Die folgende Untersuchung nimmt Jaspers Religionsphilosophie kritisch unter die Lupe. Es soll gezeigt werden, dass Jaspers Philosophieverständnis eine Übereinstimmung mit den genuin christlich-theologischen Glaubensgehalten notwendigerweise ausschließt. Es wird sich herauskristallisieren, dass es nicht ausschließlich der Glaube an ein singulär gültiges Offenbarungsgeschehen einer Religion als nur einer der Faktoren ist, der im Fokus von Jaspers Kritik steht. Vielmehr ist Jaspers Denken generell kritisch positioniert gegenüber jeglicher Form von Dogmatik. Es soll dabei der Weg nachgezeichnet werden, welche Argumente gegen den christlichen Offenbarungsglauben aus der Perspektive von Jaspers philosophischem Glauben sprechen. Im Anschluss daran soll gezeigt werden, wie eine Transformation des Offenbarungsglaubens nach Jaspers aussehen könnte. Zusätzlich sei darauf hingewiesen, dass die Offenbarungskritik mit ihrem Absolutheitsanspruch zwar im Fokus der Arbeit steht, aber darüber hinaus auch die Kritik an dem Phänomen der christlichen Religion insgesamt thematisiert wird. Dazu gehören dann auch Exkurse, die Jaspers in das Phänomen der Mystik und in das Programm der natürlichen Theologie unternimmt. Der Kritik an diesen beiden Phänomenen wird auch im Rahmen dieser Untersuchung Rechnung getragen.
Es ist nicht möglich, Jaspers Offenbarungskritik losgelöst in Form einer isolierten Betrachtung darzustellen, zu erläutern und zu kritisieren, ohne auf wesentliche Grundgehalte seiner Philosophie einzugehen. Daher nimmt die Erläuterung von wesentlichen Gehalten der Jaspersschen Philosophie einen breiten Raum ein in dieser Arbeit. Methodisch begründen kann man die ausführliche Darstellung der Philosophie Jaspers' mit dem Hinweis darauf, dass deren Grundzüge gleichsam sowohl das Arsenal der Religionskritik als auch das anzustrebende Ideal der Religion darstellen. Sobald die Grundsätze des Heidelberger Philosophen dargelegt sind, können hieraus seine religionskritischen Argumente abgeleitet und erläutert werden, welche auf seiner philosophischen Herkunft basieren. Hinsichtlich der Kernfrage einer Subjekt-Objekt-Spaltung lässt sich für die Theorie des Umgreifenden somit ein begriffliches Grundgerüst herleiten, mit Hilfe dessen sein Existenzbegriff dargelegt werden kann.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Erster Teil: Grundz üge der Philosophie Jaspers`
I. Epistemologische Grundlage: Subjekt-Objekt-Spaltung
II. Ontologische Konsequenzen aus der Subjekt-Objekt-Spaltung:
1. Das Umgreifende als das eigentliche Sein
2. Das Umgreifende und seine verschiedenen Manifestationen
III. Der Mensch als Freiheit: Anthropologische Ansätze
1. Die vier Verwirklichungsdimensionen des Menschen
2. Existenz als Freiheit des Menschen
Zweiter Teil: Kritik am christlichen Offenbarungsglauben
I. Theoretischer Teil der Kritik am Offenbarungsglauben
1. Offenbarung und Offenbarungsglaube
2. Religion und Philosophie im Spannungsfeld
3. Kritik der Leibhaftigkeit der Transzendenz
3.1 Der Kultus als leibhafte Transzendenz
3.2 Leibhaftigkeit im Gottessgedanken der Religion
3.2.1. Die Chiffer des einen Gottes statt Leibhaftigkeit der Transzendenz
3.3 Leibhaftigkeit in Form von Jesus Christus
3.3.1. Jesus als Chiffer der Transzendenz statt Inkarnation
4. Gegen den Absolutheitsanspruch
4.1 Philosophisches Argument gegen den Absolutheitsanspruch
4.2. Biblisches Argument gegen den Absolutheitsanspruch
4.3. Jaspers Kritik am Absolutheitsanspruch im Spiegel der Theologie
II. Praktischer Teil der Kritik am Offenbarungsglauben
1. Gewalt durch Absolutheitsanspruch
1.1 Geistige Gewalt durch Seelenlenkung
1.2 Politische Gewalt
1.3. Appell zur Überwindung des Absolutheitsanspruches
2. Einbuße von Freiheit durch Absolutheitsanspruch
4. Offenbarungsglaube und Grenzsituationen
4. Abbruch der Kommunikation durch Offenbarungsglaube und Mystik
III. Philosophischer Glaube als Ausweg?
2. Glaubensgehalte des philosophischen Glaubens
IV. Würdigung und Kritik von Jaspers Religionsphilosophie – eine Bilanz
Literaturverzeichnis
„Was wir eigentlich wissen wollen, ist, ob die evangelische Geschichte im Ganzen und Einzelnen wahr ist oder nicht.“
David Friedrich Strauß, Das Leben Jesu, 1864, S. XV
Einleitung
Das Verhältnis von konfessionsgebundener Theologie und Philosophie war in der Geistesgeschichte Europas lange Zeit geprägt von einem engen Bezug beider Bereiche zueinander.1 Der Grund dafür leuchtet ein: Eine Religion wie das Christentum, die von sich aus behauptet, einen absoluten, universal gültigen Wahrheitsanspruch anzumelden, sieht sich vor die Pflicht gestellt, diesen auf dem Forum der Vernunft religionsphilosophisch zu begründen. Exemplarisch dafür steht die Zeit der Scholastik, eine Zeit der Durchdringung christlicher Glaubensinhalte mit den Mittel der Vernunft. Fides quaerens intellectuum kennzeichnet dabei jenes berühmte Programm, das eine methodische Haltung repräsentiert, die Philosophie und Theologie wie zwei Seiten derselben Medaille betrachtet. Dieses Ernstnehmen der Gottesfrage angesichts der Grundfragen des Daseins ist bis ins 19. Jahrhundert – bis Hegel – integraler Bestandteil der Philosophie.2 Der Übergang zur Neuzeit wird traditionellerweise als jene Zäsur betrachtet, bei der sich ein sukzessiver Ablösungsprozess der Vernunft von der Rückkoppelung an das lumen supernaturale in Form der Offenbarung vollzieht. Dabei koppelt sich die Vernunft ab von der durch den Glauben geführten Vernunft, indem sie zwar die Reichweite ihrer Erkenntnis limitiert, jedoch mit dem Anspruch auf Autonomie auftritt. Zur Zeit des Wirkens von Karl Jaspers ist die Situation tief durchtränkt von der Wirkmächtigkeit des neuzeitlichen Paradigmenwechsels. Mitte des 20. Jahrhunderts ist die Selbstverständlichkeit, Gott weiterhin als notwendiges philosophisches Thema auf die Agenda philosophischer Auseinandersetzung zu stellen, verschwunden. An vielen Orten kann sogar von einem Zustand „schiedlich-friedlicher Trennung“3 von Philosophie und Theologie gesprochen werden. Beide Disziplinen – sowohl Theologie als auch Philosophie – wenden sich weitestgehend disjunkten Tätigkeitsfeldern zu, ohne dabei in einen konfligierenden