Aus Sicht Europas, speziell Deutschlands, werden die Ostseeanrainerstaaten Estland, Lettland und Litauen im Sprachgebrauch schon länger als eine Art Gruppe zusammengefasst, nämlich die Baltischen Staaten. Doch dieser Begriff wurde von oder in den betroffenen Staaten nicht selbst gewählt oder entwickelt, sondern ihnen von außen (Deutschland) gegeben. Daher sehen sie sich selbst auch nicht unbedingt als Gemeinschaft, was schon allein durch die verschieden Sprachgruppen und Kulturen erklärbar ist, d.h. es fehlt ihnen eine regionale Identität. Gerade nach Erlangung der eigenen Unabhängigkeit konnte man immer wieder erkennen, dass diese drei Staaten untereinander zwar kooperierten, den eigenen Vorteil aber immer vorn anstellten. So bewarben sich die drei baltischen Staaten nicht etwa im Block für den EU-Beitritt, sondern Estland machte mit seiner Bewerbung den Anfang, die anderen folgten kurz darauf. Im militärischen und sicherheitspolitischen Bereich dagegen verlief die Zusammenarbeit und Kooperation bei weitem besser als in anderen Bereichen. So wurde bereits Mitte der 1990er Jahre der Beschluss gefasst, sich auf militärischer Ebene zusammenzuschließen, um besser auf den angestrebten NATO-Beitritt vorbereitet zu sein. Hilfe erhielten die baltischen Staaten hierbei von Deutschland und den nordischen Ländern.
Mit dieser Arbeit möchte ich nun der Frage nachgehen, ob die Sicherheitsstrategien Estlands und Litauens sich weitestgehend gleichen, da sie in einer Region beheimatet sind und in ähnlicher Weise die Unabhängigkeit erlangten und man folglich von einer „baltischen Sicherheit“ sprechen kann, oder ob doch größere Unterschiede zu Tage treten.
„Trotz des gemeinsamen geschichtlichen Schicksals und der vergleichbaren politischen Ausgangslage nach 1990 ist die Individualität der baltischen Staaten in ethnischer, sprachlicher, religiöser, kultureller und sozialökonomischer Hinsicht deutlich ausgeprägt. (Somit unterscheiden sich auch einzelne innenpolitische Entwicklungslinien des Transformationsprozesses und die konkreten Ausprägungen der politischen Kulturen.)“
Besonders wird auch darauf eingegangen werden, welche Rolle die euro-atlantischen Sicherheitsstrukturen, speziell natürlich die NATO, für diese beiden Staaten gespielt haben und auch weiter spielen werden.
Inhaltsverzeichnis
1 Problemstellung
2 Die Sicherheitsstrategien Estlands und Litauens – Eine Gegenüberstellung
2.1 Erstellung von Vergleichskategorien
2.2 Gegenüberstellung anhand geeigneter Vergleichkategorien
2.2.1 Grundannahmen und Ziele der Strategien Estlands und Litauens
2.2.2 Bedrohungsperzeption
2.2.3 Mittel zur Gefahrenbekämpfung (v. a. NATO)
2.2.4 Rolle Kooperation/Multilateralismus (Minenräumen in Ostsee; GUS)
3 Unterschiede der Sicherheitsstrategien
3.1 Bei Bedrohungsperzeption
3.2 Bei Mittel zur Gefahrenbekämpfung
3.3 Bei Rolle Kooperation/Multilateralismus (Belarus bei Litauen)
4 Bewertung und Ausblick
5 Literaturverzeichnis
1 Problemstellung
