„Nur die Sicherheits- und Verteidigungspolitik haben die Europäer dem eigentlichen Hauptstrang ihres Integrationsprozesses lange Zeit gänzlich vorenthalten und gleichwohl parallel dazu in anderen Organisationen enger Kooperation unterworfen.“
Dies hatte für Jahrzehnte zur Folge, dass die NATO mit ihrem Artikel 5 des Washingtoner Vertrages, unter Führung der USA, für die westeuropäischen Staaten die Sicherheit und Verteidigung gewährleistete. Zwar starteten die Vorgängerorganisationen der Europäischen Union (EGKS, EWG, EG) eigene Versuche, die sicherheits- und verteidigungspolitische Integration neben der wirtschaftlichen voranzutreiben, doch die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) scheiterte 1954 an der französischen Nationalversammlung. Als eine Art Trostpflaster wurde aber noch im gleichen Jahr die Westeuropäische Union (WEU) ins Leben gerufen, deren Ziel nicht nur der militärische Beistand, sondern auch die Integration Europas war. Hier lässt sich gut erkennen, dass das Ziel der europäischen Einigung immer einem doppelten Zweck diente. So wollte man einerseits durch wirtschaftliche und politische Integration Sicherheit voreinander schaffen und andererseits gegen Bedrohungen von außen Sicherheit miteinander gewährleisten. Auf die weitere Entwicklung der WEU und die Ambitionen der EU bei der Sicherheits- und Verteidigungspolitik werde ich in den nächsten Kapiteln genauer eingehen.
Inhaltsverzeichnis
I.) Einleitung und Problemstellung
II.) Die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP)
2.1) Entstehung der ESVP
2.1.1) Die Westeuropäische Union (WEU)
2.1.2) Vorlauf zur ESVP
2.1.3) Reaktion der USA auf St. Malo
2.1.4) Entstehung der ESVP
2.2) Aufbau der ESVP
2.3) Zielsetzung der ESVP
III) Die Handlungsmöglichkeiten der ESVP
3.1) Nichtmilitärische Instrumente der ESVP
3.2) Militärische Handlungsmöglichkeiten der ESVP
3.2.1) Das European Headline Goal und seine Weiterentwicklung
3.2.3) Möglichkeiten zur Verbesserung der militärischen Kapazitäten
3.3) Beteiligungsmöglichkeit der europäischen und anderen NATO-Staaten
3.3.1) Regelungen zu Drittstaaten und zum zivilen Krisenmanagement
3.2.2) Regelungen zur NATO: Berlin-plus Abkommen
IV.) Die Auswirkungen der ESVP
4.1) Bedeutet die ESVP das Ende der ESVI?
4.2) Bisherige EU-Einsätze im Rahmen der ESVP
4.3) Die Haltung der USA zur ESVP
V.) Bewertung und Ausblick
VI.) Literatur und Quellen
6.1) Literaturangaben
6.2) Internetquellen
I.) Einleitung und Problemstellung
„Nur die Sicherheits- und Verteidigungspolitik haben die Europäer dem eigentlichen Hauptstrang ihres Integrationsprozesses lange Zeit gänzlich vorenthalten und gleichwohl parallel dazu in anderen Organisationen enger Kooperation unterworfen.“[1]
Dies hatte für Jahrzehnte zur Folge, dass die NATO mit ihrem Artikel 5 des Washingtoner Vertrages, unter Führung der USA, für die westeuropäischen Staaten die Sicherheit und Verteidigung gewährleistete. Zwar starteten die Vorgängerorganisationen der Europäischen Union (EGKS, EWG, EG) eigene Versuche, die sicherheits- und verteidigungspolitische Integration neben der wirtschaftlichen voranzutreiben, doch die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) scheiterte 1954 an der französischen Nationalversammlung. Als eine Art Trostpflaster wurde aber noch im gleichen Jahr die Westeuropäische Union (WEU) ins Leben gerufen, deren Ziel nicht nur der militärische Beistand, sondern auch die Integration Europas war.[2] Hier lässt sich gut erkennen, dass das Ziel der europäischen Einigung immer einem doppelten Zweck diente. So wollte man einerseits durch wirtschaftliche und politische Integration Sicherheit voreinander schaffen und andererseits gegen Bedrohungen von außen Sicherheit miteinander gewährleisten.[3] Auf die weitere Entwicklung der WEU und die Ambitionen der EU bei der Sicherheits- und Verteidigungspolitik werde ich in den nächsten Kapiteln noch genauer eingehen.
