Der Autor hinterfragt die bis in die Gegenwart dominierende Repräsentation der kemalistischen Türkei als fortschrittlichem
Modernismus-Projekt und die immer noch überwiegend (insbesondere von deutschen Forschern) positive Bewertung der von Atatürk betriebenen Verwestlichung des Landes. Zum anderen geht es ihm um eine mehr kritische Perspektive auf die autoritäre Seite der modernen Architektur, die staatstragender Ziele diktatorischer Regimes repräsentiert und materialisiert.
Eine dritte Zielrichtung des Autors ist das Erfassen der engen ökonomischen und kulturellen Beziehungen zwischen
dem deutschsprachigen Raum Mitteleuropas und der Türkei seit dem 19. Jahrhundert; eine Kontinuität, in der Abbasoglu auch Bruno Tauts Berufung als Leiter der Architekturfakultät in Istanbul und des Baubüros des türkischen Erziehungsministeriums situiert. Das Verfassen der Arbeit scheint Abbasoglu in der Überzeugung gefestigt zu haben, dass ein politisch in so hohem Masse aufgeladenes Bauwerk nicht getrennt von den Absichten seiner Auftraggeber beurteilt werden kann; und dass ein Architekt, der einen derartigen Auftrag annimmt, Mitverantwortung an der Propaganda eines Regimes trägt.
Diese Bewertung und die "offensichtlichen Wiederspiegelungen" (S. 6) zwischen Rassismus und Diktatur der kemalistischen Türkei und ihrer Stadt- und Architekturpolitik ist bereits zu Beginn der Arbeit (S. 9–10) angekündigt: "Vertreter des Werkbundes waren der Auffassung, dass architektonische Ästhetik eine entscheidende Rolle bei der Bildung einer Nation spiele". (…) "Das Gebäude DTCF (…) war eine Koproduktion der deutsch-türkischen Zusammenarbeit für die Bildung einer reinen türkischen Nation nach deutschem Vorbild (…)".
In seinem Schlusswort verweist Abbasoglu auf Tauts stille Mittäterschaft (S. 65): "Taut (…) nutzte sein Beruf als Vorwand, sich von der Politik und vom Geschehen in der Türkei zu entziehen". (…) „Er (…) sah sich als unpolitischer Künstler und Organisator, der seine Fähigkeiten in den Nutzen eines Volkes stellte.“ Zugleich weist Abbasoglu auf Tauts Widersprüche in dieser Haltung anhand seiner eigenen, in der Türkei verfassten Architekturlehre hin.
Inhalt
1 Einleitung
1.1 Forschungsstand
1.2 Forschungsfrage und Hypothese
1.3 Zielsetzung und Methode
2 Politischer Kontext
2.1 Jungtürkische Revolution
2.2 Die Eroberung des orientalischen Bodens
2.3 Deutscher Einfluss auf die Jungtürken und ihre Ideologie
2.4 Deutscher Kulturimperialismus im Osmanischen Reich: Das Haus der Freundschaft in Konstantinopel
2.5 Deutsch-türkische Beziehungen in der Zeit der Weimarer Republik
2.6 Die Tradition der deutschen Moderne
3 Die Rolle der Architektur in der Nation Bildung
3.1 Architektur als politisches Werkzeug und die Vorreiterrolle der deutschen Planungspraxis
3.2 Angora, das neue alte Regierungszentrum
3.3 Der Lörcher-Plan für Angora
3.4 Jansen Plan und Legitimation der autoritären Staatsmacht
3.5 Das Regierungsviertel
3.6 Das Hochschulviertel, der Kniefall der Moderne
4 Bruno Taut’s Literatur Fakultät in Ankara
4.1 Der Nutzung angepasste Qualität
4.2 Bruno Tauts Gegenbild Sedad Hakkı Eldem
4.3 Tauts (Un)vollständige Freiheit
4.4 Bruno Taut’s Vorgesetzter: Cevat Dursunoğlu
4.5 Tauts Tod
5 Schlusswort
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Das 1940 eingeweihte, von Bruno Taut geplantes Gebäude für «Fakultät der Sprache, Geschichte und Geographie (DTCF)» in Ankara liegt südwestlich der Altstadt unweit vom Hauptbahnhof an der Hauptstrassenachse Atatürk Bulvari, welche die Altstadt mit dem Regierungsviertel verbindet.
Das neue Fakultätsgebäude war zu seiner Zeit das grösste Bauvorhaben der kemalistischen Regierung und gilt heute als ein wichtiges Wahrzeichen der kemalistischen Machthaber. Am 27. April 2017 veröffentlichte Ali Nesin, der bekannte Mathematiker und Schriftsteller, auf seiner Facebook-Seite eine Nachtaufnahme des von Bruno Taut geplanten Fakultätsgebäude in Ankara. Er schrieb als Kommentar: «Das hier ist die Universität Ankara, Fakultät für Sprache, Geschichte und Geographie. Die Denkweise, die dieses hässliche Gebäude bauen liess, die das Gebäude sogar sehr schön findet, es in der Nacht beleuchtet, mit mindestens vier Fahnen schmückt und ein sehr banales Atatürk-Zitat an die Wand des Gebäudes gravieren liess, kam natürlich nicht mal auf die Idee, ein paar Tische, Bänke und Sonnenschirme für die Studierenden zur Verfügung stellen. Denn für diesen Günstlinge (der Herrschenden, erg. B.A.) gibt es keinen Unterschied zwischen Jugendlichen und Rindern.»1
Auf Ali Nesins Kommentar folgten tausende von Reaktionen in sozialen Medien, in den politischen Tageszeitungen und Zeitschriften sowie in Fernsehsendungen. Viele Kommentatoren betrachteten Nesins Facebook-Beitrag als Angriff auf den Personenkult um Atatürk. Linke und kemalistisch gesinnte Bürger vertraten die Meinung, dass das DTCF Gebäude schön sei, weil ein deutscher Architekt es während der kemalistischen Herrschaft plante und baute.2
In den 1920er bis 1930er Jahren erklärte die türkische Regierung Ankara zur Hauptstadt der Türkischen Republik und baute von Grund auf neu zu einer modernen Stadt. In Ankara sollten alle modernen Institutionen einer republikanischen Hauptstadt stehen. Staats- und Verwaltungsbauten und Sport- und Bildungsanlagen sollten nicht nur eine ästhetische Repräsentation erzeugen, sondern auch die Macht des Staates demonstrieren. Zwei Wiener Architekten, Clemens Holzmeister3 und Ernst Egli4 prägten in den 1920er und 1930er Jahren die moderne Architektur in der Türkei. Sie führten mit ihren Bauten in Form einer Monumentalarchitektur in Ankara die autoritäre Seite der Modernisierung ein.
Als Bruno Taut Mitte der 1930er Jahre nach Ankara kam, hatten sich in der Architekturszene zunehmend nationalistische, auf Türkisierung gerichtete Stimmungen entwickelte. Die Türkei näherte sich sowohl an die Sowjetunion wie auch an das faschistische Italien je länger je stärker an.5 Diese Annährung an autoritäre Staaten stimmte zeitlich überein mit der Festigung eines diktatorischen Regimes in der Türkei. Am 4. Parteikongress der Republikanischen Volkspartei (CHP) im Mai 1935 verabschiedete der Kongress eine Resolution, welche Partei und Staat vereinigen sollte. Diese ist auf die Aktivitäten der staatlich-nationalistischen Gruppe innerhalb der Partei zurückzuführen. Diese Gruppe organisierte sich vor allem um den Premierminister Ismet Inönü und den Generalsekretär der Partei Recep Peker. Bereits beim 3. Partei-Kongress 1931 dominierte die Gruppe innerhalb der Partei, die sich für die absolute Kontrolle des Einparteienstaates in den wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Bereichen einsetzte.6
Anders als die meisten aus dem deutschsprachigen Kulturraum rekrutierten Fachkräfte kam Bruno Taut nach fünf Jahren Auslandsaufenthalt als Wirtschaftsflüchtling7 in die Türkei.8 Durch seinen mehrjährigen Arbeitskollegen Martin Wagner,9 der seit 1935 im türkischen Exil lebte, bekam Taut ein Jobangebot als Leiter der Architekturabteilung an der Akademie der Künste in Istanbul.10 Er nahm das Angebot an und kam 1936 nach Istanbul, wo er zwei Jahre lang an der Akademie arbeitete.11 Ausserdem war er gleichzeitig Leiter des Baubüros für Bauten des Erziehungsministeriums. In dieser Rolle entwarf er 24 Projekte in der Türkei. Fünf davon wurden realisiert, darunter das Gebäude für die Fakultät für Sprachen, Geschichte und Geografie (Dil Tarih Cografya Fakültesi; DTCF).12 Der DTCF sollte gegen aussen als Machtdemonstration des kemalistischen Staates dienen. Er sollte Diplomaten, Journalisten und Touristen aus dem Ausland beeindrucken und zeigen, dass die Türken mindestens so gut bauen können wie Deutschen.13
1.1 Forschungsstand
Bruno Taut ist einer der bekanntesten Architekten der Weimarer Republik. Neben seiner Praxis als Architekt gab er zahlreiche Architekturzeitschriften heraus und war Autor von mehreren Büchern. Bis Anfang der 1990er Jahre publizierten Forscherinnen und Forscher mehrere Arbeiten über Taut und man glaubte, die Taut-Forschung sei abgeschlossen. Die Wiedervereinigung Deutschlands und die Untersuchungen danach führten zu einer neuen Sicht auf die Interpretation von Tauts Werk und Wirken. Neben Kurt Junghanns hat Manfred Speidel durch seine beharrliche Forschung in Japan und Deutschland das Taut-Bild entscheidend geprägt.
Nach drei Jahren im japanischen Exil wanderte Bruno Taut 1936 in die Türkei ein. Bis zu seinem Tod am 24. Dezember 1938 arbeitete er als Architekt in Istanbul und Ankara. In zwei Jahren entstanden unter Tauts Leitung vierundzwanzig Bauprojekte. Fünf davon wurden realisiert, darunter auch sein eigenes Wohnhaus. Das Haus wurde 1938 gebaut und im Laufe der Zeit einige Male restauriert. Bekannt wurde es vor allem dank Prof. Bülent Özer. Özer war ein grosser Verehrer von Bruno Taut und widmet ihm in den 90er Jahren drei Blöcke seiner Vorlesungen in Architektur und Kunstgeschichte an der Architekturabteilung der Akademie der Bildenden Künste in Istanbul. Taut’s Arbeiten im der Türkei sind seit der 70er Jahren das Thema der Forschungsarbeiten der türkischen Wissenschaftler.14
Am 15. Juni 2015 fand in Ankara ein Symposium unter dem Titel Faculty of Languages, History and Geography and Bruno Taut, Creating The Modern Turkish Architecture statt. Ein Grossteil der Referate erschien 2018 in Buchform mit dem gleichen Titel. Bernd Nicolai, Manfred Speidel, Aydan Balamir, Esen Boyacioglu, Muharem Ceker und Kiymet Giray hielten je ein Referat. Esen Boyacioglu analysierte und kommentierte in ihrem wichtigen Beitrag die schwer zugänglichen Notizen und Briefe von Bruno Taut aus der Zeit seines Aufenthalts in Istanbul. Bernd Nicolai dagegen fasste seine Forschungsresultate zusammen, die er in seinem Buch «Exil und Moderne» veröffentlicht hatte. Die Architektin Esin Boyacıoğlu von der Gazi-Universität in Ankara weist in ihrem Vortrag auf offene Forschungsfragen hin. Als sie versuchte, in den Tagesbüchern von Taut den Entwurfsprozess für die Fakultät für Sprachen, Geschichte und Geografie (Dil Tarih Cografya Fakültesi; DTCF) aufzuspüren, gelang es ihr, viele Informationen über den Entwurfs- und Bauprozess zu erhalten, von denen nicht viele bekannt waren. Diese sollten eingehender untersucht werden.
Gerade in jüngerer Zeit haben türkische und europäische Historikerinnen und Historiker einen kritischeren und differenzierteren Blick auf die türkische Nationalisierung und den Staatsgründungsprozess entwickelt.15 Seit den 1990er Jahren thematisieren und analysieren sie die politisch-ideologische Dimension von Architektur und Städtebau. Der deutsche Kunsthistoriker Bernd Nicolai veröffentlichte 1990 seine Forschungsarbeit über deutsche Architekten und Städteplaner in der Türkei. Er legte seinen Fokus auf Transformation der Moderne und Exil. In seinem 1998 publizierten Buch «Moderne und Exil» zeichnet Bernd Nicolai die gesellschaftliche Modernisierung der Türkei in den 20-er und 30-er Jahren nach. Nicolai zeigt, wie sich die Türkei nach 1933 zu einem der wichtigsten Länder der Wissenschaftsemigration entwickelte. Er behandelt das Thema im Kontext der europäischen Moderne und lässt die politisch-ideologische Dimension ausser Acht. Auch für Nicolai ist die Gründung der Türkei primär ein Modernismus-Projekt. Er behandelt in seinem Buch Bruno Tauts Exiljahre in der Türkei und Tauts Fakultätsgebäude sehr ausführlich
Bei ihrer 2001 veröffentlichten Untersuchung «Turkish Architectural Culture in the Early Republic» legt Sibel Bozdogan die Funktion der Architektur für den Aufbau der Republik und den Staatkult frei. In Bozdogans Buch findet man viele Stellen, die Bruno Tauts Exiljahren in der Türkei thematisieren. Das Fakultätsgebäude lässt sie aber ausser Acht, mit der Argumentation, dass das Gebäude schon mehrere Male Gegenstand der Forschung gewesen sei. Sie stellt fest, dass die Reformen des kemalistischen Regimes eine Vollendung von Reformen waren, die in der osmanischen Zeit begonnen hatten. Bozdogan erklärt ihre Interpretation damit, dass sie als Mitglied der zweiten Generation der Republik Türkei sich von den angeblich wissenschaftlichen Methoden des Staats (die Gesellschaft strikte von sozialen Strukturen und ihrer Geschichte trennen zu wollen) besser distanzieren könne als die Generation ihrer Eltern.
Bei ihrer Arbeit «Kulturtransfer und nationale Identität. Deutschsprachige Architekten, Stadtplaner und Bildhauer in der Türkei nach 1927» erweitert Burcu Dogramaci das Untersuchungsgebiet über die Architektur hinaus. Sie beschäftigte sich auch mit den politischen und menschlichen Beziehungen zwischen den deutschsprachigen und einheimischen Architekten an der Istanbuler Akademie.
