Max Beckmann, der Prototyp des deutschen Künstlers. Er gilt als einer der größten Maler der Moderne, welcher eine besondere Stellung innerhalb der Kunstwelt einnimmt. In der folgenden Arbeit soll sein Schaffen mit einem besonderen Augenmerk auf seiner Zeit im Exil beleuchtet werden. Dabei werde ich auf sein Exil in Amsterdam eingehen, wo er 10 Jahre verbrachte und welche als eine seiner produktivsten Perioden gilt. Um nicht vom Thema abzuschweifen, sollen Max Beckmanns letzte Jahre in Amerika, von 1947 bis 1950, den Schwerpunkt darstellen. Diese gelten als sein Oeuvre. Seine Amerikaperiode gilt nicht nur für den Künstler als Höhepunkt, sondern spielt auch für seine internationale Bekanntheit eine große Rolle.
Dabei steht die Frage, inwieweit der Zweite Weltkrieg sein künstlerisches Schaffen beeinflusst hat, im Mittelpunkt. Darüber hinaus werde ich auf künstlerische Neuerungen und Veränderungen in seinem Stil eingehen. Um diese Frage zu klären, werde ich auf seine frühen Schaffensjahre eingehen, wie seine Zeit in Berlin und während des ersten Weltkrieges. Anhand ausgewählter Beispiele soll dann seine Amsterdamer Periode beleuchtet werden, bevor ich auf seine Zeit in Amerika eingehen werde. Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit sollen Max Beckmanns Triptychen bilden, welche ihn über seine ganze Karriere hinweg begleiten. Weniger Augenmerk lege ich auf seine Stillleben und Aquarelle, oder seinen Skizzen und Landschaftsbildern. Schlussendlich werde ich die genannten Punkte in einer Konklusion resümieren.
Inhalt
1. Einleitung
2. Max Beckmanns Schaffensperioden
2.1. Frühe Phase – Weimar, Paris und Berlin
2.2 Das erste Triptychon
2.3. Machtübernahme der Nationalsozialisten
3. Exil in Amsterdam
4. Übersiedlung nach Amerika
4.1. Oeuvre in Amerika
4.2. Amerikanische Triptychen
5. Fazit
6. Bibliografie
7. Bildanhang
8. Bildnachweis
1. Einleitung
Max Beckmann, der Prototyp des deutschen Künstlers. Hat er sich eine Aufgabe gesetzt, nimmt er sie mehr als ernst und dabei ist er sich meist selbst der größte Gegner. Er gilt als einer der größten Maler der Moderne, welcher eine besondere Stellung innerhalb der Kunstwelt einnimmt.
In der folgenden Arbeit soll sein Schaffen mit einem besonderen Augenmerk auf seiner Zeit im Exil beleuchtet werden. Dabei werde ich auf sein Exil in Amsterdam eingehen, wo er 10 Jahre verbrachte und welche als eine seiner produktivsten Perioden gilt. Um nicht vom Thema abzuschweifen, sollen Max Beckmanns letzte Jahre in Amerika, von 1947 bis 1950, den Schwerpunkt darstellen. Diese gelten als sein Oeuvre. Seine Amerikaperiode gilt nicht nur für den Künstler als Höhepunkt, sondern spielt auch für seine internationale Bekanntheit eine große Rolle.
Dabei steht die Frage in wie weit der zweite Weltkrieg sein künstlerisches Schaffen beeinflusst hat, im Mittelpunkt. Darüber hinaus werde ich auf künstlerische Neuerungen und Veränderungen in seinem Stil eingehen. Um diese Frage zu klären, werde ich auf seine frühen Schaffensjahre eingehen, wie seine Zeit in Berlin und während des ersten Weltkrieges. Anhand ausgewählter Beispiele soll dann seine Amsterdamer Periode beleuchtet werden, bevor ich auf seine Zeit in Amerika eingehen werde. Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit sollen Max Beckmanns Triptychen bilden, welche ihn über seine ganze Karriere hinweg begleiten. Weniger Augenmerk lege ich auf seine Stillleben und Aquarelle, oder seinen Skizzen und Landschaftsbildern. Schlussendlich werde ich die genannten punkte in einer Konklusion resümieren.
