The paper “Who Can Question Blumenberg Except for Blumenberg Himself” brings forward the question of which factors and features of the philosophy of this German thinker of the second half of the 20th century make it the case that he has moved away from academic mainstream and given philosophy back the typical characteristics of German philosophical tradition: erudition, cultivated character, adequacy, good taste in the selection of vital problems and their solutions, and, above all, critical thinking, which, on the journey between the peaks of Kant and Blumenberg himself, frequently waned, disappeared in dark gorges of being and time and vanished in polished aesthetics of the hermeneutics of God’s intentions. The study focuses on Blumenberg’s concept of actio per distans, which, combined with the theory of absolute metaphor and cognitive metaphor, gives rise to his historical phenomenology and politically, economically and phenomenologically oriented anthropology. At the end, the author mentions the problem of ‘metametaphorics’, which is newly developed as a project based on a deep misunderstanding of Blumenberg's metaphorology: the paper presents several arguments proving a discrepancy between metaphorology and metametaphorics, derived primarily from Blumenberg’s theory of (the constant cultural reproduction of) myth.
NEMO CONTRA DEUM NISI DEUS IPSE - WHO CAN QUESTION BLUMENBERG EXCEPT FOR BLUMENBERG HIMSELF
Abstract: The paper “Who Can Question Blumenberg Except for Blumenberg Himself” brings forward the question of which factors and features of the philosophy of this German thinker of the second half of the 20th century make it the case that he has moved away from academic mainstream and given philosophy back the typical characteristics of German philosophical tradition: erudition, cultivated character, adequacy, good taste in the selection of vital problems and their solutions, and, above all, critical thinking, which, on the journey between the peaks of Kant and Blumenberg himself, frequently waned, disappeared in dark gorges of being and time and vanished in polished aesthetics of the hermeneutics of God's intentions. The study focuses on Blumenberg's concept of actio per distans, which, combined with the theory of absolute metaphor and cognitive metaphor, gives rise to his historical phenomenology and politically, economically and phenomenologically oriented anthropology. At the end, the author mentions the problem of ‘metametaphorics', which is newly developed as a project based on a deep misunderstanding of Blumenberg's metaphorology: the paper presents several arguments proving a discrepancy between metaphorology and metametaphorics, derived primarily from Blumenberg's theory of (the constant cultural reproduction of) myth.
Keywords: myth; mythology; speech; metaphor; Work on Myth; historical phenomenology; political and economic anthropology; metametaphoric; Prometheus
„ Der Mensch ist die verkörperte Unwahrscheinlichkeit“, hat der Mensch und zudem Philosoph Blumenberg in seiner Anthropologie gesagt. Hans Blumenberg ist die verkörperte Unwahrscheinlichkeit - er verkörpert etwas, was noch in den 70. Jahren des 20. Jahrhunderts als nicht mehr möglich schien: dass die deutsche Philosophie, die vor dem heideggerianischen Bedrangnis ihr Heil in der Massenflucht zur amerikanisch verkürzten analytischen Philosophie gesucht hat, wieder zur Vernunft findet. In Deutschland war die Lektüre der ersten groBen Werke wie Legitimitat der Neuzeit oder der Genesis der kopernikanischen Welt vielleicht noch seltener als im Ausland (aus eigener Erfahrung: zum ersten Mal bin ich dem Namen „Blumenberg“ nicht in Deutschland, sondern in Polen begegnet), aber diejenigen, die ihn zu lesen angefangen haben, sind um eine Lebenssicherheit reicher geworden: dass dieser Mann wieder zu dem deutschen Philosophen wird, weil er die deutsche Philosophie ist: eine Philosophie, die seit dem 18. Jahrhundert Sorge um Vernunft tragt, um Vernunft kampft und sie - vernünftig dosiert - dem Menschen zur Verfügung stellt. Blumenbergs frühe Leser konnten sich einig sein, dass die Zeit von diesem deutschen Philosophen noch kommen wird: spatestens, wie es sich gehört, nach seinem Tod.