oder konstruktiven Austausch zu kommen.4 So ist die Strömung des Wiener Kreises ein Beispiel für einen methodischen Atheismus, im Rahmen dessen zwar implizit Stellung genommen wird auf metaphysisch-religiöse Aussagen, jedoch eine strikte Ausklammerung religiöser Sätze aus dem Gegenstandsbereich philosophischer Fragestellungen vollzogen wird. Innerhalb der Strömung der Existenzphilosophie, also dem Bereich, dem Jaspers selbst angehört, ist es ursprünglich Sören Kierkegaard, welcher der Existenzphilosophie als deren Begründer einen christlichen Bezug gibt. Diese theologische Konnotation löst sich im 20. Jahrhundert zunehmend auf, so dass bestimmte Vertreter der Existenzphilosophie wie Sartre sogar eine dezidiert atheistische Position vertreten. Jaspers hingegen setzt gegenüber dieser zu jener Zeit vorherrschenden Tendenz einen Kontrapunkt, indem er die Gehalte der biblischen Religion wieder auf die Agenda einer ernstzunehmenden philosophischen Durchdringung setzt. Die Haltung des Heidelberger Philosophen in Bezug auf die Religion ist ein ambivalentes und vielfältiges weites Feld. Vordergründig ist er ein Religionskritiker, der strikt einen sich absolut setzenden Offenbarungsglauben ablehnt. Doch eine nähere Betrachtung zeigt, dass er nicht bei einem einseitig kritischen Denken gegenüber der Religion verbleibt. Jaspers möchte nicht eine Vernichtung der eigenen religiösen Tradition, sondern votiert mit seiner Alternativkonzeption des Philosophischen Glaubens für eine Transformation des Offenbarungsglaubens.5
Doch wie kann es sein, dass Jaspers einerseits Religionskritiker ist und gleichzeitig die Flagge hochhält für eine konstruktive Auseinandersetzung mit der christlichen Tradition? Es ist zunächst einmal die Anerkennung der hohen Wirkmächtigkeit, welche die Gehalte des christlichen Glaubens auf die abend-ländische Philosophiegeschichte laut Jaspers ausgeübt haben. Er sieht die christlichen Glaubensinhalte als wesentliche Fundamente, auf denen das abendländische Denken fußt. Die Bedeutung, die Jaspers dem christlichen Glauben im Hinblick auf die abendländische Philosophiegeschichte als ganzer attestiert, gilt auch mit Blick auf Jaspers eigenes Philosophieren. Er nennt neben Kierkegaard, Kant und Nietzsche die Bibel als die wesentliche Referenzquelle für die geistige Inspiration seiner Kreationen.6 Neben dieser philosophieimmanenten Wirkung spricht er an anderer Stelle auch von einem tiefen ‚Beeindrucktsein‘ der hohen sittlichen Komponente einiger Vertreter der christlichen Religion.
Er sieht in der Heiligen Schrift sogar einen derart kulturprägenden und durchdringenden Faktor, dass er sich zur folgenden emphatischen Aussage hinreißen lässt: „Ohne Bibel stürzen wir ins Nichts!“7 Hinter diesem Pathos steckt eine Sorge, die sich für ihn im Hinblick auf den Wissenschaftsgeist seiner Zeit ergibt. Der triumphale Siegeszug der modernen Naturwissenschaft hat ihm zufolge nicht bloß einen signifikanten Zuwachs eines praktisch-nützlichen Wissens, sondern auch einen Wissenschaftsaberglauben hervorgebracht. Der weltanschaulich-ideologische Charakter, der eine Verabsolutierung dieses naturwissenschaftlichen Geistes mit sich bringt, macht es laut Jaspers zwingend erforderlich, „unter den gegenwärtigen Bedingungen wissenschaftlichen Wissens und geschichtlicher Erfahrung Einsicht vom Wesen der Wahrheit in ihrem ganzen Umfang zu gewinnen.“8 Zu dieser philosophischen Rückbesinnung gesellt sich auch eine Konzentration auf den sinnstiftenden Charakter von Wissenschaft. Damit Wissenschaft nicht in Wissen-schaftsaberglaube ausartet, brauche es laut Jaspers eine Besinnung auf die Philosophie. Diese brauche wiederum die Gehalte der biblischen Tradition, die es zu transformieren gelte vor dem Hintergrund der existenziellen Bedrohtheit der Menschheit, resultierend aus den Problemen des unreflektierten technischen Fortschrittes.9
„Es wird wie eine Neugeburt sein, wenn der eigentliche Ernst die Fassade der religiösen Konvention und die Gewohnheiten der Völker durchbricht. Dadurch könnte das Versinken des Menschen, das wir heute beobachten und in der Zukunft schaudernd für möglich halten, aufgehalten und schließlich durch eine neue große, für uns noch nicht angemessen vorstellbare Gestalt des Menschseins überwunden werden.“10
Neben dieser Angst vor dem kollektiven Unheil geht es Jaspers aber auch zunächst wesentlich um den Verlust der Freiheit des Individuums im Rahmen dieser neuen technischen Welt, die sich ihm zufolge in sinnloser Freizeitaktivität, Wissenschafts-aberglauben und fragwürdigen Ideologien zeige. Die Frage, die sich Jaspers stellt, ist, wie die Freiheit unter den Rahmenbedingungen dieser Welt bewahrt werden kann, so dass die Möglichkeit der Freiheit für ein Menschwerden realisierbar ist.11 In diesem Kontext spielt der Philosophische Glaube eine zentrale Rolle. Die folgende Untersuchung nimmt Jaspers Religionsphilosophie12 kritisch unter die Lupe. Es soll gezeigt werden, dass Jaspers Philosophieverständnis eine Übereinstimmung mit den genuin christlich-theologischen Glaubensgehalten notwendigerweise ausschließt. Es wird sich herauskristallisieren, dass es nicht ausschließlich der Glaube an ein singulär gültiges Offenbarungsgeschehen einer Religion als nur einer der Faktoren ist, der im Fokus von Jaspers Kritik steht. Vielmehr ist Jaspers Denken generell kritisch positioniert gegenüber jeglicher Form von Dogmatik.13 Es soll dabei der Weg nachgezeichnet werden, welche Argumente gegen den christlichen Offenbarungs-glauben aus der Perspektive von Jaspers philosophischem Glauben sprechen. Im Anschluss daran soll gezeigt werden, wie eine Transformation des Offenbarungs-glaubens nach Jaspers aussehen könnte. Zusätzlich sei darauf hingewiesen, dass die Offenbarungskritik mit ihrem Absolutheitsanspruch zwar im Fokus der Arbeit steht, aber darüber hinaus auch die Kritik an dem Phänomen der christlichen Religion insgesamt thematisiert wird. Dazu gehören dann auch Exkurse, die Jaspers in das Phänomen der Mystik und in das Programm der natürlichen Theologie unternimmt. Der Kritik an diesen beiden Phänomenen wird auch im Rahmen dieser Untersuchung Rechnung getragen.