Die Amerikaperiode Max Beckmanns wurde in der Forschung bis weilen nur ansatzweise diskutiert, besonders eine Rezeption der amerikanischen Kunstkritik blieb bis jetzt aus. Vorsätzlich wird sich auf Aussagen oder Schriften von Zeitzeugen gestützt wie Terry P. Rathbone, ein Freund und späterer Fördere des Künstlers, auf wessen Aussagen ich ebenfalls eingehen werde. Darüber hinaus bestehen meinen Quellen aus der Dissertation von Anabelle Kienle sowie auf der Studie von Olaf Peters. Um die frühen Jahre des Künstlers zu beleuchten stütze ich mich auf den Ausstellungskatalog Max Beckmann und Berlin, welcher vom Berliner Museum für Moderne Kunst publiziert wurde. Auch der Ausstellungskatalog der Pinakothek der Moderne fast Max Beckmanns frühe Jahre sowie seine Zeit im Exil in Amsterdam zusammen.
Spricht man von Max Beckmann und seiner Zeit im Exil, ist damit die Zeit gemeint, welche er in Amsterdam verbringt. Die 10 Jahre dort sind von Einsamkeit, Heimatlosigkeit und Isolierung geprägt. Wenige Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 verlässt Max Beckmann 1947 die Niederlande und kehrt auch nicht in seine Heimat Deutschland zurück. Nur wenige Male danach besucht er Amsterdam. Auch wenn er viele Angebote von Hochschulen in Deutschland bekommt, entscheidet er sich für Amerika.1
2. Max Beckmanns Schaffensperioden
2.1. Frühe Phase – Weimar, Paris und Berlin
Max Beckmanns Karriere beginnt bereits in jungen Jahren. Der als jüngstes von drei Kindern in Leipzig am 12. Februar 1884 geborene bewirbt sich mit 16 Jahren an der Dresdener Akademie, besteht jedoch die Aufnahmeprüfung nicht.2 Das führt ihn an die Großherzoglich-sächsische Kunstschule in Weimar, welche er jedoch ohne Abschluss verlässt.3 Dort lernt er auch seine erste Frau Minna Tube kennen.4 Paris hat auf den jungen, unerfahrenen Künstler zuerst eine starke Wirkung, so reist er 1903 für ein halbes Jahr in die Kunstmetropole.5 Minna Tube weigert sich mitzukommen, woraufhin Max Beckmann einen tiefen Liebeskummer entwickelt.6 Sein einziges Werk aus dieser Zeit nennt sich Reiter, dies zerschneidet er jedoch noch in Paris.7 Die Zeit in Paris verbringt Beckmann isoliert, auch am Unterricht an der Académie Colarossi nimmt er nur sporadisch teil. Er verlässt Paris in einer tiefen persönlichen Krise und abgeneigt gegen dessen Kunstbetrieb.8
Seine ersten Erfolge feiert Max Beckmann mit dem Werk Junge Männer am Meer (Abb. 1), welches er 1905 anfertigt; zu dieser Zeit lebt Beckmann in Berlin Schöneberg.9 Er überwindet damit seine persönliche Krise, in welcher er sich nach seiner Rückkehr aus Paris befindet.10 Das Thema dieses Werkes spiegelt immer noch die Wirkung der deutschen Kunst wieder und ebenfalls die Malweise zeugt von Beckmanns klassischer Ausbildung.11 Darüber hinaus verhilft ihm das Werk zum Villa-Romana-Preis, welcher mit einem Stipendium in Florenz verbunden ist.12 Weiterhin wird das Gemälde in die Sammlung des Großherzoglichen Museums für Kunst und Kunstgewerbe in Weimar aufgenommen. Der Erfolg hört an dieser Stelle jedoch nicht auf; der Gallerist Paul Cassirer nimmt ab da Beckmann in sein Programm auf.13
Die folgenden Jahre sind von der französischen Freiluftmalerei inspiriert und resultieren in einer Art monumentalem Impressionismus. Traditionen über Form und Komposition spiegeln sich zu diesem Zeitpunkt deutlich in seinen Werken wieder.14 Zu dieser Zeit ist der Einfluss Paul Cézannes deutlich erkennbar, aber auch der Anschluss an die alten Meister, wie Michelangelo, Tintoretto, Rubens, Rembrandt oder Grünewald, den er sucht.15 Thematisch bleibt Beckmann jedoch modern.