Dieses quasi arbeitsteilige Verhältnis zwischen der NATO und den europäischen Staaten wurde mit dem Ende des Kalten Krieges und damit der Blockkonfrontation einem großen Wandel unterzogen. Neue Bedrohungen für die Sicherheit Europas und der gesamten Welt brachen auf und allen Beteiligten wurde bewusst, dass der status quo so nicht erhalten bleiben konnte. Über die Konsequenzen die diese gewaltigen Umwälzungen für die EU und die NATO haben würden, herrschte jedoch lange Zeit auf beiden Seiten des Atlantiks Unklarheit. In der NATO startete ab 1990 langsam die Transformation und Umgestaltung für die geänderte Sicherheitslage und die EU rang sich zum Ende des Jahrtausends durch, sich auch eine sicherheits- und verteidigungspolitische Dimension zu geben.
„Die Europäische Union und die sie tragenden Mitgliedstaaten haben erkannt, dass die wachsende Diskrepanz zwischen ihrer bedeutenden Rolle als internationaler Akteur in wirtschafts-, handels-, finanz- und entwicklungspolitischen Fragen überwunden werden muss, damit sie in Zukunft über die gesamte Bandbreite von Aufgaben der Konfliktprävention bis hin zum Krisenmanagement verfügen kann.“[4]
Über den Aufbau eben dieser Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) geht es in der folgenden Arbeit. Spezielles Augenmerk wird dabei auf das Verhältnis zwischen der ESVP der EU und der NATO/USA gerichtet. Denn in diesem (Spannungs-)Verhältnis stellt sich die Frage, ob die sich entwickelnde ESVP für die NATO, und damit auch für die wichtigen transatlantischen Beziehungen, eine Bedrohung und Konkurrenz darstellt, oder ob doch eine Arbeitsteilung/Ergänzung möglich ist.
Dafür wird in dieser Arbeit im nächsten Kapitel die Entstehung der ESVP nachgezeichnet und deren Aufbau sowie die Zielsetzung analysiert. Im dritten Abschnitt, dem Hauptteil, wird dann die Natur des Verhältnisses zwischen ESVP und NATO untersucht. Im darauf folgenden Kapitel wird dann Bilanz gezogen und auf die Haltung der USA zur ESVP eingegangen. Zum Schluss wird versucht, Szenarien für die Zukunft der Organisationen und ihrer Beziehung zueinander zu entwerfen. Allerdings beschränkt sich die Arbeit auf eben diese Aspekte, um den Rahmen nicht zu sprengen. Daher werden der (gescheiterte) Verfassungsvertrag und die darin enthaltenen Vorschläge zur ESVP außen vor gelassen.
Zur Arbeitsweise. Hauptsächlich wurden Bücher, Aufsätze und Zeitschriften aus den letzen sechs Jahren verwendet, daneben auch die offiziellen Internetseiten der EU, der WEU, der NATO und des Verteidigungsministeriums, der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) sowie des Institutes für Internationale Sicherheitsstudien (ISS).