Es ist nicht möglich, Jaspers Offenbarungskritik losgelöst in Form einer isolierten Betrachtung darzustellen, zu erläutern und zu kritisieren, ohne auf wesentliche Grundgehalte seiner Philosophie einzugehen. Daher nimmt die Erläuterung von wesentlichen Gehalten der Jaspersschen Philosophie einen breiten Raum ein in dieser Arbeit. Methodisch begründen kann man die ausführliche Darstellung der Philosophie Jaspers` mit dem Hinweis darauf, dass deren Grundzüge gleichsam sowohl das Arsenal der Religionskritik als auch das anzustrebende Ideal der Religion darstellen.14 Sobald die Grundsätze des Heidelberger Philosophen dargelegt sind, können hieraus seine religionskritischen Argumente abgeleitet und erläutert werden, welche auf seiner philosophischen Herkunft basieren. Hinsichtlich der Kernfrage einer Subjekt-Objekt-Spaltung lässt sich für die Theorie des Umgreifenden somit ein begriffliches Grundgerüst herleiten, mit Hilfe dessen sein Existenzbegriff dargelegt werden kann.
Sobald das Verhältnis von Religion und Philosophie bei Jaspers sowie der Stellenwert der Kommunikationsphilosophie in diesem Zusammenhang geklärt ist, kann auf seine Religionskritik eigegangen werden. Diesbezüglich liegt der Fokus auf der Erläuterung der argumentativen Kraft der Kritik am Offenbarungsbegriff, dem Absolutheitsanspruch und der Inkarnation Gottes. Anschließend soll dabei Jaspers Gegenentwurf zum Offenbarungsglauben neben seiner Idee zur Erneuerung des christlichen Glaubens auch der Philosophische Glaube selbst noch zu Wort kommen. Abschließend unterziehe ich den Thesen Jaspers einer kritischen wertschätzenden Betrachtung.
Erster Teil: Grundz üge der Philosophie Jaspers`
I. Epistemologische Grundlage: Subjekt-Objekt-Spaltung
Die Subjekt-Objekt-Spaltung bildet eine grundlegende epistemologische Basis, von der ausgehend die Jasperssche Philosophie erst verstehbar wird. Zur einleitenden Relevanz dieses Begriffs macht Jaspers in seiner Einleitung in die Philosophie einen Exkurs in die Philosophiegeschichte. Er hebt dabei hervor, dass am Anfang der Philosophie vor allem die ontologische Fragestellung nach dem Seienden und dem Sein im Zentrum der Fragen steht.15 Aus der Konstatierung von verschiedenem Seienden in der Welt sei auf Seiten der Philosophen seit der Antike stets ein Rückschluss auf ein allem zugrunde liegendes Sein gemacht worden. Dieses Sein, das die Welt im Innersten zusammenhält, habe im Zentrum des philosophischen Interesses gestanden. Jaspers geht einige Beispiele der Suche nach dem Urgrund des Seienden aus der Philosophiegeschichte durch und betont die sukzessive Verfestigung verschiedener Weltanschauungen, die sich somit im Laufe der Jahrhunderte herausgebildet haben: „Materialismus, Spiritualismus und Hylozoismus“16 sind einige Beispiele, die er nennt.17 Er beginnt im Anschluss an diese Auflistung seine Kritik an der Vorgehensweise von Philosophen, die aus ihren jeweiligen Beobachtungen eine Weltanschauung ableiten: „In allen Fällen wurde die Antwort auf die Frage, was eigentlich das Sein sei gegeben, durch Hinweis auf ein in der Welt vorkommendes Seiendes, das den besonderen Charakter haben sollte, aus ihm sei alles andere.“18 Damit ist beispielsweise die Theorie von Thales gemeint, die den spekulativen Schluss auf das Wasser als Urgrund alles Seins, also die arché, sei. Aus der Vielfalt der Ansätze und des bleibenden Dissenses unter Philosophen leitet Jaspers ab, dass es keinen philosophischen Standpunkt geben könne, der für sich eine absolute Wahrheit beanspruchen kann. Den Sinn der jeweiligen philosophischen Ansätze sieht er vielmehr in der Aufdeckung partikularer Erkenntnisse in der Welt. Wie kann man sich eine derartige Haltung der Kritik an der Subjekt-Objekt-Spaltung verständlich machen? Jaspers gibt im Anschluss eine Erklärung:
„Allen […] Anschauungen ist eines gemeinsam: sie erfassen das Sein als etwas, das mir als Gegenstand gegenübersteht, auf das ich als auf ein mir gegenüberstehendes Objekt, es meinend, gerichtet bin. Dieses Urphänomen unseres bewußten Daseins ist uns so selbstverständlich, daß wir sein Rätsel kaum spüren, weil wir es gar nicht befragen. Das, was wir denken, von dem wir sprechen, ist stets ein anderes als wir, ist das, worauf wir, die Subjekte, als auf ein Gegenüberstehendes, die Objekte, gerichtet sind. Derart, dass, wenn wir uns selbst zum Gegenstand unseres Denkens machen, wir selbst gleichsam zum anderen werden und sind immer zugleich als ein denkendes Ich wieder da, das dieses Denken seiner selbst vollzieht, aber doch selbst nicht angemessen als Objekt gedacht werden kann, weil es immer wieder die Voraussetzung jedes Objektgewordenseins ist. Wir nennen diesen Grundbefund unseres denkenden Daseins die Subjekt-Objekt-Spaltung. Ständig sind wir in ihr, wenn wir wachen und bewußt sind.“19
Jaspers geht also davon aus, dass es stets ein bestimmtes Subjekt gibt, das in einem intentionalen Verhältnis zu einem Objekt steht. Charakteristisch für diesen Ansatz ist, dass es ein kontinuierlicher Zustand ist, in dem ich mich als denkendes Ich in dieser Spaltung befinde. Das denkende Bewusstsein bleibt somit stets auf Gegenständliches gerichtet, und diese Objekte können gemäß Jaspers alle möglichen sein, d.h. äußerliche, die einen A-posteriori- Charakter haben wie reale Gegenstände in der Welt wie der mir gegenüberstehende Tisch. Zudem sind es innere Gegenstände, die a priori erfasst werden, so zum Beispiel ideale Größen wie Zahlen, fiktive Gebilde wie mythologische Figuren (Pegasus etc.). Bei den Gegenständen ist es so, dass sich diese im Verhältnis zum menschlichen Subjekt in einer gegenüberliegenden Spaltung und auch untereinander in einem ebensolchen Verhältnis befinden.
II. Ontologische Konsequenzen aus der Subjekt-Objekt-Spaltung
1. Das Umgreifende als das eigentliche Sein
Aus diesem epistemologischen Grundbefund der Subjekt-Objekt-Spaltung leitet Jaspers nun die ontologisch anmutende These ab, dass das „Sein im Ganzen weder Objekt noch Subjekt sein kann,20 sondern das Umgreifende sein muß, das in dieser Spaltung zur Erscheinung kommt. Das Sein schlechthin kann nun offenbar nicht ein Gegenstand (Objekt) sein. Alles was mir Gegenstand wird, tritt aus dem Umgreifenden an mich heran, und ich als Subjekt aus ihm heraus.“21
Was hat es aber nun mit diesem ‚Umgreifenden‘ auf sich, von dem Jaspers hier spricht? Für das Verständnis dessen, was das Umgreifende bedeutet, ist es sinnvoll, die Subjekt-Objekt-Spaltung in Bezug zu setzen mit dem Umgreifenden, indem man die oben eingeführte ontologische Differenzierung zwischen Sein und Seiendem einführt.22 Seiendes ist das, was uns im Rahmen der Subjekt-Objekt-Spaltung in Form einer Erscheinung zugängig ist. In Anlehnung an Kant kann man sich das so vorstellen, dass im Rahmen der Subjekt-Objekt-Spaltung keine von Anschauung und Kategorie unabhängige Erfahrung stattfinden kann.