Eine bewusste Opposition nimmt er gegen den deutschen Expressionismus, wie die Brücke oder den Blauen Reiter ein.16 Es wird sich jedoch zeigen, dass sich diese Einstellung mit der Zeit auflöst und er in seinen Werken von weichen Linien zu deutlichen Konturen übergeht.17
Eine weitere persönlcihe Krise durchlebt Beckmann während des ersten Weltkrieges.18 Er meldet sich freiwillig als Krankenpfleger nach Ostpreußen und später zum Sanitätsdienst. Bei einem Einsatz 1925 in Belgien erleidet er einen körperlichen und seelischen Zusammenbruch woraufhin er von der Front beurlaubt wird.19 Nach diesem Ereignis kehrt er nicht zu seiner Familie nach Berlin zurück sondern findet Unterkunft bei Freunden in Frankfurt am Main.20
In den Jahren von 1922 bis 1923 entstehen hauptsächlich Radierungen, Holzschnitte und Lithografien, welche sein grafisches Oeuvre darstellen.21 In ihnen hält er das Leben der Stadt fest und durchwandert verschiedene Facetten sowie gesellschaftliche und politische Milieus.22 Die Werke werden in der Mappe Berliner Reisen festgehalten und von J. B. Neumann verlegt, dieser hat den Künstler bereits seit 1920 unter Vertrag.23
In den folgenden Jahren durchlebt Beckmann einen privaten Wandel. Er heiratet erneut, dieses Mal die Tochter eines Künstlers, Mathilde von Kaulbach, welche er „Quappi“ nennt, beruflich zieht es den Künstler nach Frankfurt, wo er an der Städelschule ein Meisteratelier leitet.24
2.2 Das erste Triptychon
Max Beckmanns Triptychen bilden viel Raum für Interpretationen und Deutungen. Sie ziehen sich durch sein gesamtes Schaffen und gehören zu seinem Oeuvre. Bis zu seinem Tod arbeitete er jedes Jahr an einem Triptychon, sodass er insgesamt neun vollendet. Sein erstes Triptychon soll nun beleuchtet werden.25
Abfahrt (Abb. 2) fertigt er in den Jahren 1932 bis 1933 an, wonach es für eine kurze Zeit im Museum of Modern Arts in New York gegenüber von Picassos Guernica hengt.26 Durch diese Gegenüberstellung wird das Werk zum Symbolträger des Wiederstandes.27 Darüber hinaus führte es zu einer Fixierung der Position Max Beckmanns in der zeitgenössischen Malerei und propagierte ihn als antifaschistischen Künstler.28
Das Werk zeigt in der Mitte ein Bott mit einem König, einem Krieger und einer Frau. Sie hält ein Kind im Arm und die Gemeinschaft treibt über den Ozean, in mythische Weiten. Mit einem Segnenden Gestus entlässt der König Fische ins Meer zurück, ob er diese Vorher gefangen hat, oder sie bereits im Netz waren, ist unklar. Die Fische dürfen Leben, im Gegensatz zu den Fischen auf der linken Tafel im Schloss. Der König gilt in diesem mittleren Werk als Symbol der Zivilisation. Auch der Künstler selbst ist im Werk zu sehen. Er befindet sich, den Blick auf das Kind gerichtet, hinter der Frau. Das Kind in den Armen der Frau kann hier als Symbol der Hoffnung und Erlösung gedeutet werden. Somit würde die Kunst als wahre Erlösung gelten und der Künstler als Priester.29
Folgt man dieser Deutungsebene, lässt sich auch das Bildformat des Triptychons erklären. Das typische Altarbild ist in der Tradition der Darstellung von Heiligen vorbehalten. Auch wenn Max Beckmanns Triptychon nie Platz auf einem Altar fand, soll der Betrachter erkennen, dass das göttliche in ihnen selbst steckt und sie lediglich die Verantwortung für sich selbst übernehmen müssen und an sich glauben sollen. Das mittlere Gemälde lässt sich in dieser Konstellation als hoffnungsvollen Ausblick auf eine positive Zukunft deuten.30 Ganz im Kontrast zu den flankierenden Werken, welche den Deutschen eine eher düstere Prophezeiung voraus sagen.31
