„Bildungsqualität braucht professionelle Lehrerbildung“ (Huwendieck 1998, S. 12). Diese
Thematik war im Dezember 1997 Schwerpunktthema des 31. Seminartages des Bundesarbeitskreises
der Seminar- und Fachleiter/ -innen e.V. in Bonn. Doch nicht nur auf dieser
Veranstaltung war diese Thematik Anlass für rege Diskussion. Auch der gestiegene Lehrerbedarf,
gerade an beruflichen Schulen, und vor allem die für Deutschland weniger erfreulichen
Ergebnisse internationaler Schulleistungsvergleiche haben dazu beigetragen,
das Thema Lehrerbildung und die Diskussion um die Qualität des deutschen Bildungssystems
erneut ins Gerede zu bringen. Gerade der Zusammenhang zwischen den Ergebnissen
institutionalisierter Bildungsprozesse auf der einen Seite und der Qualität und somit
der Qualifizierung und Professionalisierung der Lehrerschaft auf der anderen Seite ist
wieder in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt (Sandfuchs 2005, S. 125). Und so
sind es die Schulen und die Arbeit der Lehrer, die unter einem hohen öffentlichen Druck
stehen. Oftmals ist es die Praxis der Lehrerbildung, die von der Öffentlichkeit kritisiert
wird. Es wird erhofft und erwartet, dass sie genau die neuen Lehrer „erzeugt“, die die Gesellschaft
braucht (Terhart 2000, S. 73). Diese Hoffnungen und Erwartungen geraten nicht
zu Unrecht immer öfter in den Mittelpunkt wissenschaftlicher, politischer und gesellschaftlicher
Diskussionen. Angesichts des Wandels in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft und
der neuen Herausforderungen und Anforderungen, die die Globalisierung des Wettbewerbs
mit sich bringt, werden zwar weiterhin Arbeit, Boden und Kapital als Produktivkräfte
benötigt, doch ferner wird gerade die Bildung die Schlüsselqualifikation des 21. Jahrhunderts
sein. Aus diesem Grunde kommt den Lehrern1, eine besondere Verantwortung zu:
Sie sind es, die die nachwachsende Generation an die Aufgaben und Anforderungen der
Berufswelt durch Bildung und Ausbildung heranführt (Süßmuth 1998, S.9). Schulqualität
und Schulentwicklung hängen maßgeblich von den Qualitäten und Qualifikationen der
Lehrer ab. So ist es unabdingbar, sich mit der Professionalität im Lehrerberuf, ihrer Entwicklung,
Stärkung und Sicherung auseinanderzusetzen. „Bildungsqualität braucht professionelle
Lehrer […] “ (Huwendieck 1998, S. 12). Aus diesem Grunde stellt sich im
Rahmen der vorliegenden Arbeit die Frage, wie Professionalität bei Lehrern des beruflichen
Bereichs entwickelt werden kann. Im Mittelpunkt der Arbeit und der Analyse der Professionalität
der Lehrer des berufsbildenden Bereichs stehen die jeweiligen Phasen der
Lehrerbildung, sowie das Individuum, die Lehrerpersönlichkeit, selbst.