Jetzt ist es so weit. Der arme „Halbjude“ aus Lübeck, der wahrend des Krieges nicht studieren konnte, zur Zwangsarbeit eingesetzt wurde und letztendlich bei Familie Heinck versteckt überlebt hat, um zum berühmtesten unsichtbaren Philosophen Deutschlands zu werden, wurde neuerlich, wie man zu sagen pflegt, „entdeckt“. Am besten erkennt man den Rezeptionsknick daran, wie viel Blumenberg als Marktware offeriert wird: Blumenberg in Geschenkverpackung, das hat aus ihm der Verlag Suhrkamp gemacht: die nachgelassenen Zetteleien lassen sich noch lange gut vermarkten, die Selbstfertilitat der Blumenberg-Experten scheint auch noch Reserven zu haben, die neu entstandenen Leser sind immer hungriger, dem wachsenden Angebot an Blumenberg- Mahlzeiten entsprechend.
Eigentlich gibt es kaum etwas, was wir nicht serviert bekommen, auf dem Ladentisch des kauflichen Denkens schön und ordentlich aufgereiht. Nur eines vermissen vielleicht die Leser, die Blumenberg langst vor dem heutigen Boom für sich entdeckt haben - es mangelt an dem, was für die Philosophie im Allgemeinen und mehr denn je für das philosophische Schaffen von Blumenberg prinzipiell und ersatzlos ist und bleibt: Es mangelt an der Kritik.
Mit der Kritik wird nicht das Übliche gemeint, also die nimmermüden Litaneien seitens der Theologen, in der Philosophie die richtige Auffassung von Gott, Glauben, Nachstenliebe und ewiges Leben nicht gefunden zu haben. Blumenbergs Philosophie gehört zu den Sachen des Denkens, die aufgrund ihrer Seltenheit eine adaquate Umgangsweise verlangen. Die Kritik seines Schaffens soll entsprechend dem Denken Blumenbergs als einer Variante oder Typus des philosophischen Denkens an sich gewidmet werden; nicht Kritik als disjunktive Synthese, die alle Unterschiede in einen verallgemeinerten Sinn verwischen kann; nicht Kritik als asthetisierende Designation, die über jeden Satz und jede Idee einen Wahrheitswert verhangt, aber nichts zwischen wahr und unwahr sieht, sondern die verstehende, d. h. denkende Kritik des Denkens, die sich als etwas Ansprechendes, Weitreichendes, irgendwie Bestechendes, als aqua vitae forte der deutschen Philosophie erwiesen hat.
In der Philosophie von Blumenberg findet man etwas vor, was durch bloBes Referieren, Nachahmen, Ironisieren oder Verneinen, durch diese unkritische, dennoch umso mehr wertende Aneignung verloren geht. Das Rettende in der Geschichte der europaischen Philosophie war immer die Kritik - natürlich denke ich hier an Kant, Heydenreich, Schulze, Reinhold (Heydenreich 1793), aber auch an Adorno, Benjamin und in der Nachkriegszeit an die ganze sog. Ritter-Schule, am meisten sicherlich an O. Marquard und spater noch an den Kreis „Hermeneutik und Poetik“, zu der Blumenberg eine gewisse Zeit lang gehörte, die alle in die Entstehungsgeschichte dieses Denkens mehr oder weniger eingegriffen haben.
