Die folgende Seminararbeit befasst sich mit der Problematik der kommerziellen Vermarktung von Open Source Software (OSS) für Unternehmen. Im Vergleich zu traditionellen Innovationsmodellen stellt sich hinsichtlich OSS die Frage, inwiefern ein frei verfügbares und für den Anwender scheinbar kostenloses Gut gewinnbringend eingesetzt werden kann. Bisherige Arbeiten zu diesem Thema (von Krogh et al. 2003; Lakhani/von Hippel 2003) zeigen anhand von Anwendernutzen und -motivation, wie sog. „Communities“ mittels Einbindung von Softwareentwicklern zu Innovationen im Unternehmen beitragen können. Weiterführend ist aber insbesondere hinsichtlich der Kommerzialisierung von OSS fraglich, inwiefern hier wettbewerbsfähige Möglichkeiten für Unternehmen existieren. Firmen wie Red Hat oder Novell erzielen mit ihren Linux Distributionen nicht nur hohe Gewinne, sondern sind sogar im Nasdaq-Index vertreten (Auener 2007, S. 15). Auch andere, bisher weniger durch OSS bekannte Unternehmen wie IBM oder Oracle, ziehen Open Source als Geschäftsstrategie mit dem Ziel neuer Marktinnovationen in Betracht (DiBona 1999, S. 6-7).
Das Ziel dieser Arbeit ist, innovative Möglichkeiten zur Kommerzialisierung von OSS für Unternehmen aufzuzeigen. Dazu sollen verschiedene Geschäftsstrategien unter den Eigenschaften und Bedingungen von Open Source in der Softwareindustrie berücksichtigt und analysiert werden.
Gliederung
Abkürzungsverzeichnis
1 Problemstellung
2 Einführung in das Open Source Konzept und Begriffsabgrenzung
2.1 Merkmale von Open Source Software
2.2 Die Bedeutung von Lizenzen für die Vermarktung von OSS
2.3 Markteffekte und Marktinnovation
3 Darstellung ausgewählter innovativer OSS Geschäftsmodelle
3.1 Produktanbieter Geschäftsmodelle
3.1.1 Distributoren Modell
3.1.2 Applikationsanbieter Modell
3.1.3 Appliance Hersteller Modell
3.2 Dienstleistungs Geschäftsmodell
3.3 Geschäftsmodell der Intermediäre
3.4 Entfernte Geschäftsmodelle auf Basis von OSS
4 Fazit & Ausblick
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Problemstellung
Die folgende Seminararbeit befasst sich mit der Problematik der kommerziellen Vermarktung von Open Source Software (OSS) für Unternehmen. Im Vergleich zu traditionellen Innovationsmodellen stellt sich hinsichtlich OSS die Frage, inwiefern ein frei verfügbares und für den Anwender scheinbar kostenloses Gut gewinnbringend eingesetzt werden kann. Bisherige Arbeiten zu diesem Thema (von Krogh et al. 2003; Lakhani/von Hippel 2003) zeigen anhand von Anwendernutzen und -motivation, wie sog. „Communities“ mittels Einbindung von Softwareentwicklern zu Innovationen im Unternehmen beitragen können. Weiterführend ist aber insbesondere hinsichtlich der Kommerzialisierung von OSS fraglich, inwiefern hier wettbewerbsfähige Möglichkeiten für Unternehmen existieren. Firmen wie Red Hat oder Novell erzielen mit ihren Linux Distributionen nicht nur hohe Gewinne, sondern sind sogar im Nasdaq-Index vertreten (Auener 2007, S. 15). Auch andere, bisher weniger durch OSS bekannte Unternehmen wie IBM oder Oracle, ziehen Open Source als Geschäftsstrategie mit dem Ziel neuer Marktinnovationen in Betracht (DiBona 1999, S. 6-7). Das Ziel dieser Arbeit soll daher sein, innovative Möglichkeiten zur Kommerzialisierung von OSS für Unternehmen aufzuzeigen. Dazu sollen verschiedene Geschäftsstrategien unter den Eigenschaften und Bedingungen von Open Source in der Softwareindustrie berücksichtigt und analysiert werden.