Inhaltsverzeichnis
1. Problemstellung
2. Professionstheoretische Überlegungen
2.1 Profession - Professionalisierung. Eine begriffliche Abgrenzung
2.2 Makrosoziologische Ansätze in der Professionstheorie: Der system- theoretische Ansatz nach Stichweh (in Anlehnung nach Luhmann)
2.3 Mikrosoziologische Ansätze in der Professionstheorie: Der Struktur- theoretische Ansatz nach Oevermann
3. Der professionelle Lehrer an beruflichen Schulen: Zum Prozess des Erwerbs professioneller Kompetenz
3.1 Professionelles Handeln
3.2 Lehrerausbildung: 3 Phasen der Professionalitätsentwicklung
3.3 Berufsethos und das „professionelle Selbst“
4. Schlussbemerkung
LiteraturverzeichnisII
Anhang
1. Problemstellung
„Bildungsqualität braucht professionelle Lehrerbildung“ (Huwendieck 1998, S. 12). Diese Thematik war im Dezember 1997 Schwerpunktthema des 31. Seminartages des Bundes- arbeitskreises der Seminar- und Fachleiter/ -innen e.V. in Bonn. Doch nicht nur auf dieser Veranstaltung war diese Thematik Anlass für rege Diskussion. Auch der gestiegene Leh- rerbedarf, gerade an beruflichen Schulen, und vor allem die für Deutschland weniger er- freulichen Ergebnisse internationaler Schulleistungsvergleiche haben dazu beigetragen, das Thema Lehrerbildung und die Diskussion um die Qualität des deutschen Bildungssys- tems erneut ins Gerede zu bringen. Gerade der Zusammenhang zwischen den Ergebnis- sen institutionalisierter Bildungsprozesse auf der einen Seite und der Qualität und somit der Qualifizierung und Professionalisierung der Lehrerschaft auf der anderen Seite ist wieder in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt (Sandfuchs 2005, S. 125). Und so sind es die Schulen und die Arbeit der Lehrer, die unter einem hohen öffentlichen Druck stehen. Oftmals ist es die Praxis der Lehrerbildung, die von der Öffentlichkeit kritisiert wird. Es wird erhofft und erwartet, dass sie genau die neuen Lehrer „erzeugt“, die die Ge- sellschaft braucht (Terhart 2000, S. 73). Diese Hoffnungen und Erwartungen geraten nicht zu Unrecht immer öfter in den Mittelpunkt wissenschaftlicher, politischer und gesellschaft- licher Diskussionen. Angesichts des Wandels in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft und der neuen Herausforderungen und Anforderungen, die die Globalisierung des Wettbe- werbs mit sich bringt, werden zwar weiterhin Arbeit, Boden und Kapital als Produktivkräfte benötigt, doch ferner wird gerade die Bildung die Schlüsselqualifikation des 21. Jahrhun- derts sein. Aus diesem Grunde kommt den Lehrern1, eine besondere Verantwortung zu: Sie sind es, die die nachwachsende Generation an die Aufgaben und Anforderungen der Berufswelt durch Bildung und Ausbildung heranführt (Süßmuth 1998, S.9). Schulqualität und Schulentwicklung hängen maßgeblich von den Qualitäten und Qualifikationen der Lehrer ab. So ist es unabdingbar, sich mit der Professionalität im Lehrerberuf, ihrer Ent- wicklung, Stärkung und Sicherung auseinanderzusetzen. „Bildungsqualität braucht pro- fessionelle Lehrer […] “ (Huwendieck 1998, S. 12). Aus diesem Grunde stellt sich im Rahmen der vorliegenden Arbeit die Frage, wie Professionalität bei Lehrern des berufli- chen Bereichs entwickelt werden kann. Im Mittelpunkt der Arbeit und der Analyse der Pro- fessionalität der Lehrer des berufsbildenden Bereichs stehen die jeweiligen Phasen der Lehrerbildung, sowie das Individuum, die Lehrerpersönlichkeit, selbst.
Im ersten Teil der Arbeit werden die theoretischen Grundlagen zur Lehrerprofessionalisie- rung erörtert. Da der Begriff der Professionalisierung äußerst vielschichtig ist, findet in Kapitel 2.1 zunächst eine begriffliche Abgrenzung statt. Ferner werden in Kapitel 2. 2 und 2.3 Professionalisierungstheorien in Hinblick auf die Lehrerprofessionalisierung vorge- stellt, damit im weiteren Verlauf der Arbeit eine theoriegeleitete Analyse durchgeführt werden kann. So bilden der systemtheoretische Ansatz von Stichweh und der strukturthe- oretische Ansatz von Oevermann die Basis für die weitere Auseinandersetzung mit der Thematik der Lehrerprofessionalisierung. Diese Auswahl geschieht vor dem Hintergrund, Professionalität auf der gesellschaftlichen Makro-, sowie auf der Mikroebene der Analyse in den Blick zu nehmen. Der Aufsatz von Oevermann wird schließlich dem Aufsatz von Schütze vorgezogen, da dieser sich stärker auf den Lehrerberuf konzentriert. Es wird an entsprechender Stelle auf weitere Professionalisierungstheorien verwiesen.