1. Es kommt etwas Neues mit Blumenbergs Philosophie - aber was?
Die Philosophie von Blumenberg besteht in einem neuen, oder besser gesagt, anders gedeuteten Verhaltnis zwischen Welt und Mensch; ja zwischen Vernunft und dem Imaginationsvermögen; zwischen Sprache, Mythos und dem Schweigen, das aus der Unendlichkeit des Alls kommt; zwischen der Obdachlosigkeit des Menschen in übergreifender Geschichte des Zeitraums und seiner Beheimatung in der beruhigenden, weil die innere Sicherheit bringenden Metapher des unbegreiflich Unbegriffenen. Sie ist nicht neu, aber es kommt mit ihr trotzdem etwas Neues, in mehrere Arten des subjektiven Begründens getarnt, keiner naturgegebenen Ahnlichkeit folgend und keineswegs offenkundig. Blumenbergs Philosophie ist als eine totale Diskretion lebendig; sie tritt aus der Gleichheit, aus den Analogien Mensch-Mensch, Mensch-Tier oder Mensch-Gott hervor; sie verzichtet auf das Funktionieren im Allegorischen und setzt auf diskrete Scheidung in Absetzung einer actio per distans, die radikal, also pragmatisch stark genug sein muss, um die Philosophie aus Diskretion als absolute Metapher für die ureigene Sache des Denkens verteidigen zu können. In diesem Bereich kann sich eine denkende Kritik nur affirmativ auBern.
Dass es in der Philosophie nichts Neues gibt, ist ihr Normalzustand; neu ist vielleicht die Wiederholungsart des schon irgendwann von irgendwem Gesagten. Aus diesem eisernen Gesetz der Philosophiegeschichte kann man sich nicht ausreklamieren: die Zahl derer, die es versucht haben, ist identisch mit der Zahl derer, die dabei gescheitert sind. Ich glaube, darin war Blumenberg klug genug, um das wartende Versagen nie zum Duell fordern zu wollen. Er sagt auch nie, er hatte etwas Neues erfunden; die Philosophie steht für Erfindungen, Orientierungen, Belehrungen und Sinngebungen ebenso wenig wie für Enthüllungen und entblöBende Apokalypsen. Philosophie, auch die von Blumenberg, ist die Umsetzung einer Erkenntnistheorie, die uns - wenn sie ein gelungenes Leben mit sich bringt - sagt, wo wir leben; mit aller Unbestimmtheit, die wir als Menschen zu vertragen fahig sind.
2. Wie sich das Leben ertragt
Ich halte schon lange das Buch Lebenszeit und Weltzeit für das wichtigste Werk Blumenbergs (Blumenberg 1986) und glaube weiterhin dafür genügend starke Gründe zu haben. Ich möchte an zwei erinnern.
Der erste betrifft die in dem Buch entwickelte historische Phanomenologie, mittels derer Blumenberg die Plausibilitat der ganzen transzendentalen und eidetischen Reduktionsmethode mit dem von Anfang an suspekten Postulat der Wesensschau infrage gestellt hat. Nicht durch die Einklammerung des Phanomenalen gelangen wir direkt zu dem Residualen, was wir als essentia (Husserl) oder als das Wesen des Daseins (Heidegger) bedeutsam machen, sondern durch die Wahrnehmung des ganz und gar Unverfügbaren. Gerade dies aber vermag die epoche nur zu verneinen, weil es sich als epigenetisches und voll kontingentes Resultat der Evolutionsprozesse der Natur und des Menschen in seiner Faktizitat im Zeitraum - eben in der Weltzeit - vorfindet. Durch diese Wahrnehmung des Unverfügbaren richtet sich unsere Vernunft auf das, worum es eigentlich geht: auf die Selbsterhaltung der Vernunft.
Nun die zweite Gegebenheitsweise des Philosophierens Blumenbergs: Weil die historische Phanomenologie kein definitives Welt- und Selbstverstandnis ermöglicht, fordert sie eine von den bisherigen abweichende Anthropologie, die in gleicher Weise ökonomisch, phanomenologisch (erkenntnistheoretisch) und politisch (geschichtsphilosophisch) profiliert wird. Da es sich um die Selbsterhaltung der Vernunft handelt, muss diese Anthropologie vom Limitum der Vernunftsphare ausgehen, das durch die Endlichkeit, Bedürftigkeit und Kontingenz dargestellt ist. Diese drei Termini zeigen, warum diese Anthropologie erstens als eine Ökonomie zu bestimmen ist: Zeit, Enge, Mangelwesen und kraftmaBig unvergleichbares Defizit gegenüber der allgegenwartigen Kontingenz.