II.) Die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP)
2.1) Entstehung der ESVP
2.1.1) Die Westeuropäische Union (WEU)
Wie schon zuvor angesprochen, konnten sich die westeuropäischen Staaten in der Nachkriegszeit nicht zur Integration im sicherheitspolitischen/militärischen Bereich durchringen. Allerdings wurde schon Anfang des Jahres 1948 durch Frankreich, Großbritannien und die Benelux-Länder mit dem so genannten `Brüsseler Vertrag´ die Westunion ins Leben gerufen. Auslöser war die Furcht vor einem wiedererstarkten und wiederbewaffneten Deutschland. Nach den unfruchtbaren Bemühungen um eine EVG, wurden dann noch im Jahr 1954 Deutschland und Italien eingeladen, einer durch das Pariser Protokoll modifizierten Union, nämlich der WEU, beizutreten. Artikel V[5] des geänderten Vertrags sieht, ähnlich wie der Nordatlantikvertrag, eine militärische Beistandspflicht vor, wobei die Betonung auf der Pflicht liegt.[6] Dieser militärische Beistand konnte aber von Beginn an nicht durch die Westunion allein gewährleistet werden:
„In December 1950, (…), the Brussels Treaty Powers decided to merge their military organisation into NATO, which had become the central element in the West European and North Atlantic security system.“[7]
Die WEU rückte in den folgenden Jahrzehnten wohl gerade deshalb in den politischen Hintergrund und wurde erst wieder ab Mitte der 1980er Jahre reaktiviert. Erste Operationen im Rahmen der WEU wurden 1987 im Persischen Golf unternommen. Das WEU-Engagement auf dem Balkan begann 1993 mit einer gemeinsamen Mission mit NATO-Truppen.[8]
2.1.2) Vorlauf zur ESVP
Mit Gründung der Europäischen Union (EU) durch den Vertrag von Maastricht (in Kraft seit November 1993) wurde auch festgeschrieben, dass diese Union Schritte zu einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) einleiten wolle. Am Ende dieser Entwicklung konnte laut Vertragstext auch eine gemeinsame Verteidigung stehen. Zunächst einmal, begnügte man sich jedoch damit, die bereits existierende WEU als Verteidigungskomponente der EU auszubauen. Dieser Prozess sollte jedoch keine negativen Auswirkungen auf die Rechte und Pflichten der bestehenden Sicherheits- und Verteidigungssysteme, wie der NATO, haben. Um bessere Kooperation und Transparenz zwischen beiden Organisationen zu gewährleisten, wurde durch den Maastrichter Vertrag der Sitz der WEU nach Brüssel verlegt, wo auch die NATO ansässig ist.[9]
Zur Klärung der operativen Rolle der WEU wurde am 19.06.1992 durch den Ministerrat der WEU die Petersberg Erklärung abgegeben, welche auch die so genannten Petersberg Aufgaben (humanitäre Aufgaben und Rettungseinsätze, friedenserhaltende Aufgaben und Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung = Friedensschaffung) beinhaltet.[10]
Der Vertrag von Amsterdam (in Kraft seit 1.05.1999) war der nächste wichtige Schritt hin zu einer gemeinsamen Verteidigung, da beschlossen wurde, dass die WEU fortan integraler Bestandteil der EU sei und ihre operative Kapazitäten, gerade im Bereich der eben angesprochenen Aufgaben, der EU zur Verfügung stellen solle (Art. 17 Abs. 2). Die EU blieb somit aber weiter von der Handlungsfähigkeit der WEU abhängig. Daher wurde auch festgehalten, dass die NATO dennoch weiter die Grundlage für die kollektive Verteidigung Europas darstellt und sich die WEU daher verstärkt um Zusammenarbeit mit ihr bemühen solle. Auch, um im Ernstfall auf Mittel und Kapazitäten der Allianz zurückgreifen zu können.[11]
Der britisch-französische Gipfel von St. Malo (3.-4.12.1998) gilt als „start of the European defence project”.[12] Dort gab nämlich der britische Premierminister Tony Blair den bislang von Großbritannien gepflegten Widerstand gegen eine militärische Dimension der EU auf.[13] Vereinbart wurde, dass „the Union must have the capacity for autonomous action, backed up by credible military forces, (…), in order to respond to international crises“.[14] Dieser radikale Kurswechsel setzte eine Reihe weiterer Entwicklungen in Gang, wobei erst die negativen Erfahrungen des Kosovo-Konflikts endgültig den Prozess hin zur ESVP ins Rollen brachten.
