Die Fragestellung der Arbeit lautet: Wie lässt sich die unterschiedliche Intensität von Versicherheitlichung konzeptionell erfassen und empirisch untersuchen? Beschreibung und kritische Diskussion des Vorschlags Bourbeaus. Dieser hat am Beispiel der Migration ein Modell mit Indikatoren entwickelt, mit diesem man die Intensität der Versicherheitlichung bestimmen kann.
Obwohl der Beginn der Flüchtlingskrise schon im Jahr 2015 in Deutschland zu bemerken war, wird das Thema noch heute häufig diskutiert. Das zum Beispiel durch Institutionen wie die Grenzschutzagentur Frontex die starke Einwanderung von Flüchtlingen versicherheitlicht wurde, liegt auf der Hand. Vor Allem die Kopenhagener Schule der Versicherheitlichung hat hier eine Theorie geliefert, um den Prozess der Versicherheitlichung konzeptionell erfassen zu können. Wenn man nun aber die einzelnen Nationen Europas betrachtet fällt auf, dass einige Länder sehr viele Flüchtlinge aufgenommen haben. Andere hingegen stellen sich strikt gegen die Aufnahme der Flüchtlinge. Doch wie ist dieses Phänomen zu erklären, dass zwar die meisten Nationen Europas die Flüchtlingskrise versicherheitlicht haben, aber dies in unterschiedlicher Intensität? Hierfür gibt die Kopenhagener Schule der Versicherheitlichung erste Anlaufspunkt, zum Beispiel welche Akteure im Versicherheitlichungsprozess entscheidend sind und ab wann etwas versicherheitlicht wurde. Das Problem ist nur, dass man mit diesem Modell die Intensität der Versicherheitlichung nicht bemessen kann. Hier sehe ich eine interessante Lücke in der Politikforschung, an die ich mit dieser Hausarbeit anknüpfen möchte.
Inhalt
1. Einleitung
2. Abgrenzung zur Kopenhagener Schule
2.1 Kopenhagener Schule
2.2 Theorie Phillipe Bourbeaus
2.2.1 Securitizing Agents
2.2.2 Contextual Factors
3. Intensität der Versicherheitlichung bei Bourbeau
3.1 Vergleich Frankreich und Kanada
3.2 Theoretisches Konzept der Intensität am Beispiel Migration
4. Resümee
1. Einleitung
Obwohl der Beginn der Flüchtlingskrise schon im Jahr 2015 in Deutschland zu bemerken war, wird das Thema noch heute häufig diskutiert. Das zum Beispiel durch Institutionen wie die Grenzschutzagentur Frontex die starke Einwanderung von Flüchtlingen versicherheitlicht wurde, liegt auf der Hand. Vor Allem die Kopenhagener Schule der Versicherheitlichung hat hier eine Theorie geliefert, um den Prozess der Versicherheitlichung konzeptionell erfassen zu können. Wenn man nun aber die einzelnen Nationen Europas betrachtet fällt auf, dass einige Länder sehr viele Flüchtlinge aufgenommen haben. Andere hingegen stellen sich strikt gegen die Aufnahme der Flüchtlinge. Doch wie ist dieses Phänomen zu erklären, dass zwar die meisten Nationen Europas die Flüchtlingskrise versicherheitlicht haben, aber dies in unterschiedlicher Intensität? Hierfür gibt die Kopenhagener Schule der Versicherheitlichung erste Anlaufspunkt, zum Beispiel welche Akteure im Versicherheitlichungsprozess entscheidend sind und ab wann etwas versicherheitlicht wurde. Das Problem ist nur, dass man mit diesem Modell die Intensität der Versicherheitlichung nicht bemessen kann. Hier sehe ich eine interessante Lücke in der Politikforschung, an die ich mit dieser Hausarbeit anknüpfen möchte. Dazu lautet die Fragestellung der Arbeit: Wie lässt sich die unterschiedliche Intensität von Versicherheitlichung konzeptionell erfassen und empirisch untersuchen? Beschreibung und kritische Diskussion des Vorschlags Bourbeaus. Dieser hat am Beispiel der Migration ein Modell mit Indikatoren entwickelt, mit diesem man die Intensität der Versicherheitlichung bestimmen kann.