Aus Sicht Europas, speziell Deutschlands, werden die Ostseeanrainerstaaten Estland, Lettland und Litauen im Sprachgebrauch schon länger als eine Art Gruppe zusammengefasst, nämlich die Baltischen Staaten. Doch dieser Begriff wurde von oder in den betroffenen Staaten nicht selbst gewählt oder entwickelt, sondern ihnen von außen (Deutschland) gegeben. Daher sehen sie sich selbst auch nicht unbedingt als Gemeinschaft, was schon allein durch die verschieden Sprachgruppen und Kulturen erklärbar ist, d.h. es fehlt ihnen eine regionale Identität. Gerade nach Erlangung der eigenen Unabhängigkeit konnte man immer wieder erkennen, dass diese drei Staaten untereinander zwar kooperierten, den eigenen Vorteil aber immer vorn anstellten[1] So bewarben sich die drei baltischen Staaten nicht etwa im Block für den EU-Beitritt, sondern Estland machte mit seiner Bewerbung den Anfang, die anderen folgten kurz darauf[2]. Im militärischen und sicherheitspolitischen Bereich dagegen verlief die Zusammenarbeit und Kooperation bei weitem besser als in anderen Bereichen. So wurde bereits Mitte der 1990er Jahre der Beschluss gefasst, sich auf militärischer Ebene zusammenzuschließen, um besser auf den angestrebten NATO-Beitritt vorbereitet zu sein. Hilfe erhielten die baltischen Staaten hierbei von Deutschland und den nordischen Ländern[3]. Die Ergebnisse dieser Kooperation werden im nächsten Kapitel zu erläutern sein.
Mit dieser Arbeit möchte ich nun der Frage nachgehen, ob die Sicherheitsstrategien Estlands und Litauens sich weitestgehend gleichen, da sie in einer Region beheimatet sind und in ähnlicher Weise die Unabhängigkeit erlangten und man folglich von einer „baltischen Sicherheit“ sprechen kann, oder ob doch größere Unterschiede zu Tage treten.
„Trotz des gemeinsamen geschichtlichen Schicksals und der vergleichbaren politischen Ausgangslage nach 1990 ist die Individualität der baltischen Staaten in ethnischer, sprachlicher, religiöser, kultureller und sozialökonomischer Hinsicht deutlich ausgeprägt. (Somit unterscheiden sich auch einzelne innenpolitische Entwicklungslinien des Transformationsprozesses und die konkreten Ausprägungen der politischen Kulturen.)“[4]
Besonders wird auch darauf eingegangen werden, welche Rolle die euro-atlantischen Sicherheitsstrukturen, speziell natürlich die NATO, für diese beiden Staaten gespielt haben und auch weiter spielen werden.
Zur Vorgehensweise dieser Arbeit. Zunächst werden im nächsten Kapitel geeignete Vergleichskategorien erstellt, anhand derer dann die Sicherheitsstrategien Estlands und Litauens gegenübergestellt werden (Thematik, Aufbau, etc). Daraufhin wird versucht, jene Unterschiede, die auftreten, an den gleichen Kategorien herauszuarbeiten und zu erklären. Zum Schluss folgt eine Bewertung der Arbeit sowie ein Ausblick auf die weitere baltische und internationale (militärische) Kooperation, sowie Integration in die NATO.
Grundlage der Arbeit sind hauptsächlich das `National Security Concept of the Republic of Estonia´ (NSC) aus dem Jahr 2004 und die `National Security Strategy of the Republic of Lithuania´ (NSS), 2005 verabschiedet[5], aber auch die jeweiligen aktuellen Militärstrategien. Außerdem Bücher und Zeitschriftenartikel (Baltic Security & Defence Review, Europäische Sicherheit), die sich vorrangig mit der Sicherheit und der Kooperation im baltischen Raum beschäftigen (Dzintra Bungs, etc).
2 Die Sicherheitsstrategien Estlands und Litauens – Eine Gegenüberstellung
2.1 Erstellung von Vergleichskategorien
Um die Sicherheitsstrategien der beiden baltischen Länder Estland und Litauen wissenschaftlich gegenüberstellen zu können, müssen angemessene Vergleichkategorien, die sich nach Möglichkeit am Aufbau der Sicherheitsstrategien orientieren, aufgestellt werden, anhand derer ein Vergleich möglich ist. Da es aber in beiden Sicherheitsstrategien zu Überschneidungen bezüglich der Vergleichskategorien kommt, habe ich die Reihenfolge nach der Logik gewählt.