Oya Atalay Franck analysiert in der Untersuchung «Architektur und Politik: Ernst Egli und die türkische Moderne 1927-1940» von 2012 die Rolle der Architektur für die Nationenbildung in der Türkei am Beispiel des schweizerisch-österreichischen Architekten Ernst Arnold Egli. Wie Bozdogan erkennt sie, dass die Reformen des kemalistischen Regimes eine Fortsetzung der Politik des alten Regimes sind und berührt auch Themen wie Annährung der Türkei an die Sowjetunion oder ans faschistische Italien. Oya Atalay Franck setzt sich bei Ihrem Werk «Architektur und Politik» intensiv mit der politischen Situation der Türkei in den 1930er Jahren auseinander. Sie sagt ganz zu Recht, dass die kemalistische Führung sich für ihr Projekt auf eine schon im 19. Jahrhundert entstandene und immer einfluss-reichere gesellschaftliche Gruppierung stützte. Angelehnt an die These von Peter Suger’s betont sie, dass sowohl der türkische Nationalismus als auch die türkische Moderne eine Schöpfung der türkischen Bürokratie waren. Das Ziel dieser intellektuellen Elite war der «zeitgemässe türkische Mensch». Architektur und Städtebau sollten die Inhalte der neuen Ordnung, die Modernisierung der Gesellschaft visualisieren und eine Bühne für die Autorität der republikanischen kemalistischen Ideologie bereiten. Die neue Architektur sollte als Medium für die Verbreitung des Kemalismus dienen.
Während die politischen Beziehungen der Deutschnationalen und völkische Bewegungen unter anderem NSDAP zur Türkei und zum kemalistischen Regime bei vielen wissenschaftlichen Arbeiten ausführlich geschildert wurde, bleiben die offensichtliche Wiederspieglungen dieser Politik in der Architektur und Städtebau abgesehen einige Arbeiten aus.16
Bis Esra Akcan’s Buch «Çeviride Modern Olan: şehir ve konutta türk-alman ilişkileri» von 2009.17 In diesem Buch zeigt Esra Akcan, dass die türkische Elite die Herausbildung des türkischen Kulturprojekts in den Gründungsjahren der Republik als eine Art Übersetzung aus dem Deutschen ins Türkische verstanden. Die intensivierten Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland führten ab 1933 zu Konzepten in der türkischen Wohnpolitik, die mit dem NS-Regime in enger Verbindung standen.
Zuvor publizierte Malte Fuhrmann seine Arbeit «Der Traum vom deutschen Orient: Zwei deutsche Kolonien im Osmanischen Reich 1851–1918» im Jahre 2006 und vertritt die These, dass Anatolien in den kolonialen Bestrebungen des deutschen Reiches im 19. Jahrhundert eine wichtige Rolle gespielt habe. Im Mittelpunkt von Malte Fuhrmanns Arbeit steht das deutsche kolonialen Streben, in der Region hegemonialer Einfluss zu erlangen. Die Rückwirkungen dieser Anstrengungen hinterliessen bis heute sichtbare Spuren in Deutschland und in den Nachfolgestaaten des Osmanischen Reiches.
Ähnlich wie Esra Akcan betont Levent Uluiş in seiner Arbeit an der Technischen Universität Berlin zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Ingenieurwissenschaften, die politischen Beziehungen der NSDAP zur Türkei und zum kemalistischen Regime. Levent Uluiş macht den Entstehungsprozess einer europäischen Stadt im Dienst eines kemalistischen Einparteienregimes sichtbar. Uluiş analysiert die Planungsgrundlagen für Ankara, die die beiden deutschen Stadtplanern Carl Christoph Lörcher und Hermann Jansen erstellt hatten. Die Arbeit von Levent Uluiş von 2013 mit dem Titel «Einparteienregime und Städtebau Die Entstehung der neuen Hauptstadt der kemalistischen Türkei (1923-1938)» legt eine zentrale Grundlage für den historischen Kontext meiner Forschungsarbeit. Über Mustafa Kemal Atatürk und das kemalistische Regime haben Europäer und vor allem Deutsche viel geschrieben. Die meisten Autoren bewerten das kemalistische Projekt "Verwestlichung"18 positiv. Dabei spielen sie – oft bewusst – die autoritären Tendenzen des Kemalismus herunter. Der Einfluss des deutschen und italienischen Faschismus sowie das gewaltsame Vorgehen des türkischen Militärs ignorieren viele deutsche Autoren und viele europäische Autoren. Sie halten die Interventionen des Militärs –die gewaltsamen Eingriffe in das demokratische System– für gerechtfertigt, weil sie die jeweilige politische Lage als eine Bedrohung für das kemalistische nationale Projekt betrachten. In dieser Sichtweise ist es legitim, demokratische Grundsätze zu verletzen, um die kemalistische Staatsidee zu bewahren. Ein Vergleich des Kemalismus mit Faschismus und Sowjetsozialismus gehörte von Anfang an in die zeitgenössische Literatur der 1920er und 30er Jahre.
Das in Philadelphia erscheinendes Buch The Turkey of Atatürk vom amerikanischen Soziologe Donald Everett Webster ist uns ein Beispiel dafür.19 Er stellte fest «Turkey is neither Communist nor Fascist».20 August von Kral der Gesandter Österreichs meinte ebenfalls, dass Mustafa Kemal Pascha nicht Diktatur, sondern eine konstitutionelle Demokratie aufgebaut habe.21 Norbert von Bischoff schrieb 1935 in seinem Buch «Hinter der streng demokratischen Fassade verberge sich ein straff autoritärer Führungsmechanismus, den wiederum „tausend Fäden und Kanäle [...] mit dem Ganzen des Volkes in lebendiger Wechselbeziehung halten.»22 1941 Emil Lengyel – ungarisch-amerikanischer Journalist –, in seinem Buch und ein Jahr später «Die US-amerikanische Türkei-Expertin Barbara Ward» in ihrem Buch23 thematisierten die Einparteienherrschaft in der Türkei betonten die Gemeinsamkeiten mit Russland, Deutschland und Italien. Hingegen August von Kral und Norbert von Bischoff stellte H.C. Armstrong in seiner Biographie «Grey Wolf, Mustafa Kemal, An Intimate Study of a Dictator» von 1934 den Gründer der Türkei als ungeheurer Despot mit vielen menschlichen Schwächen. Zu den berühmten Biografien vom Mustafa Kemal Atatürk gehören auch denen von Benoist Mechin, Gentizon, Sperco, von Mikusch, Froembgen, Melzig, Villalta, Kinross.24 Die Publikation Stefan Plaggenborgs «Ordnung und Gewalt Kemalismus - Faschismus – Sozialismus» vergleich Kemalismus, mit Staatsideologien wie mit italienischem Faschismus und dem Bolschewismus der Sowjetunion. Er analysiert drei Regime in thematisch aufgeteilten Kapiteln mit Beachtung der nationalistischen und rassistischen Tendenzen im Kemalismus.
Erik Jan Zürcher, The Unionist Factor: The Role of the Committee of Union and Progress in the Turkish Nationalist Movement 1905–1926 (Leiden: E. J. Brill, 1984) stellt die Glaubwürdigkeit der offiziellen Geschichtsschreibung der Türkei in Frage. Der Autor untersucht zunächst die historischen Entwicklungen vor dem nationalen Kampf und bewertet die Struktur und Aktivitäten des Komitees für Einheit (Union) und des Fortschrittes sowie die Beziehungen zwischen Mustafa Kemal Pascha und des Komitees. Schliesslich wird Beseitigung der Oppositionskampf, die im Zusammenhang Ermordungsfällen von Izmir im Jahr 1926 geführt wurde, untersucht.
Das Buch Atatürk hakkında hatıralar ve belgeler (Erinnerungen und Dokumente über Atatürk) von Afet Inan, der Adoptivtochter Atatürks, gibt viele Informationen über die Gründung der Fakultät für Sprachen, Geschichte und Geografie (Dil Tarih Cografya Fakültesi; DTCF).
Die nicht publizierte Arbeiten von Ahmet Asker’s an der üniversität Mersin Nazi Almanyasi’ndan Kemalist Türkiye’ye Bakişlar (Die Wahrnehmung der kemalistische Türkei in NS-Deutschland) und Nazi Irk Tasnifinde Türkler Ve Ortadoğu Halklari (Türken und Völker des Nahen Ostens in der Rassenfrage des NS-Regimes) wurden mit dem Ahmet Asker’s 2014 veröffentlichtes Buch ergänzt und erweitert. Sein Buch «Kemalist Türkiye’den Nazi Almanyası’na Karşılaştırmalı Bakışlar ve Algılar 1929–1939» versucht darzulegen, wie der Nationalsozialismus von den kemalistischen Machteliten wahrgenommen wurde und welche Rolle Nationalsozialismus in dem fraglichen Prozess -dem Kemalismus eine doktrinäre Identität zu verleihen- gespielt habe.25
Stefan Ihrig publizierte 2015 sein Buch «Atatürk in the Nazi Imagination». Er wirft viele offene Fragen auf über die ideologische Verwandtschaft der Kemalisten mit der NS–Regierung in Deutschland und zeigte, dass Mustafa Kemal Atatürk, der Begründer der modernen Türkei, ein für Hitler und die Nationalsozialisten gleichermaßen wichtiges Vorbild war. In seinem Buch formulierte Stefan Ihrig das Verständnis über Wurzeln der nationalsozialistischen Ideologie und Strategie neu. Er zeigt, die türkische Nationalstaat mit einer staken Mann an der Macht, der bei der Gewaltanwendung kein bisschen zurückhaltend war und die Städte so gestaltete wie er wollte, mit Bewunderung verfolgt wurde.26
1.2 Forschungsfrage und Hypothese
Die Gesellschaft der türkischen Geschichte vermittelt seit ihrer Errichtung im Jahre 1931 das Bild der Entstehungsgeschichte der Türkischen Republik als Werk von Atatürk, die völlig unabhängig vom Osmanischen Reiches entstanden sei. Sie stellt die Türkei der Gründungszeit als ein von europäischen Grossmächten besetztes Land dar, das sich mit einem Krieg befreit. Wie gross der Einfluss dieser Grossmächte bei der Republikgründung war und wie die Beziehungen der kemalistischen Elite zu den Grossmächten war ignoriert die Gesellschaft der türkischen Geschichte völlig. Dadurch entsteht ein widersprüchliches und unverständliches Gesamtbild. Einerseits gibt es in dieser Erzählung eine Elite, die die Türkei nach westlichen Vorbildern modernisieren wollte, andererseits beurteilt diese Erzählung die westlichen Grossmächte als imperialistische Besatzer und historische Feinde. Die westliche Welt ist Feind und Vorbild zugleich.27
Schon im Mai 1931 passte die regierende Republikanischen Volkspartei ihr Parteiprogramm an. Institutionen wie die Kommission zur Erforschung der Türkischen Geschichte (Türk Tarihi Tedkik Heyeti) oder die Türkische Sprachgesellschaft (Türk Dil Kurum) sollten ein neues nationales Bewusstsein schaffen und auf der Basis anthropologischer Methoden die Eigenschaften der türkischen Nation erarbeiten. Da ein solches Vorhaben die Möglichkeiten eines Instituts sprengten, sollte der türkische Staat eine Akademie in Form einer Fakultät gründen. Die Errichtung der Fakultät für Sprachen, Geschichte und Geografie (Dil Tarih Cografya Fakültesi; DTCF) sollte der erste Schritt der Regierung zur Gründung einer Universität in Ankara sein. Der Name der Fakultät sollte die Wichtigkeit solcher Angelegenheiten für die Regierung der jungen türkischen Republik betonen und die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Bedeutung dieser Angelegenheiten ziehen.
Die Eröffnung der Fakultät für Geschichte und Geographie sollte die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf diese Angelegenheit wecken.28 Gleichzeitig sollten Institutionen wie Volkshäuser (Halkevleri) und Dorfinstitutionen (Köyenstütileri)- den Bauern und der Landbevölkerung die Personen und den Staatskult der kemalistischen Ideologie näherbringen.
Türkische Kreise verstehen Tauts DTCF-Gebäude als Synthese von Tradition und Moderne.29 Für Prof. Bernd Nicolai ist es aber eine Rückbesinnung auf die Werkbunddebatte um 1910.30 Vertreter des Werkbundes waren der Auffassung, dass architektonische Ästhetik eine entscheidende Rolle bei der Bildung einer Nation spiele. Trifft die These von Bernd Nicolai zu? Wie konnten Tauts Auftragsgeber die Diskrepanz zwischen politischem Auftrag und seiner politischen Überzeugung übersehen?
Allein die Tatsache, dass die Realisierung der Bauten von der Genehmigung der politischen Behörden abhing, macht Architektur zu einer politischen Ausdrucksform. Als die republikanischen Herrscher während der türkischen Revolution ihre Verbindungen zur ehemaligen Gesellschaftsordnung abstritten, verstanden sie Architektur als Symbol für den politischen Radikalismus des neuen Staates.31 Die kemalistische Regierung setzte den städteplanerischen und architektonischen Austausch zwischen den deutschsprachigen Ländern und der Türkei sowie die Umsetzung europäischer Konzepte wie Nationalstaat, Staatsbürgerschaft und Modernisierung mit der Gründung der neuen türkischen Republik fort. Das Gebäude DTCF, das sich entlang des Boulevards in der Nord-Süd-Achse in Ankara erstreckt, war eine Koproduktion der deutsch-türkischen Zusammenarbeit für die Bildung einer reinen türkischen Nation nach deutschem Vorbild und gilt heute als ein wichtiges Wahrzeichen der kemalistischen Ära, einer türkischen Nationalstaat mit einer staken Mann an der Macht, der das Land mit eisernen Händen regierte und die Städte so gestaltete wie er wollte.
1.3 Zielsetzung und Methode
Eine der Bedingungen für Tauts Anstellung als Leiter und Dozent an der Akademie der Künste in Istanbul war, dass er ein Lehrbuch in türkischer Sprache schreibt. Taut publizierte seine Architekturlehre auf Türkisch unter dem Titel «Mimari Bilgisi»32 ; das Lehrbuch war die eine Überarbeitung von Tauts im japanischen Exil aufgezeichneten Überlegungen zur Architektur. Mit der Arbeit Bruno Taut’s Translations Out Of Germany toward, A Cosmopolitan Ethics In Architecture konzentriert sich Esra Akcan auf Bruno Tauts theoretische Schriften und analysierte das Haus von Taut in Istanbul anhand dieser Theorien. In diesem Lehrbuch setzte Taut sich sehr intensiv mit den Beziehungen zwischen Architektur und Staat und Machtapparat auseinander. Ähnlich wie Esra Akcan untersuche ich anhand Bruno Tauts theoretische Schriften die Errichtung der Fakultät für Sprachen, Geschichte und Geografie (Dil Tarih Cografya Fakültesi; DTCF).