Die Hausarbeit gliedert sich in vier Kapitel. Das erste Kapitel beinhaltet die Einleitung. Im zweiten Kapitel wird der Ansatz Bourbeaus, vor allem Hinsichtlich der verschiedenen Akteure, zur Theorie der Kopenhagener Schule abgegrenzt. Im Unterkapitel 2.1 wird das Modell der Kopenhagener Schule detailliert geschildert und dargestellt, wie es zur Versicherheitlichung eines Existential Threats kommt. Das folgende Unterkapitel 2.2, welches sich mit der Theorie Bourbeaus beschäftigt, ist nochmals in zwei weitere Kapitel unterteilt. Im Kapitel 2.2.1 wird die Analyse der Securitizing Agents durch Bourbeau präsentiert. Im nächsten Unterkapitel 2.2.2 wird gezeigt, wie die Contextual Factors die Versicherheitlichung eines Problems beeinflussen. Im dritten Kapitel wird geschildert, wie Bourbeau die Intensität der Versicherheitlichung am Beispiel der Migration misst. Im Unterkapitel 3.1 werden dazu zuerst die Gemeinsamkeiten und Unterschiede von den Vergleichsländern Frankreich und Kanada präsentiert. Im zweiten Unterkapitel 3.2 folgt die Beschreibung der Indikatoren, welche zur Beurteilung der Intensität dienen. Das vierte Kapitel beinhaltet das Resümee. In diesem folgt eine kritische Diskussion des Ansatzes Bourbeaus.
2. Abgrenzung zur Kopenhagener Schule
Im Großen und Ganzen baut Bourbeau sein Werk auf dem sozial-konstruktiven Ansatz der Kopenhagener Schule auf. Um das Konzept des Konstruktivismus zu verstehen dient folgendes Zitat:
„Damit steht im Zentrum eines konstruktivistischen Zugangs eine Denaturalisierung des Sozialen, die Aufschlüsselung der Faktizität sozialer Erscheinungen eben als sozial konstruierte Fakten, allgemein: die Hinterfragung von vermeintlichen Selbstverständlichkeiten sozialer Bedeutungsprägungen. Es ist aber weniger die Demaskierung etablierter Bedeutungen/Wissensbestände als vielmehr die Untersuchung der Prozesse, die zu deren Etablierung (oder: Untergrabung) führen, welche aus konstruktivistischer Perspektive interessant sein dürften."1
In der Theorie geht man also davon aus, dass Dinge, von denen man ausgehen könnte sie seien selbstverständlich, oft sozial konstruiert wurden. So ist in der Theorie der Kopenhagener Schule die existentielle Bedrohung nur sozial konstruiert und muss damit nicht wirklich vorliegen. Diesen Ansatz übernimmt Bourbeau in seine Dissertation. Wie schon in der Einleitung angeklungen, gibt es jedoch auch Unterschiede zwischen der Theorie der Versicherheitlichung der Kopenhagener Schule und der Theorie von Phillipe Bourbeau. Dazu gehört auf der Seite der Kopenhagener Schule die Binarität der Versicherheitlichung und auf Bourbeaus Seite der Versuch, die Versicherheitlichung nicht nur binär zu betrachten, sondern auch die Intensität der Versicherheitlichung zu bestimmen. Zum anderen aber auch die unterschiedliche Bedeutung der sozialen Mechanismen im Rahmen der Versicherheitlichung. Im Folgenden werden beide Ansätze der unterschiedlichen Theorien bezüglich der sozialen Mechanismen und die Entstehung der Versicherheitlichung erläutert.
2.1 Kopenhagener Schule
Zuerst wird das Modell der Kopenhagener Schule dargestellt. In diesem gibt es verschiedene Stufen, in denen ein Problem aufgefasst werden kann. Die erste Stufe ist die der Politisierung. Hier wird ein Problem, dass sonst nur in der Öffentlichkeit debattiert wurde, auf die Ebene des politischen Diskurses gehoben. Dadurch befassen sich politische Institutionen damit. Daraus resultierend werden dann z.B. Gesetzesentwürfen oder Ähnliches erlassen. Im Rahmen der Politisierung wird jedoch nur im Rahmen der Regelungen agiert. Hingegen wird bei der Versicherheitlichung, die der nächsten Stufe entspricht, der Regelbereich verlassen. Sobald also ein Akteur durch einen Securitizing Move versucht, das Problem als einen Existential Threat darzustellen und dieses nicht nur politisiert, dann wurde dieser Existential Threat versicherheitlicht.