Sein hingegen ist das – begrifflich nicht erfassbar – hinter der Erscheinungswelt liegende ‚Sein‘, oder mit Jaspers gesprochen: „Das Sein an sich ist ein Grenzbegriff unseres Erkennens, kein Gegenstand für uns.“23 Das Umgreifende ist somit dasjenige Sein, das im Rahmen der Subjekt-Objekt-Spaltung nicht konkret erfahrbar werden kann anhand einer verifizierten Erkenntnis, sondern es ist das, was über die Spaltung hinausweist. Es ist das, was lediglich in der Spaltung zur Erscheinung kommt. Daher kann es auch kein fixes, objektives Wissen über das Umgreifende geben. Jaspers betont das an mehreren Stellen seiner Werke, indem er stets auf die Gefahr hinweist, in einen performativen Widerspruch bei der philosophischen Thematisierung des Umgreifenden zu gelangen. Dieser Widerspruch liege darin, über das Umgreifende philosophisch-ontologisch gesicherte Aussagen zu machen. Periechontologie – wie er die Beschäftigung mit dem Umgreifenden nennt – besagt, dass das Umgreifende lediglich im Rahmen einer Denkoperation erhellt werden kann. Nicht eine weitere greifbare Erkenntnis steht am Ende dieser Erhellung des Umgreifenden, sondern eine „Verwandlung unseres Seinsbewusstseins“24. Notwendige Bedingung für die Schaffung dieses veränderten Seinsbewusstseins ist die maximale Erhellung der Bereiche der empirisch-realen Welt. So wird durch „gegenständliches Denken [der] Zeiger auf das Ungegenständliche des Umgreifenden“25 gerichtet. Jaspers sieht im Rahmen dessen eine Korrelation zwischen der Klarheit der Erforschung des Gegenständlichen und der Erhellung des Seins schlechthin26: „Das Umgreifende aber bleibt für mein Bewusstsein dunkel. Es wird hell nur durch die Gegenstände, und umso heller je bestimmter und klarer die Gegenstände werden.“27
2. Das Umgreifende und seine verschiedenen Manifestationen
Das Umgreifende kann man Jaspers gemäß klassifizieren in eine (i) spekulative Komponente in Bezug auf die Frage nach dem eigentlichen Sein und (ii) eine transzendentalphilosophische Dimension.28
(i) Im Rahmen der „seinsspekulative[n]29 Dimension“30 wird das Umgreifende von Jaspers häufig mit Begriffen wie „Sein an sich“31, „eigentliche Wirklichkeit“32 sowie das „Ganze des Seins“33 bezeichnet. Alles Erkenntnisstreben des Menschen zielt Kurt Salamun macht in seiner Jaspers-Einführung darauf aufmerksam, wie stark die Theorie vom Umgreifenden durchtränkt ist von der Metaphysik-Tradition: „Es ist die Idee eines Urzustandes oder, wie Jaspers oft sagt, eines ‚Ursprungs’, in dem der Mensch mit den anderen Menschen und der ‚Welt’ noch eine Einheit bildet. Diese Vorstellung hat vieles mit den in Mythologien, Religionen und philosophischen Seinsspekulationen anzutreffenden Ideen von einem prä-existenten oder vor-logischen, laut Jaspers letztlich auf ein Wiedererlangen einer ursprünglichen, verloren gegangenen Einheit ab, in der „Ich und Gegenstände noch gar nicht getrennt waren, darum Dunkelheit herrschte und noch kein Sinn gewusst wurde.“34 Jedoch ist dieses Einheitsbewusstsein – selbst wenn es erreicht wird – nur von temporärer Dauer und nur in hohen Augenblicken realisierbar. Der Mensch bleibt somit stets auf der Suche nach diesem Zustand und kompensatorisch auf die Formen des Wissens angewiesen, welche die Beschäftigung mit dem objektiven Seienden liefert. Dieses objektive Wissen stellt aber bloß den „Widerschein jenes ursprünglich Seins [dar]35, der nun verloren ist.“36
(b) Uns interessiert jetzt im weiteren Verlauf vor allem die transzendentalphilosophische Komponente des Umgreifenden.37 Hier werden anhand der Einführung des Begriffes des Umgreifenden die apriorischen Strukturen angegeben, welche die „Bedingung der Möglichkeit aller Gegenständlichkeit, aller Selbstverwirklichung und aller Transzendenzerfahrung bildet.“38 Hier werden die Rahmenbedingungen gegeben, „in denen alles Seiende gegenständlich zur Erscheinung kommt und wo das nicht-rationale Innewerden des ungegenständlichen, eigentlichen Seins erfolgt.“39 Um uns den transzendentaphilosophischen Umfang der verschiedenen Arten des Umgreifenden auf anschauliche Art und Weise zu vergegenwärtigen, ist ein Blick auf die nachfolgende Tabelle hilfreich:40
Das Umgreifende, das wir Das Umgreifende, das das sind: Sein selbst ist frühen Stadium des Menschseins gemeinsam, in dem die Spaltung zwischen Ich und Welt noch nicht erfolgt ist. Demnach hat sich das Ich in diesem Frühstadium noch nicht aus der alles umgreifenden Einheit des ‚Urgrunds’ herausgelöst, weil das Bewusstsein erst keimhaft vorhanden und noch zu schwach ist, um schon die Subjekt-Objekt-Spaltung bewirken zu können“ Vgl. dazu Kurt Salamun, Karl Jaspers, (wie Anm. 28), 68-69.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Wie auf dem Schaubild ersichtlich, kann man bei Jaspers sieben verschiedene Weisen unterscheiden, wie sich das Ungegenständliche, alles Umgreifende zergliedern lässt, sobald man es im Rahmen eines philosophischen Nachdenkens kategorisiert.
Das Umgreifende, das wir sind, spaltet sich demnach in einen immanenten Teil und einen transzendenten Teil auf. Der immanente Teil bildet dabei die drei „menschliche[n]41 Verwirklichungsdimensionen“42, welche durch Dasein, Bewusst-sein überhaupt und Geist konstituiert werden. Die Dimension, die dem transzendenten Bereich entspricht, ist laut Jaspers die Existenz.43 Auf der rechten Seite des Schaubildes ist die Einteilung des Umgreifenden sichtbar, welches das Sein selbst ist. Hier greift auch wieder die Unterscheidung zwischen dem immanenten Teil, den Jaspers Welt nennt, und dem transzendenten Aspekt, der mit Transzendenz sein Korrelat hat.
III. Der Mensch als Freiheit: Anthropologische Ansätze
1. Die vier Verwirklichungsdimensionen des Menschen
Die Annahme der Subjekt-Objekt-Spaltung macht sowohl eine epistemologische Grenze in Bezug auf die Erkenntnis der Transzendenz als auch auf die anthropologischen Bestimmungen des Menschen geltend. Für Jaspers ergeben sich daraus im Hinblick auf die Frage nach dem Menschen zwei Möglichkeiten – „entweder den Menschen als Forschungsgegenstand begreifen oder den Menschen als Freiheit.“44 Wenn wir ihn als Forschungsgegenstand untersuchen, wie das die „Anatomie, Physiologie, Psychologie und Soziologie“45 laut Jaspers tut, dann können wir immer nur Teilaspekte unseres Daseins im wissenschaftlich-objektivierbaren Sinn erkennen. Das, was der Mensch jedoch im tiefsten ist, geht viel tiefer als das, was die allgemeingültigen Ergebnisse der Wissenschaft jemals herausfinden werden. Der Mensch hat eine Fähigkeit in sich zur Freiheit, die für ihn die Ebene der Existenz46 darstellt.