Die linke Tafel zeigt eine Gruppe von Gefesselten im inneren eines Schlosses. Einer Frau im Hintergrund sind die Hände abgehackt und die Beine auseinander gezogen worden. In einem Fass daneben steckt ein Mann, ihm sind die Hände auf dem Rücken gefesselt und sein Blick ist vom Betrachter abgewandt. Darunter liegt eine Frau über einer Glaskugel. Auch ihr Blick ist dem Betrachter nicht zugewendet. Ihre nach vorne ausgestreckten, gefesselten Arme deuten einen betenden Gestus an. Zwischen den drei Figuren steht ihr Richter mit erhobenem Beil. Bei genauerer Betrachtung fällt jedoch auf, dass es sich bei seinem erhobenen Beil um einen Kescher handelt, in welchem zwei Fische gefangen sind. Er trägt somit keine Schuld am leid der Gefangenen. Der für die dargestellten Übeltaten Verantwortliche ist somit auf dem Werk nicht zu sehen, sondern soll sich vor der Leinwand im Betrachter wiederfinden.32
Auf der rechten Tafel trägt eine Frau einen toten Mann mit sich herum, welcher kopfüber an sie gebunden ist. Hinter ihr befindet sich ein Lift Boy, dessen Mütze ihm die Augen verdeckt. Max Beckmann sagte über diese Tafel: Sie „ schleppen […] die Leiche ihrer Erinnerungen, ihrer Übeltaten und Misserfolge, den Mord, den jeder irgendwann in seinem Leben begeht. Sie können sich nie von ihrer Vergangenheit befreien, sie müssen diesen Leichnam tragen, während das Leben dazu die Trommel schlägt.“33
Obwohl Max Beckmann immer wieder betont, dass seine Werke keine politische Realität haben, sondern viel mehr allgemeine menschliche Verhaltensweisen und Bedingtheiten aufweisen, war er sich darüber im Klaren, dass seine Werke Beschlagnahmt werden könnten. Daraus resultiert, dass er den Einzelnen Werken, die hier in ein Triptychon zusammen geführt wurden, Titeln gab, welche auf Stücke von Shakespeare andeuten.34
2.3. Machtübernahme der Nationalsozialisten
Trotz der Negierung, eine politische Position in und außerhalb seiner Werke zu beziehen, wird Max Beckmann im Jahre 1933, mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten, die Stellung in der Städelschule gekündigt.35 Bereits davor muss er seinen Wohnsitz in Paris kündigen, da er keinen Galeristen fest an sich binden kann.36 Obwohl er nichts für Hitler oder seine Ideologie übrig hat, besteht der Wunsch weiter malen zu können, woraufhin das Ehepaar wieder nach Berlin zieht, in der Hoffnung dort, in der Anonymität, ungestörter zu sein.37
„ Natürlich kehre ich nach Hause zurück. Was hat sich denn geändert? Was hab ich denn mit Politik zu tun? Ich bin doch Maler! Meine Frauen oder Akrobaten oder Landschaften werde ich malen dürfen, ob Hitler regiert oder die Kommunisten oder der Sultan aus dem Land, wo der Pfeffer wächst.“38 Sagt Beckmann 1933; wie viel seiner Zeitgenossen, glaubt auch Beckmann, dass sich das NS- Regime nicht lange halten wird. Es ist Beckmanns letzte Phase in Berlin.39
Die politischen Umstände veranlassen Max Beckmann sich seinem Privatleben zuzuwenden, diese Zuwendung manifestiert sich in einem eindrucksvollen Gruppenportrait, das Große Frauenbild von 1935 (Abb. 3).40 In diesem persönlichen Resümee sind fünf Frauen auf engem Raum zu erkennen.