In dieser Untersuchung zur Errichtung der DTCF in Ankara stelle ich den historischen Hintergrund des kemalistischen Autoritarismus und der Modernisierung nach westlichem Vorbild dar, um die Einflüsse auf die Architektur zu verstehen. Ich diskutiere nicht, ob der kemalistische Autoritarismus gerechtfertigt war oder nicht. Um zu verstehen, warum die Kemalisten sich so stark am Westen orientierten, untersuche ich zuerst die Geburtszeit der kemalistischen Herrschaft. Im ersten Kapitel wird vor allem die Rolle des Deutschen Reiches und seine Ambitionen im osmanischen Territorium untersucht. Im zweiten Kapitel der Arbeit geht es um die Gründungszeit der Türkei unter dem Einfluss der europäischen Mächte mit Schwerpunkt auf den deutsch-türkischen Beziehungen. Hier untersuche ich die Entstehungsgeschichte des DTCF vor dem Hintergrund der Gründung Ankaras als neue Hauptstadt der modernen Türkei. Das Schwergewicht der Arbeit bildet das dritte Kapitel. Ich zeige wieso Bruno Taut, ein deutscher Architekt, der auf der Flucht einer türken freundlichen NS-Regime in der Türkei arbeiten dürfte, wie hat die politische Situation in der Türkei auf Tauts schaffen wirkte.
2 Politischer Kontext
2.1 Jungtürkische Revolution
Die moderne Türkei war in vieler Hinsicht ein Produkt europäischer Machtpolitik. Nationalismus, Pogrome, Deportationen, Einparteienherrschaft, Personenkult, die nationalistisch geprägte Rhetorik, die Umsiedlung der Hauptstadt vom multikulturellen Istanbul ins ethnisch gesäuberte Ankara, die gewählte Ästhetik der Architektur – das waren althergebrachte Bestandteile der Politik der europäischen Länder in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Lange vor Russland, Italien und Deutschland stand das Osmanische Reich an der Spitze einer radikalen Revolution, die in der Zwischenkriegszeit zu einer "türkischen Version des Totalitarismus" führte. Es begann im Jahre 1908, erreichte den Höhepunkt im Ersten Weltkrieg und fiel politisch mit der Niederlage und Untergang des osmanischen Reiches, woraufhin Mustafa Kemal (Atatürk) die Führung in einer auf Kleinasien plus Edirne reduzierten Türkei übernahm.
Nach der Erklärung der konstitutionellen Monarchie von 1908 erklärten die Jungtürken die Nationale Architekturrenaissance (milli mimari rönesansı) zum offiziellen Stil der jungtürkischen Ära. Für die Vertreter der osmanischen Nationale Architekturrenaissance (auch Erster Nationaler Stil genannt) gehörten osmanische Formen und Motive wie Kuppeln, Spitzbögen und dekorierte Fliesen- und Marmordekorationen nicht zum Islam oder zum osmanischen Imperium, sondern primär zum Türkentum. Der bekannteste und produktivste Architekt der Nationaler Architekturrenaissance war Mimar Kemalettin Bey (1870–1927).33
Die Unionistin (Mitglieder der Partei der Einheit und des Fortschritts), die nach dem Waffenstillstand 1918 die Türkei Richtung Europa verlassen, sorgten dafür, dass eine Widerstandsbewegung im Falle der Besetzung tatkräftig bleibe. Der Führerstand der Partei agierte ab 1919 vom Deutschland besonders vom Berlin aus und versuchten für die Wiedererlangen der Macht in der Türkei errichten. Ihre Anhaltspunkte, Panturkismus aber vor allem Panislamismus verschaffte ihnen in der Diaspora breitere Basis und grössere Legitimation. Ihr radikales Programm bestand aus einer Mischung mit islamistischen, sozialistischen und korporatistischen Ideen, mit einer weitgehend vom Marxismus abgeleiteten Terminologie.34 In dieser Zeit gab es Zwei Parteien in Anatolien, nicht nur eine. Die von Mustafa Kemal und den Nationalisten und die andere, die von Enver, Talat. Die Unterdrückung dieses Flügels stand damals noch nicht auf der Tagesordnung der Kemalisten, da die nationalistische Bewegung von Mustafa Kemal sowjetische Unterstützung benötigte. Angesichts der erhöhten Opposition versuchte Mustafa Kemal, seine Machtposition im Parlament zu stärken, indem er im Mai 1921 seine Anhänger der «Fraktion für Verteidigung der Rechte» verband. Die Opposition reagierte mit der Bildung der «Zweiten Gruppe». Um diese Opposition zu beseitigen, sorgte Mustafa Kemal 1923 für die Auflösung der Nationalversammlung und die Abhaltung von neu Wahlen. Die Nominierten wurden von ihm selbst ausgewählt und «Fraktion für Verteidigung der Rechte» wurde zur Volkspartei umgetauft. In der zweiten Jahreshälfte trat jedoch eine neue Opposition auf. Viele der alten Anhänger und Führer des der Partei der Einheit und des Fortschritts schlossen sich der Oppositionspartei. Das war auch der Beginn des Kampfes zwischen der westlich-türkischen Kemalisten und der islamistisch-türkisch dominerten Option.
Die islamische Komponente spielten eigentlich bei der Gründung der türkischen national Bewegung eine entscheidende Rolle. Der Islam und die religiöse Verknüpfung sahen Kemalisten als Letze Hürde der Herrschaft des türkischen Nationalismus. Den Islam grundsätzlich zu negieren, kam ihnen aber nicht in den Sinn. Staat dessen brachten Kemalisten die Religion unter staatliche Kontrolle und kämpfen ihre politischen Gegner mit der Betonung die Rückständigkeit aufgrund deren Religiosität. Aus diesem Grund begann eine ideologisch aufgeladene dualistische Denkweise, die auf den Widersprüchen zwischen Altem und Neuem, Traditionellem und Zeitgenössischem, Reaktionärem und Fortschrittlichem beruhte. Der gesamte Architekturdiskurs der 1930er Jahre der Türkei wurde auf diesen Widersprüchen etabliert und legitimiert.35
1925 gab ein von der Religiösen Stammesführer organisierte Kurdenaufstand den Anlass für die Gesetze zur Aufrechterhaltung der Ordnung (Takrir-i Sükun Kanunu), dass der Regierung für einen Zeitraum von zwei Jahren ausserordentliche Befugnisse einräumte. Obwohl die Oppositionspartei die Unterdrückung des Aufstands bedingungslos unterstützte wurde sie geschlossen. Die Zeitungen, die die Opposition unterstützten, wurden ebenfalls verboten.36
2. September 1925 hatte Mustafa Kemal
Pascha sämtliche religiöse Aktivitäten durch Beschluss der grossen Türkischen Nationalversammlungen verboten und alle religiösen Klosterorden geschlossen. Der Gebrauch von Fes wurde am 25. November auch verboten und es wurde befohlen, einen Hut zu tragen, ein Symbol des Unglaubens in den Augen religiöser Muslime. Diese jüngste Reform37 stiess auf grossen Widerstand, der die Reaktion der Öffentlichkeit auf die Aufhebung des Sultanats oder des Kalifats bei weitem übertrifft. Als Reaktion der Regierung wurden die Unabhängigkeits–(Sonder)gerichte neu gerufen und zwangen das Volk, sich an das strenge Gesetze zu halten. Im türkischen Parlament wurde am 1. Januar 1926 das Wechsel zum der Gregorianische Kalender verabschiedet, und im Frühjahr wurden das Annahme des schweizerischen Zivilgesetzbuches und des italienischen Strafgesetzbuches verabschiedet.
Die Reformen der Republik Türkei vor- und nach 1923 löste Sympathien in der grossen Teile der europäischen Öffentlichkeit und wurden die Türken «ein in jeder Hinsicht gereiftes und zivilisiertes Volk»38 und daher «würdig» in «die Familie der zivilisierten Völker» empfunden.
2.2 Die Eroberung des orientalischen Bodens
Malte Fuhrmann vertritt die These, dass Anatolien in den kolonialen Bestrebungen des deutschen Reiches in 19. Jahrhundert wichtige Rollen gespielt habe. Er benennt drei verschiedene Rollen; Anatolien als unberührtes Land für Landwirtschaftliche Siedlungen analog wie Nordamerika; das alte Pergamon als Vorbild und inspirationsquelle für das aufsteigende deutsche Reich; dritte und für diese Arbeit wichtigste Rolle; Anatolien als Ort, der Zusammenarbeit, wo deutsche Kolonialismus und türkische Nationalismus zu ihren gegenseitigen Nutzen zusammenkommen könnten.39
So formulierte Ernst Jäckh bei seinem Buch «Der aufsteigende Halbmond, Beiträge zur türkischen Renaissance» im Jahre 1911 die : «Vor mir erhebt sich der Seraskierturm, der beherrschende Punkt de Millionenstadt Konstantinopel: von hier aus hat einst Moltke seine Studien zu seinen heute gültigen Plänen Konstantinopel gemacht; und von hier aus führt eine geistige Linie von Moltke über Feldmarschall von der Goltz -diesen Liebling des Türkenvolkes- zu den deutschen Generälen, die seit Jahren die türkisch Armeereform betreiben:..»40
Colmar Freiherr v. d. Goltz war einer der prominentesten Militärs im Kaiserreich und erreichte kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs den Rang eines Generalfeldmarschalls. Als Lehrer und Leiter der türkischen Kriegsschule in den 1880er-Jahren prägte v. d. Goltz eine ganze Generation ehrgeiziger osmanischer Offiziere. 1882 hatte er begonnen, Armee und Offizierkorps der Türkei umzuorganisieren . 41 Er hatte als deutscher Militärvertreter in Konstantinopel einen guten Zugang zu vielen Offizieren der osmanischen Armee und zum Sultan am Bosporus. Colmar von der Goltz Pascha hinterliess in den zwölf Jahren in Istanbul vor allem unter seinen Schülern an der osmanischen Militärakademie einen bleibenden Eindruck. Diese Generation verinnerlichte das Gedankengut seines Meisters, der «die totale Mobilisierung der Bevölkerung» forderte, und setzte in den kommenden Jahrzehnten das Konzept in die Tat um.42 Im Ersten Weltkrieg erhielt Goltz die Kommandogewalt über grosse Truppenverbände des Osmanischen Reiches. Er wurde Oberbefehlshaber der 6. osmanischen Armee. Goltz starb am 19. April 1916 in seinem Hauptquartier in Bagdad - an Typhus . 43
Seine beharrlichen Bemühungen für die Bewaffnung und Ausbildung der osmanischen Armee belohnte der Sultan mit einem Auftrag über 70 Millionen Goldmark für die deutsche Rüstungsfirma Krupp AG. Der zweite Grossauftrag für die deutsche Rüstungsindustrie ging wieder durch beharrliche Bemühungen von Colmar Freiherr v. d. Goltz an die Firma Mauser, den ältesten deutschen Waffenhersteller.44 Goltz Paschas Treffen mit Alfred Kaulla, Bankier und Vertreter von Mauser, im Jahre 1890 am Bosporus, öffnete den Weg zum grössten Bauvorhaben des Osmanischen Reichs. Alfred Kaulla überzeugte Georg von Siemens, den damaligen Vorstandspräsidenten der Deutschen Bank, in den folgenden sechs Jahren, die Bahnlinie Istanbul-Konya zu bauen. Weil der Sultan Abdulhamid mit der Leistung der deutschen Unternehmen sehr zufrieden war, vergab er den zweiten Auftrag, die Bahnlinie Konya–Bagdad, auch an deutsche Unternehmen.45 Otto Riese, Vertreter der Anatolischen Eisenbahn-Gesellschaft, übernahm die Oberleitung der Bauausführung.46 Die leitenden Ingenieure für dieses Projekt stellte die Firma Holzmann AG in Frankfurt.47 «Beim Bau der Strecke waren zeitweise über 35’000 Arbeiter unter oft extremen und gefährlichen Bedingungen beschäftigt. Die Bahn steht für das Leid von armenischen Zwangsarbeitern.»48 Oberstleutnant Karl Anton Johann Eduard Sylvester Boettrich,49 der für den Bau der Bagdadbahn zuständig war, unterzeichnete auch eigenhändig Befehle zur Ermordung von Armeniern, die als Zwangsarbeiter an der Bagdadbahn arbeiten mussten.50
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Abbildung 2: Karte Osmanisches Reich aus Theatrum Orbis Terrarum 1575; Bildquelle: Unbekannt
Das Interesse des Deutschlands an der Verstärkung der wirtschaftlichen Kooperation mit dem osmanischen Reich wurde 1911 von Paul Rohrbach zu Papier gebracht. «Unter das Stichwort, «Bagdadbahn» gehört ein für Deutschland sehr weittragender, umfassender und nicht einfacher Zusammenhang von Tatsachen und Erwägungen der großen Politik… Es gibt für Deutschland im Grunde nur eine einzige Möglichkeit, ein englischer Angriffskrieg zu begegnen, und das ist die Stärkung der Türkei. England kann von Europa aus nur an einer Stelle zu Lande angegriffen und schwer verwundet werden: in Ägypten. Mit Ägypten würde England nicht nur die Herrschaft über den Suezkanal und die Verbindung mit Indien und Ostasien, sondern wahrscheinlich auch seine Besitzungen in Zentral- und Ostafrika verlieren. Die Eroberung Ägyptens durch eine mohammedanische Macht wie die Türkei könnte außerdem gefährliche Rückwirkungen auf die 60 Millionen mohammedanischer Untertanen Englands in Indien, dazu auf Afghanistan und Persien haben. Die Türkei aber kann nur unter der Voraussetzung an Ägypten denken, daß sie über ein ausgebautes Eisenbahnsystem in Kleinasien und Syrien verfügt, daß sie durch die Fortführung der anatolischen Bahn nach Bagdad einen Angriff Englands auf Mesopotamien abwehren kann, daß sie ihre Armee vermehrt und verbessert und daß ihre allgemeine Wirtschaftslage und ihre Finanzen Fortschritte machen.»51
Neben Colmar von der Goltz waren die Deutschen Erich von Falkenhayn, Liman von Sanders, und Friedrich Kress von Kressenstein, Felix Guse, Paul Bronsart von Schellendorff, als Generäle in der Türkei aktiv und bekamen den Titel Pascha – Oberkommandant. Während des Krieges erweiterte das Deutsche Reich den Umfang der deutschen Militärmission in der Türkei auf fast 800 Offiziere und 12’000 Soldaten.52 Deutsche Militärs bildeten osmanische Truppen aus und kommandierten teilweise sogar ganze Truppenteile. Diese Paschas prägten das osmanische und türkische Militär wesentlich und nachhaltig. Einige wie Paul Bronsart von Schellendorff sogar tiefgreifend: «Der Armenier ist, wie der Jude, außerhalb seiner Heimat ein Parasit, der die Gesundheit eines anderen Landes, in dem er sich niedergelassen hat, bedroht.»53 Schellendorff54 war nicht nur eine der führende Persönlichkeiten der deutschen Militärmission im osmanischen Reich, sondern auch Drahtzieher deutschen Hilfe beim
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Abbildung 3: Die deutsche Militärmission für die Türkei vor ihrer Abreise im Dezember 1913 am Bahnhof. Von links nach rechts: Major Etienne Perrinet von Thauvenay, Major v. Feldmann, Hauptmann Bodo v. König, Oberst Bronsart v. Schellendorf, Generalleutnant Liman v. Sanders (Leiter der Mission), Oberst Erich Weber, Militär-Intendanturrat Theodor Buchardi, Major August Nicolai, Oberstabsarzt Prof. Dr. Georg Mayer, Oberleutnant Carl Mühlmann.; Bildquelle: Presseveröffentlichung (Reclams Universum, 30. Jg., Heft 12, S. 588, erschienen am 18. Dezember 1913) Völkermord an den Armenien.