Zur Bearbeitung der Zielstellung sollen zunächst besondere Eigenschaften von OSS sowie verschiedene Lizenzierungsvarianten und deren Bedeutung für die Auswahl eines Geschäftsmodells analysiert werden. Das nächste Kapitel thematisiert wichtige Markteffekte durch Open Source und deren Nutzbarkeit für Unternehmen. Im folgenden Teil der Arbeit werden konkrete Geschäftsmodelle zur Kommerzialisierung von OSS dargestellt und analysiert. Dazu sollen zunächst Potentiale und Faktoren hinsichtlich einer wettbewerbsfähigen und gewinnbringenden Verwendung von OSS abgeleitet werden. Abschließend folgt eine kritische Bewertung der Modelle hinsichtlich ihrer Eignung für eine erfolgreiche Kommerzialisierung.
2 Einführung in das Open Source Konzept und Begriffsabgrenzung
Mit zunehmender Diffusion des Internets seit Beginn der 90er Jahre wuchsen das Interesse und die Aktivität um freie Software auch im kommerziellen Bereich (Lerner/Tirole 2002a, S. 202). Eric Raymond (1999) stellt in seinem Werk „The Cathedral and the Bazaar“ Open Source als eine Art „Geschenkökonomie“ dar, nach der der Aufwand in der Entwicklung von Software durch immaterielle Gegenleistungen kompensiert wird. Aus dieser Perspektive ist jedoch fraglich, wie sich mit einem solchen Verhalten Gewinne für ein Unternehmen erwirtschaften lassen. Der Mangel einer Preissetzung für das Endprodukt wirkt sich unmittelbar auf die vorgeschalteten Märkte aus und setzt dort marktwirtschaftliche Leistungsmechanismen außer Kraft (Kooths et al. 2003, S. 4).
Der Begriff „freie Software“ wird häufig missverstanden und soll daher im Rahmen dieser Arbeit kurz abgegrenzt werden. „Frei“ bezieht sich dabei nicht auf den Preis im Sinne von „kostenlos“ oder „Freibier“, sondern auf die Freiheit, eine Software gemäß „freier Rede“ für beliebige Zwecke zu nutzen, nach eigenen Bedürfnissen zu verändern, zu verbessern oder weiter zu verkaufen (Stallmann 1999, S. 56; vgl. Free Software Definition 2007). In diesem Zusammenhang regeln Lizenzen, inwieweit und unter welchen Bedingungen eine Software diesen drei Ausprägungen begegnen kann oder muss (vgl. Arne/Yates 2005, S. 2). Open Source ermöglicht neue Flexibilität, Funktionssicherheit und Innovation in der Softwareentwicklung (Heylighen 2007, S. 175). Entscheidend für eine erfolgreiche Vermarktung von Software ist jedoch die Nachfrageseite. Innovation erhöht die wahrgenommene Wertsteigerung für den Kunden, welche dem Unternehmen neues Gewinn- und Wachstumspotential ermöglicht (vgl. Shapiro 2006, S. 45-46). In den folgenden Kapiteln werden für ein vertiefendes Verständnis des Open Source Konzeptes zunächst besondere Merkmale von OSS sowie entscheidende Lizenzvarianten dargestellt. Im Anschluss sollen Marktbedingungen auf Nachfrager- und Anbieterseite hinsichtlich einer erfolgreichen Kommerzialisierung von OSS sowie unterstützende Markteffekte betrachtet und abgegrenzt werden. Diese dienen als Grundlage für eine spätere Untersuchung der Geschäftsmodelle.