„Unter dem wiederholten Eindruck der militärischen Schwäche – und der Ungewissheit hinsichtlich einer künftigen amerikanischen Interventionswilligkeit (...) – hat sich deswegen bei allen EU-Mitgliedstaaten letztendlich der Wunsch verstärkt, die GASP durch ein verteidigungspolitisches Fundament definitiv abzustützen (...).“[15]
Auch endete der Balkankonflikt für alle Beteiligten mit der Erkenntnis, dass die militärischen Kapazitäten und Fähigkeiten der Europäer weit hinter denen der USA zurückstehen, was wiederum die Handlungsfähigkeit der EU beschränkte.[16] Zudem wird seit 1990 auf beiden Seiten des Atlantiks eine mehr oder weniger versteckte Kosten-Nutzen-Analyse des transatlantischen Verhältnisses durchgeführt. So wurde zum Beispiel auf Seiten der USA ein gewisses „free-riding“ der Europäer beklagt (niedrige Verteidigungsausgaben, etc).[17] Diese wiederum wollten den Vorwurf so nicht auf sich sitzen lassen. „Im Nachgang des Kosovo-Krieges prescht Europa mit ungeahnter Zielstrebigkeit und kollektivem Willen bei der Verteidigungsfront vorwärts.“[18]
2.1.3) Reaktion der USA auf St. Malo
Eben dieses Vorpreschen der Europäer bereitete den USA dann doch fast schon wieder ein wenig Unbehagen. Zwar befürworteten sie prinzipiell ein verstärktes europäisches Engagement im Verteidigungssektor, schon allein, um Kosten und Kräfte durch eine angemessenere Lastenteilung einzusparen. Aber die „kühnen“ Pläne der EU waren den USA zunächst nicht geheuer. „Die amerikanische Regierung [Clinton, P.D.] befürchtete von einer gemeinsamen europäischen Verteidigungspolitik unnötige Doppelarbeit, Abkopplung und Diskriminierung.“[19] Diese Befürchtungen drückte die damalige US-Außenministerin Madeleine Albright im Dezember 1998 in der „Financial Times“ aus. Doch zunächst lobt sie die Initiative von St. Malo, die wenige Tage zuvor gestartet war. „… [W]e welcome the call from Tony Blair (…) for Europeans to consider ways they can take more responsibility for their own security and defence.”[20] Damit stellte die Außenministerin klar, dass die USA den Entwicklungen in Europa nicht gänzlich abgeneigt sind, solange eben die folgenden drei Bedingungen gesichert sind. Zum einen darf es nicht zu einer Entkopplung mit der NATO kommen, die als Fundament der transatlantischen Sicherheit gesehen wird. Zweitens weist sie darauf hin, dass die Verteidigungsressourcen zu knapp sind, um Duplizierungen in Kauf zu nehmen. Zu guter Letzt warnt Frau Albright die Europäer vor einer möglichen Diskriminierung der außereuropäischen Staaten.[21] (= three D’s) D.h. eine Art Gegenpolbildung zu aber auch innerhalb der NATO durch die EU wurde prinzipiell von Seiten der USA befürchtet und von Frankreich genährt.[22] Und noch eine weitere wichtige Frage trieb die USA um: „Werden die europäischen Partnerstaaten am Ende dieser Entwicklung mehr oder weniger fähig und entschlossen sein, als sie es jetzt [1999 P.D.] sind?“[23]
2.1.4) Entstehung der ESVP
Die vertragliche Grundlage der ESVP ist bereits in Artikel 17 des Vertrags von Amsterdam festgelegt, da die ESVP integraler Bestandteil der GASP der EU ist und damit zur zweiten Säule der EU gehört.[24] Erste konkrete Schritte für die ESVP wurden dann aber erst auf dem Kölner Gipfel Anfang Juni 1999 beschlossen, wo eine „Erklärung zur Stärkung der Gemeinsamen Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik“ angenommen wurde.[25] Zunächst sollte demnach die Union ihre Mittel und Fähigkeiten im Sicherheits- und Verteidigungsbereich verbessern, um die Möglichkeit zu haben, (militärisch) autonom auf internationalem Parkett zu agieren. Als längerfristiges Ziel wurde auch die Durchführung aller Petersberg Aufgaben, also auch von intensiven Kampfeinsätzen, genannt. Zu Komplikationen gleich welcher Art mit der NATO sollte es dabei, wie schon bei der WEU, nicht kommen, weshalb auf ein Abkommen zwischen den beiden Organisationen gedrungen wurde.[26] Auf das endgültige Berlin-plus Abkommen sowie den steinigen Weg dorthin, komme ich dann im 3. Kapitel noch genauer zu sprechen. Auch wurde in Köln die Übernahme der Funktionen der WEU durch die EU bis zum Jahr 2000 als wünschenswert bezeichnet.[27]
Die Anregungen, die in Köln für die Entwicklung der ESVP gegeben wurden, griff die EU noch im Dezember selben Jahres auf dem Gipfel in Helsinki auf.
