Das Gründungsgeschehen ist ein wichtiger Gradmesser für Dynamik und Stärke einer Volkswirtschaft. Die Gründungswilligen sind eine bedeutende Antriebsfeder, die mit Know-how und Engagement neue Arbeitsplätze schaffen und Innovationen einführen. Der notwendige Strukturwandel hin zur Dienstleistungs-, Informations- und Wissensgesellschaft vollzieht sich stetig und wird von der Dynamik von flexiblen, innovativen Unternehmensgründungen getragen. Diese Vorhaben sind natürlich häufig mit Risiken behaftet – für den Gründungswilligen selbst, aber auch für das finanzierende Kreditinstitut. Die Finanzintermediäre erfüllen aus volkswirtschaft-licher Perspektive die Funktion, das knappe Gut Kapital für die jeweils wirtschaftlich sinnvollste Verwendung bereitzustellen. Mit Hilfe professioneller betriebswirtschaftlicher Beratung könnten Fehlallokationen verhindert werden, neu geschaffene Arbeitsplätze gefestigt und letztendlich die von den Gründungswilligen ausgehenden Wachstumsimpulse verstärkt werden.
Häufig erhalten die Gründungswilligen allerdings nur unzureichende Beratung. So wiesen die beurteilten Erstberatungen einer Untersuchung der Stiftung Warentest in fast allen Fällen große Lücken auf. Den getesteten Beratern gelingt es gemeinhin nicht, die vorgestellten Geschäftsmodelle systematisch und profund auf ihre Realisierbarkeit zu prüfen.
Im Rahmen seiner Semesterarbeit hat sich der Autor im Frühjahr 2003 intensiv mit dem Förderangebot für Existenzgründer in der Hansestadt Hamburg auseinandergesetzt. Er kommt zu der Feststellung, dass die Gründungswilligen schon bei der Vorbereitung ihres Vorhabens viele zeit- und kraftraubende Strecken zurücklegen müssen und die sinnvollen Stationen des Hamburger Gründungsnetzwerkes zunächst für sich selbst eruieren müssen. Hieraus reift die Überlegung zum Ausbau der Angebotspalette der Hamburger Sparkasse AG durch die Aufnahme einer frühzeitigen, betriebswirtschaftlichen Existenzgründerberatung.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Abkürzungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Einführung in das Thema
1.2 Gründe für die Themenwahl
1.2 Das StartUp-Center der Hamburger Sparkasse AG
1.3 Zielsetzung der Arbeit
1.4 Zum Aufbau der Arbeit
2. Allgemeine Vorüberlegungen
2.1 Existenzgründerberatung
2.1.1 Unternehmensberatung versus Existenzgründerberatung
2.1.2 Existenzgründerberatung als Bankdienstleistung
2.2 Consulting Banking
2.3 Bundeszuschuss für Existenzgründerberatung
2.4 Ganzheitliche Existenzgründerberatung
2.5 Rollenverhalten des Beraters
2.6 Zusammenfassung von Sollzielen
3. Der Markt für Existenzgründerberatung
3.1 PEST-Analyse des Makroumfelds
3.1.1 Analyse des politischen Umfelds
3.1.2 Analyse des ökonomischen Umfelds
3.1.3 Analyse des sozialen Umfelds
3.1.4 Analyse des technologischen Umfelds
3.1.5 Zusammenfassung
3.2 Five-Forces-Analyse: Branchenanalyse mit regionalen Aspekten
3.2.1 Eintrittsbarrieren
3.2.2 Branchenwettbewerb
3.2.2.1 Existenzgründungsaktivitäten und Branchenwachstum
3.2.2.2 Komplexität der Informationslage
3.2.2.3 Produktdifferenzierung
3.2.2.4 Heterogenität der Konkurrenten
3.2.3 Verhandlungsstärke der Existenzgründer
3.2.4 Substitutionsgefahr
3.2.5 Verhandlungsstärke der Lieferanten
3.2.6 Zusammenfassung
4. Weitere Untersuchungsmethoden und ihre Ergebnisse
4.1 Mini-Delphi-Umfrage zur Existenzgründerberatung
4.1.1 Wesen der Delphi-Methode
4.1.2 Durchführung der Mini-Delphi-Umfrage in Hamburg
4.1.3 Gruppenurteil der Mini-Delphi-Umfrage in Hamburg
4.2 Break-Even-Analyse
4.3 Ausgangslage der Hamburger Sparkasse AG
4.3.1 Profilanalyse
4.4 Handlungsszenarien
4.5 Strategische Entscheidung
4.6 Zusammenfassung
5. Möglichkeiten zur Differenzierung und das favorisierte Preismodell für die Existenzgründerberatungsdienstleis- tung der Hamburger Sparkasse AG
5.1 Möglichkeiten zur Differenzierung gegenüber anderen Anbietern
5.1.1 Beratungsphilosophie
5.1.2 Qualitätsmanagement
5.1.3 Aufbau einer hohen Reputation
5.1.4 Assessment-Center als Steuerungsinstrument
5.1.5 Wissensmanagement
5.2 Das favorisierte Preismodell für die Existenzgründerberatungs- dienstleistung der Hamburger Sparkasse AG
6. Kritische Würdigung
6.1 Realisierbarkeit dieser neuartigen Bankdienstleistung
6.2 Offene Probleme
6.3 Ausblick auf zukünftige Entwicklungen
7. Fazit
8. Anhang
8.1 Anhangsverzeichnis
9. Literaturverzeichnis
Vorwort
Der Verfasser ist seit Oktober 2001 als Finanzierungsberater im StartUp-Center der Hamburger Sparkasse AG tätig. Bei einem Marktanteil der Hamburger Sparkasse AG von etwa 70% am Existenzgründungsgeschäft in der Freien und Hansestadt Hamburg ist ein praxisorientierter Einblick in die Gründungsaktivitäten gewährleistet.
Das in dieser Diplomarbeit untersuchte Angebot zur betriebswirtschaftlichen Beratung von Existenzgründern richtet sich in der Realität grundsätzlich an Männer und Frauen. Der Inhalt bezieht sich daher auf Existenzgründer oder Unternehmer genauso wie auf Existenzgründerinnen oder Unternehmerinnen. Auf ein ausschließlich für die Bedürfnisse von Frauen konzipiertes besonderes Beratungsangebot wird in dieser Arbeit nicht näher eingegangen. Die Beratung ist vielmehr so individuell zu gestalten, dass die von der eigenen Familien- und Lebensplanung geprägten Besonderheiten von Existenzgründungen durch Frauen hinreichend berücksichtigt werden.