Ein Existential Threat liegt vor, wenn das Überleben eines speziellen Objektes gefährdet ist. Um sich zu schützen darf das Objekt dann besondere Maßnahmen ergreifen. Unter dem Objekt ist das Referent Object zu verstehen, also das Bezugsobjekt auf das sich das Gesamtkonzept der Versicherheitlichung bezieht. Meistens geht es hierbei um das Staatsvolk, das Staatsgebiet oder um die Staatsgewalt. Es können jedoch auch Religionen, Ideologien oder supranationale Organisationen wie die europäische Union damit gemeint sein. Die Maßnahmen, die das Referent Object mit der Versicherheitlichung rechtfertigen möchte, werden als Extraordinary oder Emergency Measures betitelt. Diese Reaktionen können auf ganz verschiedene Art und Weise aussehen. So können darunter Sanktionen, die Erhöhung von Steuern oder auch militärische Operationen fallen. Das Besondere an der Versicherheitlichung ist, dass das Referent Object, also z.B. der Staat, seinen Regelbereich verlassen darf. Es ist also in gewissermaßen eine Rechtfertigung dafür, die Regeln zu brechen und beispielsweise die Zuhörer in ihrer Freiheit einzuschränken. Die Zuhörer sind das Publikum, an die der Speech Act gerichtet wird. Im Falle eines Staates sind meistens die Zuhörer die Bewohner des Staates. Der Speech Act stellt den ganzen Diskurs dar, in dem ein Problem debattiert und konstruiert wird.2
Nun gibt es Faciliating Conditions, also Gegebenheiten, die die Versicherheitlichung vorantreiben oder stoppen können. Diese Bedingungen gliedern sich in interne Bedingungen und externe Bedingungen. Zu den internen Bedingungen zählt beispielsweise die Anwendung der Sicherheitsrethorik. Mit dieser wird die existentielle Bedrohung konstruiert. Dementsprechend muss keine wirkliche Bedrohung vorliegen, sondern kann von einem Akteur erst also solche dargestellt werden.3 Zu den externen Bedingungen gehört das Innehaben einer speziellen Position, um überhaupt erst versicherheitlichen zu können. Hier ist von der formalen Autorität die Rede. Es kann dementsprechend nicht jeder Akteur eine Bedrohung konstruieren, nur die, die in der Lage sind, ein Existential Threat zu versicherheitlichen. Als Beispiel sind hier Politiker in hochrangingen Positionen zu nennen. Der Versuch, einen Existential Threat zu versicherheitlichen, nennt sich Securitizing Move. Dieser ist jedoch nur erfolgreich, wenn folgende drei Voraussetzungen erfüllt sind: Es muss eine existentielle Bedrohung, also ein Existential Threat vorliegen. Dieser kann entweder wirklich existieren oder er wurde nur als solcher konstruiert. Als zweites müssen sich aus dem Speech Act die Extraordinary Measures ergeben, die eine Reaktion auf die existentielle Bedrohung darstellen. Als letztes muss die Akzeptanz der Zuhörer vorliegen.4
2.2 Theorie Phillipe Bourbeaus
Der sozial-konstruktivistische Ansatz der Kopenhagener Schule findet im Werk von Phillipe Bourbeau Anklang. So schreibt er:
„In this dissertation, I make two contributions to the security literature. First, I argue that a constructivist perspective is useful in gaining a better understanding of the social mechanism involved in the securitization of migration as it highlights discursive power, ideational factors, and cultural/contextual elements. Second, I develop a conceptualization of security as a continuum rather than as a binary notion. As such, my analytical framework will permit both an empirical measurement of levels of securitized migration and the deduction of hypotheses to account for the variation."5
An diesem Zitat ist zu erkenne, dass Phillipe Bourbeau keine komplett neue Theorie aufstellen möchte. Er will jedoch die bestehende Theorie der Kopenhagener Schule erweitern und verbessern. Hierfür will er erstens einen stärkeren Fokus auf die sozialen Mechanismen im Rahmen der Versicherheitlichung setzen. Zweitens möchte er ein Modell entwickeln, mit dem das Level der Versicherheitlichung bemessen werden kann. Der erste Beitrag Bourbeaus zur Kopenhagener Schule wird in diesem Kapitel erläutert, der zweite Beitrag im dritten Kapitel. Bourbeau stellt seine Erweiterung anhand des Beispiels der Versicherheitlichung der Migration dar und erhob dafür in seiner Studie Daten von 1989-2005. Dafür nutzte er die Logik der Triangulation. Dies bedeutet, dass er verschiedene Methoden kombiniert hat, um Daten zu erheben. Als erstes wurde eine statistische Analyse angewendet, um die Rolle und Wirkung der Akteure zu erkennen und um zu erkennen, wie Sicherheit und Migration verbunden sind. Als nächstes wurde eine traditionelle Inhaltsanalyse angewendet, um die gewonnenen Kenntnisse weiter zu vertiefen. Für diese Methoden führte Bourbeau Interviews, Wahluntersuchungen und historische Analysen durch, um die Auswirkungen der Öffentlichkeit auf den Prozess der Versicherheitlichung der Migration zu erkennen. Dafür wurden die Faktoren, die den Prozess der Versicherheitlichung beeinflussen, in zwei Strömungen geteilt.
