Hopf, Wilhelm: August Vilmar. Ein Lebens- und Zeitbild. Bd. 1. Marburg: Elwert. 1913. S. 146.
59 Vilmar, August Friedrich Christian (1845): S. 548.
60 Ebd. S. 583.
61 Ebd. S. 584.
62 Ebd. S. 2.
63 Rohls, Jan und Wenz, Gunther (Hrsg.): Protestantismus und deutsche Literatur. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht Verlag 2004. S. 8.
64 Vilmar, August Friedrich Christian (1845): S. 5.
65 Ebd. S. 4.
66 Ebd. S. 3.
67 Vilmar, August Friedrich Christian (1858): Vorwort zur vierten Auflage.
68 Ebd.
69 Hopf, Wilhelm: August Vilmar. Ein Lebens- und Zeitbild. Band 1. Marburg: Elwert 1913. S. 289.
70 Vilmar, August Friedrich Christian (1845): S. 543.
- Quote paper
- Chen Li (Author), 2013, Das "klassische" Jahrzehnt (1794–1805) in ausgewählten deutschen Literaturgeschichten des 19. Jahrhunderts, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/913199
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