2.3 Deutscher Einfluss auf die Jungtürken und ihre Ideologie
Am Vorabend des Ersten Weltkrieges war die osmanisches Vielvölkergesellschaft in zahlreiche ethnische Berufszweige aufgeteilt. 1908 kam im Osmanischen Reich die als Oppositionsbewegung entstandene Partei der Einheit und Fortschritts an die Macht und führte die Partei das Osmanismus «Einheitlichkeit der Elemente» als politisches Programm weiter; mit dem Ziel, das Auseinanderbrechen des Vielvölkerreiches verhindern und das Reich in einen modernen Zentralstaat zu verwandeln. Während nicht-muslimische Bürger in den handwerklichen Berufen und Handelsbetrieben tätig waren und dadurch den ökonomisch stärkeren Teil der osmanischen Bevölkerung ausmachten, verstanden sich muslimisch–türkische Bürger in privilegierten Gruppen wie Militär, Verwaltungen und religiösen Oberschichten als staatstragende Berufszweige. Das osmanische Reich war multinational und multikonfessionell. Die bürokratische und militärische Elite des Staates bestand aus Christen und Muslimen, Griechen und Türken, sowie Juden, Armeniern, Slawen und Arabern. Während dem Ersten Weltkrieg führte die Regierungspartei Partei der Einheit und des Fortschrittes eine Politik der staatlichen Förderung einer türkischen Bourgeoisie.55 Um die Nationalisierung von Anatolien zu unterstützen, gründeten neben einem Nationalen Verteidigungskomitee (Milli Müdafa Cemiyeti) auch eine Kooperation (Esnaf Cemiyeti) der muslimisch-türkischen Händler. Diese beiden Komitees kontrollierten den Verkauf und die Verteilung der Güter in den Städten und ermöglichten günstige Bedingungen für müslimisch-türkische Spekulanten. Krieg und Spekulationen verursachten einerseits die Verarmung grosser Teile der Bevölkerung, andererseits stiegen Kriegsgewinnler zu einer neuen Wirtschaftselite auf.56
Die zweite Periode der Regierungszeit der Partei Ittihat ve Terakki begann nach Taner Akcam ab 1913. Die Partei nutzte die Niederlage in den Balkankriegen im Jahre 1913 für einen Staatsstreich und riss die Macht an sich. Sie führte eine Ein-Parteien-Diktatur ein und brachte alle oppositionellen Parteien zum Schweigen.57 Die Partei nutzte die Phase der Alleinherrschaft, um ihr Programm der «Harmonisierung» umzusetzen. Sie entwarf Pläne, die einen homogenen Nationalstaat vorsahen. Die Homogenisierung sollte aber nach Meinung der führenden Schichten der Partei ohne die christliche Bevölkerung des Reiches geschehen. Griechen, Armenier und Bulgaren galten als illoyal und mitverantwortlich für den Untergang des Reiches. Im Jahre 1914, noch vor Beginn des Ersten Weltkrieges, begann die Partei mit der Säuberung der Ägäis und Thrazien; in den Kriegsjahren setzten sie die Säuberung und die Türkisierung Anatoliens planmässig fort.58
Mit dem Gesetz vom 14. Mai 1915 als Grundlage deportierte die osmanische Regierung alle Armenier des osmanischen Reiches aus Anatolien und Rumelien nach Syrien. Die Hälfte der rund eine Million Deportationen starben an Hunger, Kälte, Krankheit und Bandenüberfällen. «Das Vorgehen der türkischen Militärs gegen die Armenier widerspiegelt denn auch die seit Jahren von Goltz vertretenen Lehren über den Vernichtungskrieg im Zeitalter des Nationalismus. Die von ihm seit dem Balkankrieg von 1912/13 noch verstärkt propagierte Kräftigung der Türkei auf der Grundlage einer Sammlung der islamischen Bevölkerung führte in letzter Konsequenz zu ethnischen Säuberungen. Als Mentor zahlreicher türkischer Militärs sowie im Umgang mit dem Osmanischen Reich erfahrenster deutscher Offizier kam Goltz großes Gewicht zu. Insofern war er bereits lange vor dem Ersten Weltkrieg maßgeblich daran beteiligt, die theoretischen Grundlagen für den Genozid an den Armeniern von 1915/16 zu schaffen.»59
Ismail Enver Pascha war der Kriegsminister des osmanischen Reiches im Ersten Weltkrieg. Als er zwischen 1909 und 1911 als Militärattaché an der osmanischen Botschaft in Berlin wirkte, hatte preussisch-osmanische militärische Zusammenarbeit schon eine längere Tradition. Neben der preussischen Militärmission waren hieran auch junge osmanische Offiziere beteiligt, die eine preussische Militärausbildung genossen. Der osmanische Verteidigungsminister im Ersten Weltkrieg Enver Pascha, der Mitglied des engsten Führungszirkels des jungtürkischen Komitees war, war massgeblich mit dafür verantwortlich, dass das Osmanische Reich Ende 1914 auf Seiten des Kaiserreiches in den Krieg eintrat. Es war ihm ein Anliegen, deutsche Offiziere ins Osmanische Reich zu holen. Mit dem deutschen Marineattaché in Konstantinopel Hans Humann, der die Armeniergräuel rechtfertigte, war er seit Kindheit eng befreundet.
Wie Ismail Enver, war auch Mustafa Kemal ein Schüler von Colmar Freiherr v. d. Goltz.60 Später, am 7. Juli 1917, erhielt Mustafa Kemal das Kommando über die 7. Armee in Aleppo und wurde somit General Erich von Falkenhayn unterstellt. In der türkischen wie in der deutschen Öffentlichkeit wird geglaubt «Vom ersten Tag seiner Unterstellung unter das Kommando Falkenhayns an hatte Mustafa Kemal mit ihm Differenzen».61 Am 06. Dezember 2017 wurde in «Welt» einen Artikel von Sven Felix Kellerhoff veröffentlich. Er behauptet, dass Erich von Falkenhayn (1861–1922) im November 1917 ein Mustafa Kemal geplantes Pogrom gegen Palästinas Juden unterband. Mustafa Kemal Pascha wollte 66’000 Juden, die als Sicherheitsrisiko für das osmanische Reich galten, aus Palästina vertreiben.62
1917 führte eine Reise Mustafa Kemal Pascha, der inzwischen ein ordengeschmückter General war, mit Thronfolger Vahideddin nach Deutschland. Der Kaiser empfing die Türken in Kreuznach, im deutschen Hauptquartier. Mustafa Kemal Pascha und Thronfolger Vahideddin trafen Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg und Generalquartiermeister Erich Ludendorff. Danach stand ein Essen bei Nikolaus von Dallwitz, Reichsstatthalter für Elsass-Lothringen, im Programm. Das Gespräch kam auf die «armenische Frage»; Mustafa Kemal Pascha stellte 1926 seine Reaktion folgendermassen dar: «Ich sagte: ›Wie kommen Sie auf den Gedanken, zu Gunsten der Armenier zu sprechen, die behaupten, zu einem, ich weiß nicht welchem Zeitpunkt und in welcher Epoche, [als Nation] existiert zu haben, und die, um diese Existenz aufs neue zu beweisen, die Welt betrügen zum Schaden einer Türkei, die ihr Verbündeter ist, und die ihre ganze materielle und geistige Existenz für dieses Bündnis aufs Spiel setzt?».63 Mit dieser Kühnen Aussage zeigte der ehrgeizige General, dass er die gemeinsame politische Linie des Bündnisses gut kannte. «In Richtlinien für deutsche Journalisten vom 7. Oktober 1915 unter dem Titel «Über die Armeniergreuel» ist Folgendes zu sagen: Unsere freundschaftlichen Beziehungen zur Türkei dürfen durch diese innertürkische Verwaltungsangelegenheit nicht nur nicht gefährdet, sondern nicht einmal geprüft werden. Deshalb ist es einstweilen Pflicht zu schweigen. Später, falls direkte Angriffe des Auslandes wegen deutscher Mitschuld erfolgen sollten, muss man die Sache mit größter Sorgfalt und Zurückhaltung behandeln und stets hervorheben, dass die Türkei schwer von den Armeniern gereizt wurde.»64 Mustafa Kemal, der als gute Taktiker galt, signalisierte dadurch, dass er für den Posten als Oberbefehlshaber hervorragend geeignet wäre.
2.4 Deutscher Kulturimperialismus im Osmanischen Reich: Das Haus der Freundschaft in Konstantinopel
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltenDas erste Projekt, das Bruno Taut für die Türkei entworfen hatte, war das Wettbewerbsbeitrag für «Das Haus der Freundschaft in Konstantinopel» von 1916. Taut hatte bei diesem Vorschlag einen ganz anderen Ansatz gewählt als seine Entwürfe, die er in derselben Zeit in Deutschland entworfen hatte, wie den Glaspavillon oder die alpinen Architekturskizzen, wo er nach einer modernen und zeitgenössischen Architektursprache suchte. Das Projekt für Das Haus der Freundschaft in Konstantinopel ist aber deswegen wichtig, denn viele spätere Taut’s Projekte in der Türkei, vor allem die Schulbauten, die Einstellung, die man hier beobachten kann, widerspiegeln. Das Wettbewerbsprojekt war sehr interessant in Bezug auf die Kombination seines expressionistischen Stils mit Ornamenten, die von der osmanischen Architektur inspiriert waren, wie grosse Kuppel, Strebepfeiler oder kleine Türme, die an Minarette erinnern, die den grossen Konferenzsaal bedecken. Die Kuppel kann als ein von den Moschee–Typologien inspiriertes Element interpretiert werden, aber sie spiegelt auch seine Ideen für die alpine Architektur und seine Stadtkrone wider. Der Grundriss wurde auf zwei grossen Bereichen geteilt, dem Hauptkonferenzsaal und den kleineren Räumen beherbergen, die sich um einen Innenhof im hinteren Teil des Gebäudes gruppieren.65
Die Gründung einer deutsch-türkischen Hochschule geht zurück auf eine türkische Studienreise nach Deutschland im Jahr 1912. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg, am 11.02.1914, wurde die Deutsch-Türkische Vereinigung gegründet. Ernst Jäckh (1875-1959) auch «Türken Jäckh» genannt leistete grosse Arbeit als Chefredakteur der Heilbronner Neckar-Zeitung - Sprachrohr der deutsch-türkischen Verständigung -, im Dienst der Kreise um Friedrich Naumann. Schon seit dem jungtürkischen Putsch im Jahr 1908 versuchte Kloosterhuis als «Friedliche Imperialisten» im Orient den französischen Einfluss durch deutsche Bildungsarbeit zurückzudrängen.66 «Deutschland müsste helfen, die Türkei zu «türkisieren» nicht zu «germanisieren»» war das berühmte Schlagwort, das von Ernst Jäckh geprägt wurde. «1912 zieht er nach Berlin um und wird, als Vertreter von Politik und Nationalökonomie, Geschäftsführer des Deutschen Werkbundes… Von seinen Freunden Friedrich Naumann und Kiderlen Wächter zu einer Reise ins osmanische Reich veranlasst, veröffentlichte Ernst Jäckh 1909 sein Buch «Der aufsteigende Halbmond». Auf dem Weg zum deutsch-türkischen Bündnis, worin er für eine ökonomische und kulturelle Expansion Deutschlands plädiert»67
1917 repräsentierte die Deutsch-Türkische Vereinigung ca. 5'000 deutsche Mitglieder. «…Vertreter grosser Unternehmen wie der Robert Bosch GmbH, Krupp, Rheinstahl oder Philipp Holzmann, die ausnahmslos schon vor 1918 im Türkei-Geschäft wirksam waren»68 fehlten nicht in der DTV. Nach dem Waffenstillstand verlor die Vereinigung die meisten Mitglieder und schrumpfte auf 300 Mitglieder. Da das Projekt Haus der Freundschaft (Dostluk Yurdu) in Konstantinopel nicht realisiert werden konnte, wurden die für das Projekt gesammelten Gelder – ein Bankkapital von zwei Millionen Mark –, für die Studierenden aus der Türkei verwendet. Obwohl noch die Grundsteinlegung des zur Ausführung bestimmten Entwurfs von German Bestelmeyer schon am 27. April 1917 erfolgte und auch im Oktober 1917 Kaiser Wilhelm II. die Baustelle besichtigte, konnte das Projekt für ein Haus mit modernsten technischen Einrichtungen für den Unterricht oder kulturelle Veranstaltungen, ein Konzertsaal und ein Saal für Lichtbildvorführungen beherbergen sollte, nicht vollendet werden. Unter den Teilnehmern des zuvor erfolgten Wettbewerbs in Deutschland war auch Bruno Taut. Für den Bau, der ein ganzes Stadtquartier umfassen sollte, wurde von den Osmanen ein 6'000 Quadratmeter grosses Grundstück zur Verfügung gestellt.69
Im Jurybericht wurde die Frage gestellt, «ob es richtig und möglich sei ein "deutsches" Gebäude in der Türkei zu bauen, das so "türkisch" aussah"?». Beim Jurybericht wurde generell der erhebliche Einsatz osmanischer Elemente sowie den Zusammenhang zur islamischen Architektur.70 Taut dagegen glaubte, die Schönheit des grossen klassischen Werkes, von Sinan und -des Gotischen Doms- sei das Resultat der Genius der Proportionen, die ihre allmähliche Entwicklung in der Reihe nacheinander gebauten gross Werken zeigen lassen. Er stellte fest, dass die Bautypen der alten Epochen sich gegenüber der Gegenwart in zeitlichen und örtlichen Kontext stark voneinander unterscheiden. Sie weisen anders als moderne Bauten eine sehr lange Lebensdauer und hatten grössere Bedeutung für das Gesellschaftliches Leben. Alle Epochen die eine solche grosse Baukultur erzeugt hatten lassen auch ein Grundgesetz für die Baukunst erkennen, dessen Einhaltung jene klassischen Bauwerke geschaffen hatte, das war die Kontinuität. Sie hielten nicht nur sehr lange an dem gleichen Schönheitsideal fest, sondern auch an Grundrissschema und waren auch fähig die Entwicklung des Stils vorantreiben und es mit der Gegenwart und mit der Zukunft zu verbinden. In dieser Stelle war für Taut Konstantinopel als Hauptstadt ein grossartiges Bespiel gewesen. Die hervorragende Leistung der osmanische Moscheebauten sinnbildlichen das blosse Hinzufügen der Harmonie also die Schönheit an die bestehende Baukunst der byzantinischen Epoche. Für Taut waren die Bauten der Gotik und osmanischen Architektur hervorragende bespiele was Schönheit und Proportion bedeuten würde. Bei