Zuerst werden die Grundannahmen und Ziele der beiden Strategien zu untersuchen sein. Darauf baut sich dann die den Strategien zugrunde liegende Bedrohungsperzeption Estlands und Litauens auf. Je nach Bedrohungsperzeption müssen die Sicherheitsstrategien dann Mittel zur Gefahrenbekämpfung und –Prävention finden/darlegen. Welche Rolle dabei das multilaterale Handeln, gerade innerhalb der NATO, sowie die internationale Kooperation einnehmen, wird in der vierten Kategorie zu ermitteln sein.
2.2 Gegenüberstellung anhand geeigneter Vergleichkategorien
2.2.1 Grundannahmen und Ziele der Strategien Estlands und Litauens
Sowohl bei Estland als auch bei Litauen stehen die Bewahrung der erst vor fünfzehn Jahren wieder errungenen nationalen Souveränität, Unabhängigkeit und die Sicherung der territorialen Integrität im Vordergrund.
„The goal of the Estonian National Security Policy is to preserve Estonia’s independence and sovereignty, territorial integrity, constitutional order, and public safety.“[6]
“The Republic of Lithuania perceives its security as preserving its sovereignty and territorial integrity, internal security and order, [and] democratic foundations (…).”[7]
Prinzipien also, die der Theorie des (Neo-)Realismus entstammen, was auch bei noch folgenden Abschnitten zu beobachten sein wird. Die enorme Wichtigkeit dieser Punkte für alle drei baltischen Staaten erklärt sich aus ihrer jeweiligen Geschichte, die in den vergangenen Jahrhunderten größtenteils durch Fremdherrschaft bestimmt war (v. a. durch Deutschland und Russland).
„[V]iewed from the historical perspective, the Baltic Sea region has experienced a turbulent history where major European powers – Russia, Germany and others – have regularly tried to exercise strategic and ideological influence. (…) The smaller countries have suffered disproportionately through repeated occupation and oppression by their larger neighbours.“[8]
In der Zwischenkriegsphase (1918-1940) gab es eine vergleichsweise kurze Zeit der nationalen Souveränität und Demokratie im Baltikum, die heutzutage als die „goldene Zeit“ angesehen wird. Aus diesen doch ambivalenten Erfahrungen heraus ergibt sich für diese Staaten folgende (militärisch/traditionelle) Definition von Sicherheit: Das fortdauernde Überleben des Staates und der politischen (demokratischen) Institutionen[9].
Dennoch enthält die „baltische Sicherheitsgleichung“ inzwischen auch noch eine zweite Variable, nämlich die Integration, sowohl politisch als auch ökonomisch und sozial[10] (`erweiterter Sicherheitsbegriff´). Auf eben diese werde ich in den kommenden Punkten aber noch zu sprechen kommen.
Nichts desto trotz werden der NATO- aber auch der EU-Beitritt der drei baltischen Länder als die wichtigsten außen- und sicherheitspolitischen Ziele gesehen, die sich ja nun im Jahr 2004 für alle erfüllt haben[11]. Mit der vollwertigen Mitgliedschaft in NATO und EU ist für Estland, Lettland und Litauen jetzt auch symbolisch die Nachkriegszeit beendet und die Transformation hin zur Demokratie vollzogen[12]. „The security policy of the Republic of Lithuania is based on the assumption that our country will never again be left alone to face a potential threat.“[13]
2.2.2 Bedrohungsperzeption
Seit Ende des Kalten Krieges hat sich die Gefahrenlage in der ganzen Welt dramatisch verändert. Heutzutage ist nämlich eine direkte militärische Gefahr für, bzw. ein Krieg in Europa und Nordamerika im Großen und Ganzen auszuschließen. Diesen allgemeinen Trend erkennen auch die Sicherheitsstrategien Estlands und Litauens an.