Im zweiten Teil der Arbeit richtet sich der Blick auf den Prozess des Erwerbs professionel- ler Kompetenz. Ziel des zweiten Teils soll es sein, verschiedene Aspekte der Professiona- litätsentwicklung des Lehrers zu analysieren, um ferner die Frage zu beantworten, wo- durch Professionalität bzw. professionelle Kompetenz erlangt werden kann. Im Detail soll dabei wie folgt vorgegangen werden: Da Professionalisierung das Hervorheben einer be- sonderen Handlungsstruktur bedeutet, bedarf es in Kapitel 3.1 zunächst einer Analyse der Struktur professionellen Handelns. Erst dann kann im weiteren Verlauf der Frage nachge- gangen werden, wodurch Professionalität entwickelt werden kann. So werden in Kapitel 3.2 die einzelnen Phasen der Lehrerausbildung näher betrachtet. Mit Hilfe dieser Analyse wird es möglich sein, erste Aussagen zur Professionalitätsentwicklung zu erhalten. Kapitel 3.3 geht schließlich der Frage nach, was gerade das einzelne Individuum zur Professiona- litätsentwicklung beitragen kann. Der Fokus richtet sich auf die Mikroebene und somit auf den einzelnen Lehrer. In diesem Kapitel wird schwerpunktmäßig der Aspekt des Berufs- ethos und des „professionellen Selbst“ näher betrachtet werden, um weitere Kenntnisse zur Professionalitätsentwicklung zu erlangen. Abschließend werden in Kapitel 4 die zent- ralen Ergebnisse aus vorliegender Arbeit kurz zusammengefasst. Ebenso findet in diesem Kapitel ein kurzer Ausblick bezüglich der zukünftigen Professionalitätsentwicklung der Lehrer im berufsbildenden Bereich statt. Mit einem kurzen Verweis auf Forschungsdeside- rate bzgl. Lehrerprofessionalität bzw. -bildung wird die vorliegende Arbeit schließlich ab- gerundet.
2. Professionstheoretische Überlegungen
2.1 Profession-Professionalisierung. Eine begriffliche Abgrenzung
Der Begriff der Professionalisierung ist sehr vielschichtig ist und bildet in der Bildungsfor- schung einen eigenen Forschungsgegenstand. Um ihn jedoch zunächst von dem Begriff der Verberuflichung abzugrenzen, lässt sich festhalten, dass diese den Prozess von einer nichterwerbsmäßig betriebenen Tätigkeit (Arbeit), hin zu einer solchen beschreibt, die erwerbsmäßig betrieben wird (Beruf). Erst wenn der Beruf ohne eine wissenschaftliche Fundierung nicht mehr auszuüben ist, wird von Professionalisierung gesprochen (Gehr- mann 2003, S. 27). Terhart merkt an dieser Stelle an, dass eine wissenschaftliche Fundie- rung bei der Definition von Profession zwar eine wichtige Rolle spielt, aber dies in keinster Weise dazu berechtigt, dass Professionalisierung mit Verwissenschaftlichung gleichge- setzt wird. Er grenzt an dieser Stelle den Experten vom Inhaber einer Profession ab. So muss nach ihm bei einer Profession auch die sozial-normative Dimension (Autonomie, Berufsethos etc.) berücksichtigt werden (Terhart 1990, S. 153).