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Abbildung 5: Innenraum von Süleymaniye Cami, Bild: Sébah & Joaillier, 1888 beiden Fällen wurde der Stil aus der Konstruktion entstanden.71
Im Jahre 1927 schrieb der kemalistische Ideologe Ahmed Hasim, der Kritiker und Dichter, dass es sich eine Art Medrese-Architektur entwickelte, indem sich alle Bauten, egal ob sie Schulen, Hotels oder Spitaler sind wie Karikaturen der Moschee aussehen. Auf solche Kritiken reagierte der Stararchitekt Kemalettin Bey so; «Ich habe dreissig Jahres meines Lebens dem gewidmet, dass bei dem architektonischen Werken ein dem Türken eigner Geschmack sich herausgebildet, dreissig Jahre habe ich mich darum bemüht, dass die türkische Städte wie alle zivilisierten Städte einen unseren Nation eigenen Stil tragen. Jetzt nennt man diesen Stil Türbe- oder Moscheearchitektur und schätzt in gering.»72 Über Moscheearchitektur war Bruno Taut gar nicht negativ eingestellt. Er glaubte, in Grunde genommen bestehe ein Moscheebau aus einem ganz einfachen, klaren und übersichtlichen System. Die grosse Kuppel als Halbkugelschale beruht auf vier Bogen, die auf vier Pfeilern verspannt sind. An die grosse Kuppel werden zwei oder vier Halbkuppeln angebaut, die Druckkräfte aufnehmen und an den kleineren ganz Kuppeln weiterleiten. Obwohl das ganze so einfach und schematisch klingt, in Wirklichkeit ist es ein harmonisches Zusammensetzen von Kuppeln, Bögen und Säulen. Die Gewölbezwickeln als Übergang zwischen Kuppel und geraden Wänden gehen in Stalaktiten zu einer einzigartigen Einheit über, und lösen sie sich von der Zweckmässigkeit der konstruktiven Leistung und erheben den ästhetischen Anspruch. Auch die Anordnung der Fenster, ihre genauste Anpassung mit der Grösse und der Positionierung auf den Lichtverhältnissen legt Taut grosse Wert. Bewundernswert fand er, dass der Raum hell genug aber doch im Sommer trotzdem angenehm kühl bleibt. Bei zweckmässiger Verteilung der Fenster, -obere für gedämpften Raumlicht, untere für Koranlesen-, sah Taut Ähnlichkeiten mit der grösseren Räumen Istanbuler Villas. Allen voran war Taut von der Zurückhaltung der Gestaltung des Innenraumes und auf Fayans-Bemalungen reduzierten, in der Profilierung zartgehaltener Verzierungen.73
2.5 Deutsch-türkische Beziehungen in der Zeit der Weimarer Republik
In der Nacht vom 1. auf den 2. November 1918 verlassen die Führungseliten der ehemaligen jungtürkischen Partei der Einheit und des Fortschrittes Mehmed Talaat, Enver, Cemal, Nazim, Bahaeddin Şakir, Cemal Azmi in einem deutschen U-Boot Konstantinopel Richtung Krim. Die Organisation der Flucht ging vom deutschen Militär im Umkreis Hans von Seeckts aus.74 Die neue Regierung des Osmanischen Reiches forderte vergeblich im Februar 1919 die Auslieferungsforderung von Talaat, Enver und der anderen Unionisten, denen als Kriegsverbrecher und Hauptverantwortliche der armenischen Massaker die Todesstrafe drohte. 1921 erschoss ein armenischer Attentäter in Berlin Mehmed Talaat Pascha. Anschliessend erreichte die Debatte um die Armenier-Verfolgungen und die deutsche Mitverantwortung ihren Höhepunkt.75 Der Gerichtsprozess gegen den Attentäter gewann schnell einen politischen Charakter. Weltgeschichtlich bedeutet der Prozess wegen der Ermordung Mehmed Talaat Paschas vor allem offizielle Anerkennung der Massaker an den Armeniern und die Schuld des Grossvesirs und seiner Mitstreiter am Genozid an den Armeniern. Von da an bemühten sich die Kemalisten, sich von ihrer Vorgängerpartei der Unionisten zu differenzieren und ihre jungtürkische Vergangenheit herunterzuspielen.76 Die deutsch-osmanische Freundschaft überlebte die Folgen des Ersten Weltkriegs ohne grossen Schaden. 1924 unterzeichnete die Türkei mit Österreich und 1927 mit Deutschland und der Schweiz Handelsverträge. 15. August 1925 wurde zwischen den türkischen Regierungsvertretern und die Junkers Flugzeugwerke AG den Vertrag für die Gründung der Türkische Motoren- und Flugzeugbau-Aktiengesellschaft (abgekürzt «Tomtasch») unterzeichnet. Zwischen JUNKERS Flugzeugwerk AG -vertreten vom Direktor Hans SACHSENBERG- und dem türkischen Minister für Nationale Verteidigung fand am 24.11.1929 ein weiteres Geschäftliches Zusammenkommen statt über die Bildung der GIFTGAS AG.77
Offiziell setzten Türkei und Deutschland beiden Waffenbrüdern im Ersten Weltkrieg ihre Wirtschaftliche Kontakte ab 1923 über ein Wirtschaftsbüro mit Sitz in Frankfurt weiterfort.78 Bereits 1924 unterzeichnete die Türkei mit Österreich und 1927 mit Deutschland und der Schweiz Handelsverträge. Parallel dazu übernahmen deutsche Unternehmen die Kontrolle der Türkischen Firmen, wie die Stettiner-Chamotte-Fabrik AG- «Türkischen Elektrizitätsgesellschaft AG» zur Wasser-, Gas- und Stromversorgung in den türkischen Grossstädten, oder die Baugesellschaft «Keşfiyat ve İnşaat Türk Anonim Şirketi», wo Carl Christoph Lörcher als Fachmann angestellt war.
In dieser Zeit entwickelte sich auch in Deutschland einen neuen Türkenfieber um die Türkei und deren neuen Herrschaft Mustafa Kemal. Vor allem im rechten Segment der Printmeiden wurde die türkische Nationalstaat mit einer staken Mann an der Macht, der das Land mit eisernen Händen regierte, bei der Gewaltanwendung kein bisschen zurückhaltend war und die Städte so gestaltete wie er wollte, mit Bewunderung verfolgt.79 Mustafa Kemal und seine Angoras Regierung wurden Sinnbild der Nationalsozialisten der Weimarrepublik, die kurz ihren Putschversuch in München «Her mit dem Angoras Regierung» ihr politisches Programm an der Zeitung «volskischer Beobachtung» Publik gemacht hatten. Damals tritt eine Person mit seinem Ankara und Mustafa Kemal Begeisterung deutlich hervor. «Hans Tröbst, ein Nazi der ersten Stunde und der wohl einzige ausländische Söldner im Dienst der Kemalisten Anfang der zwanziger Jahre.»80
Auch die militärische Zusammenarbeit nahmen Deutschland und die Türkei nach der Konsolidierung der Machtverhältnisse ab 1923 wieder auf. Eine Gruppe von deutschen Militärberatern unter der Führung Oberst Wilhelm von Klewitz engagierte sich für den Aufbau der türkischen Streitkräfte. Zudem bestellte die türkische Regierung den ehemaligen Chef der Abteilung «IIIb», Walther Nicolai, nach Ankara, um ein geheimes Sicherheitsorgan zu gründen. Walther Nicolai bekam eine Schein-Anstellung bei JUNKERS Flugzeugwerk AG in Ankara. Die deutschen und türkischen Behörden nutzten JUNKERS Flugzeugwerk AG mehrfach bei solchen Fällen als Tarnung.81
Gemäss Sabine Mangold-Will; «In die Jahre 1925-1927 fallen nämlich nicht nur die intensiven Bestrebungen zum Weiterbau und zur Entschädigungsregelung für die Anatolische und die Bagdad-Bahn, sondern auch der Aufbau eines Junkers-Werkes in der Türkei, das als Ersatz für die 1925 eingestellte Produktions- und Übungsstätte der zivilen und militärischen Luft fahrt in der Sowjetunion dienen sollte. Insbesondere die Vermittlung der Junkerswerke in die Türkei galt nach den Worten des Außenministers» im politischen Interesse des Reiches «als wertvoll.»82
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Abbildung 7: Türkische Motoren- und Flugzeugbau, Bildquelle: Yeni Şafak Archiv
2.6 Die Tradition der deutschen Moderne
Die politische Orientierung und der Status der deutschsprachigen nach 1933 in der Türkei Zuflucht suchenden und Arbeit findenden Architekten und Städteplaner waren sehr widersprüchlich. Clemens Holzmeister bekam die ersten Aufträge für die Hauptstadt Ankara im Jahre 1927. Ernst Egli kam schon 1926 in die Türkei und wurde Leiter der Istanbuler Akademie83. Ernst A. Egli, der 1924 bis 1927 Assistent von Clemenz Holzmeister in Wien war, ernannten die türkischen Behörden zum Leiter der Architekturabteilung der Akademie der bildenden Künste in Istanbul. Egli begann im Jahr 1930 in der Türkei mit der Arbeit.84 Seine Aufgabe war, die Architekturausbildung zu modernisieren. Zu diesem Zweck ersetzte Egli das System vom Architekt Vedat Bey durch Entwurfswerkstätten, in denen Lehrer die rationalistisch-funktionalistischen Prinzipien der Moderne unterrichten sollten. Zusammen mit dem Architekten Rebii Gorbon sollte Egli das Ausbildungsprogramm demjenigen von Deutschlandangleichen. Egli vertrat jedoch eine regionale Architektur und hielt es für notwendig, die alte türkische Architektur zu erforschen.
Als Eglis Nachfolger als Leiter der Istanbuler Akademie sah Cevat Dursunoğlu, der zuständige Staatssekretär im Unterrichtsministeriums, einen deutschen Architekten.85 Hans Poelzig, der schon 1916 mit einem Wettbewerbsbeitrag für das deutsch-türkische Haus der Freundschaft in Istanbul seine ersten Berufserfahrungen im Orient erlangte, entwarf ab 1934 Bauten für Istanbul und Ankara.86 Der Erbauer des berühmten Verwaltungsgebäudes der I.G.-Farben in Frankfurt am Main knüpfte auf seinen Reisen in die Türkei weitere Kontakte und unterschrieb 1935 einen Vertrag mit der Baukünstlerischen Akademie in Istanbul als Egglis Nachfolger. Noch bevor er die Professur antreten konnte, starb Hans Poelzig 1936 in Berlin. Der erste Entwurf für das neue DTCF Gebäude war von Hans Poelzigs Atelier.87 Martin Wagner war in der Mitte der 1930er Jahre technischer Berater des Ministeriums in Ankara. Taut und Wagner kannten sich aus Berlin. Wagner war die treibende Kraft bei der Bildung der genossenschaftlichen Bauunternehmung, der GEHAG GmbH in Berlin, die im April 1924 gegründet wurde. Taut war deren beratender Architekt.88
Die Stelle an der Istanbuler Akademie, für die das türkische Erziehungsministeriums Bruno Taut berufen hatte, war hoch angesehen und gut bezahlt. Die türkische Führung bemühte sich ab den 30er Jahren, die Stelle mit einer renommierten Persönlichkeit zu besetzen.89 Cevat Dursunoglu, der Taut als Eglis Nachfolger durchsetzen konnte, war der zuständige Staatssekretär im Unterrichtsministeriums und hatte 1911 bis 1914 in Deutschland Philosophie und Pädagogik studiert. Gemäss Nicolai galt Dursunoğlu «zu den jungen kemalistischen Beamten, die ausgesprochen deutschfreundlich eingestellt waren». Auch bei der Frage bezüglich Eglis Nachfolger erklärt Dursunoğlu seine pro-deutsche Haltung der deutschen Botschaft: «Cevat erklärte hierbei, er lege grosse Wert darauf, dass die Tradition der deutschen modernen Architektur für die Türkei erhalten bleibe und möchte trotz der vielen ausländischen Konkurrenzangeboten wieder einen Deutschen anstellen».90 So begann das zuständige Staatssekretariat Sondierungsarbeiten in Deutschland. Ein Bericht über ein Treffen an der Preussischen Akademie der Künste in Berlin zeigt, dass die türkische Regierung einigen deutschen Professoren die Stelle angeboten hatte, die Hans Poelzig ursprünglich als Direktor der Akademie der Bildenden Künste in Istanbul übernehmen sollte. In diesem Dokument ist neben Martin Elsässer noch ein in Stuttgart arbeitender Professor erwähnt.91
Bernd Nicolai behauptet, dass die stattlichen deutschen Stellen versuchten, den regimekonformen Bräuhaus de Groot als Direktor der Akademie durchsetzen. Cevad Memduh ALTAR92, der mit Cevat Dursunoğlu arbeitete und Abteilungsdirektor für Bildende Künste im Bildungsministerium war, war auch für die Neuorganisation der Istanbuler Akademie der Schönen Künste zuständig. 1936 schickte ihn die türkische Regierung nach Berlin, um über die Einzelheiten der Olympischen Spiele in Berlin zu reden. In Begleitung von Reşat Şemsettin Sirer besuchte er in dieser Zeit einen der berühmtesten Berliner Architekten, Bräuhaus de Groot, in seiner Vila in Grünewald, um ihm das Angebot seiner Regierung für die Leitung der Architekturabteilung der Akademie einzureichen.93 Bräuhaus de Groot meldete sich zwei Tage nach diesem Treffen und bedauerte, dass er das Angebot ablehnen müsse. Er begründete die Ablehnung damit, dass es ihm als Inhaber eines grossen Bauunternehmers nicht möglich sei, seine Firma aufzugeben und Mitarbeiter zu entlassen. Nachdem Cevad Memduh nach Ankara zurückkehrte und das Resultat dem Ministerium übermittelte, setzte er die Expertensuche erneut fort. Als unter den ausländischen Experten, die diese Aufgabe übernehmen wollen, auch Bruno Tauts Name auftauchte wurde die Suche eingestellt.94 Bruno Taut arbeitete zu dieser Zeit in Tokio. Nach einer schriftlichen Vereinbarung kam Taut in die Türkei und übernahm die Leitung der Abteilung für Architektur an der Akademie. Er führte auch Arbeiten im Zusammenhang mit dem Baubüro des Erziehungsministeriums für nationale Bildung durch. Bis zu seinem Tod am 24. Dezember 1938 arbeitete Bruno Taut als Architekt in Istanbul und Ankara. In zwei Jahren planten er und seine Mitarbeiter vierundzwanzig Bauprojekte. Fünf davon konnte Taut realisieren, darunter auch sein eigenes Wohnhaus.