2.2.1 Securitizing Agents
Die erste Kategorie sind die Securitizing Agents. Dazu zählen auf der einen Seite die Political Agents und auf der anderen Seite die Media Agents. Die politischen Vertreter stellen wie in der Kopenhagener Schule wichtige Abgeordnete und hochrangige Beamte in der Regierung dar. Es wurden dafür jedoch nur die wichtigsten Politiker der Länder genommen, die Teil der Regierung sind. Oppositionelle Politiker wurden außer Acht gelassen. In Frankreich wurden dafür alle Reden des Präsidenten, des Premierministers, des Ministers für auswärtige Angelegenheiten und des Innenministers die bezüglich der Migration zwischen 1989 und 2005 gehaltalten wurden, gesammelt und ausgewertet. In Kanada wurden die Reden folgender Amtsinhaber im gleichen Zeitraum ausgewertet: Premierminister, Minister für auswärtige Angelegenheiten sowie Minister für Staatsbürgerschaft und Immigration. Insgesamt wurden in beiden Ländern ca. 3500 Reden quantitativ und qualitativ6 analysiert. So spielten in Kanada vor allem die Außenminister und die Minister für Staatsbürgerschaft und Immigration eine stark beeinflussende Rolle des Versicherheitlichungsprozess. So führten diese während 1991-1993 mehrere Securitizing Moves der Migration durch. Das Engagement des Premierministers hielt sich bezüglich der Versicherheitlichung eher in Grenzen, auch wenn ohne ihn nur sehr schwer eine Versicherheitlichung stattgefunden hätte. In Frankreich spielten hingegen die Außenminister keine Rolle im Rahmen der Versicherheitlichung der Migration. Eine starke Rolle spielten dafür die Innenminister, die im Forschungszeitraum 60% der ganzen Securitizing Moves getätigt haben. Wichtig hier zu unterscheiden ist die Politisierung und die Versicherheitlichung. Viele Reden von Politikern oder Manifeste von Parteien enthielten Inhalte über die Immigration, sowohl negative als auch positive. Hier sind also nur die Handlungen aufgeführt, durch die der Versuch der Versicherheitlichung stattgefunden hat. Erst sobald der Akteur ein Sicherheitsproblem für das Land konstruiert, findet eine Versicherheitlichung durch den Securitizing Agent statt.7
Zu den Media Agents zählen die wichtigsten Nachrichtenagenturen. In Kanada zählt dazu „The Globe and Mail" sowie „La Presse". Die erste Zeitung gilt als nationales Hauptblatt. Die zweite Zeitung als das wichtigste französisch-sprachige Nachrichtenblatt. Zusammen kommen die Zeitungen auf einen täglichen Absatz von ca. 500.000 Kopien. In den Nachforschungen Bourbeaus ergab sich, dass sowohl „The Globe and Mail" als auch „La Presse" in der gesamten Zeit der Forschung die Versicherheitlichung der Immigration ablehnten. Selbst nach dem Attentat am 9.11.2001 wurde keine Verbindung zwischen Sicherheit und der Migration hergestellt. In Frankreich wurden dafür die Zeitung „Le Monde" und „Le Figaro" in die Untersuchung mit einbezogen. „Le Monde" gilt dabei als politisch links-mittig positioniert wohin gegen „Le Figaro" als politisch rechts-mittig eingestuft wird. Beide Zeitungen zusammen kommen auf einen Absatz von durchschnittlich ca. 850.000 Kopien pro Wochentag. Der Umgang mit der Migration in den Zeitungsblättern war jedoch unterschiedlich. Während die „Le Monde", wie auch die kanadischen Zeitungen, die Immigration nicht in Zusammenhang mit einem Sicherheitsproblem brachten, so tätigten dem entgegen die Autoren der „Le Figaro" über die Jahre mehrere Securitizing Moves. Systematisch und wiederholt stellten sie Verbindungen zwischen der Immigration und den Sicherheitsproblemen her. Um die Auswirkungen der Zeitungen auf den Prozess der Versicherheitlichung sehen zu können, wurden in dem Forschungszeitraum 1989-2005 alle Artikel, die etwas mit Migration zu tun hatten, ebenfalls