„The European Council underlines the determination to develop an autonomous capacity to take decisions and, where NATO as a whole is not engaged, to launch and conduct EU-led military operations in response to international crises.“[28]
Des Weiteren wurde das „Headline Goal“ beschlossen, welches unter anderem die Schaffung einer europäischen „Eingreiftruppe“ vorsieht. Die Bestimmungen und Entwicklungen dieses Headline Goals sowie der Eingreiftruppe werden im nächsten Kapitel näher zu beleuchten sein. Auch die Notwendigkeit zur Schaffung neuer politischer Institutionen sowie der Verbesserung der zivilen Krisenmanagementinstrumente wurden in Köln festgehalten.[29]
Ein halbes Jahr später auf dem Gipfel in Santa Maria da Feira (Portugal) wurden hauptsächlich Beschlüsse zu den zivilen Krisenmanagementinstrumenten der Union gefasst und ein Ziel für zivile Polizeikapazitäten verabschiedet.[30] Dazu mehr im dritten Kapitel.
Im Dezember 2000 auf dem Gipfel in Nizza kam es dann zum Beschluss zur Eingliederung der Krisenmanagementfunktion der WEU in die EU und damit zur faktischen Auflösung der WEU. Zu einer Übernahme der Beistandsverpflichtung nach Art. V des Brüsseler Vertrages konnte man sich nicht entschließen, da in der EU auch bündnisfreie/neutrale Staaten Mitglied sind.[31]
Auf dem WEU-Ministerrat in Marseille im November 2000 befasste man sich mit der neuen Situation, dass die WEU weiterhin formell für die Beistandsverpflichtung nach Art. V ihrer Mitglieder zuständig ist, die im Ernstfall jedoch durch die NATO garantiert werden würde.[32] Damit wurde das Kapitel WEU so gut wie abgeschlossen.
„ [T]he EU understands itself now as a security community with a common (though not single!) foreign, security, and defence policy. “[33]
2.2) Aufbau der ESVP
Die ESVP ist intergouvernemental und nicht supranational konzipiert, d.h. „the commitment of national assets by Member States to such [EU-led] operations will be based on their sovereign decision. “[34] Denn die Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist ein sehr sensibles Feld, bei dem die Souveränitätsvorbehalte der Mitgliedstaaten wohl nur sehr schwer – wenn überhaupt – auszuräumen sind. So sind Beschlussfassungen bei der ESVP nur einstimmig möglich, wobei eine Enthaltung nicht als Nein gewertet wird (konstruktive Enthaltung).[35]
Das große Potential der ESVP der EU liegt dennoch darin, dass sich in ihr zivile/diplomatische/wirtschaftliche und militärische Instrumente und Mittel zu vereinen beginnen.