Jaspers greift den oben erläuterten Aspekt über das Umgreifende auf und leitet daraus vier verschiedene „Seinsweisen oder Verwirklichungsdimensionen des Menschen“47 ab, die es nun im Rahmen seines existenzphilosophischen Ansatzes zu explizieren gilt. Diese vier Formen sind bei Jaspers: (i) Bloßes Dasein, (ii) Bewusstsein überhaupt, (iii) Geist und (iv) Existenz.
(i) Blo ßes Dasein: Mit ‚bloßem Dasein‘ ist bei Jaspers die unterste Seinsebene des Menschen gemeint, die sich auf die vitale Sphäre des Lebens bezieht. Dazu gehören biologische Muster des Lebensvollzugs, die sich in Körperlichkeit sowie Trieb- und Instinktzentriertheit zeigen. Sein Identitätsgefühl und Selbstbewusstsein in jener Daseinsschicht bezieht der Mensch auf dieser Ebene mittels seines physischen Selbstgefühls. Der Zweck des Lebens erschöpft sich in dieser Form für den Menschen in der Realisierung der vitalen Funktionen. Er besitzt noch kein Selbstbewusstsein im philosophischen Sinne, d.h. er verfügt nicht über die Fähigkeit der Selbstreflexion, was ihm den Zugang zu höheren Sphären des Lebens verstellt.
(ii) Bewusstsein überhaupt: Eine Stufe über dem bloßen Dasein ist für Jaspers der Verstand, den er ‚Bewusstsein überhaupt‘ nennt:
„Wir sind Bewusstsein überhaupt als das in allen eine und gleiche Bewusstsein, mit dem wir auf das gegenständlich gewordene Sein, auf identische Weise es meinend, wahrnehmend, fühlend, gerichtete sind derart, dass uns in jedem seiner Akte ein Allgemeingültiges aufleuchtet.“48
Das ‚Bewusstsein überhaupt‘ bildet die Ebene menschlichen Daseinsvollzuges, auf der er aus dem unreflektiert vollzogenen Prozess des In-der-Welt-Seins erwacht in eine Dimension, wo Fragwürdigkeiten auftauchen und er den Reflexionsprozess in Gang setzt. Das Bewusstsein richtet sich hier nicht mehr bloß auf diejenigen Vorstellungen, die unmittelbar mit der Erfüllung der vitalen Daseinszwecke zu tun haben, sondern es findet ein Abstraktionsprozess statt. Wie bereits im obigen Zitat angedeutet, geht es um einen Aufstieg in eine Sphäre des klaren Denkens. Hier werden Erkenntnisse generiert, die einen streng allgemeingültigen Charakter besitzen und somit auf intersubjektiver Ebene einen gemeinsamen Nenner unter den Menschen stiften. Der allgemeine Charakter der Erkenntnis wird laut Jaspers durch eine subjektseitige Ebene geliefert, welche die Konstitution der Objekterkenntnis generiert. Jaspers spricht von einem „Ichsein überhaupt, das die Subjektivität als Bedingung allen Objektseins“49 konstituiert.
Bewusstsein überhaupt und Philosophie: Es macht Sinn, an dieser Stelle einen kleinen Exkurs in die Verhältnisbestimmung von Wissenschaft und Philosophie zu unternehmen. Das ‚Bewusstsein überhaupt‘ manifestiert sich im Generieren wissen-schaftlicher Erkenntnisse. Wissenschaft hat einen „systematischen Stellenwert für sein Philosophieverständnis“50 und nimmt somit auch einen zentralen Rang für das Verständnis von Jaspers Position zum Offenbarungsglauben ein. Unter der Wissenschaft versteht er eine Forschungspraxis, die als methodische Erkenntnis auftritt und deren Resultate „zwingend gewiss und allgemeingültig“51 sind. Darunter fallen für Jaspers beispielsweise bestimmte Gegenstände in der realen Welt und deren Kausalzusammmenhänge, welche empirisch zugängig sind. Darüber hinaus fallen aber auch Gegenstände wie Handlungen, Aussagen, Gedanken und Denkmöglichkeiten in das Feld der Wissenschaft. Es werden auf diese Weise Aussagen gemacht, deren Wahrheit aber relativ zu den jeweils applizierten Methoden besteht. In Opposition dazu ist die Aufgabe der Philosophie eine Tätigkeit des Transzendierens. Sie zielt auf die geistige Erhellung eines erfahrungsjenseitigen Bereiches ab, d.h. einen Bereich, der über alle gegenständliche Erfahrung im Rahmen der Subjekt-Objekt-Spaltung hinausweist. Die Aufgabe der Wissenschaft besteht darin, gesichertes Wissen über einen partikularen Gegenstandsbereich zu liefern. Jedoch sind die Fragen des großen Ganzen philosophische Fragen und somit mit dem Verstand durch gegenständliche Forschung nicht beantwortbar. Worin besteht dann aber dennoch der Sinn der Wissen-schaft für die Philosophie, wenn sie doch keine umfassende Theorie des Ganzen liefern kann, sondern stets im defizitären verbleibt, was das Bedürfnis nach einem umfassenden Wissen betrifft?