Auf die ständige Bezeichnung der weiblichen und männlichen Form von Personen wurde im Interesse der Lesbarkeit und Übersichtlichkeit des Textes verzichtet. Statt dessen wird stets die männliche Form gewählt. Die deutsche Sprache bietet leider keine sprachlichen Normen, die es zulassen, den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gleichberechtigung der Geschlechter auf einfache Weise in Texten zu berücksichtigen.
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Grundzüge der Förderrichtlinie für Existenzgründer
Tabelle 2: Mindestanforderungen an Existenzgründungsberatungen
Tabelle 3: Metaphern für das Rollenverhalten des Beraters
Tabelle 4: PEST-Analyse
Tabelle 5: Wachstum und Arbeitslosigkeit in Deutschland
Tabelle 6: Zahl von Unternehmensberatungen und Steuerberaterpraxen
Tabelle 7: Unternehmensnachfolgen 2002 in deutschen Familienunternehmen
Tabelle 8: Übersicht der Anbieter von ExiBDL
Tabelle 9: Konkurrentenanalyse bezüglich der bedeutenden Wettbewerber
Tabelle 10: Ablaufschema der Mini-Delphi-Umfrage in Hamburg
Tabelle 11: Thesen der Mini-Delphi-Umfrage in Hamburg (1. Runde)
Tabelle 12: Aufteilung von variablen und fixen Kosten
Tabelle 13: Ermittlung des Mindestumsatzes
Tabelle 14: Ertragslage der Haspa
Tabelle 15: Profilanalyse
Tabelle 16: Handlungsszenarien
Tabelle 17: SWOT-Bewertung des Handlungsszenarios „ExiBDL mit
Branchenschwerpunkten“
Tabelle 18: Preismodell für die ExiBDL
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Geförderte Beratungen in Hamburg 1995 – 2003
Abb. 2: Nascent Entrepreneurs in Deutschland 2000 – 2003
Abb. 3: Der Branchenumsatz von 1993 bis 2003 in Mrd. Euro
Abb. 4: TEA 2000 – 2002 in ausgewählten Raumordnungsregionen
Abb. 5: Häufigkeit der Einschätzung „nie realisierbar“ (1. Runde)
Abb. 6: Realisierungszeiträume der Thesen (1. Runde)
1. Einführung in das Thema
1.2 Gründe für die Themenwahl
Das Gründungsgeschehen ist ein wichtiger Gradmesser für Dynamik und Stärke einer Volkswirtschaft. Die Gründungswilligen sind eine bedeutende Antriebsfeder, die mit Know-how und Engagement neue Arbeitsplätze schaffen und Innovationen einführen. Der notwendige Strukturwandel hin zur Dienstleistungs-, Informations- und Wissensgesellschaft vollzieht sich stetig und wird von der Dynamik von flexiblen, innovativen Unternehmensgründungen getragen. Diese Vorhaben sind natürlich häufig mit Risiken behaftet – für den Gründungswilligen selbst, aber auch für das finanzierende Kreditinstitut. Die Finanzintermediäre erfüllen aus volkswirtschaftlicher Perspektive die Funktion, das knappe Gut Kapital für die jeweils wirtschaftlich sinnvollste Verwendung bereitzustellen. Mit Hilfe professioneller betriebswirtschaftlicher Beratung könnten Fehlallokationen verhindert werden, neu geschaffene Arbeitsplätze gefestigt und letztendlich die von den Gründungswilligen ausgehenden Wachstumsimpulse verstärkt werden.
Der Trend zur Selbständigkeit ist im gesamten Bundesgebiet zu beobachten. Von den rund 36,5 Millionen Erwerbstätigen in der Bundesrepublik Deutschland ist bereits jeder Zehnte selbständig.[1] Immer mehr Arbeitsplätze in Großunternehmen fallen weg und die öffentlichen Arbeitgeber müssen angesichts ihrer Haushaltslage einen massiven Arbeitsplatzabbau betreiben. Die betrieblichen Funktionen werden teilweise auf Dienstleister übertragen (Outsourcing) oder der Strukturwandel erfolgt über die modernen Vertriebs- und Unternehmensstrukturen wie Handelsvertreternetze oder Franchisesysteme. Wegen der Wachstumsschwäche der deutschen Volkswirtschaft steigt die Arbeitslosenzahl stetig an. Vor dem Hintergrund dieser wirtschaftlichen Entwicklung wird vielfach in der Selbständigkeit ein adäquater und arbeitsmarktgerechter Weg zur Erlangung eines regelmäßigen Einkommens gesehen.
Häufig erhalten die Gründungswilligen allerdings nur unzureichende Beratung. So wiesen die beurteilten Erstberatungen einer aktuellen Untersuchung der Stiftung Warentest in fast allen Fällen große Lücken auf. Den getesteten Beratern gelingt es gemeinhin nicht, die vorgestellten Geschäftsmodelle systematisch und profund auf ihre Realisierbarkeit zu prüfen.[2] Dies wirkt sich unvermeidlich auf die Gründungskonzepte aus, die den Kreditinstituten zur Finanzierung vorgelegt werden. Wenn das Vorhaben daraufhin wegen mangelnder Tragfähigkeit keine Unterstützung erhält, müssen sich die Kreditinstitute indessen mit Kritik an ihrer Risikobereitschaft auseinandersetzen. Dies ist sicherlich ein Grund, weshalb sich einige Institute aus dem ohnehin von hohen Ausfallraten und geringen Margen gekennzeichnetem Geschäft mit Existenzgründern weitgehend zurückgezogen haben.