2.1 Merkmale von Open Source Software
Neben den erläuterten Eigenschaften freier Software ist OSS öffentlich zugänglich und ohne Einschränkungen für den Anwender verfügbar (vgl. Boettinger/Burk 2004, S. 223). Der Begriff „Open Source“ wurde erst im Jahre 1998 von der von Bruce Perens und Eric Raymond gegründeten Open Source Initiative (OSI) geprägt und definiert (Grassmuck 2004, S. 230). Open Source ist keine Lizenz im eigentlichen Sinne, sondern mehr als Gütesiegel zur Bewertung von Lizenzen zu verstehen. Die Namensgebung erfolgte vor allem, um „freie“ Software breiteren, auch kommerziellen Nutzungsinteressenten zu öffnen (Kooths et al. 2003, S. 32). Heute ist der Begriff „Open Source“ im allgemeinen Sprachgebrauch etabliert und soll daher im Folgenden ausschließlich verwendet werden. Die Definition gemäß der OSI umfasst in der Version 1.0 zehn Regeln (vgl. Perens 1999, S.176-180). Die erste und für einen kommerziellen Gebrauch aus ökonomischer Sichtweise fragliche Regel ist die freie Redistribution der Software. Der verfügbare Softwarecode ist demnach ein Informationsgut und somit als nicht-konkurrierendes Produkt zu verstehen. Er erlaubt damit eine beliebige Anzahl simultaner Nutzer (von Hippel/von Krogh 2003, S. 216). Bestimmende Merkmale von OSS sind im Unterschied zu proprietärer - also nicht quelloffener - Software die an die Software gekoppelten Lizenzbedingungen. Diese regulieren weitgehend die Verfügungsrechte des Nutzers über die Software und die freiwillige, nicht auf Arbeitsverträgen beruhende, Selbstorganisation der Entwicklungszusammenarbeit (vgl. Kooths et al. 2003, S. 32). Das Unternehmen kann die Software folglich nicht wie im traditionellen Innovationsmodell durch Patente schützen. Trotzdem entwickelt sich ein Trend zur Nutzung von Open Source als Geschäftsmodell in der Softwareindustrie und lässt Unternehmen sogar teilweise höhere Gewinne erzielen als mit proprietärer Software (vgl. Bonaccorsi et al. 2004, S. 1). Gründe dafür liegen in verschiedenen Kategorisierungen von OSS.
Weiterhin muss zwischen entgeltlicher und unentgeltlicher Weitergabe von OSS, wie auch bei proprietärer Software, differenziert werden. Einer der Hauptgründe für den Einsatz von OSS wie das Betriebssystem Linux sind vor allem die geringen Bereitstellungskosten (vgl. Marx 2001, S. 38). Damit können eigene Distributionen z.B. entgeltlich und somit gewinnbringend verkauft werden (vgl. Grassmuck 2004, S. 253). Distributoren sind kommerzielle Unternehmen, die eigene Hard- und Software auf einem Standard wie z.B. Linux aufbauen und mit jeweils eigenen Entwicklungen zum Ausbau einer Infrastruktur dieses Standards beitragen (vgl. Berlecon 2002, S. 19). Dennoch muss die Offenheit - also der freie Zugang zum Quellcode - auch nach einem kommerziellen Verkauf gewährleistet sein (vgl. Perens 1999, S. 177-180). Im Gegensatz dazu wird ein proprietärer Softwarecode in Form von nur maschinenlesbarem Binärcode einem Nutzer zur Verfügung gestellt (vgl. Berlecon 2002, S. 11). Dieser kann zwar ebenfalls sowohl entgeltlich als auch kostenfrei zur Verfügung gestellt werden, jedoch sind Modifikationen am Programm nicht möglich. Tabelle 1 zeigt eine Kategorisierung von Software in Abhängigkeit von der Quelloffenheit und der Weitergabe-Bedingung.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Kategorisierung von Software
(in Anlehnung an Berlecon 2002, S. 11)
Erst die permanente Quelloffenheit und die Erlaubnis, den Quellcode zu verändern sind entscheidende Voraussetzungen für die Entstehung von OSS. Ein Vergleich von OSS und proprietärer (sog. „closed“) Software zeigt vor allem folgende Erfolgstreiber des Phänomens Open Source (vgl. Tuomi 2005, S. 434):
1. Geringe Kosten durch Lizenzeinsparungen und verschwindend geringe Beschaffungskosten für die Anwender (Bonaccorsi et al. 2004, S. 6),
2. Qualitätssteigerung durch multiple bzw. häufige Verbesserungen durch die Einbindung vieler Teilnehmer in den Entwicklungsprozess und keine Zusatzkosten für weitere Entwickler (vgl. Udell 2004, S. 30),
3. Modifizierbarkeit und Anpassungsmöglichkeit an individuelle Bedürfnisse,
4. schnellere Integration innovativer Ideen und hilfreicher Funktionen, sowie
5. eine höhere Sicherheit und Stabilität hinsichtlich der Funktionen, verursacht durch die Vielzahl an Entwicklern (von Hippel 2005, S. 87).