Eine wesentliche Funktion von Wissenschaft besteht Jaspers zufolge darin, dass sie der Philosophie den Weg ebnet zu einem Philosophischen Glauben, also hier in diesem Kontext gesprochen vom Bewusstsein überhaupt den Sprung ebnet zur Existenz. Das ist nicht so zu verstehen, dass die empirischen Wissenschaften der Philosophie mit ihren Ergebnissen derart zuarbeiten, dass aus beiden Bereichen eine fruchtbare Synthese entsteht. Vielmehr ist dies bei Jaspers so zu aufzufassen, dass die Wissenschaften eine Art Vorbedingung leisten für die Philosophie: Indem die moderne Wissenschaft die große Entzauberung vollzieht, gewinnt sie den Weg zur Anschauung der wahren Tiefe, des eigentlichen Geheimnisses, das allein durch das entschiedenste Nichtwissen im unerfüllten Nichtwissen gegenwärtig wird.52 Indem man den Anspruch von Wissenschaft einschränkt, wird gleichzeitig Platz gemacht für den Aufgabenbereich der Philosophie. Dies bringt die Wissenschaft in die Rolle derjenigen Instanz, welche die Beschränktheit des wissenschaftlichen Verstandes zu Tage fördert, indem aus dem Defizit der Reichweite der Erkenntnis Raum entsteht für eine philosophische Beschäftigung mit dem Sein als Transzendenz. Darin steckt zwar eine radikale Abwertung der Reichweite von Wissenschaft, jedoch keine Abwertung der Wissenschaft als solcher. Denn Jaspers sieht es als notwendige Voraussetzung eines adäquaten Philosophierens an, dass der Philosoph im ständigen Kontakt mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen ist, ja sich sogar in einer besonderen Wissenschaft selbst gut auskennt. In diesem Lichte erscheint dann der Antrieb der Neugierde, der sich in der Beschäftigung mit der Wissenschaft zeigt, selbst als genuin philosophischer Impuls. Entscheidend ist aber Folgendes: Hintergrund der Beschäftigung mit Wissenschaft besteht stets im Schaffen des „Seinsbewusstseins, aus dem heraus man sich der Möglichkeit des eigenen Selbstseins, der existenziellen Freiheit und der Transzendenz bewusst wird.“53 Philosophie bleibt also weiterhin angewiesen auf gegenständliches Denken, nimmt dieses aber nur als Medium zur Erreichung einer Bewusstseinshaltung in Anspruch. Problematisch sind für Jaspers jene Ausmaße, welche die Bedeutung der Wissenschaft für die Menschen angenommen habe. Dort, wo sich Wissenschaft nicht einfach allein ihrem Aufgabenbereich zuwendet, sondern über ihr Ziel hinausschieße, indem sie absoluten Charakter durch den Anspruch eines Totalwissens gewinne, da sei ‚wissenschaftlicher Aberglaube‘ am Werk. Aufgabe der Philosophie sei es somit, diesen aufzuspüren und zu bekämpfen:
„Der Wissenschaftsaberglaube ist zu durchleuchten und zu überwinden. In unserem Zeitalter rastlosen Unglaubens griff man zur Wissenschaft als vermeintlich festem Halt, glaubte an sogenannte wissenschaftliche Ergebnisse, unterwarf sich blind vermeintlich Sachverständigen, glaubte, daß durch Wissenschaft und Planung die Welt im Ganzen in Ordnung zu bringen sei, erwartete von der Wissenschaft Ziele für das Leben, welche doch Wissenschaft nie zu geben vermag – und erwartete eine Erkenntnis des Seins im Ganzen, das Wissenschaft unerreichbar ist.“54
An dieser Stelle wird auch der Sinn der Beschäftigung Jaspers` mit der Religion wieder deutlich. Dort, wo der Transzendenzbezug fragwürdig wird oder sogar gänzlich verloren geht, werde der Mensch anfällig dafür, sich in der Immanenz zu verlieren, indem deren Absolutsetzung vollzogen werde.55 Dass das in der Religion wiederum auch ein Problem darstellt, dazu werden wir später kommen. Nun aber zur dritten Verwirklichungsform, dem Geist.
(iii) Geist: ‚ Geist‘ ist laut Jaspers eine Form des menschlichen Daseins, welche die Ebenen des Bewusstseins überhaupt und die des bloßen Daseins zum Fundament hat. Der Geist zeichne sich nicht durch seine formale Struktur aus, sondern charakterisiere sich durch eine inhaltliche Komponente. Hier werden die ver- schiedenen mannigfachen Erfahrungen individueller und kollektiver Natur zu Ideen gebündelt. Denn laut Jaspers sei der Mensch „nie ein nur formales Ich des Verstandes und nie nur Dasein als Vitalität, sondern er ist Träger eines Gehalts, der entweder in dem Dunkel einer primitiven Gemeinschaft bewahrt oder durch eine geistige, bewußt werdende und nie zureichend gewußte Ganzheit verwirklicht wird.“56
Ideen lägen zwar selbst außerhalb des Raumes möglicher Erfahrung, seien aber die Ordnung stiftenden Instanzen, welche Sinneseindrücke und Erfahrungen in einen kohärenten Zusammenhang brächten: „Als Geist bin ich erfüllt von Ideen, durch die ich die entgegenkommende Idee auffange. Das im Verstand sich Zerspaltende wird jeweils zusammengehalten und zu einer geistigen Bewegung. Wo die Ideen schwinden, da kollabiert die Welt in Endlosigkeiten zerstreuter Gegenstände.“57
(iv) Existenz: Die höchste Stufe menschlicher Verwirklichungsformen stellt die ‚Existenz‘ dar. Da sie das Kernstück der vier Verwirklichungsformen ist, bedarf es einer separaten Erläuterung.
2. Existenz als Freiheit des Menschen
„Als Existenz bin ich, indem ich mich durch Transzendenz mir geschenkt weiß. Ich bin nicht durch mich allein in meinem Entschluß. Sondern das ‚Durch-mich-Sein‘ ist mir ein in meiner Freiheit Geschenktsein. Ich kann mir ausbleiben und durch keinen Willen mich mir selber schenken.“58
In dieser Ebene realisiert das Individuum seine spezifisch ihm selbst entsprechenden Seinsmöglichkeiten. Diese Ebene transzendiert alle drei anderen (objektiven, dem Denken zugängigen) Stufen durch einen Aufschwung in eine höhere Sphäre, die sich jeglicher Planbarkeit und Rationalisierbarkeit entzieht.59 Da sich diese Ebene der Verwirklichung nicht in allgemeingültiger Form darlegen, sondern lediglich erhellen lässt, nennt Jaspers das Vermögen, welches jener Ebene der Existenz entspricht, den Glauben.
Untrennbar mit diesem Zusammenhang von Existenz und Transzendenz ver-knüpft ist Jaspers Vorstellung von Freiheit.60 Zu den Kriterien eines Aufstieges in diese Existenzebene ist ein aktives Tätigsein in der Welt nötig, das einen Akt der ständigen Selbstreflexion voraussetzt, im Rahmen derer sich der Mensch seiner „Geschichtlichkeit und Situationsgebundenheit“61 bewusst wird. Dadurch könne er eine Änderung des Seinsbewusstseins herbeiführen. In diesem Prozess erlebe er sich als Wesen, das alle Gebundenheit an die determinierenden Elemente des Daseins transzendieren kann und sich somit als freies Wesen entdeckt. Gleichzeit realisiert er, dass er in dieser Freiheit aber sich nicht selbst zu verdanken hat, sondern stets abhängig ist von einer Transzendenz. Diese Transzendenz erweist sich aber nicht als Gott mit theistischen Eigenschaften, sondern als eine ungegenständliche Transzendenz im Sinne eines deus absconditus.
Interessant ist nun, dass diese verschiedenen Formen des Umgreifenden nicht so zu verstehen sind, dass im Prozess einer Stufenfolge des Aufstieges hin zur Existenz die jeweils untergeordnete Verwirklichungsform obsolet ist. Jaspers geht vielmehr von einer wechselseitigen Angewiesenheit der verschiedenen Dimensionen aus: „Die Weisen des Umgreifenden, vollzogen in ihren Grundbezügen, sind erst in ihrer Gesamtheit die Verwirklichung des Menschseins.“62
Für den Aufstieg in eine höhere Sphäre des Daseins63 ist schon mal auf zwei wesentliche Bestandteile des Aufstieges hinzuweisen, denen Jaspers in seinem Werk zentrale Bedeutung zumisst: Zum einen das Phänomen der Grenzsituationen, und zum anderen die Kommunikation. Eine detaillierte Erörterung dieser zwei Bereiche würde an dieser Stelle den Rahmen sprengen; dies soll jedoch später im Kontext der Kritik am Offenbarungsglauben geschehen. Dort werde ich zeigen, was Grenzsituationen sind, wie eine adäquate Kommunikation im Sinne Jaspers aussieht und warum der Glaube an die Offenbarung diese beiden Wege der Selbstverwirklichung blockiert. Die Darstellung der elementaren Grundzüge soll nun als abgeschlossen betrachtet werden, damit Raum genug bleibt für den Hauptteil der Arbeit, nämlich der Auseinandersetzung mit dem christlichen Offenbarungsglauben. theologischer, so dass er sogar den Begriff Gott benutzt. Vgl. für die begriffliche Entwicklung Heinrich Fries, „Karl Jaspers und das Christentum“, Theologische Quartalschrift (34), Stuttgart 1952, 261.