Die Finanzdienstleistungsbranche ist in den letzten Jahren wegen der starken Zinssensibilität der Kunden sowie dem zunehmenden Wettbewerbsdruck durch die Non-and-Near-Banks, die Direktbanken und die ausländischen Mitbewerber – insbesondere aus dem Gebiet der EWWU – von rückläufigen Zinsmargen geprägt. Die hohe Zahl von Insolvenzen hat 2002 und 2003 zusätzlich tiefe Spuren in den Erfolgsrechnungen der Kreditinstitute hinterlassen. Infolgedessen gewinnt das provisionsabhängige Geschäft wachsende Bedeutung für das Erreichen der institutsspezifischen Ertragsziele. Viele Anbieter agieren daher mit einem Allfinanzkonzept am Markt, das im jeweiligen Kundensegment ein vollkommenes Leistungsangebot ermöglicht, welches die gesamte finanzielle Sphäre der Kunden bedarfsgerecht abdeckt.
Im Rahmen seiner Semesterarbeit hat sich der Autor im Frühjahr 2003 intensiv mit dem Förderangebot für Existenzgründer in der Hansestadt Hamburg auseinandergesetzt. Er kommt zu der Feststellung, dass die Gründungswilligen schon bei der Vorbereitung ihres Vorhabens viele zeit- und kraftraubende Strecken zurücklegen müssen und die sinnvollen Stationen des Hamburger Gründungsnetzwerkes zunächst für sich selbst eruieren müssen.[3] Hieraus reift die Überlegung zum Ausbau der Angebotspalette der Hamburger Sparkasse AG durch die Aufnahme einer frühzeitigen, betriebswirtschaftlichen Existenzgründerberatung.
1.2 Das StartUp-Center der Hamburger Sparkasse AG
Die Hamburger Sparkasse AG (im folgenden kurz: Haspa) ist mit einer Bilanzsumme von 32,7 Milliarden Euro und rund 6.000 Mitarbeitern die größte deutsche Sparkasse. Sie ist eine freie Sparkasse und bietet im Wirtschaftraum Hamburg eine breit gefächerte Palette von Finanzdienstleistungen für private und gewerbliche Kunden. Dem Strukturwandel in der Bankenwelt ist der Vorstand mit der Ausgliederung des Bankbetriebes auf eine AG begegnet.[4] Die Haspa hält trotz der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen an ihrer traditionellen Politik zur Förderung von Existenzgründungen fest.[5] Sie dient nach Maßgabe der Satzung der Holding der Befriedigung des Kreditbedarfs des Mittelstandes und der örtlichen Wirtschaft. Dieser Aufgabe folgend erreichen die 17 Mitarbeiter des StartUp-Centers, in dem das Existenzgründungswissen zentral gebündelt wurde, im Segment der Existenzgründer einen Marktanteil von etwa 70%. Im StartUp-Center wird derzeit ein Bestand von zirka 700 Existenzgründern betreut. Innerhalb eines Jahres gehen rund 1.300 Kreditanfragen von Gründungswilligen ein. Von diesen werden inzwischen rund drei Viertel mit unterschiedlichen Begründungen (z.B. negative Bonitätsmerkmale, unzureichende Marktchancen, mangelnde Qualifikation oder dürftiger Eigenmitteleinsatz) abgelehnt.[6]
Die in den Vertriebseinheiten auflaufenden Anfragen werden an das StartUp-Center weitergeleitet und an dieser Stelle mittels einer Kurzprüfung vorselektiert. Sobald ein vollständiger Geschäftsplan inklusive Finanzplan zu den verbleibenden Anfragen vorliegt und die Konzeptprüfungsgebühr in Höhe von 200,00 EUR entrichtet ist, erfolgt die Erstprüfung des Gründungsvorhabens unter Einbeziehung der drei grundlegenden Stossrichtungen: Potenzialorientierung, Risikofrüherkennung und Bedürfnisorientierung. Ziel dieser Geschäftspolitik ist es, Firmen mit überdurchschnittlichen Ertrags- und Wachstumsraten als Kunden zu gewinnen und auf Dauer an die Haspa zu binden. Ferner soll über die professionelle Betreuung von Existenzgründungsvorhaben die Qualität des Firmen- und Gewerbekundenbestandes und die Stabilität des Geschäftsvolumens für die Zukunft gesichert werden.
1.3 Zielsetzung der Arbeit
Ziel dieser Diplomarbeit ist die fundierte Analyse der Erfolgschancen der betriebswirtschaftlichen Existenzgründerberatungsdienstleistung (im folgenden kurz: ExiBDL) als Bankdienstleistung und der dabei zu beachtenden Risiken am Beispiel der Haspa. Die Erarbeitung von Möglichkeiten zur Differenzierung gegenüber Wettbewerbern und eines Preismodells für diese Dienstleistung sollen den Blick für die Chancen der Bank erweitern. Der Autor beabsichtigt, eine qualifizierte Entscheidungsgrundlage für das weitere unternehmerische Handeln zu schaffen.
Diese neuartige ExiBDL soll mit innovativen Ideen dazu beitragen, das Fundament von Voten bei der Vergabe von Existenzgründungskrediten zu verbreitern, die den Kreditengagements inhärenten Risiken präventiv zu managen und gleichzeitig die nachhaltige Entwicklung von jungen Unternehmen zu fördern.
1.4 Zum Aufbau der Arbeit
Das erste Kapitel der Arbeit ist der Introduktion in die Problemstellung gewidmet. Die Beweggründe für die Themenwahl und die Ziele der Geschäftspolitik des untersuchten Unternehmens werden offengelegt. Nach der expliziten Zielsetzung folgt die Beschreibung des beabsichtigten Vorgehens.
Im zweiten Kapitel der Arbeit werden erste grundlegende Gedanken über ein Engagement von Kreditinstituten als Existenzgründerberater gefasst und dessen Zweckmäßigkeit begründet. Im Rahmen der Erörterung von generellen Vorüberlegungen, die im Kontext zur Themenstellung stehen, werden auch die Bedingungen für die Förderung von Existenzgründerberatungen aus Bundesmitteln dargestellt. Das Kapitel endet mit der Zusammenfassung von Sollzielen.
