ABSTRACT
Die Notwendigkeit einer umfassenden Umgestaltung der weltweiten Energieversorgung auf nachhaltige Rohstoffe bestreitet angesichts steigender Ölpreise und den immer dramatischeren Berichten über globale Klimaveränderungen heute kaum ein seriöser Ökonom oder Politiker mehr.
Die Energiepolitik ist jedoch ein Politikfeld, in dem aufgrund von Waren- und Ressourcenströmen – Erdöl aus den arabischen Staaten, Gas aus der Russischen Föderation, Atommülltransporte durch Europa – weltumspannend gedacht werden muss. Mittel- und Osteuropa dürfen in diesem Zusammenhang für die alte EU-15 nicht nur als Kohlelieferanten (z.B. Polen) oder Transitländer für die russischen Energieträger gesehen werden. Es eröffnet sich hier auch ein Markt für hochspezialisierte erneuerbare Energie-Technologien Westeuropas. Mittel- und Osteuropa, von der Russischen Föderation zum Teil noch in weit höherem Maße abhängig als die EU-15, stehen im Bezug auf ihre Energiepolitik zudem an einem Scheideweg: Investitionen in erneuerbare Energien trotz bestehender Pfadabhängigkeiten, Erneuerung der veralten, auf konventionellen Energieträgern bestehenden Infrastruktur oder schließlich Ausbau der Nuklearenergie?
Die vorliegende Arbeit stellt in einer Bestandsaufnahme sowohl natürliche Potenziale als auch technische, wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen für die Einführung erneuerbarer Energietechnologien in Mittel- und Osteuropa dar. Im zweiten Teil der Arbeit versucht der Autor, im Bezug auf Politik, Wirtschaft und Gesellschaft praktische Vorschläge zur Förderung von erneuerbaren Energien in den besprochenen Ländern zu geben. Die Arbeit zollt der großen Unterschiedlichkeit der Energiemärkte im östlichen Europa Respekt und zeigt unter anderem, dass entgegen gängiger Vorurteile über gefährliche Atomreaktoren und veralteter Kohlekraftwerke in den untersuchten Staaten auch Potenziale und Ansätze einer nachhaltigen Energieversorgung zu erkennen sind.
Der Autor vertritt die These, dass besonders die Russland gegenüber kritisch eingestellten Gesellschaften (z.B. in den baltischen Staaten und Polen) eine verstärkte Einführung erneuerbarerer Energien trotz Fehlen eines ausgeprägten Umweltbewusstseins und eventueller Preissteigerungen unterstützen würden, wenn dies als Maßnahmen zur Verringerung der Abhängigkeit von Russland „vermarktet“ würde.
Inhaltsverzeichnis
1 Annäherung an das Thema
2 Erneuerbare Energien – Möglichkeiten, Anspruch und Realität
3 Bestandsaufnahme
3.1 Vorbemerkungen
3.2 Mittel- und Osteuropäische Staaten
3.2.1 Natürliche Potenziale
3.2.2 Technische, wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen
3.3 Russland
3.3.1 Natürliche Potenziale
3.3.2 Technische, wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen
4 Vorschläge für Strategien und Förderinstrumente in den Bereichen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft
4.1 Politik
4.2 Wirtschaft
4.3 Gesellschaft
5 Zusammenfassung
6 Literaturverzeichnis
6.1 SAMMELBÄNDE
6.2 AUFSÄTZE AUS SAMMELBÄNDEN
6.3 AUFSÄTZE AUS ZEITSCHRIFTEN
6.4 DOKUMENTE
6.5 PRESSE
1 Annäherung an das Thema