Zweiter Teil: Kritik am christlichen Offenbarungsglauben
I. Theoretischer Teil der Kritik am Offenbarungsglauben
Nachdem wir einige wesentliche Grundlagen von Jaspers Philosophie dargelegt haben, können wir uns jetzt voll und ganz der Kritik am Offenbarungsglauben zuwenden. Die Kritik am Offenbarungslauben teile ich wesentlich ein in einen theoretischen und einen praktischen Aspekt. Damit verfolge ich die Annahme, dass die theoretischen Schwierigkeiten, die einem Offenbarungsglauben anhaften, bei Jaspers gleichsam einen notwendigen kausalen Zusammenhang zu den negativen Folgen dieses Glaubens für die Praxis aufweisen.64
1. Offenbarung und Offenbarungsglaube
Mit dem Thema ‚Offenbarung‘ berühren wir nun das Zentrum der Jaspersschen Religionskritik. Offenbarung ist das dritte Kriterium von Religion im Rahmen der von Jaspers aufgestellten Trias. Offenbarung ist von fundamentaler Bedeutung für die einzelnen religiösen Gruppen, weil sie die Basis bildet, auf der jeweils die verschiedenen religiösen Manifestationen wie Kultus und Gebet fußen. Jaspers stellt jedoch direkt prägnant klar: „Da Offenbarung Ursprung eines religiösen Inhalts ist, so gilt dieser nicht an sich, sondern in einer Gemeinschaft – des Volkes, der Gemeinde, der Kirche –, die die gegenwärtige Autorität und Garantie ist.“65 Durch das nicht an sich stellt Jaspers klar, dass es erstens nicht ‚die‘ Offenbarung gebe, sondern zweitens stets eine Pluralität in unterschiedlichen Kulturen.
Des Weiteren schimmert an dieser Stelle gleichzeitig die zugrunde liegende kritische Haltung gegenüber den Inhalten der Offenbarung durch. Insofern verweist hier – kantisch gedacht – das nicht an sich schon auf die Erscheinungshaftigkeit der Offenbarungsinhalte. Bei der Auseinandersetzung mit dem Thema Offenbarung66 ist interessant, dass Jaspers selbst ihrer Darstellung und Kritik sowohl eine demütige als auch eine relativ herablassende Grundhaltung zugrunde legt. Letztere zeigt sich in der Relativierung sämtlicher Inhalte der manifesten Züge des Offenbarungsglaubens in der Geschichte, die für nicht wenige Christusgläubige einen herben Dämpfer bedeuten dürften.67 Die Bescheidenheit zeigt sich aber darin, dass der Heidelberger Philosoph nicht für sich beansprucht, in das innerste Wesen, also in die Binnenperspektive derjenigen Personen einzutauchen, denen eine Offenbarung widerfahren ist und die aus dem Offenbarungsglauben heraus ihr Leben gestalten. Vielmehr betont Jaspers an mehreren Stellen der Kritik am Offenbarungsglauben, dass es für ihn dabei um den Fokus auf eine außenperspektivische Betrachtungsweise geht.68 Außenperspektivisch meint dabei aber nicht das Einnehmen einer neutralen Position, sondern er spricht über den Offenbarungsglauben aus der Perspektive eines Philosophen. Dahinter liegt die oben erläuterte Verhältnisbestimmung und zunächst klar erscheinende Dichotomi-sierung von Religion und Philosophie. Der Philosoph kann gar nicht – wie eben bereits erwähnt – in die Binnenperspektive des Gläubigen eintauchen, so muss sich beschränken auf seine Perspektive.
Von zentraler Bedeutung ist im weiteren Verlauf der Untersuchung die Differenzierung in (i) Offenbarung und (ii) Offenbarungsglaube, die es nun zu explizieren gilt.
(i) Offenbarung: ‚Offenbarung‘ bezeichnet dabei ein Phänomen, zu dessen Realitätsgehalt sich Jaspers wie gesagt sehr vorsichtig und distanziert äußert: „Ob es sie gibt und was sie ist, das ist durch kein Wissen und durch keine menschliche Vergewisserung zu beantworten.“69 Selbst die Gläubigen haben laut Jaspers keinerlei Zugang zu der Möglichkeit, einen allgemeingültigen Ausweis des Phänomens Offenbarung zu liefern, sondern sie lediglich als etwas zu erfahren, was sie unbedingt auf der Ebene des Glaubens angeht. Würden sie auf die Allgemeingültigkeit ihrer Erlebnisse pochen, dann wäre genau dies der Fehler, welcher laut Jaspers im Rahmen der Geschichte der Religion zu viel Unheil geführt hat. Aber dazu später mehr. Zunächst konzentrieren sich Jaspers daher auf (ii) den Offenbarungsglauben.
(ii) Offenbarungsglaube: Bevor speziell der ‚Offenbarungsglaube‘ unter die Lupe genommen wird, definiert Jaspers den Glauben allgemein als „eine Gewissheit, die mich führt. […] Durch Glauben lebe ich aus dem Ursprung, der in gedachten
Glaubensinhalten zu mir spricht.“70 Damit ist auf eine Doppelstruktur von Glauben hingewiesen, die in der klassischen Terminologie mit den Begriffen fides qua creditur und fides quae creditur bezeichnet wird. Mit fides qua creditur ist gleichsam das Vermögen des Glaubens angesprochen, also der Glaube, anhand dessen geglaubt wird. Mit dem fides quae creditur hingegen ist der Inhalt dessen angesprochen, was man glaubt. Beides zusammen sind notwendige und zusammen hinreichende Bedingungen dafür, um den Glauben zu charakterisieren. Glaube ohne Inhalt bleibt leer, Inhalt ohne Glauben wäre auch bloß „als Gegenstand, als Satz, Dogma Bestand ein[es] gleichsam tote[n] Etwas.“71 Somit steht für Jaspers fest: „Subjekt und Objekt des Glaubens sind eins. Glaubend zu leben und glauben an etwas zu leben sind nur miteinander möglich.“72
Jaspers fährt nun kritisch fort, indem er diesen Doppelaspekt von Glauben in Verbindung bringt mit der Reflexion auf den Glaubensinhalt. Sobald ich nämlich den Glaubensinhalt zum Gegenstand der Untersuchung mache, neige ich dazu, die Inhalte des Glaubens in allgemeingültige Sätze zu packen. Dadurch entsteht die Gefahr, dass ich die aktive Aneignung dessen, was Glaube ausmacht, kompensiere durch einen Bezug auf das, was als Glaubensinhalte geglaubt wird: „Daher kann ich, vor der Transzendenz und mir selbst versagend, glaubenslos im Willen zum Glauben, in der Angst des Auf-mich-selbst-Angewiesenseins mit den anderen gemeinschaftlich, durch Gemeinschaft getragen und gesichert, glauben, was wir als Glaubensinhalt bekennen.“73
[...]
1 Vgl. hierzu Werner Schüßler, Jaspers zur Einführung, Hamburg 1995, 41.
2 Vgl. hierzu den Aufsatz von Holm Tetens, „Der Gott der Philosophen“, in: NZSTh 57 (1), 2015.
3 Josef Schmitz, „Darstellung und Kritik des Offenbarungsglaubens bei Karl Jaspers“, in: Trierer Theologische Zeitschrift (74), Trier 1965, 83-99.