Zweitens: Politisch muss die philosophische Anthropologie sein, um die Wirkungen der Philosophien der Geschichte einzudammen. Philosophie der Geschichte bringt dem Menschen Sicherheit des Wissens von der Zukunft, sei es der eigenen oder der ihrer Kinder. Blumenberg war sich darüber im Klaren, dass ein vorlaufiges Wissen von den ankommenden Widerfahrnissen als politische Notwendigkeit und anthropologische Forderung empfunden werden könnte, obwohl es völlig unzureichend oder gar illusionar ist; deswegen akzeptierte er diese fraglose Prasenz des Politischen, das Blumenberg wie alles Normative in seinem Denken implizit gehalten hat.
Und drittens, die Anthropologie ist phanomenologisch, weil sie auf die erkenntnistheoretische Fundamentalfrage eine möglichst nachvollziehbare Antwort zu geben habe: Was sind die realen Bedingungen der Möglichkeit der Existenz eines Bewusstseins als Beobachters der Welt und seiner selbst ? (Zambon 2017, 105)
4. Die Rezeption der Quellen schafft die Quellen der Rezeption (Blumenberg 1979, 329)
Im Folgenden möchte ich jetzt nur kurz etwas Naheres zu diesen drei Punkten sagen:
4a. Geschmack lasst sich nicht gebieten
Nur selten trifft man in der neueren Philosophiegeschichte auf derart breitkronige, buschige Aussagen, wie es die in Blumenbergs Werken enthaltenen sind. Die weit aufladenden Aste seines Wissens wurden bekanntlich schon vielmals beschrieben und bewundert; der Mann dürfte keinen Kopf, vielmehr eine Versickerungsanlage oder ein Retention-Behalter auf den Schultern getragen haben, wo er seine Kenntnisse schön ordnungsgemaB gelagert hat. Mit Hinsicht auf die historische Phanomenologie scheint eben diese Gabe, ein ungeheures Wissen zu sammeln und zu nutzen, die wichtigste Bedingung dafür gewesen zu sein, was ein weiteres Merkmal seiner Philosophie ausmacht: die Wahl der Fragen und Probleme, die Blumenberg getroffen hat, um darüber zu sprechen und nachzudenken, ist ganz offensichtlich nie unter einem institutionellen oder persönlichen Zwang geschehen. Er hat sich von den Fremden wie auch von seiner selbst, von eigener Selbstsucht, vom Willen, Berühmtheit zu erlangen, von der Selbstgefalligkeit des Sein und Zeit Verfassers nicht in Bedrangnis bringen lassen, auf alles eine prafabrizierte Antwort bereit zu haben. Philosophie ist für Blumenberg eine Geschmackssache, und dies geht nur, wenn sie parallel dazu eine Sache des Wissens ist. Das Wissen um die Philosophie in den Grenzen des bloBen Geschmacks, das dem Philosophen Blumenberg vielleicht angeboren war, macht den Unterschied zu den vielen anderen Philosophen des 20. Jahrhunderts nicht nur in Deutschland aus. Man kann sagen, dass Heidegger, Gadamer, Jonas, Jaspers, Habermas, oder meinetwegen auch Sartre Philosophen - im Sinne der zur Zunft der Philosophen gehörigen Personen - waren. Sie waren gebildet, anerkannt, erfahren und meistens völlig blind gegenüber den Geschmacksgrenzen, die sie nicht selten brutal verletzt haben. Nicht nur einer, aber besonders einer von den Genannten hat an Geschmacksverirrung solchen Grades gelitten, dass er sich, das Misslingen seiner Philosophie für das Ende aller Philosophie zu erklaren, nicht geschamt hat.