zusammengetragen und qualitativ und quantitativ untersucht. Insgesamt wurden 900 Artikel gesammelt. Um ein noch detailliertes Bild über die Securitizing Agents zu erhalten, wurden Fragebögen an weitere wichtige Akteure in der Politik ausgehändigt. Zu diesen zählten z.B. nationale Sicherheitsberater oder Migrationsberater. Die Fragebögen wurden mit multiple-choice, halboffene und offene Fragen gestaltet. Des Weiteren wurden in Kanada Informationsvermerke, sowie auch Anmerkungen zur kanadischen Grenzschutzagentur von 2003-2005, welche im Zusammenhang mit der chinesischen Immigration genannt wurden, gesammelt und ausgewertet.8
2.2.2 Contextual Factors
Die zweite Kategorie in Bourbeaus Werk befasst sich mit den Contextual Factors, also den Hintergrundfaktoren, die die Versicherheitlichung ebenfalls beeinflussen. Der eine Teil der Hintergrundfaktoren besteht aus den Exogenous Shocks. Darunter sind Schlüsselevents gemeint, die den Verlauf eines Versicherheitlichungprozesses stark beeinflussen. Am Beispiel der Migration führt Bourbeau die Flüchtlingskrise in den frühen 1990er und den Terroranschlag in Amerika am 9.11.2001 an. Historische und geografische Eigenschaften spielen zwar auch eine wichtige Rolle, werden aber im Zusammenhang mit den Contextual Factors nicht behandelt. Der zweite Hintergrundfaktor ist die Domestic Audience, also die inländischen Zuhörer. Die Zuhörer werden in zwei Gruppen geteilt: Die Gruppe der Elite Audiences und die Gruppe Mass Audiences. Die elitären Zuhörer stellen Parteien dar. Die Zuhörer der Masse stellen dem Gegenüber den normalen Bürger in einer Nation, wie die Audience bei der Kopenhagener Schule, dar. In beiden Ländern führten die elitären Zuhörer Securitizing Moves durch. In Kanada stellten die zwei größten Parteien eine Verbindung zwischen der Immigration und der Sicherheit her. In Frankreich wurden ebenfalls durch die regierenden Parteien Securitizing Moves durchgeführt. Daraus resultierten in Kanada mehrere Gesetzte, die das Verhältnis zur Immigration änderten. So wurde z.B. ein „Immigration and Refugee Protection Act" erlassen. In Frankreich wurden ebenso diverse neue Gesetzte zur strikteren Bestimmung der Einwanderung erlassen, wie beispielsweise das „Pasqua Law" oder das „Debré Law". Dies zeigt, dass in beiden Ländern die Parteien zu einer Versicherheitlichung der Migration beigetragen haben. Unter der Mass Audience kristallisierte sich ein anderes Bild heraus. Durch Meinungsumfragen wurde gezeigt, dass die Mass Audience in Kanada den Prozess der Versicherheitlichung nicht unterstützt hat, wohingegen die Mass Audience in Frankreich den Prozess der Versicherheitlichung gestärkt hat. Daraus resultiert, dass nach Bourbeau zwar auch ohne die Zustimmung der Audience eine existentielle Bedrohung versicherheitlicht werden kann, dies dann aber nur im schwachen Maße geschieht. Wenn hingegen die Mass Audience die Versicherheitlichung für richtig befindet, fällt die Versicherheitlichung umso stärker aus.9
3. Intensität der Versicherheitlichung bei Bourbeau
Ansätze wie die der Kopenhagener Schule gehen entweder von einer Versicherheitlichung aus oder nicht. Das würde bedeuten, dass die Situation in Kanada und Frankreich komplett gleichgesetzt werden würde, da beide Staaten die Migration versicherheitlicht haben, nur eben in einer stark unterschiedlichen Intensität. Hier knüpft Bourbeau mit seinem Ansatz an die Securitizing Theory an, indem er die Versicherheitlichung je nach Ausprägung kategorisiert. Also ob ein „Existential Security Threat" stark oder schwach versicherheitlicht wird. Dies versucht er in seinem Werk „the securitization of migration" zu untersuchen. Dafür vergleicht er Kanada und Frankreich, was im folgenden Kapitel dargestellt wird.