Im Zentrum ist Max Beckmanns zweite Frau Quappi mit einem angedeuteten Lächeln zu erkennen. Sie hält einen roten Handschuh und einen Fächer. Mit ihrem schwarzen Kleid bildet sie die Mittelachse des Hochformats. Das schwarz des Kleides spiegelt hier Beckmanns Auseinandersetzung mit der französischen Moderne wieder. Eine weitere Figur im Bild ist die Sammlerin Käthe von Porada, sie steht links von Quappi. Rechts von Quappi steht Naila, welche mit einer behandschuhten Hand die Treppe aufwärts weißt. Von dieser Dreiergruppe aus links, erkennt man Lily von Schnitzler in einem gelben Kleid und einem weißen Hermelin, welcher sie herrschaftlich wirken lässt. Beckmanns erste Frau Mina Tube ist in dem Werk ebenfalls vertreten. Sie sitzt, mit dem Rücken zum Betrachter in einem blauen Kleid, in der unteren rechten Ecke und hält einen Spiegel min der Hand. In dem Spiegel ist ein männliches Gesicht zu erkennen, welches stellvertretend für den Künstler steht.41
Das Werk besitzt eine friesartige strenge, welche durch die Farbigkeit kontrastiert, fast sogar überspielt, wird. Die Körperlichkeit der Figuren wird durch den Kontrast zwischen der Kleidung betont, welche zum Teil in eine farbige Ornamentik über geht. Weiterhin weißt das Werk eine spannungsvolle enge vor, die durch die Gegenüberstellung der Frauen entsteht.42 Auf der linken Seite findet man Beckmanns Sammlerinnen und Förderinnen; auf der rechten Seite die Frauen, welche etwas lebensvoller gemalt sind und mehr Sinnlichkeit versprühen. Mit allen Frauen, die im Werk abgebildet sind, war Max Beckmann zu einem Zeitpunkt liiert, was dem Motiv eine pikante Konnotation verleiht43
Trotz der enge im Bild scheinen die Figuren isoliert voneinander zu sein. Naila scheint mit ihrem Gestus einen Ausweg andeuten zu wollen. Dieser Fluchtversuch spiegelt Beckmanns Hilflosigkeit wieder, kurz bevor er sich von Deutschland abkehrte.44
In den folgenden Jahren wird Max Beckmann Untersagt, seine Werke öffentlich auszustellen und seine gesamten Werke werden aus Ausstellungen in deutschen Museen entfernt. Als am 19. Juli 1937 die Ausstellung zur entarteten Kunst in München eröffnet, auf welcher auch 10 Gemälde und viele graphische Arbeiten Max Beckmanns zu sehen sind, verlässt Beckmann noch am selben Abend Berlin und emigriert nach Amsterdam. Sein bisher sehr angenehmes Leben in Deutschland endet damit. Er kann keine weiteren Reisen nach Paris oder andere Länder in Europa unternehmen.45