Blumenberg war ein Philosoph mit Geschmack, also ein Künstler, der alles Recht der Welt gehabt hat, die Philosophie als historische Phanomenologie und somit als feine, implizite und mit dem reifen Urteil ziselierte Ethik des Erinnerns vorzuschlagen. Die Urform der Erinnerung, des aus gelebtem Gedachtnis in die erzahlte Faktizitat des Umgebenden Zurückkommenden, ist Mythos. Die Ausdruckform des Mythos ist metaphorisch - nicht bildlich, nicht allegorisch, nicht paradigmatisch, sondern eben metaphorisch.
Da die Mythen keine Anschauung, keine Zergliederung, keine Rückkehr und keine Wiedergeburt ermöglichen, sondern in jedem Augenblick der Mythenforschung nur eine weitere, fortdauernde Arbeit an fortdauernden und neu entstehenden Mythen verlangen, muss die Arbeit am Mythos unweigerlich und alternativlos zugleich die Arbeit an Metaphern sein.
4b. Metametaphorik
Die Mythen leben in und mit Metaphern, umgekehrt gilt das nicht: die kognitive Metapher ist lebendig, sie bleibt und wirkt unabhangig vom Mythos. Je mehr Mythen eine Kultur erzeugt, desto mehr Metaphern formieren und deformieren die kulturelle Verstandigung. Je komplizierter die Verstandigung, desto mangelhafter und fehlerhafter, d. h. risikohafter und gefahrlicher ist sie. Um den Gefahren vorzubeugen, versuchen wir unsere Verstandigung zu vereinfachen: Und statt irgendwie fortzuschreiten, befinden wir uns wieder oder wieder noch am Anfang, denn das „Sprache-einfacher-machen“ steht für eine weitere kognitive Metapher. Über die Metapher lasst sich adaquat womöglich nur metaphorisch sprechen.
Metapher und Metaphorik schaffen den Bereich des Sagbaren; die Sprache, die zur Klarheit und Eindeutigkeit der Begriffe kristallisieren sollte, ist zum Scheitern in der sprachlichen Unbeweglichkeit pradestiniert. Mit dem Sagbaren entsteht parallel der Bereich des anthropologisch Bestimmenden, denn das, womit wir uns gleichsam als eine Gattung klassifizieren, sind die auf der phanomenologischen Anthropologie basierenden Sprachinhalte. Jedoch, fast die ganze in Dienste der Anthropologie sowie auch der Philosophie gestellte Begrifflichkeit besteht aus Metaphern: Wenn man eine Bedeutung praziser haben möchte, schaut man nicht auf feste begriffliche Grenzen, auf die Möglichkeit der Formalisierung, Universalisierung oder logischen Ableitung, kurz, auf das noch adaquatere Definieren der Definitionen, sondern man versucht, wie weit die Beweglichkeit der Begriffe reicht - was nur ein weiteres Feld der Metaphern hervorbringt.
Diese zwei Tendenzen, die zur Vereinfachung der Sprache durch klare Begriffe und die zur Bildung weiterer Metaphern beim Versuch die Klarheit und Verstandlichkeit in Begriffe umzusetzen, stoBen aufeinander. Nicht aber seit gestern, sondern seit Jahrhunderten oder -tausenden, seit es Mythos gibt. In seinem Tractatus hat Wittgenstein gesagt, dass die Wirklichkeit durch die logische Form des Satzes gezeigt werden kann - der Satz weist sie an. Das, was mit dieser Wirklichkeit gemeint worden war, stellt er aber nicht dar (Wittgenstein 1922).1 Es gibt eine Differenz und eine Grenze zwischen dem Dargestellten und der Darstellung, und diese Grenze ist mit Metaphern zu überwinden. Den Metaphern kommen noch umfassendere Kompetenzen zu, als es Blumenberg in seiner anthropologisch begründeten Metaphorologie gezeigt hat. In statu nascendi ist sogar eine Metametaphorik; aus der ursprünglichen Idee des amerikanischen Dichters Wallace Stevens, dass es auch Metapher der Metapher geben sollten (Stevens 1957, 179)2 ist eine relativ breite Strömung besonders unter US-amerikanischen Theoretiker entstanden, die versuchen u. a. die Metapher durch die Metapher der Metapher zu verifizieren: und dies, obwohl Blumenberg die Unverifizierbarkeit als eine der Hauptmerkmale der Metapher bestimmt hat (ganz zu schweigen davon, dass die Begriffe auch nicht verifizierbar sind). Für historische Phanomenologie sind kognitive (absolute) Metaphern einzig Indizien; dieser Grundsatz ist kritisch zu bedenken und gegen alle Schwabbelei zu verteidigen.