Die Energiepolitik in Europa ist ein Politikfeld voller Ungleichheiten auf verschiedenen Ebenen. Zunächst ist eine Diskrepanz festzustellen zwischen der zunehmenden Bedeutung des Gegenstandes im Zuge der Globalisierung und des wachsenden „Energiehungers“ in der gesamten Welt sowie dem schwach ausgeprägten Grad der Institutionalisierung des Politikfeldes innerhalb der politischen Systeme der Staatenwelt Europas.[1] Als ein vielleicht noch bedeutenderes Ungleichgewicht stellt sich das Verhältnis zwischen dem weltweit größten Exporteur von Energieträgern, der Russischen Föderation, und der EU als weltgrößtem Energieimporteur dar.[2] Die hieraus entstehenden Interdependenzen sind Auslöser zahlreicher Konflikte, Probleme und Herausforderungen, die zum Teil auch Gegenstand dieser Arbeit sind. Weiterhin ist die Diskrepanz zwischen dem wachsenden Interesse am Gegenstand „Energiepolitik“ in der Öffentlichkeit - illustriert beispielsweise durch die verstärkte mediale Berichterstattung über den Klimawandel oder die Energiebeziehungen mit Russland[3] - und dem verhältnismäßig geringen Grad an disziplinübergreifenden wissenschaftlichen Untersuchungen zu dem Thema zu erwähnen. Diese Lücke versuchen die in dieser Arbeit vorwiegend benutzten Ausgaben 9 und 10 der Zeitschrift OSTEUROPA aus dem Jahre 2004 zu schließen. Disziplinübergreifend werden in beiden Bänden die unterschiedlichsten Themenbereiche im weiten Feld der Energiepolitik von einer technikhistorischen Untersuchung zu energetischen Visionen in der ehemaligen Sowjetunion[4] über eine geologische Rohstoffpotenzialanalyse für Europa[5] bis hin zu einer Dokumentation über das Ringen um das Kyoto-Protokoll[6] diskutiert. Sowohl die Aufsätze selbst als auch die Bibliographien der einzelnen Beiträge stellen die Grundlage für die vorliegende Untersuchung über die Chancen, Potentiale und Hindernisse der erneuerbaren Energie im Osten Europas dar.
2 Erneuerbare Energien – Möglichkeiten, Anspruch und Realität
Im Feld der erneuerbaren Energien besteht zwischen Anspruch und Realität ebenfalls ein Missverhältnis. 2002 betrug der Anteil der renewabels am Energiemix der EU-15 nur sechs Prozent[7] ; in den MOE- Staaten[8] trugen sie ein Jahr zuvor nur knapp über acht Prozent zur Primärenergieproduktion[9] bei. Diese unterschiedlich berechneten Werte sind so aber nicht miteinander vergleichbar, da unklar ist, was KIRSTEN WESTPHAL im Bezug auf das zitierte Dokument der Europäischen Kommission mit „Energiemix“ meint. Aktuelle und verlässliche Daten, die im Rahmen der meisten vergleichenden Studien zum Themengebiet erneuerbare Energien auf europäischer Ebene von den nationalen Statistikämtern stammen[10], sind allerdings nicht immer verfügbar. Einen anschaulichen Vergleich der Anteile erneuerbarer Energien an der Stromproduktion in der EU-15 und der EU-10 (also für die neuen Mitgliedstaaten nach der Osterweiterung) für die letzten Jahre liefert das Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung: Während in der „alten EU“ 2002 bereits 13,4 Prozent des verbrauchten Stroms ökologisch erzeugt wurden, lag der Anteil der renewabels an der Stromproduktion in den entsprechenden osteuropäischen Staaten nur bei 5,6 Prozent.[11] Diese bescheidenen Quoten lassen daran zweifeln, ob es der EU-25 gelingen wird, bis 2010 den Anteil auf 21 Prozent zu steigern, wie es die Richtlinie 2001/77/EC „zur Förderung von aus erneuerbaren Energiequellen produziertem elektrischem Strom im gemeinsamen Elektrizitätsmarkt“ des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. September 2001 vorsieht[12]. Es ist zu beachten, dass die Richtlinie den Fokus nur auf den Anteil an der Stromproduktion legt. Heizenergie und fossiler Kraftstoffverbrauch im Kraftfahrzeugverkehr – zwei ebenfalls große CO2-Quellen – sind in dieser Kalkulation wie auch in der EU-Richtlinie gar nicht berücksichtigt.