Als Gegenpunkt zu der in München eröffneten Ausstellung Entartete Kunst, stellt Beckmann sein Triptychon Versuchung auf der 20th Century German Art aus.46 In seiner berühmten Rede „Über meine Malerei“ zeigt er sein bildnerisches Denken auf und sagt: „ Worauf es mir in meiner Arbeit vor allem ankommt, ist die Idealität, die sich hinter der scheinbaren Realität befindet. […] Es handelt sich für mich immer wieder darum, die Magie der Realität zu erfassen, und diese Realität in Malerei zu übersetzen. Das Unsichtbare sichtbar machen durch Realität. […] Dann verdichten sich die Formen zu Dingen, die mir verständlich erscheinen in der großen Leere und Ungewissheit des Raumes, den ich Gott nenne. Ein „ Selbst“ zu werden ist immer der Drang aller noch wesenlosen Seelen. Dieses „Selbst“ suche ich im Leben und in meiner Malerei.“47 Hierbei wird deutlich, dass Beckmann sich stehts vor einer direkten Kritik an gesellschaftlichen oder politischen Geschehnissen scheute. Dennoch wird klar, dass er sich über einen „Selbstbehauptungsprozess artikuliert“48 und seine Bilder, besonders durch ihre allgemeine Formulierung, immer noch aktuell relevant sind.49
3. Exil in Amsterdam
Amsterdam soll ursprünglich nur eine Zwischenstation für den Künstler auf dem Weg nach Paris darstellen um letztendlich nach Amerika zu immigrieren. Dieser Plan wird durch den Ausbruch des ersten Weltkrieges verhindert, bei welchem auch die Niederlande besetzt wird. Max Beckmann verbringt 10 Jahre in Amsterdam und kehrt nach 1937 nicht mehr in seine Heimat zurück.50
Obwohl Max Beckmann höchst produktiv in den 10 Jahren in Amsterdam ist, sind die Werke dieser Zeit mit einem Problem verbunden. Ihre Deutung lässt sich häufig nur schwer, meist sogar gar nicht, finden. Der Sinn scheint oft unklar. Auch der Künstler selbst deutet seine Werke nicht.51
Kaum äußert sich Max Beckmann über das politische Geschehen, und wenn er es tut, dann nur indirekt. Er scheut vor der art engagé, der Kunst mit politischen Aussagen beziehungsweise politischen Engagement.52 Dennoch malt er im Exil in Amsterdam zwei Bilder, die die Angst vor dem Nationalsozialismus in einer, für ihn ungewöhnlichen, direkten Art zeigen.53 Ausgelöst durch das einschneidende Erlebnis der Emigration nach Amsterdam, entstehen zwei Werke.
In seinen ersten Monaten in Amsterdam fertigt er 1937 der Befreite (Abb. 4) an und im Jahr darauf die Hölle der Vögel (Abb. 5). Der Befreite zeigt den Künstler selbst wie er die Ketten, die ihn fesseln, hält. Eine große Kette, welche um seinen Hals liegt, ist jedoch bereits gesprengt. Er hat sich dem Malverbot, sowie der direkten Verfolgung in Deutschland, bereits entzogen, doch für welchen Preis? Max Beckmann fühlt sich Heimatlos und verloren, er befindet sich in einer fremden Umgebung und findet kaum Ruhe. Dies wird im Bild verdeutlicht durch die Schatten und Schwarzwerte, sowie das vergitterte Fenster im Hintergrund.54
In die Hölle der Vögel bezieht Beckmann, wie noch nie zuvor, deutlich Stellung gegen die Nationalsozialisten. Das Werk wird von einer fast aggressiven Farbigkeit und ungestümer Malweise dominiert. Die riesenhaften Vögel scheinen sich in Ungeheuer verwandelt zu haben, sie befinden sich in einem Keller unter einem Gewölbe.