Nach Schwendenwein sind es sieben Strukturmerkmale, die zwar keine hinreichende, aber eine notwendige Bedingung dafür darstellen, dass sich ein Beruf (u.a. auch die Lehr- tätigkeit) zu einer Profession weiterentwickeln kann: So ist ein Merkmal die Existenz be- rufsrelevanter Forschung, sowie die Existenz entsprechender Rechtsgrundlagen (z.B. für die Organisation der Ausbildung). Ein weiteres Strukturmerkmal beschreibt insofern eine Sozialorientierung, als dass dieses Merkmal eine obligatorische Beachtung gesellschaftli- cher Zentralwerte (individuelle Förderung, gleiches Recht für alle etc.) vorsieht (1990, S. 360). Nach Hesse dienen diese Werte dem öffentlichen Wohl, also der Stabilität der Ge- sellschaft und weniger dem eigenen Interesse des Professionsinhabers (Hesse 1972, S. 47). Weitere Strukturmerkmale sind die Beachtung berufsspezifischer Leitziele (optimale Gestaltung von Lernprozessen, berufliche Mündigkeit etc.), die Existenz eines Berufsko- dex, eine berufseigene Interessensvertretung, sowie die eigenverantwortliche Fortbildung der Professionsinhaber. Schließlich kann erst dann von einer Profession gesprochen wer- den, wenn eine konkurrenzlose Ausübung einer für die Gesellschaft wertvollen Tätigkeit vorliegt (Schwendenwein 1990, S. 361-362). „Dieser vom Staat […] verliehene Monopol- status ist […] das Resultat eines […] (a) selbst gewollten, (b) selbst in die Wege geleite- ten, (c) offensiv geführten, (d) langen und (e) erfolgreich verlaufenen Professionalisie- rungsprozesses […] “ (Schwendenwein 1990, S. 362). Punkt (d) lässt jedoch die Proble- matik des Professionalisierungsprozesses erkennen, die in Kapitel 3.3 näher analysiert wird. Nach dieser begrifflichen Abgrenzung, werden im Folgenden ausgewählte Ansätze der Professionstheorie vorgestellt, damit anschließend eine theoriegeleitete Analyse der Professionalitätsentwicklung durchgeführt werden kann.
2.2 Makrosoziologische Ansätze in der Professionstheorie: Der sys- temtheoretischer Ansatz nach Stichweh (in Anlehnung an Luh- mann)
Nachdem in Kapitel 2.1 die wesentlichen Merkmale von Professionen vorgestellt wurden, wird im Folgenden eine differenziertere Betrachtung der Struktur und Funktionen von Pro- fessionen vorgenommen werden (Makroebene). So nehmen makrosoziologische Ansätze historische Erkenntnisse als Basis und gehen der Frage nach, welche gesellschaftlichen Funktionen Professionen, die innerhalb dieser Ansätze als Folge der Ausdifferenzierung gesellschaftlicher Aufgaben (Arbeitsteilung) gesehen werden, übernehmen (Blömeke 2002, S. 24).2 Der systemtheoretische Ansatz wird im Folgenden mit Betonung auf die Lehrertätigkeit kurz vorgestellt werden:
Nach Luhmann entwickeln sich als Folge der funktionalen Ausdifferenzierung der Gesell- schaft so genannte „Duale“, die in hohem Maße technisierbar sind (Luhmann 1982, S. 190-191). Für Luhmann bilden sich somit zwei Zustände, die als Gegensatzpaare fungie- ren (z.B. haben/nicht haben, gebildet/ungebildet etc.). Für die Professionsinhaber ergibt sich daraus, dass sie die Funktion eines Vermittlers zwischen den Zuständen überneh- men. Inhaber einer Profession fungieren als Vermittler zwischen den Zuständen. Zwar sind die Professionellen nicht für das Differenzproblem verantwortlich, doch sie bieten entsprechende Problemlösungen an (Combe/Helsper 1997, S. 12). Der Handlungscharak- ter dieser