Das Hauptanliegen des darauf folgenden Hauptteils der Arbeit ist die detaillierte Analyse der Ist-Situation. Dazu dienen unter anderem Berichte aus der Unternehmensberatungsbranche, Erfahrungen aus der Geschäftstätigkeit der Haspa, Ergebnisse empirischer Untersuchungen und statistische Daten über die Entwicklung von Existenzgründungsaktivitäten. Eine selbst initiierte Expertenbefragung ermöglicht überdies den Ausblick in die Zukunft. Das Abwägen von Chancen und Risiken eines Markteintritts der Haspa in die entgeltliche betriebswirtschaftliche Beratung von Existenzgründern soll dabei im Vordergrund stehen. Das Ordnen von Daten und Fakten zielt darauf ab, auf Basis der Bankziele Handlungsoptionen zu erkennen, damit Lösungsalternativen gefunden werden können. Die Break-Even-Analyse soll Aufschluss geben über die Wirtschaftlichkeit der ExiBDL. Sodann wird der Übergang von der analytischen auf die strategische Ebene mit dem Aufbau von Handlungsszenarien vorbereitet. Die anschließende Bewertung der Lösungsalternativen mündet in der Auswahl einer Wettbewerbsstrategie im Markt für ExiBDL. Die Kapitel schließen jeweils mit einer Zusammenfassung.
Das fünfte Kapitel ist der Vorstellung von Differenzierungsmöglichkeiten gegenüber Wettbewerbern und eines Preismodells für diese Dienstleistung gewidmet. Dieser taktische Teil steht nicht im Mittelpunkt der Thematik. Gleichwohl gehören die kreierten Eckpunkte dazu, weil sie darauf hinzielen, vor allem die Chancen von unternehmerischem Handeln aus Sicht der Bank zu umreißen.
Im sechsten Kapitel strebt der Autor an, das Ergebnis einer kritischen Würdigung zu unterziehen. Die offen gebliebenen Probleme werden thematisiert und mit einem Ausblick auf mögliche zukünftige Entwicklungen abgeschlossen. Die Arbeit endet mit einer zusammenfassenden Schlussfolgerung.
2. Allgemeine Vorüberlegungen
2.1 Existenzgründerberatung
Mit einem Beratungsangebot für Existenzgründer bewegt sich das Kreditinstitut auf dem Terrain der Unternehmensberatung. Der Begriff „Unternehmensberatung“ wird allerdings in der Fachliteratur äußerst vieldeutig verwendet.[7] Gegenstand der Beratung sind dabei aber niemals Aufgaben, die das Gesetz Rechtsanwälten, Architekten, Steuerberatern oder Wirtschaftsprüfern vorbehält.
2.1.1 Unternehmensberatung versus Existenzgründerberatung
Die im BDU organisierten Unternehmensberater – sie repräsentieren einen Marktanteil von rund 26% – haben sich auf bestimmte Berufsgrundsätze verständigt, die für alle Beratungsformen gleichermaßen Anwendung finden.[8] Auf der Grundlage dieser Maxime soll folgende Definition für den Begriff „Unternehmensberatung“ festgelegt werden: Von unabhängigen, besonders qualifizierten Personen erbrachte geistige Dienstleistung, in deren Verlauf der Berater dem Stand der Wissenschaft, der Lage der Branche und den Bedürfnissen des Klienten entsprechende, effektive Empfehlungen zur Lösung von betrieblichen Problemen oder zur Optimierung von Prozessen in allen betriebswirtschaftlichen, unternehmerischen und technischen Funktionsbereichen erarbeitet und bei deren Umsetzung mitwirkt.
Für eine differenziertere Betrachtung der Beratungsleistungen spricht, dass die ExiBDL idealer Weise in einer frühen Phase der Unternehmensgründung beginnt, den Aufbau einer marktgerechten Unternehmenskonzeption (Businessplan) beinhaltet und die persönlichen Voraussetzungen und Fähigkeiten des Gründungswilligen kritisch überprüft. Wesentlich ist darüber hinaus, dass in der Phase nach der Gründung die umfassende Auswertung von Soll-Ist-Abweichungen, die Optimierung von einzelnen Funktionsbereichen und die konzeptionelle Hilfestellung bei der positiven Weiterentwicklung des jungen Unternehmens angezeigt ist. Die ExiBDL beinhaltet also eine völlig eigenständige Aufgabenstellung, da die Gründungswilligen in der Regel ihre ersten unternehmerischen Aktivitäten entwickeln.[9] So hat die Vereinigung beratender Betriebs- und Volkswirte e.V. (VBV) bereits 1983 erstmals die Gründsätze ordnungsmäßiger Gründungsberatungen (GoG) erstellt, die 1995 grundlegend novelliert wurden.[10] Von dieser Organisation sind ebenfalls erstmals die Grundsätze ordnungsmäßiger Aufbauberatungen (GoA) vorgelegt worden.[11] Im Rahmen einer vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und dem Europäischen Sozialfonds unterstützten Untersuchung hat auch die Stiftung Warentest bestimmte Anforderungen an die Erstberatung zur Gründung allgemein und zum Geschäftsmodell aufgestellt.[12] Auf der Basis dieser Leitgedanken soll in dieser Arbeit folgende Definition für den Begriff „Existenzgründerberatung“ verwendet werden: Von unabhängigen, besonders qualifizierten Personen erbrachte geistige Dienstleistung, in deren Verlauf der Berater auf der Grundlage einer dem Stand der Wissenschaft, der Lage der Branche und der persönlichen Situation des Klienten entsprechenden, systematischen Analyse zu einer Feststellung über die langfristige Tragfähigkeit des Geschäftskonzeptes und zu effektiven Problemlösungsempfehlungen in der Aufbauphase kommt, bei deren Umsetzung er mitwirkt. Die Ergebnisse der Beratung dienen darüber hinaus als Fundament und Richtlinie für die erfolgreiche Existenzgründung und spätere Unternehmensführung.