3.1 Vergleich Frankreich und Kanada
Um die Intensität der Versicherheitlichung messen zu können, vergleicht Bourbeau die in Hinsicht auf vielerlei Themen gleichen Staaten Kanada und Frankreich. Beide Länder haben das Staatsmodel der repräsentativen Demokratie. Dazu sind sie hoch entwickelt, industrialisiert und haben ein kapitalistisches Wirtschaftssystem. Wie auch viele andere Industriestaaten haben Frankreich und Kanada mit geringen Geburtenraten10 zu kämpfen. So belief sich Kanadas Geburtenrate während der Untersuchungen Bourbeaus auf 1,6 und die Geburtenrate Frankreichs auf 1,8. In beiden Ländern liegen ca. 18% der Bevölkerung in der Kategorie der 0-14-Jährigen, 65% - 69% der Bevölkerung im Bereich von 15-64 Jahren und der restliche Prozentsatz ist 65 Jahre alt oder darüber hinaus. Beide Länder haben des Weiteren eine positive Zuwanderungsrate und ähnliche absolute Zahlen im Bereich der dort lebenden Migranten. So kam Kanada auf eine Zahl von 132.500 und Frankreich auf 139.000. Ebenso ist der Prozentsatz der Asylsuchenden auf die Einwohnerzahl des Landes gerechnet ebenfalls sehr ähnlich.
Nichtdestotrotz gibt es zwischen den beiden Ländern auch unterschiede, vor Allem hinsichtlich der Versicherheitlichung der Immigration. Während der Forschung von Bourbeau von 1989-2005 nahm Kanada jährlich durchschnittlich 224.817 Immigranten auf, wohin Frankreich im selben Zeitraum jährlich durchschnittlich nur etwa 114.484 Einwanderer aufnahm. Dieser enorme Unterschied ist ein Indiz dafür, dass Migration in Frankreich stärker versicherheitlicht wird als in Kanada. Der nächste Unterschied besteht in der Verteilung der eingereisten Immigranten. In beiden Staatssystemen werden permanent in den Staaten lebende Immigranten in drei verschiedene Kategorien eingeteilt. Dazu gehört die Kategorie der Flüchtlinge, die Kategorie der hoch qualifizierten Immigranten und die Kategorie der Familiennachzügler. In Kanada gehören 60% der Einwanderer dem Teil der hoch qualifizierten Einwanderer an, 25% der Familiennachzügler und der Rest dem Teil der Flüchtlinge. In Frankreich hingegen sind 73% dem Anteil der Familiennachzügler zuzurechnen und nur 5% dem Anteil
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1 Alexander Brand, Medien - Diskurs - Weltpolitik. Wie Massenmedien die internationale Politik beeinflussen. Zugl. überarb. und erg. Version von: Dresden, Techn. Univ., Diss, 2009 u.d.T. Brand, Alexander: Die diskursive Konstruktion internationaler Beziehungen in und durch Massenmedien (Edition Politik 5), Bielefeld 2012. S. 132.
2 Vgl. Barry Buzan/Ole Waever/Jaap de Wilde, Security. A new framework for analysis, Boulder, Colo. 1998. S. 36-37.
3 Vgl. Holger Stritzel, Towards a Theory of Securitization: Copenhagen and Beyond, in: European Journal of International Relations 13 (2007) 3, 357-383.
4 Vgl. Buzan u. a. S. 30-37.
5 Vgl. Philippe Bourbeau, The securitization of migration. A study of movement and order (Security and governance series), Milton Park, Abingdon, Oxon, England, New York 2011. S. 5-6.
6 In der qualitativen Forschung werden weiche Daten erhoben, welche analysiert und interpretiert werden müssen. Dies steht im Gegensatz zur quantitativen Forschung, welche harte Daten in Form von Zahlen erhebt und deswegen fest vorgelegte Hypothesen bestätigen will.
7 Vgl. Bourbeau. S. 225-230.
8 Vgl. Ebd. S. 8-9.
9 Vgl. Ebd. S. 230-235.
10 Die Geburtenrate oder auch Geburtenziffer gibt die durchschnittliche Anzahl der Kinder pro Frau in einem Land an.
- Citation du texte
- Anonyme,, 2018, Die Intensität von Versicherheitlichung. Möglichkeiten der konzeptionellen Erfassung und Untersuchung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/912677
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