Wie bereits zuvor angesprochen, wurde in Helsinki darum die Schaffung neuer Institutionen für die ESVP beschlossen, die nähere Bestimmung ihrer Aufgaben erfolgte durch den Gipfel in Nizza. Zu den neuen Institutionen seit Februar 2003 gehört unter anderem das Politische und Sicherheitspolitische Komitee (PSK). Es ist besetzt mit hohen nationalen Repräsentanten der Mitgliedstaaten und hat seinen Sitz in Brüssel. Das PSK soll „Motor“ der ESVP sein und beschäftigt sich daher mit allen Fragen zur GASP und ESVP. So erteilt das PSK dem Militärausschuss Leitlinien für dessen Arbeit. Im Falle einer EU-Operation trägt das PSK, im Auftrag des Rates, die politische Kontrolle sowie die strategische Ausrichtung und zwar eigenständig (für eine gewisse Dauer), um schnelles Handeln zu gewährleisten. Zudem fungiert das Komitee als Ansprechpartner für die NATO und Dritte.[36] Der Militärausschuss setzt sich aus den 25 (bald 27) Generalstabschefs zusammen, aus deren Reihen wird ein Vorsitzender gewählt, der an Sitzungen des Rates teilnehmen kann. Die Aufgabe des Ausschusses ist die militärische Beratung sowie die Abgabe von Empfehlungen an das PSK (gemäß dessen Vorgabe). Dem Militärstab gegenüber ist der Ausschuss übergeordnet und setzt dessen Leitlinien fest. Im Krisenfall wird die Durchführung der Operation überwacht, bindende Entscheidungen können jedoch nicht getroffen werden.[37] Der Militärstab wir durch Militärsachverständige besetzt und ist dem Hohen Vertreter unterstellt. Seine Aufgabe ist die Bereitstellung militärischer Expertisen (Lagebeurteilung, usw.) und die Unterstützung der ESVP im Allgemeinen, aber auch die konkrete Planung der Durchführung von EU-geführten Missionen. Der Stab ist aber auch Bindeglied zwischen der EU und den nationalen Streitkräftekontingenten. Entscheidungsbefugnisse stehen dem Militärstab aber auch nicht zu.[38] Im Mai 2000 wurde noch der Ausschuss für die nichtmilitärische Krisenbewältigung eingerichtet. Dieser setzt sich aus nationalen Vertretern sowie Mitgliedern der Kommission zusammen und arbeitet als Arbeitsgruppe des Rates. Der Ausschuss erarbeitet Empfehlungen, Stellungnahmen und bietet Informationen zur zivilen Krisenbewältigung.[39] Zusammen sollen diese Gremien „die gesamte Einleitung und Durchführung europäischer Krisenbewältigungsoperationen im Rahmen der Petersberg Aufgaben durch die Union gewährleisten“.[40] Dies muss als wichtiger Schritt hin zu einer Sicherheits- und Verteidigungspolitik gesehen werden, da militärische Expertisen in den Entscheidungsprozess miteinbezogen werden.[41] Dennoch haben die militärischen Gremien keine direkte Einflussmöglichkeit auf die Entscheidungsfindung.
[...]
[1] Kielmansegg, Sebastian Graf von: Die Verteidigungspolitik der Europäischen Union; S. 48.
[2] Vgl. Witulski, Alexander: Ist die Europäische Union auf dem Weg zu einer Verteidigungsunion? S. 155.
[3] Vgl. Varwick, Johannes: European Union and NATO, Partnership, Competition or Rivalry?; S. 5.
[4] Varwick, Johannes: Sicherheit und Integration in Europa – Eine vernachlässigte Beziehung; S. 94-104; in: Meier-Walser, Reinhard C. (Hg.): Europa und die USA; S. 97.
[5] „If any of the High Contracting Parties should bet he object of an armed attack in Europe, the other High Contracting Parties will, in accordance with the provisions of Art. 51 of the Charter of the United Nations, afford the Party so attacked all military and other aid and assistance in their power.” Art. V Brussels Treaty; {www.weu.int}
[6] Vgl. Witulski, A.: Ist die EU auf dem Weg zu einer Verteidigungsunion? S. 154-156.