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Abbildung 8 : DTCF, Hauptfassade, 2010er Jahre; Bildquelle: Hakan Dagistanli, Architekturführer, Ankara .
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Abbildung 9: DTCF Bruno Taut, 1980er Jahre; Bildquelle: Manfred Speidel.
3 Die Rolle der Architektur in der Nation Bildung
3.1 Architektur als politisches Werkzeug und die Vorreiterrolle der deutschen Planungspraxis
Nach dem Zerfall das multiethnische Osmanische Reich begann sich die Türkei zunehmend als Nationalstaat zu verstehen. Nach den Massenmorden an Armeniern 1915 erfolgte 1923 ein Bevölkerungsaustausch mit Griechenland.
Für die Kemalisten stand von am Anfang an die Idee eines «Nationalstaates» im Mittelpunkt.95 Als führende Elite sahen die Kemalisten ihre Aufgabe darin, mit Hilfe des Staates die Wirtschaft in die Hände der türkischen Nation zu übergeben. 1923 beim Wirtschaftskongress in Izmir erklärten sie den Wirtschaftskrieg gegen die nicht-muslimische Händler als Feinde der Nation. Auch das muslimisch-türkische Bürgertum in Istanbul, das in der Regel ein Werk der Partei für Einheit und Fortschritt war, empfanden die Kemalisten als nicht ganz passend. Ähnlich wie, das Ultra-nationalistische Komitee für Einheit und Fortschritt, dass jede Opposition in 1913 beseitigte, instrumentalisierte Republikanische Volkspartei von Mustafa Kemal, die Architektur und Städtebau zur Legitimation der autoritären Staatsmacht und begann in Ankara ihre eigene Bourgeoisie aufzubauen.96 Kemal Atatürks Partei CHP (Republikanische Volkspartei) war äusserst komplex. Neben nationalistischen und faschistischen gab es auch liberale und sogar sozialistische Gruppierungen. Ausgeschlossen waren ab 1925 Islamisten und mit ihnen kooperierende kurdische Separatisten.
Um sich nicht einseitig von Russland oder den Alliierten abhängig zu machen, zogen die Türken die Deutschen nach dem Krieg gezielt zur Beratung und zum Wiederaufbau der neuen Türkei heran. Die die wirtschaftlichen Beziehungen sowie historische Waffenbruderschaft spielten dabei die entscheidende Rolle auch im Bereich der Städteplanung. Gemäss Oya Atalay Franck arbeiteten zwischen 1924 und 1942 rund vierzig deutschsprachige Architekten und Städteplaner in der Türkei, darunter namhafte Architekten wie Carl Christoph Lörcher, Hans Poelzig, Clemens Holzmeister, Ernst Egli, Hermann Jansen, Martin Wagner und Bruno Taut.97
Die Architektur sollte als Werkzeug genutzt werden, um die nationale Ideale, die Verwestlichung98 und das Türkiseren des Landes, zu reflektieren. So entstanden in den 1930er Jahren in Ankara moderne Bauten in faschistischem Stil, die die Entstehung einer modernen Nation unter Berücksichtigung der Ziele des Einparteienregimes bekräftigen sollten.
Carl Christoph Lörcher, der Mitglied der NSPDA war und - die Vereinigung der Ämter des Reichspräsidenten und des Reichskanzlers unterstützte, prägte mit seinem Bebauungsplan für Ankara nicht nur die weitere Planung der neuen türkischen Hauptstadt, sondern den gesamten Stadtplanungsgedanken der neuen türkischen Städte. Architektur und Städtebau sollten die Inhalte der neuen Ordnung, allen voran die Modernisierung der Gesellschaft, visualisieren und eine Bühne für die Autorität der republikanischen kemalistischen Ideologie bieten. Die neue Architektur sollte als Medium für die Verbreitung des Kemalismus dienen.
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Abbildung 11: Palazzo delle Poste di Palermo, 1930er Jahre; Bildquelle: Unbekannt
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Abbildung 11: Clemens Holzmeister, Türkische Zentralbank, Ankara, 1931–33; Bildquelle: EVKAM Archiv, 1940er Jahre.
Ab 1932 näherte sich die Türkei sowohl an die Sowjetunion als auch an das faschistische Italien an. Die Ideologisierung der Architektur eröffnete die Möglichkeit, dass die faschistische Moderne in grossen Umfang für den Staat tätig sein konnte. In der ersten Phase der Modernisierung wurden «konservative Wiener Architekten» (Nicolai) Clemens Holzmeister und Ernst Egli als Fachleute für spezielle Bauaufgaben ins Land geholt. Die Verwandtschaft zur Architektur des italienischen Faschismus wird vor allem in den zwischen 1928 und 1935 errichteten Regierungsbauten von Clemens Holzmeister «in Form einer Monumentalarchitektur» (Nicolai) sichtbar. Hingegen zum Holzmeister vertrat Ernst Egli das «Konstrukt der Moderne» (Nicolai). Mit der Gestaltung der Literaturfakultät gab Taut ein Gegengewicht zu Eglis Modernismus.
3.2 Angora, das neue alte Regierungszentrum
Die Idee, osmanische Hauptstadt in die tiefe Provinz verlegen, gehörte ursprünglich dem Feldherr Colmar von Goltz Pascha: «Konstantinopel gleicht die Sirene des Ostens, welche alle ins Verderben zog, die sie von ihr anlocken liest. Die herrliche Lage der Stadt, sie Schönheit der umgebenden Natur, der blaue, heitere Himmel und die laue erschlaffende Luft beherrschen den Menschen, in dem sie ihn durch ihre Reize gewinnen und rauben ihm allmählich die Tatkraft. Sodann erhält Konstantinopel durch seine Beziehungen mit dem gesamten Auslande, welche die Weltverkehrstrasse der Meerengen ihm naturgemäss zuführt, ein internationales Gepräge. Man weiss dort viel mehr was in London, Paris und St. Petersburg zugeht, als vom eigenen Lande. Ein grosser Fürst, der die Rettung des Reiches und seine Umwandlung mir heiligem in Angriff haben wollte, müsse die Hauptstadt auf die Grenze der türkischen Reichshälfte verlegen -vielleicht nach Konia oder Caesarea (Kayseri), vielleicht noch weiter nach Süden.»99
[...]
1 «Burası Ankara Üniversitesi, Dil, Tarih ve Coğrafya Fakültesi binası. Bu çirkin binayı yapan, yapmakla kalmayıp çok beğenip aydınlatan, en az dört bayrakla donatan, Atatürk'ün oldukça basit bir cümlesini üniversite duvarına kazımaya değer gören zihniyet elbette öğrenciler için bir masa, iki bank, üç güneşlik koymayı akıl edemezdi. Çünkü bu dalkavuk sefiller için genç ile davar arasında bir fark yoktur. » Ali Nesin, 27. Juni 2019.
2 Siehe; https://www.gazeteduvar.com.tr/gundem/2017/06/29/dtcf-cirkin-diyen-ali-nesinden-tepkilere-yanit/
3 Verteidigungsministerium, 1927–31; Generalstabsgebäude , 1929/30; Offizierskasino, 1930/31; Sitz des Staatspräsidenten, 1930/32; Innenministerium, 1930–34; Türkische Zentralbank , 1931–33; Vertrauens und Sicherheitsdenkmal (Entwurf) , 1931–36; Bau- und Infrastrukturministerium , 1933/34; Revisionsgericht, 1933–35; Emlak Kredit-Bank, 1934/35; Ehemaliges Handelsministerium, 1934/35; Offiziersschule, 1935; Österreichische Botschaft, 1936; Gebäude des türkischen Parlaments, 1938–63; Quelle: Bernd Nicolai, Moderne und Exil.: Deutschsprachige Architekten in der Türkei 1925-1955.
4 Staatliches Konservatorium, 1927–29; Handelsgymnasium Ankara, 1928–30; İsmet Paşa-Mädchenschule, 1930–34; Mädchengymnasium, 1930/31; Landwirtschaftliche Fakultät, 1928–33; Politikwissenschaftliche Fakultät, 1935/36; Gazi Gymnasium, 1936; Schweizer Botschaft, 1936–38; Irakische Botschaft, 1936–38; Verwaltung und Internat des Luftflottenvereins, 1934–37; Fliegerschule Etimesgut, 1930; Gymnastikschule des Gazi Lehrerseminars, 1930; Meisterschule des Gazi Lehrerseminars, 1930; Koç Bürogebäude, 1930 ; Internat Etimesgut, 1929–30, Quelle: Oya Atalay Franck, Architektur und Politik: Ernst Egli und die türkische Moderne 1927-1940;
5 Siehe; Fanck Oya Atalay, Architektur und Politik: Ernst Egli und die türkische Moderne 1927-194, 2012, S. 27-146. Stefan Plaggenborg, Ordnung und Gewalt: Kemalismus - Faschismus – Sozialismus, München, 2012. Donald Everett Webster; The Turkey of Atatürk: Social Process in the Turkish Reformation, 1939 Barbara Ward, Turkey, 1942. Kemal Bozay, Die türkische Rechte im Aufwind, Geschichte und Aktualität, in: DER RECHTE RAND, Nr. 75, 2002, S. 15. Klaus Kreiser, Kleine Geschichte der Türkei, Stuttgart, 2003. Katy Schröder, Die Türkei im Schatten des Nationalismus, Hamburg, 2003. Rasih Nuri İleri, Atatürk ve Komünizm, İstanbul, 1999. Yalcin Kücük, Türkiye Üzerine Tezler, Ankara, 1987, S.17-86.
6 Siehe auch; Osman Kidis , Atatürk Döneminde Recep Peker (1920-1938), MALATYA, 2006.
7 «Für unser Thema sind in diesem Zusammenhang Bruno Taut oder Ernst Reuter interessant, die beide von den Nazis als Kommunisten verfolgt wurden. Diese Woge der Emigration fiel in die Zeit der „Weltwirtschaftskrise“, welchen den Migranten die Niederlassung in der Türkei nicht nur aus politischen sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen nahelegte. Das zeigen Kleinanzeigen von deutschen Architekten in den türkischen Zeitschriften für Städteplanung. Aus Deutschland lebten deshalb in der Türkei der 30er Jahre einfache Arbeitsmigranten, offizielle Repräsentanten des Nazi-Regimes und politische Verfolgte. Einige Angehörige dieser Gruppen haben eine führende Rolle im Aufbau des türkischen Universitätssystems gespielt.» Zit. n. Jean-François Pérouse, Deutsche Wissenschaftler im türkischen Exil: Die Wissenschaftsmigration in die Türkei 1933-1945, S. 120
8 «Im März 1937 beschreibt er selbstbewußt seine zukünftige Position in der Türkei: "Es sieht so aus, daß die Architektur-Abteilung der Akademie eine Art architektonisches Zentrum der Ministerien wird; bereits jetzt gibt man mir Umarbeitungen für Sachen des Arbeitsministeriums. Eine Autorität in Architekturdingen scheint nicht vorhanden zu sein."» zit. n. Bernd Nicolai; BRUNO TAUTS REVISION DER MODERNE Stratigraphien aus dem türkischen Exil 1936-1938, in SYMPOSIUM BRUNO TAUT, Magdeburg, 1995, S. 91.
9 1935 erhielt der Architekt und Städteplaner Martin Wagner eine Berufung zum städtebaulichen Berater der Stadt Istanbul. 1938 wanderte er in die USA aus, wo eine Professur für Städtebau und Landesplanung an der Harvard University in Cambridge, Massachusetts wahrnahm. Vgl. Bernd Nicolai: Architektur und Exil. Kulturtransfer und architektonische Emigration, 1930–1950, 2003, S. 145–156.
10 «In einer ersten Kontaktaufnahme mit dem in die Türkei emigrierten Martin Wagner, durch dessen maßgebliche Hilfe Taut am 10. November 1936 als Regierungsarchitekt und als Professor der Architektur an die Akademie der Künste nach Istanbul kommt,» zit. n. Bernd Nicolai; Magdeburg, 1995, S.90.
11 Die Akademie ist heute Teil der Mimar-Sinan-Universität.
12 Vgl. Bernd Nicolai, Moderne und Exil.: Deutschsprachige Architekten in der Türkei 1925-1955; S. 126-153.
13 «Die Türkei und Deutschland sind, trotz aller Probleme gerade in den vergangenen Jahren, seit vielen Jahrzehnten Partner, es existieren gewachsene, verlässliche Netzwerke und überdies gibt es viele gemeinsame geopolitische Interessen.» zit. n. Klaus Stratmann, Das Image der Türkei ist ein Problem für deutsche Unternehmen, in: https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/altmaier-in-ankara-das-image-der-tuerkei-ist-ein-problem-fuer-deutsche-unternehmen/. Die deutsch-türkischen Beziehungen gehen bis ins 15. Jahrhundert zurück. Mutlu Er stellt in seiner Arbeit «Das Türken- und Türkeibild in Helmuth Graf von Moltkes Briefen (1835–1839)» für die zwischenstaatlichen Beziehungen fest: «Die bilateralen Beziehungen zwischen dem Osmanischen und Preußischen Reich gehen bis auf die Mitte des 19. Jh. zurück. Zu dieser Zeit stiegen im Westen hochkonjunkturelle Imperien auf und das Deutsche Reich versuchte in dieser Konjunktur seinen Platz zu halten, indem es mit dem Osmanischen Reich auf militärischer Ebene Kontakt aufnahm.»
14 «For other studies that discuss Bruno Taut’s work in Turkey, his transnationalism or what Esra Akcan has referred to as a vernacular cosmopolitanism, see Esra Akcan, “Modernity in Translation: Early Twentieth Century GermanTurkish Exchanges in Land Settlement and Residential Culture” (Ph.D. diss., Columbia University, 005). Also see, Sibel Bozdoğan, “Against Style: Bruno Taut’s Pedagogical Program in Turkey, 1936-1938,” in The Education of the Architect, ed. Martha Pollak, (Cambridge: MWT Press, 1997), 163-19; Bernd Nicolai, Moderne und Exil: Deutschsprachige Architeckten in der Turkei, 195-1955 [Modernists and Exile: Germanspeaking Architects in Turkey, 195-1955], (Berlin: Verlag fur Bauwesen, 1998); Manfred Speidel, “Doğallık ve Özgürlük: Bruno Taut’un Türkiye’deki Yapıları [Naturalness and Freedom: Bruno Taut’s Buildings in Turkey],” Bir Başkentin Oluşumu: Ankara, 193-1950 [The Making of a Capital: Ankara], (Ankara: TMMOB, 1993), 5-66”». Zit. n. Burak Erdim, From Germany to Japan and Turkey: Modernity, Locality, and Bruno Taut’s Transnational Details from 1933 to 1938, in: lunch: dialect, 2011, S. 102. http://web.arch.virginia.edu/lunch/print/dialect/pdf/erdim.pdf. Leyla Alpagut; A Productive Architect And A Modern Building In Ankara: Bruno Taut And Atatürk High-School; 2018, in: Sanat Tarihi Dergisi, Cilt: XXVII, Sayı: 1, S.134 – 161. https://www.researchgate.net/publication/324831084_Uretken_Bir_Mimar_Ve_Ankara'da_Modern_Bir_Bina_Bruno_Taut_ve_Ataturk_Lisesi. Speidel, Manfred, Nachwort: Was ist Architektur? Bruno Tauts „Architekturlehre“. http://www.nextroom.at/data/media/med_binary/original/1255961838.pdf. Yüksel Pöğün Zander, A Comparative Study On The Works Of German Expatriate Architects In Their Home-Land And In Turkey During The Period Of 1927-1950, A Thesis (…) For The Degree Of Doctor Of Philosophy In Architecture, 2007. https://core.ac.uk/download/pdf/47252057.pdf
15 Als Bespiel; Şenda Kara, Leitbilder und Handlungsgrundlagen des modernen Städtebaus in der Türkei: von der osmanischen zur türkischen Stadt, 2006.