4c. Das Verweilen des Mythos
Man sagt, das Denken der Wissenschaftstheorie ist und bleibt mythenresistent; das Wissenschaftsdenken, das zum Gegenstand das Denken der Wissenschaften hat, kann schon per definitionem nicht mythenfreudig sein. Es ist eine typische Verallgemeinerung, die schon dadurch, dass sie verallgemeinerte Geltung sucht, nicht geiten kann. Es genügt auf die Struktur der wissenschaftlichen Revolutionen von Kuhn mit seinen „Anomalien“ oder auf das Buch Wider den Methodenzwang von Feyerabend mit dem fast schon obszönen anything goes zu erinnern, um die Debatten über Mythenresistenz radikal zum Abschluss zu bringen.
Was bringt das aber? Was haben wir geschafft, wenn wir im Stande sind zu bestatigen, dass unsere Gesellschaft genau wie die vor dreitausend Jahren ohne Mythen nicht auskomme? Angeblich hatten wir damit eine immanente Tendenz unserer Kulturgeschichte entdeckt. Das verstehen alle - zumindest bis zu dem Punkt, an dem gefragt wird, was soll's mit einer solchen Tendenz, was stellt sie dar, was ist mit ihrer behaupteten Immanenz, wenn die Mythen oder Mythologeme ganz offen, laut und unverborgen prasent sind.
Ich glaube, dass der für solch polemische Gesprache grundlegende Gedanke von Anfang an falsch ist. Es waren die alten Griechen, die uns unter all den Mythen auch den Mythos des bipolaren Denkens gewidmet haben: Es gilt p oder es gilt non p, aber niemals etwas dazwischen oder stattdessen. Seit zweieinhalbtausend Jahren leben wir in einem von Aristoteles geschmiedeten goldenen Kafig des Entweder-Oder, weil wir zu logos, aletheia, eidia und energeia stehen - dafür bekommen wir als unseren Tageslohn die Vereindeutigung unserer Welt.
Zugleich leben wir aber auch mit Prometheus, der ein Halbgott aus der Familie der ersten Titanen und ein Dieb war; ein Schöpfer und zugleich ein Verrater; einer, der mit Gaben gekommen ist und zugleich mit einem betrügerischen Opfer die Seinesgleichen irreführte; einer, der nur das Wohl der Menschen erreichen wollte und dabei Ruhe bewahrt hat, als sein Bruder Epimetheus aus der Pandora-Büchse das Übel in die Welt loslieB.
Nicht nur Prometheus: Wir streben alltaglich dem Sisyphos nach; wir leiden unter Tantalusqualen; wir sehen die Eule erst in Dammerungen auffliegen; wir gehen an den in den Wehen liegenden, unbefleckten Jungfrauen vorbei und eilen auf den Markt, der mit seinen unsichtbaren Extremitaten unser Leiden an der Welt heilen wird.
[...]
1 4.12 Der Satz kann die gesamte Wirklichkeit darstellen, aber er kann nicht das darstellen, was er mit der Wirklichkeit gemein haben muss, um sie darstellen zu können - die logische Form. Um die logische Form darstellen zu können, müssten wir uns mit dem Satze aufierhalb der Logik aufstellen können - das heifit aufierhalb der Welt.
2 S. 179 (There is no such thing as a metaphor of a metaphor).
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- Bretislav Horyna (Autor:in), 2019, Nemo contra Deum nisi Deus ipse. Wer darf Blumenberg infrage stellen ausser Blumenberg selbst?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/911348
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