Im Vordergrund ist ein nackter, gefesselter Mann zu erkenne, welchem der Rücken aufgeschnitten wird. Neben ihm erkennt man eine Fruchtbarkeitsgöttin, welche aus einem Ei steigt. Sie hat den Arm zum Hitlergruß erhoben und ist hier die Personifizierung der Blut und Boden Ideologie. Davor befindet sich ein kleines Stillleben mit einer Kerze, Weintrauben, sowie einem Meerbild mit einer untergehenden Sonne, welche für die allgegenwärtige Hölle steht, eine Welt ohne Tageslicht. Im Hintergrund sind weiter nackte Menschen zu erkennen, welche ihren rechten Arm erhoben haben und etwas zu rufen scheinen. Vor ihnen steht ein Vogelungeheuer mit einem langen Messer. Der Vogel daneben in schwarz und gelb, erinnert an den preußische Adler, welchen die Nationalsozialisten später für sich als Wappentier beanspruchten. Er scheint das Gold zu bewachen. Die schwarz-gelben kreisrunden Formen im Hintergrund sind bei Beckmann häufig zu finden und lassen sich als Grammophone oder auch Blasinstrumente deuten. Die große rote Öffnung im Hintergrund auf der linken Seite lässt auf eine Ofenöffnung schließen. Es gibt von Beckmann kein anderes Werk, in welchem er so deutlich Stellung zum Nationalsozialismus bezieht und diesen kritisiert.55
Besonders deutlich wird die Zuspitzung der historischen Situation in seinem Selbstbildnis mit Trompete. Die damit einhergehende melancholische Verdüsterung der Biografie, macht sich in der Verunsicherung des Ichs Beckmanns deutlich.56 Nicht nur die verdüsterte Mimik ist dafür hinweisgebend, auch die koloristische Verdüsterung steht im Zusammenhang mit dem Exil und der öffentlichen Diffamierung. Die Zeit im Exil ist für Beckmann eine Zeit der Desorientierung.57
In diesem Selbstbildnis mit Trompete von 1938 stellt sich der Künstler als halbe Figur dar (Abb. 6). Auch wenn er dem Betrachter ganz nah zu sein scheint, schaut er ihn nicht direkt an. Seine Aufmerksamkeit gilt vielmehr dem Horn in seiner linken Hand, welche er selbst als Trompete betitelte. Sein rot-schwarz gestreiftes Gewand nuanciert sehr stark; es scheint, als würde Licht über einen seidigen Stoff streifen. Darüber hinaus erinnert es an ein Zirkuskostüm, welches Beckmanns Leidenschaft für das Verkleiden, sowie den Zirkus und Fasching hervorhebt. Sein runder Kopf ist durch Licht und Schatten stark modelliert und wird durch den goldenen Rahmen im Hintergrund stark hervorgehoben. Der Rahmen erinnert außerdem an eine Staffelei und hebt somit seine Berufung hervor.58
Stephen Lackner ist der erste Besitzer des Gemäldes und äußert sich über das Bild wie folgt: „ Sein Blick folgt dem Schall eines Hornrufes, den er soeben wie eine Botschaft ausgesendet hat. Er scheint zu lauschen, ein fernes Echo zu erwarten. Aber da ist kein Wiederhall, nur eine große Stille.“59
Bereits vor Amsterdam malt Beckmann diese Szenerie, in dieser ersten Version ist sein Blick noch hoffnungsvoller und er weist mit ausgestreckten Hand aufs Horn (Abb. 7). Nun hat sich sein Blick verfinstert und seine Hand ist unsicher, was sich mit einem starken Umschwung in der Einstellung zum Leben, welche dem Exil geschuldet ist, erklären lässt.60 Auch eine radikale Veränderung seiner Werke in den Jahren 1925 bis 1937 lässt sich mit seiner Biografie in Verbindung bringen.61
Für Max Beckmann ist die Welt des Theaters und des Zirkus ein Gleichnis fürs Leben, für ihn offenbart sich im scheinbar Unernsten etwas Ernstes und Wesentliches fürs Leben. Diese Leidenschaft spiegelt sich in seinem Triptychon Akrobaten von 1930 wieder (Abb. 8).62 Auch sein Freund und Förderer Perry T. Rathbone berichtet, dass er die Bühne und den Champagner genauso sehr liebt wie die ewige Show der Menschheit. Alle Tafeln dieses Triptychons besitzen die selbe Größe, nur das Mittelbild ist etwas breiter. Zu sehen ist der berühmte Pariser Zirkus Medrano.63
[...]