Vermittlung ist entscheidend und wird nach Luhmann per Interaktion geleistet (1982, S. 192). Er verweist an dieser Stelle mit Bezug auf die Erziehungssystem jedoch auch auf die Problematik der Variablen „Technologie“ Diese Vermittlungsvariable ist je- doch von Organisationen, deren Funktion die Dispositionsveränderung von Personen ist, nicht zu erfüllen. Somit ist gerade die professionelle Praxis des Erziehungs- bzw. Schul- systems immer mit einer gewissen Ungewissheit und einem Technologiedefizit belastet (Luhmann/Schnorr 1982, S. 14-15). Die Brisanz der professionellen Praxis wird an dieser Stelle deutlich. An dieser Stelle setzt Stichweh an und erweitert Luhmanns systemtheore- tischen Ansatz: „ […] Professionalisierung [ist innerhalb dieses Ansatzes] nur ein be- stimmtes Lösungsmuster für spezifische Probleme in einigen Funktionssystemen […] “ (Stichweh 1997, S. 57-58). Es lässt sich sagen, dass nur dann von einer Profession ge- sprochen werden kann, wenn für ein Funktionssystem eine typische Problemperspektive handlungsmäßig und interpretativ eingesetzt wird. Diese Funktion übernimmt der Profes- sionsinhaber, da er „[…] für die Bearbeitung von Problemen der Strukturveränderung, des Strukturaufbaus und der Identitätserhaltung von Personen eingesetzt wird “(Stichweh 1992, S. 43). Hieraus ergibt sich die Bedeutung der Kategorie „Vermittlung“. Auch die Tätigkeit des Lehrers kann als Profession angesehen werden, da auch diese, wie andere Professionen, durch Funktions- und Komplementärrollen (Lehrer/Schüler) gekennzeichnet wird (Blömeke 2002, S. 27-28). Doch im Vergleich zu den klassischen Professionen, wie die des Arztes oder des Rechtsanwaltes, lässt sich für die Lehrertätigkeit insofern eine Besonderheit feststellen, als dass in diesem Falle die Inhaber dieser Profession für spezi- fische Sachthemen die Distanz der Laien, also der Schüler, zu den Themen überbrücken (müssen). Es lässt sich ein Spannungsverhältnis von fachlicher und professioneller Basie- rung des Berufs feststellen, für das es innerhalb der anderen Professionen kein Äquiva- lent zu finden ist (Stichweh 1994, S. 373-374). Nachdem in Kapitel 2.2 der systemtheore- tische Ansatz innerhalb der Professionstheorie erläutert wurde (Makroebene), wird nun ein Ansatz vorgestellt, der im Zentrum das kompetent handelnde Individuum hat (Mikro- ebene).
2.3 Mikrosoziologische Ansätze in der Professionstheorie: Der struk- turtheoretische Ansatz nach Oevermann
Innerhalb mikrosoziologischer Ansätze steht das handelnde Individuum im Mittelpunkt der Betrachtung. Der Begriff der Professionalisierung bezieht sich somit auf die Herausbil- dung kompetenten Handelns und weniger auf die eigentliche Herausbildung und Entwick- lung von Professionen (Blömeke 2002, S. 45). So stellen „Professionen […] unter den Berufen eine besondere Kategorie dar, weil in ihnen sich Handlungsprobleme zur Ausbil- dung einer spezifischen Strukturlogik beruflicher Praxis kristallisieren, die für das Funktio- nieren von […] Gesellschaften von zentraler Bedeutung ist “ (Oevermann 1997, S. 70). Somit übernimmt der Inhaber einer Profession jene Leistungen, die weder durch den Markt, noch durch die Sozialisation der Familie hinreichend abgedeckt werden können. Es müssen Instanzen der expliziten Vermittlung durch methodische Unterweisung bereitgestellt werden (Oevermann 1997, S. 143).