“Threats requiring the response of Estonia’s defence institutions have become much more diverse in the last decade.”[14]
„The increased probability that new many-faceted and often unforeseeable threats will crop up presents the ensuring of security with new challenges. The most serious threats to Estonia’s security are possible instability and uncontrollable developments in the world, as well as international crises.”[15]
Ausgehend davon, dass die beiden Länder auch niemanden als Feind identifizieren, sollen ihre Papiere folglich gegen niemanden gerichtet sein und Transparenz in die Sicherheitsplanung der Länder bringen und somit Vertrauen schaffen[16].
Da im 21. Jahrhundert militärische Gefahren im NATO- und EU-Gebiet weitestgehend auszuschließen sind, richtet sich die Aufmerksamkeit Estlands und Litauens vornehmlich auf nicht-militärische und so genannte asymmetrische Gefahren. Diese generieren sich hauptsächlich aus der voranschreitenden Globalisierung und zunehmenden Interdependenz auf allen Gebieten der Politik und des Lebens. Daher erkennen beide Sicherheitsstrategien an, dass Estland und auch Litauen besonders von Ereignissen außerhalb, speziell im NATO/EU-Gebiet, abhängig sind[17].
[...]
[1] Vgl. Föhrenbach, Gerd: Die Sicherheit der baltischen Staaten; in: Europ. Sicherheit 1/02. und Vesa, Ute: Security Community in the Baltic Sea Region?
[2] Vgl. Kohl, Heribert/Platzer, Hans-Wolfgang: Arbeitsbeziehungen in den baltischen Staaten zwischen Transformation und EU-Beitritt; Friedrich Ebert Stiftung 2002; S. 25.
[3] Vgl. Stockfisch, Dieter: PfP, Maritime Erfahrung in der Ostsee; in: Europ. Sicherheit 2/99.
[4] Kohl, H./Platzer, H-W.: Arbeitsbeziehungen in den baltischen Staaten. 101; S. 24.
[5] National Security Strategy (NSC) of the Republic of Estonia (2004): {http://web-static.vm.ee/static/failed/067/National_Security_Concept_2004.pdf}; National Security Strategy (NSS) of the Republic of Lithuania (2005): {http://www.kam.lt/EasyAdmin/sys/files/national_security_strategy.doc}
[6] NSC Estonia; S. 3.
[7] NSS Lithuania; S. 1. siehe auch: Stadsholt, André: Das strategische Konzept der Baltischen Staaten.
[8] Bajarûnas, Eitvydas: Baltic Security Co-operation: a Way Ahead; in: BaltSec&DefRev, No. 3; Vol. 2000; S. 43.
[9] Möller, Frank: (Keine) Rückkehr nach Europa? BIAB-Bericht Nr. 12. und Föhrenbach, Gerd: Die Sicherheit der baltischen Staaten; Europäische Sicherheit 1/02.
[10] Siedschlag, Alexander: Regionale Sicherheit im Ostseeraum; Reader SiPo.
[11] Vgl. National Defence Development Priorities 2004 of Estonia.
[12] Vgl. Siedschlag, Alexander: Sicherheit im Ostseeraum; Reader SiPo; S. 66.
[13] NSS Lithuania; S. 7.
[14] National Military Strategy of Estonia; 2005; S. 2.
[15] NSC Estonia; S. 5f.
[16] Vgl. NSC Estonia; S. 3. Und NSS Lithuania; S. 2.
[17] Vgl. NSC Estonia; S. 5-8. und NSS Lithuania; S. 3f.
- Arbeit zitieren
- Petra Dutt (Autor:in), 2006, Die Sicherheitsstrategien der Baltischen Staaten - Eine Gegenüberstellung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/90501
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