1 Ausst. Kat. Exil. Flucht und Emigration europäischer Künstler 1933-1945 (Berlin Neue Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin 10. Oktober 1997 – 4. Januar 1998) Barron, Stephanie/ Eckmann, Sabine (Hrsg.), München 1997, S.63.
2 Ausst. Kat. Max Beckmann und Berlin (Berlin Berlinische Galerie Museum für moderne Kunst 20.11.2015-15.02.2016), Köhler, Thomas/ Heckmann, Stefanie (Hrsg.), Berlin 2015, S. 257.
3 Vgl. Köhler, S. 47.
4 Vgl. ebd., S. 47.
5 Vgl. ebd., S. 47.
6 Vgl. ebd., S. 47.
7 Vgl. ebd., S. 47.
8 Vgl. ebd., S. 47.
9 Ausst. Kat. Max Beckmann. Exil in Amsterdam (Amsterdam Van-Gogh Museum 6.04.2007 – 19.08.2007), Pinakothek der Moderne (Hrsg.), Ostfildern 2007, S. 35.
10 Vgl. Köhler, S. 48.
11 Vgl. o.V. Pinakothek der Moderne (Hrsg.), S.35.
12 Vgl. Köhler, S. 35.
13 Vgl. Köhler, S. 31.
14 Vgl. ebd., S. 47.
15 Vgl. o.V. Pinakothek der Moderne (Hrsg.), S. 36.
16 Vgl. ebd., S. 36.
17 Vgl. ebd., S. 36.
18 Vgl. Köhler, S. 257.
19 Vgl. ebd., S. 257.
20 Vgl. ebd., S. 257.
21 Vgl. ebd., S. 257.
22 Vgl. ebd., S. 130.
23 Vgl. ebd., S. 129.
24 Vgl. ebd., S. 258.
25 Peters, Olaf: Vom schwarzen Seiltänzer. Max Beckmann zwischen Weimarer Republik und Exil, Berlin 2005, S. 169.
26 Forster- Hahn, Francoise: Max Beckmann in Kalifornien. Exil, Erinnerung und Erneuerung, München 2007, S. 42.
27 Vgl. Forster-Hahn, S. 43.
28 Vgl. ebd., S. 43.
29 Vgl. o.V. Pinakothek der Moderne (Hrsg.), S.25.
30 Vgl. Köhler, S. 227.
31 Vgl. Peters, S. 173.
32 Vgl. Peters, S. 173.
33 Vgl. Forster-Hahn, S. 42
34 Vgl. o.V. Pinakothek der Moderne (Hrsg.), S.35.
35 Vgl. ebd., S. 16.
36 Vgl. Kienle, S. 27.
37 Vgl. ebd., S. 27.
38 Vgl. Köhler, S. 188.
39 Vgl. ebd., S. 188.
40 Vgl. Peters, S. 281.
41 Vgl. ebd., S.282.
42 Vgl. ebd., S. 283.
43 Vgl. ebd., S. 283.
44 Vgl. ebd., S. 285.
45 Vgl. Kienle, S. 27.
46 Vgl. o.V. Pinakothek der Moderne (Hrsg.), S. 28.
47 Vgl. ebd., S. 29.
48 Vgl. ebd., S. 30.
49 Vgl. ebd., S. 30.
50 Vgl. Köhler, S. 191.
51 Vgl., o.V. Pinakothek der Moderne (Hrsg.), S.33.
52 Vgl., ebd., S. 26.
53 Vgl. ebd., S. 26.
54 Vgl. ebd., S. 26.
55 Vgl. ebd., S. 27.
56 Vgl. Peters, S. 302.
57 Vgl. ebd., S. 302.
58 Vgl. o.V. Pinakothek der Moderne (Hrsg ), S. 150.
59 Vgl. ebd., S. 150.
60 Vgl. ebd., S. 150.
61 Vgl. ebd., S. 150.
62 Vgl. ebd., S. 154.
63 Vgl. Kienle, S. 81.
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