In Bezug auf die pädagogische Professionalität nennt Oevermann drei (strukturelle) Di- mensionen des pädagogischen Handelns: Die Wissensvermittlung, die Normenvermitt- lung und die Therapie. Zur Wissensvermittlung zählen u.a. das Erfahrungswissen, Traditi- onswissen, Kulturtechniken, oder Praktiken. Dieses Wissen ist für die Reproduktion der Gesellschaft notwendig (Oevermann 1997, S. 144). Pädagogisches Handeln kann sich schließlich nicht der Normenvermittlung entziehen. Hierzu gehören die Vermittlung eines Normbewusstseins bzw. die Vermittlung eines Habitus. Oevermann spricht an dieser Stel- le von Bildung. Normenvermittlung läuft immer auf Bildung hinaus, auf die Bildung eines mündigen Bürgers. Die dritte Funktion professionellen Handelns (therapeutische Dimen- sion) ergibt sich am Ort der Vermittlung (Schule). Es eröffnet sich eine Interaktionspraxis zwischen Lehrer und Schüler eröffnet (Oevermann 1997, S. 145-146). Folglich lässt sich sagen, dass die Therapie auf einer Lehrer-Schüler-Beziehung fußt, die für den Schüler als ganze Person zudem weitreichende Folgen auf seine zukünftige Persönlichkeitsentwick- lung hat. Diese entwicklungsbedingte Beziehung, das Lehrer-Schüler-Verhältnis, kann schließlich als eine Einheit von spezifischer und diffuser Sozialbeziehung angesehen werden.3 Ziel des pädagogisch professionell Handelnden ist es, die Dialektik von spezifi- scher und diffuser Lehrer-Schüler-Beziehung in ein professionelles Arbeitsbündnis zu überführen (Oevermann 1997, S. 148-150). Der Begriff des Arbeitsbündnisses wird bei Oevermann zu einer zentralen Kategorie, denn in diesem sieht Oevermann die Notwen- digkeit der Hilfe zur Selbsthilfe für den Schüler. So rückt das Lernen innerhalb des Ar- beitsbündnisses insofern in das Zentrum, als dass sich hier die entsprechende Lernent- wicklung vollzieht (Oevermann 1997, S. 153). Doch Lernen innerhalb des Bündnisses kann schließlich nur dann vollzogen werden, wenn der Lehrer „[…] in der Lage [ist], jen- seits des subjektiv Gemeinten und Intendierten und des Mitgeteilten [seitens des Schü- lers] die objektive Sinnstruktur der konkreten Interaktion in der etwas mitgeteilt wird, also über die Bedeutung des Berichts hinaus die Sinnstruktur des Berichtens zu entziffern und so […] den Inhalt einer Kommunikation auf deren Struktur zu verrechnen“ (Oevermann 1997, S. 156). Oevermann nennt dies das Prinzip der fallbezogenen stellvertretenden Deutung des objektiven latenten Sinns des Handelns des Schülers. Hiermit sind nicht das Mitgeteilte und die Absicht des Schülers gemeint, sondern die latente Sinnstruktur der Interaktion zwischen ihm und dem Lehrer. Ein professioneller Lehrer müsste diese drei Dimensionen unterscheiden (Wagner 1998, S. 80). Somit lässt sich sagen, dass der pro- fessionelle Lehrer sich durch stellvertretende Deutung der objektiven Bedeutung des Schülerhandelns ein konkretes Bild von dessen konzeptueller Denkstruktur entwickelt. Dies ist unabdingbar für den Lernprozess (Oevermann 1997, S. 157). Um jedoch die Auf- gabe der Sinninterpretation bewältigen zu können, benötigt ein Lehrer nach Oevermann folgende Ausbildung: Der Lehrer muss an konkreten Fällen lernen, den latenten Sinn pä- dagogischer Interaktion sich intuitiv zu vergegenwärtigen. Oevermann nennt dies, eine Stärkung der Interpretationsfähigkeit und Intuition des Lehrer (Oevermann 1997, S. 161). „Das geschieht am besten in der Kombination mit einer starken Komponente fallexempla- rischer und fallbezogener Aufschließung von Materialien aus der Unterrichtspraxis […] “ (Oevermann 1997, S. 161). Aber auch dem „learning by doing“ unter Anleitung erfahrener Kollegen misst Oevermann eine große Bedeutung zu. Dabei sollte jedoch die Vermittlung von methodischem und theoretischem Wissen nicht vernachlässigt werden (Oevermann 1997, S. 177). Ferner sieht Oevermann gerade im Berufseinstieg insofern eine Möglich- keit der Professionalisierung des Lehrers, als dass hier ältere Kollegen jüngere an ihrer Berufserfahrung partizipieren lassen und im Gegenzug die jüngeren die frisch an der Uni- versität erworbenen wissenschaftlichen und fachlichen Innovationen an die ältere Genera- tion weitergeben (Weiterbildung) (Oevermann 1997, S. 180). Nachdem in Kapitel 2.3 der strukturtheoretische Ansatz Oevermanns vorgestellt wurde, soll im Folgenden konkret analysiert werden, welchen Beitrag die jeweiligen Phasen der Lehrerausbildung zur Pro- fessionalitätsentwicklung beitragen.