2.1.2 Existenzgründerberatung als Bankdienstleistung
Die ExiBDL weist eine hohe Affinität zu den Bankdienstleistungen auf, da sie von denselben Besonderheiten geprägt – Immaterialität, Abstraktheit, Nichtspeicherbarkeit und Potentialorientierung – ebenso erklärungsbedürftig und vertrauensempfindlich ist. Die Kreditinstitute verfügen mit ihren Fachabteilungen und kritischen Experten über eine leistungsfähige Administration, die unter besonders wirtschaftlichen Voraussetzungen arbeiten kann. Eingesetzt wird dieses Instrumentarium vorwiegend zu Zwecken der internen Kreditwürdigkeitsprüfung und Kreditüberwachung, obwohl die Kreditinstitute „geborene“ Berater wären, weil sie von den Kunden in dieser Rolle angenommen werden.[13]
Bei der Evaluation eines geeigneten Beraters kann die Qualität der Beratung nur schwerlich im Vorfeld beurteilt werden, zumal dies in vielen Fällen auch nach Abschluss der Beratung nicht hinreichend festzustellen ist, weil beispielsweise sich ändernde externe Einflussgrößen und die Art und Weise der Umsetzung von Empfehlungen das Ergebnis determinieren. Es gibt keine wirksamen Marktzugangsbeschränkungen oder Zertifizierungen, die eine Auswahl erleichtern könnten. Statt dessen wird in dieser Branche als Ersatzkriterium die Reputation des Anbieters herangezogen.[14]
Die Frage, warum Gründungswillige sich von einem Kreditinstitut bezüglich ihrer selbständigen Existenz beraten lassen sollten, richtet somit zunächst den Blick auf die von Kreditinstituten ausgehende Reputation und sodann auf die Gründe, die eine Beratung sinnvoll erscheinen lassen. Die Finanzierungsberatung von Existenzgründern ist für die Kreditinstitute kein Neuland. Schon im Eigeninteresse prüfen sie die eingereichten Geschäftspläne auf Plausibilität und Realisierbarkeit. Im Rahmen der Kreditüberwachung werden im späteren Verlauf des Gründungsvorhabens regelmäßig betriebswirtschaftliche Unterlagen ausgewertet. Ein zusätzliches entgeltliches Beratungsangebot als Hilfe zur Selbsthilfe für die Gründungswilligen, welches durch eine Vielzahl von Beratungsformen und -Ansätzen gekennzeichnet ist, kann diesen stärkere Orientierung vermitteln und ihnen ein erfolgreicheres Agieren am Markt ermöglichen. Das finanzierende Kreditinstitut kann aufgrund seiner Erfahrungen und dem akkumulierten Wissen über Praktiken, Methoden und Märkte, welches aus den bestehenden Geschäftsbeziehungen gewonnen wurde, einen Wissenstransfer zu den Gründungswilligen herstellen. Welches Wissen diese auch immer benötigen, der beste Weg, die eigenen Fähigkeiten weiterzuentwickeln, ist normalerweise, das Know-how von denen zu imitieren, die es bereits erfolgreich angewendet haben. Außerdem erscheint es wirtschaftlicher, sich bei der Entwicklung eines komplexen Gründungskonzeptes Rat und Hilfe von einem Spezialisten zu holen, der über eine gewisse Übersicht verfügt und die notwendigen zeit- und kraftraubenden Wege schon vielfach beschritten hat.[15] Im Vergleich zu einer unabhängigen Beratungsgesellschaft ist die Neutralität des Kreditinstitutes allerdings fragwürdig. Es besteht die Gefahr, dass Daten und Fakten nur unter Anwendung eines internen risikopolitischen Filters analysiert und interpretiert werden – oder sogar in Teilbereichen ausgeblendet werden.
Die Zweckmäßigkeit der ExiBDL zeigt sich wiederkehrend in Untersuchungen von Wirtschaftsorganisationen, Forschungsinstituten sowie der DtA. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle hat 1998 im Rahmen einer Befragung von 372 Existenzgründern zur Beratungsförderung eine repräsentative Erfolgskontrolle durchgeführt und das folgende Fazit gezogen:[16]
„(...) Existenzgründer sowie Jungunternehmer, die auf der Basis der von externen Beratern geprüften und entwickelten Existenzgründungskonzepte den Sprung in die Selbständigkeit gewagt haben, verfügen über ein solides Fundament für einen erfolgreichen Start und Verbleiben im Markt. Maßgeblich dafür ist die Mitwirkung des Beraters (Coaching), der laut Umfrageergebnis Entscheidungshilfen für die Vorbereitung und Durchführung des Gründungsvorhabens gibt (in ca. 83% der Fälle), so dass der Gründer Vorschläge umsetzen konnte (ca. 95% der Fälle), an deren Umsetzung der Berater in der überwiegenden Zahl der Fälle (ca. 74%) mitwirkte. (...)“[17]
Diese Erkenntnis deckt sich mit den Erfahrungen der Bürgschaftsbank Schleswig-Holstein GmbH aus ihrem im Jahr 2000 eingeführten Bürgschaftsprogramm „EGP Sofort“ mit begleitender Beratung. Im Vergleich zur Entwicklung der Insolvenzzahlen im gesamten Gründungsgeschäft konnte im Jahr 2002 jede zweite Insolvenz vermieden werden.[18]
Der Banker als Gründungsberater: Dieses Vorhaben kann nur gelingen, wenn die Bank über den finanzwirtschaftlichen Bereich hinaus die Fähigkeit entwickelt, als betriebswirtschaftlicher Gründungsbegleiter akzeptiert zu werden. Der Banker muss daher anerkannter Diskussionspartner sein bei der Reflektion über die Stärken und Schwächen des Gründers, der Entwicklung einer Unternehmenskonzeption, dem Ausloten von Chancen und Risiken der Geschäftsidee sowie der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit des Vorhabens. Keinesfalls soll er den Businessplan für den Gründer anfertigen. Denn der Prozess, an dessen Ende der schriftliche Geschäftsplan steht, führt über das fundierte Durchdenken der eigenen Idee und der Marktumsetzung zu einem Lerneffekt beim Gründer.[19] Erstellt er wesentliche Teile des Konzeptes selbst, wird es zum Kristallisationspunkt der Gründungsplanung und behält auch in der Nachgründungsphase einen wirtschaftlichen Nutzwert.[20] Die unternehmerische Weitsicht geht später einigen Gründern wegen des operativen Erfolgsdrucks verloren.[21] Die Literaturrecherche zu diesem Themengebiet ergab, dass bereits ein dreistufiges Model zum Consulting Banking (CB) existiert. Dieses Werk, dem sich der nächste Abschnitt widmet, plädiert vehement für eine ganzheitliche, betriebswirtschaftliche Firmenkundenbetreuung durch Kreditinstitute.