2.2 Die Bedeutung von Lizenzen für die Vermarktung von OSS
Generell regulieren Lizenzen die Art der Verwendung, Distribution und Modifikation einer Software (vgl. Arne/Yates 2005, S. 2). Die im vorherigen Kapitel genannte Open Source Initiative listet momentan 58 anerkannte Varianten von Open Source Lizenzen (vgl. Open Source Licenses 2007). 89% aller Open Source Projekte, der von der amerikanischen Firma VA-Software betriebenen Plattform „Sourceforge“, werden einer Studie zufolge unter den Lizenzen GNU General Public License (GPL), Lesser General Public License (LGPL) und der Berkley Software Distribution (BSD) Lizenz veröffentlicht (Lerner/Tirole 2002b, S. 23). Daraus wird sichtbar, dass vor allem diese drei Varianten von hoher Bedeutung sind und deswegen hier im Bezug auf ihre Eigenschaften und Unterschiede bei kommerzieller Nutzung analysiert werden sollen. Die mit 72% häufigste und wichtigste Anwendung findet die GNU GPL (Arne/Yates 2005, S. 4; Lerner/Tirole 2002b, S. 23). Die zentrale Idee der GPL ist “… to give everyone permission to run the program, copy the program, modify the program, and distribute modified versions – but not permission to add restrictions of their own.“ (Stallmann 1999, S. 59; vgl. Grassmuck 2004, S. 225) Damit wird vor allem einer Privatisierung und Entkleidung ihrer Freiheiten vorgebeugt. Die GPL schützt das geistige Eigentum an freier Software und verlangt als Gegenleistung zur freien Nutzung eine permanent freie Zugänglichkeit zum Quellcode (vgl. Lerner/Tirole 2002a, S. 201). Diese Methode ist auch als „Copyleft“ bekannt und als Gegenspieler zum klassischen „Copyright“ geprägt worden (Stallmann 1999, S. 59). Das verschafft kommerziell orientierten Unternehmen jedoch eine gewisse Einschränkung in der Nutzung von OSS. Die GPL erlaubt nicht, den unter ihr veröffentlichten oder veränderten Quellcode mit proprietärer Software zu verknüpfen (vgl. Berlecon 2002, S. 16). Dieser Effekt verleiht OSS einen „virusartigen“ Charakter und wird zuweilen sogar als Bedrohung für eine Kommerzialisierung diskutiert (Wieland 2004, S. 116). Damit eignet sich die GPL nicht sehr gut für eine direkte Vermarktung von OSS. Bekannte GPL Projekte wie das Betriebssystem Linux belegen jedoch, dass auch hier Innovationspotentiale und damit Gewinne möglich sind (von Hippel 1988, S. 73). Das Problem der „Infektion“ modifizierter Software mit Quelloffenheit führt zur Entstehung der LGPL (Lesser General Public License). Diese erlaubt zwar ebenfalls freien Zugriff auf den Quellcode, bietet aber dennoch limitierte Möglichkeiten in der Anwendung zusammen mit proprietärer Software (McAllister/Rist 2005, S. 45). Der Unterschied zur GPL ist, dass Verknüpfungen zu proprietärer Software hier erlaubt sind (vgl. Berlecon 2002, S. 15). Dadurch wird gewährt, dass ein Unternehmen frei zugänglichen Open Source Code zwar zur Verwendung in eigener proprietärer Software implementieren darf, allerdings müssen diese Veränderungen wieder frei zugänglich gemacht werden.
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- Quote paper
- Christian Häfner (Author), 2007, Open Source Software und innovative Möglichkeiten zur Kommerzialisierung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/90613
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