3. Der professionelle Lehrer an beruflichen Schulen: Zum Prozess des Erwerbs professioneller Kompetenz
3.1 Professionelles Handeln
Bevor die Professionalitätsentwicklung der Lehrer näher analysiert wird, muss aufgezeigt werden, welche Anforderungen an den Lehrer gestellt werden. Es bedarf einer Erörterung der Kompetenzen, über die ein professioneller Lehrer verfügen muss, denn schließlich sind sie es, die für die Professionalitätsentwicklung von Bedeutung sind und darüber hinaus professionelles Handeln kennzeichnen. So wurde in der aktuellen Debatte über Professionalität der Kompetenzbegriff eingeführt, da nicht lediglich der Wissensbestand eines Lehrers seine Professionalität kennzeichnet (Tenorth 2006, S. 589).
Nach Terhart kann von einem speziellen Verständnis von Professionalität im Lehrberuf ausgegangen werden, da dieses als Kernbereich der professionellen Kompetenz von Leh- rern die Organisation von Lernen und Lehren vorsieht (2000, S. 34-38). Wird darauf auf- bauend nach den Aufgaben von Lehrkräften gefragt, so können nach Terhart so genannte Leitbilder für den Lehrberuf konstruiert werden, die ein konsistentes Bild von Aufgaben und Ansprüchen zeichnen, denen ein professioneller Lehrer genügen muss (Terhart 2000, S. 44-46). Eine zentrale Rolle nimmt das Lehren an dieser Stelle ein: „[…] die gezielte Planung, Organisation, Gestaltung und Reflexion von Lehr - Lernprozessen [kann] als Kernbereich der [professionellen] Kompetenz von Lehrern [angesehen werden] „ (Terhart 2000, S. 48).
[...]
1 Der Begriff Lehrer beinhaltet hier und im weiteren Text die männliche sowie die weibliche Form.
2 Als wichtige makrosoziologische Ansätze mit Bedeutung und Relevanz für die Gegenwart seien an dieser Stelle der machttheoretische Ansatz Larsons (aktualisiert durch Daheim), der systemtheoretische Ansatz Luhmanns (aktualisiert durch Stichweh), sowie der strukturfunktionalistische Ansatz von Parson (später aufgegriffen durch Brunkhorst) genannt.
3 „Damit ist das sich in jeder Sozialisation neu stellende Spannungsverhältnis zwischen einer auf die Ganz- heit einer Person ausgerichteten Sozialbeziehung (>>diffus<<) und einer funktionalen, >>spezifischen<<; rollenförmigen Sozialbeziehung gemeint „ (Combe/Helsper 2002, S. 33). So ist es gerade die Aufrechterhal- tung der Gleichzeitigkeit beider Formen, die die Struktur professionellen Handelns kennzeichnet und dar- über hinaus den Kern des Arbeitsbündnisses bildet“ (Combe/Helsper 2002, S. 34, zit.n. Oevermann 1997, S. 109-111).
- Citar trabajo
- Britta Hilbert (Autor), 2008, Professionelle Lehrerinnen und Lehrer an beruflichen Schulen - Eine theoriegeleitete Analyse, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/91166
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