[7] Westeuropäische Union {www.weu.int}
[8] Vgl. WEU {www.weu.int}
[9] Vgl. Erklärung zur WEU {http://eur-lex.europa.eu/de/treaties/dat/11992M/htm/11992M.html#0104000047}
[10] Vgl. Tagung des Ministerrats der WEU {www.glasnost.de/militaer/weu/92weubonn.html#Petersberg}
[11] Vgl. Erklärung zur WEU {http://eur-lex.europa.eu/de/treaties/dat11997D/htm/11997D.html#0125020019}
[12] British-French summit St-Malo {www.iss-eu.org/chaillot/chai47e.pdf}
[13] Vgl. Whitman, Richard: NATO, the EU and ESDP; S. 430-451; in: Contemporary Security 25/3 ‘04; S. 435.
[14] British-French summit St-Malo {www.iss-eu.org/chaillot/chai47e.pdf}
[15] Witulski, A.: Ist die EU auf dem Weg zu einer Verteidigungsunion?; S. 252.
[16] Vgl. Varwick, J.: European Union and NATO; S. 6.
[17] Vgl. Campbell, Edwina S.: Nach dem Kosovokrieg: amerikanische Macht und europäische Verteidigungspolitik am Scheideweg; S. 205-221; in: Meier-Walser, R. : Europa und die USA; S. 206.
[18] Kupchan, Charles A.: Amerika und die Verteidigung Europas: Die Notwendigkeit einer erneuerten atlantischen Bündnisses; S. 319-338; in: Meier-Walser, R.: Europa und die USA; S. S. 319.
[19] Campbell, E.: Nach dem Kosovokrieg; S. 211.
[20] Albright, Madeleine K.: The Right Balance Will Secure NATO’s Future; FT 7.12.1998; S. 22.
[21] Vgl. Albright, M.: The Right Balance.
[22] Vgl. Masala, Carlo: Von der hegemonialen zur balancierten Allianz; S. 359-363; in: Meier-Walser, R.: Europa und die USA; S. 359.
[23] Campbell, E.: Nach dem Kosovokrieg; S. 212.
[24] Vgl. Die Bundesregierung: Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik; Mai 2004; S. 9. und Gramsch, Corinna.: Europa auf dem Weg zu einer gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik; S. 25.
[25] Vgl. Die Bundesregierung: Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik; Mai 2004; S. 10. und European Council Cologne {www.iss-eu.org/chaillot/chai47e.pdf}
[26] Vgl. European Council Cologne {www.iss-eu.org/chaillot/chai47e.pdf}
[27] Vgl. European Council Cologne {www.iss-eu.org/chaillot/chai47e.pdf}
[28] European Council Helsinki {www.iss-eu.org/chaillot/chai47e.pdf}
[29] Vgl. European Council Helsinki {www.iss-eu.org/chaillot/chai47e.pdf}
[30] Vgl. European Council Santa Maria da Feira {www.iss-eu.org/chaillot/chai47e.pdf}
[31] Vgl. European Council Nice {www.iss-eu.org/chaillot/chai47e.pdf}
[32] Vgl. Gramsch, C.: Europa; S. 27.
[33] Varwick, J.: European Union and NATO; S. 6.
[34] European Council Helsinki {www.iss-eu.org/chaillot/chai47e.pdf} und Rummel, Reinhardt: Die ESVP als Instrument autonomen Handelns der EU; S. 165-183; in: Reiter, E. et al. (Hg): Europas ferne Streitmacht; S. 174.
[35] Vgl. Gramsch, C.: Europa; S. 87f.
[36] Vgl. Gramsch, C.: Europa; S. 54-57. und European Council Nice {www.iss-eu.org/chaillot/chai47e.pdf}
[37] Vgl. Gramsch, C.: Europa; S. 57-59. und European Council Nice {www.iss-eu.org/chaillot/chai47e.pdf}
[38] Vgl. Gramsch, C.: Europa; S. 59-61. und European Council Nice {www.iss-eu.org/chaillot/chai47e.pdf}
[39] Vgl. Gramsch, C.: Europa; S. 61.
[40] Gramsch, C.: Europa; S. 53.
[41] Vgl. Varwick, J.: European Union and NATO; S. 7.
- Quote paper
- Petra Dutt (Author), 2006, Die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP), Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/90510
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