2.2 Consulting Banking
Die Praxis der Bonitätsbeurteilung ist traditionell von vergangenheitsorientierten, statischen Bilanzanalyseverfahren dominiert. Da sich viele Branchen in einem strukturellen Umbruch befinden, ist das Interesse der Kreditwirtschaft an zukunftsgerichteten Verfahren sprunghaft gestiegen. Nun sollten Finanzplanungssysteme die Auswirkungen von strategischen Entscheidungen der Firmenkunden auf die finanzielle Situation transparent machen. Doch die einfließenden Planungsdaten sind zu vage und die Manipulationsgefahr ist ziemlich erdrückend. Die Lösung des Problems durch den Einsatz von Branchenvergleichszahlen als Zukunftsindikator kann genauso wenig überzeugen, denn regionale Sondereinflüsse bleiben ausgeklammert, und es können ohne Szenarien lediglich retrograde Branchentrends abgeleitet werden, was wiederum keine ausreichende Prognosequalität bedeutet. Auch die Diagnosen von Diskriminanzanalysen haben wegen der primär quantitativen Datenbasis nur eingeschränkten Aussagewert.[22] Mit ähnlichen Mitteln werden gegenwärtig die Businesspläne von Gründungswilligen im StartUp-Center der Haspa unter die Lupe genommen. Die darüber hinaus einsetzbaren qualitativen Verfahren liefern zwar treffsicherere Ergebnisse, die Analyse der charakteristischen Kriterien kann aber im Einzelfall mehrere Tage erfordern, womit die Praktiker in den Kreditinstituten unzweifelhaft überfordert sind. Daraus folgernd fordert die erste Stufe des Modells zum Consulting Banking (CB) eine dynamische Bonitätsbeurteilung. Das einzusetzende Instrumentarium muss mittels eindeutiger Kriterien die regionale Branchenattraktivität von Geschäftsfeldern der Firmenkunden einfangen und die branchenspezifischen Erfolgsfaktoren herausfiltern, um die Wirtschaftskraft der Unternehmen zu definieren.[23]
Auf dieser Basis greift dann die zweite Stufe des CB-Models, die leistungswirtschaftliche Beratung der Firmenkunden. Sie mündet in ein komplexes Beratungssystem für die Einzelbehandlung. Aus dem Bonitätsklassenportfolio der Bank werden über eine Reihenuntersuchung bestimmte Betriebe ausgewählt. Diese werden nach Abschluss einer Schwerpunktanalyse der vier identifizierten Schlüsselfaktoren – Management, Markt, Leistungswirtschaft und Finanzwirtschaft – in einem einheitlichen Bewertungsraster erfasst. Ein Unternehmensprofil gibt Auskunft über gravierende strategische Engpässe. Auf diese Weise verfügt der Berater über hervorragende Ankerpunkte für den Diskussionseinstieg. Das eigentliche Ziel der Beratung wird im nächsten Schritt erreicht. In der Rolle des „Hausarztes“ oder des „Facharztes für Allgemeinmedizin“ produziert der Banker darauf aufbauend mit dem Firmenkunden ein individuelles Unternehmensentwicklungskonzept. Je nach Sachverhalt und Ausprägung der Beratung wird diese Dienstleistung selbstverständlich mit einem Honorar bepreist. Die Umsetzungsverantwortung des konsequenter Weise erstellten Maßnahmenprogramms liegt beim Firmenkunden. Dessen Überwachung bildet aber die Grundlage für die Engagementbehandlung oder für Kreditentscheidungen seitens des Kreditinstitutes. Die Bank wird mit der Kenntnis über den Handlungsbedarf im Unternehmen in die Lage versetzt, die offenen Probleme mit hoher Trefferwahrscheinlichkeit anzusprechen.[24]
Die bisherige Praxis der Firmenkundenbetreuung zeigt, dass mindestens 70% aller Kunden systematisch vernachlässigt sind. Vor allem Cross-Selling-Erfolge fallen bescheiden aus und die geschäftsträchtige Privatschatulle der Firmenkunden wird vorzugsweise von Mitbewerbern aus der Finanzdienstleistungsbranche betreut. In der dritten Stufe des CB-Models wird deswegen ein neuer Marketingansatz entfaltet. Im Zentrum des fundierten, ganzheitlichen Firmenkunden-Marketing muss die durchgängige Qualitätssteigerung des Firmenkundengeschäfts stehen. Das Marketing darf nicht der Marketingabteilung überlassen werden. Ziel dieser Strategie ist die segmentübergreifende Anhebung der Marktposition mit Hilfe einer die gesamte Kundenbeziehung umfassenden Marktbearbeitung, die dann natürlich über das reine Kreditgeschäft hinaus geht. Das Konzept vertieft sich in den Bereichen Firmenkunden-Strategie, Personalentwicklung, Firmenkunden-Segmentierung, Betreuungskonzept, Produkt-angebot und Firmenkunden-Controlling.[25]
Der Entwurf des Consulting Banking weist einen vielversprechenden Ausweg aus dem auf Dauer vernichtenden Preiswettbewerb im zinsabhängigen Geschäft. Wenn auch der Weg zum Ziel sicherlich noch Diskussionsstoff liefert, CB ist zum Inbegriff für Kundenbindung und das Erringen von wahrnehmbaren, qualitativen Wettbewerbsvorteilen im Firmenkundengeschäft geworden. Es kann uneingeschränkt auf die Kundengruppe, Existenzgründer, übertragen werden. Denn vorzugsweise in diesem Geschäft sollte das Engagement über das risikoreiche Kreditgeschäft hinausgehen. Ein Zuschuss aus dem Bundesprogramm zur Förderung von Unternehmensberatungen steigert die Attraktivität einer solchen Dienstleistung zusätzlich.