[...]
[1] Sapper, Manfred u.a.: Energiedimensionen, in: OSTEUROPA 9-10: Europa unter Spannung. Energiepolitik zwischen Ost und West (2004), hrsg. von Margarita M. Balmaceda, Berlin, S. 11 (Sapper, 2004).
[2] Ebenda.
[3] DER SPIEGEL Nr. 10, 5. März 2007: Der Konzern des Zaren, S. 120 – 137.
[4] Gestwa, Klaus: „Energetische Brücken“ und „Klimafabriken“ – Das energetische Weltbild der Sowjetunion, in: OSTEUROPA 9-10: Europa unter Spannung. Energiepolitik zwischen Ost und West (2004), hrsg. von Margarita M. Balmaceda, Berlin, S. 15 - 38 (Gestwa, 2004).
[5] Rempel, Hilmar u.a.: Geologie und Energieversorgung – Rohstoffvorkommen und -verfügbarkeit, in: OSTEUROPA 9-10: Europa unter Spannung. Energiepolitik zwischen Ost und West (2004), hrsg. von Margarita M. Balmaceda, Berlin, S. 94 - 110 (Rempel, 2004).
[6] Müller, Friedemann: Protokoll einer Krise – Russland, Kyoto und die Klimapolitik, in: OSTEUROPA 9-10: Europa unter Spannung. Energiepolitik zwischen Ost und West (2004), hrsg. von Margarita M. Balmaceda, Berlin, S. 68 -79 (Müller, 2004).
[7] European Commission: Energy. Let us overcome our dependence, Brussels 2002. S. 4. (zitiert nach: Westphal, K.: Handlungsbedarf – Die Energiepolitik der Europäischen Union, in: OSTEUROPA 9-10: Europa unter Spannung. Energiepolitik zwischen Ost und West (2004), hrsg. von Margarita M. Balmaceda, Berlin, S. 42) (Westphal, 2004).
[8] Unter den Staaten Mittel- und Osteuropas (MOE) sollen hier die folgenden neuen EU-Mitglieder verstanden werden: Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Tschechische Republik und Ungarn. Für Russland konnten leider keine aktuellen Zahlen zum Anteil der erneuerbaren Energien am Gesamtenergieverbrauch ermittelt werden.
[9] Als Primärenergie bezeichnet man die Energie, die mit den natürlich vorkommenden Energieformen oder Energieträgern zur Verfügung steht. Im Gegensatz dazu spricht man von Sekundärenergieträgern, wenn diese erst durch einen (mit Verlusten behafteten) Umwandlungsprozess aus der Primärenergie entstehen. Die nach evtl. weiteren Umwandlungs- oder Übertragungsverlusten vom Verbraucher nutzbare Energiemenge bezeichnet man schließlich als Endenergie. (Quelle: http://www.wikipedia.de, aufgerufen am 29. April 2007 um 18:30 Uhr). Die vorliegende Berechnung beruht auf Reiche, Danyel: Renewable energies in the Accession States, in: Handbook of Renewable Energies in the European Union II, hrsg. v. Danyel Reiche u.a. Berlin u.a. 2003, S. 14 (Reiche, 2003b).
[10] Reiche, 2003b. S. 28; Fußnote 3.
[11] Ragwitz, Mario: Analyses of the EU renewable energy sources’ evolution up to 2020 (FORRES 2020), hrsg. v. Mario Ragwitz / Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung, Karlsruhe 2005, S. 7. (Ragwitz, 2005).
[12] Zitiert nach: Ragwitz, 2005. S. 1.
- Arbeit zitieren
- Malte Koppe (Autor:in), 2007, Chancen, Potenziale und Hindernisse für erneuerbare Energien im Osten Europas, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/90804
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