16 Stefan Ihrig, Atatürk in Nazi Imagination, Cambridge und London, 2014. Carsten Brandau, Ortsgruppenleiter von Istanbul, 2018. Christopher Kubaseck – Günter Seufert (Hrsg .), Deutsche Wissenschaftler im türkischen Exil: Die Wissenschaftsmigration in die Türkei 1933-1945, 2008. Dossier Türkei - Bundeszentrale für politische Bildung, bpb.de, erstellt am 26.11.2019.
17 Esra Akcan, Architecture in Translation: Germany, Turkey, and the Modern House, 2012.
18 Mit dem Begriff «Verwestlichung» wird die laizistisch motivierte, osmanische Bewegung bezeichnet, die ab dem 18. Jahrhundert, mit Neuerungen und Reformen, das alte Stärke des Reiches wiederhergestellt erzielte. Westliche Werte standen für die Reformer für Zivilisation und Fortschritt, während sie östliche Werte mit Rückständigkeit und gesellschaftlichen Stillstand assoziierten. Es sollte zunächst in den Bereichen Wehrdienst, dann Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Bildung, den unterentwickelten Status ihrer Länder durch Übernahme der westlichen Werte verbessert werden. Das türkische Beispiel der «Verwestlichung» unter Mustafa Kemal Atatürk durchzog blinde Übernahme und die erzwungene Einführung der westlichen Werte in aller Bereichen des menschlichen Lebens, wie das Bildungswesen, der Kultur des Westens oder aber westlicher Bekleidung . Kernbestandteil ihres Wirkens bildete die zwanghafte Europäisierung und Türkiesierung verbunden mit der Verdrängung religiöser und ethnischer Autoritäten aus der Einflusssphäre des gesellschaftlichen Lebens.
19 Vgl . Stefan Plaggenborg, Ordnung und Gewalt, Kemalismus – Faschismus – Sozialismus, München, 2012, S. 36
20 Donald Everett Webster; The Turkey of Atatürk: Social Process in the Turkish Reformation, 1939, S. 3., zit. n. Stefan Plaggenborg, 2012, S. 36
21 August von Kral, Das Land Kamâl Atatürks, Der Werdegang der Modernen Türkei, Wien Liepzig, 1935.
22 Norbert von Bischoff , Ankara. Eine Deutung des neuen Werdens in der Türkei; Wien, München 1935, S. 212-216., zit. n. Stefan Plaggenborg, 2012, S. 37
23 Barbara Ward, Turkey, London, 1942
24 Siehe; Jacques Benoist-Méchin, Mustafa Kemal – Begründer der neuen Türkei, 1954 , übersetzt von Günther Vulpius, Paul Gentizon, Mustapha Kemal, ou, L'Orient en Marche, Paris, 1929 Willy Sperco, Mustafa Kemal Ataturk 1881-1938, Dagobert von Mikusch, Gasi Mustafa Kemal Zwischen Europa und Asien, Leipzig, 1929 Hanns Froembgen, Kemal Ataturk, 1937 Herbert Melzig, Kamal Atatürk. Untergang und Aufstieg der Türkei, Frankfurt/M, 1937 Jorge Blanco Villalta, Atatürk, 1979 Patrick Kinross, Ataturk: The Rebirth of a Nation, 1981
25 Ahmet Asker, Kemalist Türkiye'den Nazi Almanyası'na Karşılaştırmalı Bakışlar ve Algılar 1929-1939, 2014
26 Stefan Ihrig, Ataturk in the Nazi Imagination, 2014
27 Vgl., Jens Peter Laut , Das Türkische als Ursprache? Sprachwissenschaftliche Theorien in der Zeit des erwachenden türkischen Nationalismus (Turcologica, Bd. 44), 2000; S. 1–11.
28 Vgl. Afet Inan; atatürk hakkında hatıralar ve belgeler; S. 291–295
29 Vgl.; Arkitekt Cilt.49, Sayı.378; S.69 –70; Prof. Bruno Taut'ın 100. Doğum yılı münasebetile, Prof. Hamit K. Söylemezoğlu'nun yaptığı konuşma;
30 «Auch wenn man, im Gegensatz zur Literatur oder der Malerei, nicht von einer Exil-Architektursprechen kann, so gibt es doch eine Architektur des Exils, entwickelt unter den spezifischen Bedingungen der neuen "Heimat". Das zeigt sich bei ihren Vertretern zuerst an der andauernden Reflexion ihrer Ausgangsposition in Deutschland sowie an der intensiven Auseinandersetzung mit den architektonischen Gepflogenheiten und Traditionen des jeweiligen Gastlandes.», zit. n. Bernd Nicolai; BRUNO TAUTS REVISION DER MODERNE Stratigraphien aus dem türkischen Exil 1936-1938, in SYMPOSIUM BRUNO TAUT, S. 90
31 «In reality, the transition from the final decades of the Ottoman Empire into the new republic was far more complex and overlapping than what is often polemically posited as a radical break. The National Architecture Renaissance of the 1910s and 1920s and the republican modernism that replaced it in the 1930s shared some common political and ideological grounds that underlie the stylistic opposition in terms of which the two periods are often discussed in architectural history. Both were selfconscious attempts at identity construction through architecture, and both flourished under state-sponsored modernization programs. Both were closely identified with authoritarian state power under single-party rule: respectively, the Committee of Union and Progress (CUP) , which eliminated all opposition in 1913, and Mustafa Kemal's Republican People's Party (RPP) , which consolidated its power in 1931.» Zit. n. Sibel Bozdogan; Modernism and Nation Building: Turkish Architectural Culture in the Early Republic, 2001, S.49 –50.
32 Bruno Taut , Mimari Bilgisi; Istanbul, Güzel Sanatlar Akademisi Nesriyatindan 1938. Architekturlehre: Grundlagen, Theorie und Kritik, Beziehung zu den anderen Künsten und zur Gesellschaft: Istanbul, Ende 1936 angefangen (abgeschlossen August 1937).
33 Siehe, Paolo Girardelli, Re-thinking architect Kemalettin, Istanbul,
34 Vgl. Jan Zürcher, The Unionist Factor: The Role of the Committee of Union and Progress in the Turkish Nationalist Movement 1905–1926, Leiden: E. J. Brill, 1984.
35 Vgl. Stefan Plaggenborg, 2012, S. 69-75
36 Vgl. Matthes Buhbe, Atatürks Alleinherrschaft (1925–38) und der Kemalismus, in: Türkei Politik und Zeitgeschichte, S. 44-57
37 Die Reformen der Verwestlichung bleiben oberflächlich und waren auf formalen Veränderungen beschränkt, die weit davon entfernt waren, die Volksmasse der Gesellschaft erreichen und beeinflussen können. Die Reformer warfen sich die wirtschaftliche Überlegenheit des Westens unter. Sie glaubten, diese Überlegenheit stamme von den von ihnen als Zivilisation bezeichneten Institutionen und eine Weiterentwicklung könne nun durch den Import der westlichen Ideen erreicht werden.
38 «Die Presse Lausannoise stellte schon 1922 während der diplomatischen Verhandlungen über das zukünftige Schicksal der Türkei im Erscheinungsort der Zeitung fest, die Türkei sei ein Nationalstaat „tout comme les pays neufs de l’Europe central ou les vieux Etats de l’occident“.46 Wer hier vermutet, die Schweizer Stadt und die Lokalpresse seien in Anbetracht der Ausgaben der türkischen Delegation ein wenig positiv gestimmt worden, kann sich vom weit entfernten Kurjer Warszawski eines Besseren belehren lassen. Er teilte die Lausanner Einschätzung, als er im September 1924 schrieb, die neue Türkei könne auf das Wohlwollen Europas zählen; die Türken seien „ein in jeder Hinsicht gereiftes und zivilisiertes Volk“ und daher würdig, „in die Familie der zivilisierten Völker“ einzutreten.47» Zit. n. Stefan Plaggenborg, Ordnung und Gewalt: Kemalismus - Faschismus – Sozialismus, München, 2012 , S.35
39 Malte Fuhrmann, Anatolia as a site of German colonial desire and national re-awakenings, in : new perspectives on turkey, No:41 (2009), S.117 –150.
40 Zit. n. Ernst Jäckh; in: Der aufsteigende Halbmond, Beiträge zur türkischen Renaissance, Stuttgart, 1911, S.38
41 Vgl. Elke Hartman; Wehrpflicht und moderne Staatlichkeit im Osmanischen Reich 1869-1910, S. 36
42 Siehe Carl Alexander Krethlow; Generalfeldmarschall Colmar Freiherr von der Goltz Pascha, 2012, «Goltz nahm 1883 den Auftrag an, für einige Jahre als Militärberater für die Armeereform in osmanische Dienste zu wechseln. Dieser bis 1895 dauernde „Auslandseinsatz“ sollte zur Grundlage des deutsch-osmanischen Bündnisses im Ersten Weltkrieg werden.» Gerhard Gruesshaber, Jung-Deutschland und die Jungtürken, S.1
43 Siehe Carl Alexander Krethlow; Generalfeldmarschall Colmar Freiherr von der Goltz Pascha, Paderborn, 2012.
44 «Bekannt wurde Goltz vor allem für seine zahlreichen Veröffentlichungen. Goltz’ Weltbild passte nicht in die elitäre Denkweise seines Standes, des Kleinadels, der auf seine Privilegien in der Armee pochte. Er selbst hatte ein klar sozialdarwinistisches Menschenbild: Krieg sei „Menschengeschick“, und deswegen müssten Armeen stets darauf vorbereitet sein, im „Ringen der Völker“ zu obsiegen. In seinen militärtheoretischen Schriften formulierte er hierzu die These vom „Volk in Waffen“: Ein klassisches Heer, in dem nur ein Bruchteil der Bevölkerung erfasst ist, werde in den Kriegen des 20. Jahrhunderts nicht mehr ausreichen. Vielmehr müssten die Schranken zwischen Militär und Gesellschaft aufgelöst werden, damit die Armee die gesamte Gesellschaft für ihre Zwecke mobilisieren könne. Anders als viele seiner Zeitgenossen sah er im „Ringen der Völker“ auch das Osmanische Reich noch nicht als verloren an: Unter einem Sultan mit echten Führungsqualitäten oder einem Militärdiktator könne es sich als panislamisches Großreich zwischen Afrika und Zentralasien neu erfinden. Mit seinen Schülern spielte er Planspiele, wie das osmanische Heer in Indien einfallen und die britischen Kolonialherren dort besiegen könne.» 34 [34 Yasamee 1998, S. 96–101].» zit. n. Malte Fuhrmann; „Friedrich Sarre, der zeitgenössische ‚Orient’ und der Weltkrieg” S.56 ; in Wie die islamische Kunst nach Berlin kam. Der Sammler und Museumsdirektor Friedrich Sarre, Julia Gonnella, Jens Kröger (Hg.), Berlin: Reimer 2015, S. 47–59.
45 «Der deutsche Botschafter Adolf Marschall Freiherr von Bieberstein (1842–1912) sah in der Bahn ein Mittel, um das Osmanische Reich nachhaltig in eine Abhängigkeit von Deutschland zu manövrieren.¹³ Die deutsche Kolonialbewegung feierte das Projekt darüber hinaus, da es der Ansiedlung deutscher Landwirte und der Herausbildung einer Semikolonie dienen könnte. So wie Großbritannien Ägypten und Frankreich Tunesien besetzt hielten und, ohne die lokalen Herrscher formell abzusetzen, Wirtschaft und Politik zu ihren Gunsten lenkten, so sollte Deutschland durch seinen wirtschaftlichen und militärischen Einfluss die Geschicke des Osmanischen Reiches in seine Gewalt bekommen, so die Hoffnung der Kolonialbefürworter. [13 Özyüksel, Osmanlı-Alman ilişkilerinin gelişim sürecinde Anadolu ve Bağdat Demiryolları, S.249f . ] ». Zit. n. Malte Fuhrmann; Die Bagdadbahn, S.191; in: Kein Platz an der Sonne. Erinnerungsorte der deutschen Kolonialgeschichte, Jürgen Zimmerer (edg.), Frankfurt, 2013, S. 190–207.
46 «1899 Erlangte die Deutsche Bank die Konzession zum Bau und Betrieb eines Hafens nebst Anlagen in Haydar Pascha und die alleinige Herrschaft über Handel und Zollwesen im Hafen. Die Kehrseite dieser grossartigen friedlichen Kulturwerke « ist der »friedliche« und grossartige Ruin des kleinasiatischen Bauerntums. Die Kosten der gewaltigen Unternehmungen werden natürlich durch ein weitverzweigtes System der öffentlichen Schuld von der Deutschen Bank vorgestreckt, der türkische Staat wurde in alle Ewigkeit zum Schuldner der Herren Siemens, Gwinner, Helferich usw.» zit. N. Rosa Luxemburg, Das Engagement der deutschen Imperialisten in der Türkei, in: Auszus! aus:"Die Krise der Sozialdemokratie" Sogenannte Junius-Broschure 1916, pogrom themen 1. 1.-3. Tausend, Mai 1987.
47 Siehe Sevda Yosul und Kübra Sahar, Die Bagdadbahn, Potsdam, Januar 2015.
48 Zit. n. Bernd Freytag; Auf Geheiß des Kaisers durchs wilde Kurdistan, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 6. Januar 2015.
49 «Der Artillerieoffizier Eberhard Wolffskehl von Reichenberg legte das Armenier-Viertel der Stadt Urfa in Schutt und Asche, nachdem die türkischen Einheiten den verzweifelten Widerstand nicht hatten brechen können. Der Eisenbahnchef des osmanischen Generalhauptquartiers, Oberstleutnant Boettrich, zeichnete einen türkischen Deportationsbefehl gegen, der für Tausende armenischer Zwangsarbeiter der Bagdadbahn den sicheren Tod bedeutete.» Zit. n. Schmidt-Häuer, Christian «Wer am Leben blieb, wurde nackt gelassen»; in: DIE ZEIT, 23. März 2005 https://www.zeit.de/2005/13/Armenier (Abgerufen am 23. März 2005).