2.3 Bundeszuschuss für Existenzgründerberatung
Zur Stärkung der Bereitschaft, eine ExiBDL in Anspruch zu nehmen, fördert das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit im Rahmen verfügbarer Haushaltsmittel die professionelle Unternehmensberatung. Die Grundzüge der Unterstützung für Existenzgründer nach der Förderrichtlinie vom 11.09.2001 in der geänderten Fassung vom 15.04.2002 und vom 11.03.2003 werden in der nachfolgenden Tabelle 1, S. 12, veranschaulicht:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Grundzüge der Förderrichtlinie für Existenzgründer[26]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Leitstellen sind verpflichtet, die vorgelegten Förderanträge zu prüfen und sie anschließend gemeinsam mit einem Prüfungsbericht an die Bewilligungsbehörde, Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, zur Entscheidung weiterzureichen. Die folgende Übersicht zeigt die definierten Mindeststandards und kann als Checkliste dienen, um sicherzustellen, dass ein Zuschuss nicht aufgrund von inhaltlichen Unzulänglichkeiten abgelehnt wird. Der breite Umfang dieser Standards macht deutlich, dass die ganzheitliche Betrachtung des gesamten Vorhabens angezeigt ist. Voraussetzung für die Bewilligung ist stets die umfassende Dokumentation der ExiBDL im Beratungsbericht.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2: Mindestanforderungen an Existenzgründungsberatungen[27]
2.4 Ganzheitliche Existenzgründerberatung
Die Forderung des CB nach ganzheitlicher Firmenkundenbetreuung und die das gesamte Vorhaben umfassenden Mindestanforderungen an ExiBDL erscheinen vor der Kulisse von zunehmender Spezialisierung in allen Wirtschaftsbereichen von eminenter Brisanz. Auf der einen Seite stehen die rapide Vermehrung des Wissens in der modernen Wirtschaft und die fortschreitende Arbeitsteilung zur Steigerung der Produktivität, wie sie von Adam Smith beschrieben ist.[28] Sie zwingen zur Spezialisierung, die mit einer unvermeidlichen Verengung der Perspektive von Fachleuten einhergeht. Auf der anderen Seite erfordert die immer kompliziertere und komplexer werdende Verflechtung der Unternehmen mit ihrem internen und externen Umfeld eine ganzheitliche Unternehmensbetrachtung im Beratungsprozess.[29] Die einzelnen betrieblichen Funktionen und Organisationseinheiten dürfen nicht separat analysiert und optimiert werden, denn sie müssen als ineinander greifende Elemente eines komplexen Gesamtsystems verstanden werden.[30] Der Berater muss also in der Lage sein, in einer spezifischen Art und Weise in Zusammenhängen zu denken. Dabei soll er die Dynamik der betroffenen Systeme, ihren grundlegenden Aufbau, ihre Vernetztheit zu zirkulären Wirkungsverläufen, die Wechselwirkungen mit der jeweiligen Umwelt sowie die Eigendynamik und Komplexität der Systeme erfassen. Hilfreich ist außerdem, die Ordnungs- oder Verhaltensmuster von Systemen zu entdecken und deren Lenkungsmechanismen zu begreifen.[31] Speziell in der ExiBDL ist der ganzheitliche Beratungsansatz um ein Teilsystem reicher, die Person des Gründers und sein soziales Umfeld.[32]
Mit dem Wissen von spezialisierten Beratern ist es zweifellos möglich, auf produktive Weise wirtschaftliche Sachverhalte aus ihrem Fachbereich effizienter zu gestalten. Es besteht jedoch die Gefahr, dass außerdisziplinäre Faktoren übersehen oder konkurrierende Sichtweisen anderer Wissensgebiete unbeachtet, und ungewünschte Wechselwirkungen im internen und externen Umfeld unerkannt bleiben. Nur wenn der Berater den Blick für das Ganze nicht verliert, kann er auch das Ganze erkennen und die richtigen Empfehlungen aussprechen. Ganzheitliche Beratung kann aber nicht bedeuten, dass der einzelne Berater sich Expertenwissen in allen betroffenen Fachgebieten aneignen muss und das Gründungsvorhaben in jeder Hinsicht bis in die Tiefe ergründet. Damit ist die Leistungsfähigkeit eines Menschen überschritten. Der Gründungsberater benötig statt dessen generelles fächerübergreifendes Wissen, das ihn in die Lage versetzt, die Sachkunde und die Ansichten anderer Menschen zu verstehen und die unterschiedlichen Erkenntnisse in Verbindung zu bringen. Wichtige Impulse dazu liefert der konstruktive Umgang mit wahrzunehmender Kritik und der interdisziplinäre Dialog innerhalb eines Netzwerkes. Darüber hinaus erscheint es vernünftig, eine ganzheitliche Problemlösungsmethodik anzuwenden, die zunächst die Problemsituation klar herausstellt und im weiteren Verlauf das Denken in Netzwerken in einem iterativen Prozess verbessert und nachvollziehbar macht. Auf diese Weise können Denkfehler vermieden werden, wie z.B. das unkritische Übernehmen von Zielvorstellungen oder der Rückfall in punktuelles Ursache-Wirkungs-Denken.[33]
2.5 Rollenverhalten des Beraters
Der Frage nachgehend, in welche Rollen auf dem Existenzgründerberatungsmarkt etablierte Berater schlüpfen, stößt der Autor auf die in der Tabelle 3, S. 16, dargestellten Verbildlichungen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 3: Metaphern für das Rollenverhalten des Beraters[34]
Die Metaphern implizieren jeweils eine übertragene Bedeutung, die weit über die kurzen Beschreibungen hinausgeht, weil der Leser mit dem Bild durchaus gewollte Assoziationen verbindet. Dies wird in der Literatur, den bildenden Künsten aber auch in der Informatik zum Ausdrücken von Vorstellungen genutzt. Metaphern sind in der Lage, einen ganzen Text oder vollständige Wortfelder beziehungsweise einen umfassenderen Bedeutungszusammenhang zu ersetzen. Sie sind Kern eines metaphorischen Prozesses, in dem ein unüblicher Kontext (z.B. aus der Seefahrt) mit dem Beraterverhalten in Verbindung gebracht wird, wodurch eine Interaktion zwischen beiden Kontexten hergestellt wird. Am Ende steht im günstigsten Fall ein klareres, prägnanteres Verständnis.[36]
Die vorstehende Tabelle 3, S. 16, zeigt, dass keine der skizzierten Metaphern einen Gründungswilligen voll und ganz begeistern kann. Das Bild des Mediziners – wird häufig von klassischen Unternehmensberatungen für Imagebroschüren genutzt – besticht mit der unfehlbaren Diagnose des studierten Arztes. Der Patient wird zwar befragt, doch in die Forschung nach den Ursachen der Beschwerden wenig einbezogen. Im Heilungsverlauf ist der Patient wieder auf sich allein gestellt. Es ist außerdem fraglich, ob der Arzt den gesamten Patienten im Blickfeld hat, um zu erkennen, wo es krankt, damit die beste Medikation (z.B. auch aus der Naturmedizin) verordnet wird, oder ob er nur an den Symptomen der Krankheit operiert.
Der Lotse ist hilfreich bei der Ausfahrt aus dem Hafen. Er kennt das heimatliche Hafenbecken genau, gibt seine Informationen weiter und begleitet den Kapitän bei der Fahrt bis zum offenen Meer. Sodann packt er alle seine Sachen und geht wieder von Bord, so dass der arglose Kapitän nun auf der weiteren Reise ohne Unterstützung mit seinen eigenen Erfahrungen und Instrumenten den Kurs des Schiffs bestimmt.
Im Cockpit eines Flugzeugs teilen sich Pilot und Co-Pilot die Aufgaben. Letzterer ergänzt den Piloten, beobachtet auch die Instrumente, die nicht in dessen Blickfeld liegen und begleitet den Flug bis zur Landung im Zielflughafen. Der Co-Pilot ist jedoch darauf bedacht, unentbehrlich zu bleiben, für künftige Flüge Praxiserfahrung zu sammeln und verfolgt auch seine eigenen professionellen Interessen.
Die vielen Gesichter des Jongleurs vermitteln Dynamik und Bewegung. Er reagiert angemessen situationsbezogen. In seinen Rollen übernimmt er jeweils die Stärken und Schwächen der Metaphern, in die er schlüpft. Der Pfarrer verfügt über keine Machtmittel. Er hält sich strikt an die Gebote der Bibel, zeigt guten Willen, appelliert an den menschlichen Verstand und ist ein aufmerksamer Zuhörer. Es liegt ganz allein bei seinen Gemeindemitgliedern, was sie mit seiner Predigt anfangen, wie sie diese interpretieren und welche Schlüsse daraus zu ziehen sind.
In der Bankenwelt trifft der beratungssuchende Existenzgründer auf die unparteiischen Richter. Der Ablauf des Verfahrens ist bekannt, die Beweise und Belege werden vor Verfahrensbeginn vom Richter bewertet. Es ist nicht seine Aufgabe, nach der Wahrheit zu suchen. Sein Urteil ist unumstößlich – im Falle der Ablehnung bleibt nur der Weg durch die Instanzen.
[...]
[1] Vgl. Statistisches Bundesamt (Jahrbuch 2003).
[2] Vgl. Stiftung Warentest (2003a), S. 32.
[3] Vgl. Eckhoff, Frank (2003), S. 30.
[4] Vgl. Hamburger Sparkasse (2003), S. 6f..
[5] Vgl. Hamburger Sparkasse (2003), S. 23.
[6] Entnommen aus: Fortlaufend seit 2002 geführte interne Statistik des StartUp-Centers.
[7] Vgl. Kolbeck, Christoph (2001), S. 3.
[8] Vgl. Bundesverband Deutscher Unternehmensberater BDU e.V. (Berufsgrundsätze).
[9] Vgl. Lühr, Peter (2001), S. 6.
[10] Vgl. VBV – Vereinigung beratender Betriebs- und Volkswirte e.V. (1995), S. 2.
[11] Vgl. VBV – Vereinigung beratender Betriebs- und Volkswirte e.V. (o.J.), S. 2.
[12] Vgl. Stiftung Warentest, Hrsg. (2003b), S. 79.
[13] Vgl. Dingeldein, Klaus Rainer; Kaeppel, Ulrich (2000), S. 12f..
[14] Vgl. Kolbeck, Christoph (2001), S. 11; Vgl. Heuermann, Roland; Herrmann, Falk (2003), S. 306f..
[15] Vgl. Christians, Uwe (2001), S. 55.
[16] Vgl. Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Erfolgskontrolle).
[17] Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Erfolgskontrolle).
[18] Die Information stammt aus einer Mitteilung der Bürgschaftsbank Schleswig-Holstein GmbH in 08/2003. Überdies hat der Autor hierzu ein ergänzendes Telefonat am 11.12.2003 geführt.
[19] Vgl. Dowling, Michael; Drumm, Hans Jürgen, Hrsg. (2003), S. 240ff..
[20] Vgl. Tödt, Andreas (2001), S. 247f..
[21] Vgl. Scheer, August-Wilhelm (2000), S. 60.
[22] Vgl. Dr. -Benölken-Bankenberatung GmbH (1997), S. 52ff..
[23] Vgl. Dr. -Benölken-Bankenberatung GmbH (1997), S. 77ff..
[24] Vgl. Dr. -Benölken-Bankenberatung GmbH (1997), S. 187ff..
[25] Vgl. Dr. -Benölken-Bankenberatung GmbH (1997), S. 237ff..
[26] Vgl. Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Richtlinie über Förderung); eigene Darstellung.
[27] Vgl. Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Mindestanforderungen), eigene Darstellung.
[28] Vgl. Smith, Adam (1993), S. 9 ff..
[29] So ist es nicht verwunderlich, dass die Internet-Suchmaschine Google unter dem Begriff „ganzheitliche“ plus „Unternehmensberatung“ rund 6.800 Einträge findet. Google-Suche am 03.01.2004.
[30] Vgl. Petersen, Jörg (ganzheitliche Unternehmensberatung).
[31] Vgl. Ulrich, Hans; Probst, Gilbert J. B. (1991), S. 96ff..
[32] So auch Tödt, Andreas (2001), S. 92ff..
[33] Vgl. Ulrich, Hans; Probst, Gilbert J. B. (1991), S. 230ff..
[34] So auch Kolbeck, Christoph (2001), S. 189ff.. Die Metaphern sind aus Sicht des Autors an die Praxis der ExiBDL angepasst. Dazu hat der Verfasser teilweise eigene Verbildlichungen eingeführt.
[35] Vgl. Oetker, Roland (2003), S. 85ff..
[36] Vgl. Busch, Carsten (1998), S. 7ff..
- Citar trabajo
- Dipl.-Betriebswirt (FH) Frank Eckhoff (Autor), 2004, Existenzgründung - Chancen und Risiken der betriebswirtschaftlichen Beratung durch Kreditinstitute am Beispiel der Hamburger Sparkasse AG, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/90922
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