50 Vgl. Jürgen Gottschlich, Beihilfe zum Völkermord: Deutschlands Rolle bei der Vernichtung der Armenier, S. 143–148.
51 Zit. n. Paul Rohrbach, in: Die Bagdadbahn, Berlin, 1911, S.13; S. 18-19
52 «Erklärtes Ziel der deutschen Politik im Ersten Weltkrieg war die Aufstachelung der islamischen Welt zum „Heiligen Krieg“ gegen die Kriegsgegner Großbritannien, Frankreich und Russland. Diese sog. Revolutionierungspolitik entstand nicht spontan und aus dem Nichts, sondern auf Grundlage einer Denkschrift des einflussreichen Diplomaten Max von Oppenheim (1860-1946) vom Juni 1898.» Zit. n. Klaus Thoerner, Djihad made in Germany, S.1.
53 Zit. n. Thomas Schmidinger, «Der Armenier ist wie der Jude, außerhalb seiner Heimat ein Parasit», in: Context XXI, Heft 5-6/2005, o. J., http://contextxxi.org/der-armenier-ist-wie-der-jude-1390.html (abgerufen am: 30. September 2019).
54 «Der unerbittlichste Feind der Armenier unter den deutschen Militärs war Generalleutnant Fritz Bronsart von Schellendorf, Generalstabschef des osmanischen Feldheeres. Er kümmerte sich selbst um Details, damit die Todesmärsche ohne Störungen abliefen. Ein Dokument vom 25. Juli 1915 zeigt, dass er gemeinsam mit Kriegsminister Enver Deportationen autorisierte.» Zit. n. Christian Schmidt-Häuer, «Wer am Leben blieb, wurde nackt gelassen»; in: DIE ZEIT, 23. März 2005, https://www.zeit.de/2005/13/Armenier (Abgerufen am 23. März 2005).
55 Der türkische Name der Partei lautet Ittihad ve Terraki Cemiyeti, der Begriff «Unionisten» wird in der deutschen Literatur oft als Abkürzung benutz. Vgl. Rasim Marz, Das Osmanische Reich auf dem Weg nach Europa: Neue osmanische Geschichtsschreibung, 2013, S. 151.
56 Vgl. Şenda Kara, Leitbilder und Handlungsgrundlagen des modernen Städtebaus in der Türkei: von der osmanischen zur türkischen Stadt, Münster, 2006, S.85
57 Vgl. Mirko Gründer, 1913: Die Jungtürken putschen sich in Istanbul an die Macht, Abgerufen am 27. September 2018, https://www.historeo.de/datum/1913-jungtuerken-putsch-in-istanbul.
58 Taner Akcam, Armenien und der Völkermord, Die Istanbuler Prozesse und die türkische Nationalbewegung, Hamburg, 2004, S. 19 -27.
59 Zit. n. Carl Alexander Krethlow; Rüstungsgeschäfte, Verschwörungen und Massaker Goltz Pascha und die Armenierproblematik im Osmanischen Reich (1868-1914), http://www.stiftung-sozialgeschichte.de.
60 Zit. n. Johannes Glasneck; Kemal Atatürk und die moderne Türkei, 2011, S. 46
61 Zit. n. Johannes Glasneck; Kemal Atatürk und die moderne Türkei, 2011, S. 46
62 Vgl. Kellerhoff, Sven Felix, «Warum ein preußischer General Genozid in Palästina stoppte», in: Welt, https://www.welt.de/geschichte/article171315492/Warum-ein-preussischer-General-Genozid-in-Palaestina-stoppte.html (abgerufen am 06. Dezember 2017).
63 Zit.n. Klaus Kreiser, «Ein Türke auf Reisen», in: DIE ZEIT, 2008, https://www.zeit.de/2008/09/A-Atatuerk/seite-2 (abgerufen am 21. Februar 2008).
64 Vgl. Artem Ohandjanian, Armenien. Der verschwiegene Völkermord, Wien, 1989, S. Deckblatt.
65 Vgl. Theodor Heuss, Das Haus der Freundschaft in Konstantinopel: ein Wettbewerb deutscher Architekten, München, 1918.
66 Vgl. Peter Lang, Jürgen Kloosterhuis: “Friedliche Imperialisten”. Deutsche Auslandsvereine und auswärtige Kulturpolitik, 1906–1918. Frankfurt am Main, S. Klappentext : «Im Kontext «wilhelminischer Weltpolitik» konzipierten «friedliche Imperialisten» in Deutschland ab 1906 eine moderne Außen- als Kultur- und Wirtschaftspolitik. Sie organisierten «Auslandsvereine», um private Geldmittel für kulturelle Aktionen z.B. in Südamerika, Ostasien oder im Nahen Orient aufzubringen. Mit solchen Vereinen kooperierten die Regierungsstellen, um die Beziehungen zum Deutschtum im Ausland, die auswärtige Pressepolitik oder das deutsche Auslandsschulwesen zu fördern.»
67 https://www.museumderdinge.de/deutscher-werkbund/protagonisten/ernst-jaeckh.
68 Vgl. Klaus Kreiser, Deutsch-türkische Gesellschaften, von Kaiser Wilhelm II. bis Konrad Adenauer, in. 60 Jahre Deutsch-Türkische Gesellschaft, S. 7-16.
69 Vgl. Theodor Heuss, Aufbruch im Kasierreiche, Briefe, 1892-1917, Stuttgarter Ausgabe, 2009, S. 478-479.
70 Vgl. Theodor Heuss, Das Haus der Freundschaft in Konstantinopel: ein Wettbewerb deutscher Architekten, München, 1918, S.85.
71 Bruno Taut, Mimari Bilgisi, S. 29.
72 Zit. n. Şenda Kara, 2006, S. 111
73 Vgl. Bruno Taut, Architekturlehre / Architekturüberlegungen, S.60
74 Vgl. Sabine Mangold-Will, Begrenzte Freundschaft, Deutschland und die Türkei 1918-1933, Göttingen, 2013, S. 66-86.
75 Vgl. Hans-Lukas Kieser «Agitation in Berlin, Krieg in Anatolien», Neu Zürcher Zeitung, 12.10.2018.
76 «1. August 1926 in einem Interview begründete dieses Vorgehen Mustafa Kemal: ‹Diese Überbleibsel der einstigen Jungtürkenpartei, die für das Leben von Millionen unserer christlichen Untertanen zur Rechenschaft hätten gezogen werden müssen, die unbarmherzigen Masse aus ihren Heimen vertrieben und massakriert wurden, diese Jungtürken sind unter republikanischer Herrschaft aufsässig geworden. Bisher haben sie von Plünderungen, Raub und Erpressung gelebt›» Zit. n. TESSA HOFMANN in: Fast einhundert Jahre Genozid-Leugnung; pogrom 285_ 6/2014; Mustapha Kemal Pasha: Kemal promises more hangings of political antagonists in Turkey. “Los Angeles Examiner”, 1 Aug. 1926.
77 Vgl., Hans Radandt; Hugo Junkers, ein Monopolkapitalist und korrespondierendes Mitglied der Preussischen Akademie der Wissenschaften, S. 94;
78 «Als Nadolny 1924 für neun Jahre die Leitung der deutschen Botschaft in der Türkei übernahm, nutzte er die Chance, die seit Kriegsende abgerissenen bilateralen Verbindungen neu zu knüpfen. Er begnügte sich hierbei nicht mit Einzelprojekten wie der Gründung oder Wiedereröffnung von deutschsprachigen Clubs, einer entsprechenden Schule, einer Kirche, eines Krankenhauses und einer Zeitung. Vielmehr förderte er, unter Verzicht auf eine direkte politische Einflußnahme, die kulturelle und vor allem wirtschaftliche Position Deutschlands in der nunmehr nationalstaatlich umstrukturierten Türkei in solchem Maße, daß es für das Reich hier alsbald wieder möglich schien, eine Sonderrolle zu spielen. Dies sollte die Voraussetzung dafür bilden, daß zu einem späteren Zeitpunkt eine politische Allianz der im Weltkrieg besiegten, geschwächten oder mit seinem Ausgang unzufriedenen Mächte - Rußland, Deutschland, Italien, Ungarn, Türkei – konnte hergestellt werden.» Günter Wollstein «RUDOLF NADOLNY - AUSSENMINISTER OHNE VERWENDUNG» in: vierteljahres hefte für zeitgeshichte, Jahrgang 28 (1980), Heft 1
79 Nicht nur allgemeine Tageszeitungen, auch Fachpresse für Baubrance interessierte sich für das geschehen in der Türkei.
80 «Nach seiner Rückkehr schrieb er (Hans Tröbst, erg. B.A.) eine Menge Zeitungsartikel über die Türkei – unter anderem eine mehrteilige Reihe im völkischen Kampfblatt Heimatland, beginnend im Sommer 1923.» Stefan Ihrig, Nazis im Türkenfieber in «die Zeit» von 2. Juli 2015. Anders als in Deutschland ist Hans Tröbst in der Türkei ziemlich bekannt. Er galt «Atatürk Hayrani bir Alman Zabit» (Ein deutscher Offizier, der von Atatürk begeistert war)
81 Vgl. Geheimdienst und Propaganda im Ersten Weltkrieg. Die Aufzeichnungen von Oberst Walter Nicolai 1914 bis 1918; Hrsg. v. Michael Epkenhans, Gerhard P Groß, Markus Pöhlmann, Christian Stachelbeck,
82 Zit. n. Sabine Mangold-Will, 2013, S. 139
83 Vgl. Burcu Dogramacı, Kollegen und Konkurrenten: Deutschsprachige Architekten und Künstler an der Akademie der schönen Künste in Istanbul, in: Deutsche Wissenschaftler im türkischen Exil: Die Wissenschaftsmigration in die Türkei 1933-1945, 2016, S.137-142.
84 Siehe, Nezih R. Aysel, Neslinur Hızlı Erkılıç, Ernst Egli’nin Güzel Sanatlar Akademisi Mimarlık Eğitimi Reformu Çalışmaları, Istanbul, 2014.
85 Vgl. Bernd Nicolai, Moderne und Exil.: Deutschsprachige Architekten in der Türkei 1925-1955, Berlin, 1998.
86 Vgl. Hans-Stefan Bolz, Hans Poelzig und der «neuzeitliche Fabrikbau» Industriebauten 1906-1934, Bonn, 2008
87 Vgl. Nicolai, 1998, S. 130–33.
88 Vgl. Kurt Junghanns, BRUNO TAUT - GEDANKEN ZU LEBEN UND WERK, in Symposium BRUNO TAUT Werk und Lebensstadien, S.17-19.
89 Siehe, Beritan Fırat ARIK, Erken Cumhuriyet Dönemi’nde G.S.A. Ve I.T.Ü. Mimarlik Bölümleri’nde Yabanci Mimarlar (Görevin Idari Ve Mali Çerçevesi), Istanbul, 2006
90 Zit. n. Bernd Nicolai, 1998, S. 133
91 Dokument der Preußischen Akademie der Künste Nr. 947 vom 21. September 1936; «Figure P1. The memorandum from the Prussian Academy of Fine Arts sent to all its members, informing them that all members have to fill in an official form about all their family members in order to prove that they come from the Arian race (Source: Prussian Academy of Arts document number 1302, dated August 17, 1933).» Zit. n. Yüksel Pöğün Zander; in Comparative Study On The Works Of German Expatriate Architects In Their Home-Land And In Turkey During The Period Of 1927-1950, S. 320
92 «Cevad Memduh Altar wurde am 14. September 1902 in Istanbul geboren. 1921 und ging er nach um Musik zu studieren. Ab 1927 hat Cevad Memduh Altar auf Befehl von Atatürk, an den Gründungen der Kunstorganisationen, wie zum Beispiel des Staatlichen Konservatoriums in Ankara, Staatlicher Theater, Staatlicher Oper und Ballett mit weltberühmten deutschen Experten wie Paul Hindemith, Karl Ebert, Ernst Praetorius teilgenommen und das Kulturleben der Türkei mit seiner [türkisch-nationalistischer; B.A. ] Politik mitgeprägt.» Zit. n. http://cevadmemduhaltar.com/deutsch.html
93 Cevad Memduh ALTAR beschriebt, in seinen Memoiren, Bräuhaus de Groot fälschlicherweise als der Architekten des Sümerbank-Generaldirektionsgebäudes am Ulusplatz in Ankara.
94 Vgl. Cevad Memduh Altar, Ünlü Mimarlar Hans Poelzig, Bräuhaus De Groot Ve Bruno Taut İle İlgili Anilar
95 Die Kemalisten hatten ihre Wurzeln in der zivilen und militärischen Elite des Osmanischen Reiches. Ihr Praxis auf dem Gebiet des Nationalismus und der Gewalt gegen nationale Minderheiten ähnelten die europäischen Vorgehensweisen. Bei seinem Buch Faşist Roma Kemalist Tiran, Kaybolmus Makidona von 1931 schrieb Falih Rifki Atay, – der einflussreichste Kemalist und enger Vertraute von Mustafa Kemal – «zur Zeit gibt es bei uns zwei Klassen, die pro-westliche Klasse und anti-westliche Klasse». Tatsächlich gab es in den 30er Jahren vielleicht Weltweit keine andere Landesregierung, die so stark beweisen wollte, dass ihre Nation und ihre Republik auch Teil des Europas wären. Wie Nadolny der Botschafter in Ankara die Lage in seinem Berichten beschilderte, all diese Bemühungen blieben als oberflächliche und nicht tiefgreifende Eingriffe Vgl. Cemil Koçak, Türk-Alman İlişkileri (1923-1939), TTK Basımevi, Ankara, 1991 , S.16-17.
96 Vgl., Ismail Cem, Türkiye’de Geri Kalmışlığın Tarihi, Can Yayınları, Istanbul 2007, S.267-270.
97 Vgl. Oya Atalay Franck, Deutschsprachige Architekten in der frühen Republik, Die Moderne als „Projekt“, http://www.goethe.de/ins/tr/ank/prj/urs/arc/deindex.htm.
98 Der Begriff «Verwestlichung» wird in der modernen türkischen Sprache um politische, soziale und kulturelle Reformen für die westliche Entwicklungsniveau auszudrucken verwendet.
99 Zitiert Prof. Dr. h.c. Gotthard Jäschke; in: von Deutsch-Türkische Beziehungen im Jahrhundert zwischen Erstem Weltkrieg; herausgegeben von Paul Leidinger, Ulrich Hillebrand, S. 86.
- Citation du texte
- Bülent Abbasoglu (Auteur), 2020, Architektur im Dienst der Nation. Eine kritisch-historische Kontextualisierung von Bruno Tauts "Fakultät der Sprache, Geschichte und Geographie (DTCF)" in Ankara, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/902978
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