4 An dieser Stelle muss darauf hingewiesen werden, dass jedwede Generalisierung stets Gefahr läuft, bloß eine grobe Tendenz wiederzugeben. Der Detailblick offenbart meistens jedoch ein differenzierteres Bild. Somit gibt es auch die Auseinandersetzung mit der Gottesfrage im 20. Jahrhundert, beispielsweise in der Neuscholastik. Vgl. hierzu das Kapitel „Die Philosophie der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts“, in: Wolfgang Röd, Der Weg der Philosophie, München 1996, 403-506.
5 Bei allem univoken Klang dieser These lässt sich dennoch nur schwierig eine systematisch-einheitliche Position Jaspers` in Bezug auf den Offenbarungsglauben ausmachen. Vielmehr weist Franz Buri darauf hin, dass innerhalb der philosophischen Entwicklung von Jaspers` Denken eine gewisse Variabilität bezüglich der Einschätzung der Offenbarung vorherrscht: „Wenn auch der Grundton von Jaspers` Stellungnahme zum Offenbarungsglauben stets der nämliche bleibt, so weist er doch, wenn man einzelne Stellen vergleicht, gewisse Unterschiede auf. Die Variationsbreite erstreckt sich von entschlossener Ablehnung – ‚das alles glaube ich nicht‘ – über respektvolle Anerkennung der Grösse und Bedeutung des ihm Fremden bis zur Sorge um dessen unersetzlichen Bestand und der gelegentlichen Andeutung einer leisen Hoffnung, dass philosophischer Glaube eine Hilfe zu einem besseren Verständnis des Offenbarungsglaubens werden und beide ‚im Bunde‘ stehen können.“ Vgl. dazu Franz Buri, „Philosophischer Glaube und Offenbarungsglaube im Denken von Karl Jaspers“, in: Theologische Zeitschrift (39), Basel 1983, 204.
6 Heinrich Fries, „Karl Jaspers und das Christentum“, in: Theologische Quartalschrift (34), Stuttgart 1952, 257-287.
7 Karl Jaspers, Vom europ äischen Geist, München 1947, 29.
8 Karl Jaspers, „Philosophie und Wissenschaft“, in: Derselbe, Was ist Philosophie? Ein Lesebuch, München/Zürich 1997, 183-196.
9 Entgegen diesem Ansatz vertritt Ulrich Diel den interessanten Standpunkt, dass es primär universitäre Beweggründe im Sinne einer Legitimation von Philosophie an Universitäten angesichts eines sich wandelnden Wissenschaftsparadigmas sind, die Jaspers zu diesem methodischen Schritt verleitet hätten. Vgl. dazu: Ulrich Diehl, „Philosophie und Religion bei Karl Jaspers“, in: Jahrbuch der Österreichischen Karl-Jaspers-Gesellschaft (29), Innsbruck 2016, 131-159.
10 Karl Jaspers, Der Philosophische Glaube angesichts der Offenbarung, München 1962, 82.
11 Vgl. dazu Fritz Böversen, „Der einzelne, die Gemeinschaft und die Autorität. Zum Autoritätsbegriff von Karl Jaspers“, in: Kurt Salamun: Karl Jaspers.Zur Aktualität seines Denkens, München 1991, 110-111.
12 Es ist in der Literatur auch umstritten, inwiefern Japsers überhaupt als Religionsphilosoph bezeichnet werden kann. Ich folge in meiner Darstellung der Annahme, dass eine philosophische Reflexion über den Gegenstand der Religion per se bereits Religionsphilosophie ist.
13 Hierbei ist Dogmatik nicht zu verwechseln mit der theologischen Disziplin, sondern umfassender gedacht als jegliche Fixierung von Wissensaussagen philosophischer und wissenschaftlicher Natur.
14 Vgl. für diese methodische Vorgehensweise auch Wenzel Lohff, Glaube und Freiheit, Gütersloh 1957, 14.
15 Vgl. Karl Jaspers, Einf ührung in die Philosophie. Zwölf Radiovorträge, Zürich 1950 (28. Auflage 1989), vgl. vor allem 24-25. Im Folgenden soll nicht die komplexe Begriffsgeschichte von Sein und Seiendem erläutert werden. Die Begriffe werden hier so gebraucht, wie sie bei Jaspers semantisch ihre Verwendung finden. Sein ist dabei das allem zugrunde liegende Etwas, Seiendes meint die Vielfalt der Erscheinungsformen des Seins.
16 Ebd., 24.
17 Eine ausführliche Darlegung dieser Problematik der Verabsolutierung von Partikularem in Form von Weltbildern findet sich bei Jaspers in seinem Kapitel „Weltbilder“ in: Karl Jaspers, Psychologie der Weltanschauungen, Basel 2019 , 144-165.
18 Karl Jaspers, Einf ührung in die Philosophie. Zwölf Radiovorträge, Zürich 1950 (28. Auflage 1989), 25.
19 Karl Jaspers, Einf ührung in die Philosophie. Zwölf Radiovorträge, Zürich 1950 (28. Auflage 1989), 24-25. Hierbei ist zunächst zu konstatieren, dass Jaspers - erkenntnistheoretisch gesehen - Kind einer neuzeitlichen Epistemologie ist. Er problematisiert die Frage nach der objektiven Erkenntnis im Lichte des Gegensatzes von einem Subjekt auf der einen und einem Objekt auf der anderen Seite. Das impliziert auch eine neuzeitliche Semantik der Begriffe ‚Subjekt‘ und ‚Objekt‘, die sich dediziert von einem antiken Verständnis abgrenzt. Dieses Verständnis steht in der Traditionslinie der Subjektphilosophie, derzufolge die Erkennbarkeit von Objekten jeweils konstituiert wird durch das jeweilige denkende Ich das Subjekt.
20 Eigenständige und sicher kontroverse Titulierung, da Jaspers sich gegen eine Ontologie im klassischen Sinne ausspricht. Hier an dieser Stelle erscheint die Einführung von ‚Ontologischen Konsequenzen‘ im Sinne einer besseren Kategorisierbarkeit der Themen sinnvoll, jedoch unter Vorbehalt der Jaspersschen Einwände dagegen.
21 Karl Jaspers, Einf ührung in die Philosophie. Zwölf Radiovorträge, Zürich 1950 (28. Auflage 1989), 25.
22 Es kann nicht auf die lange und komplexe Begriffsgeschichte des Begriffspaares Sein/Seiendes eingegangen werden. Vgl. dazu beispielsweise den Artikel „Sein“, in: Metzler Lexikon Philosophie, Stuttgart 2008, 544-545. Ich folge hier im Kontext der Jaspersschen Philosophie den begrifflichen Vorschlägen der Differenzierung von Sein und Seiendes den Beiträgen von Hans Saner, Jaspers. In Zeugnissen und Bildokumenten, Hamburg 1974, 54.
23 Karl Jaspers, Der Philosophischer Glauber angesichts der Offenbarung, München 1962, 33.
24 Karl Jaspers, Einf ührung in die Philosophie. Zwölf Radiovorträge, Zürich 1950 (28. Auflage 1989), 26.
25 Ebd., 27.
26 Diese Korrelation zwischen dem Gegenständlichen und dem Ungegenständlichen wird im Rahmen der Gegenüberstellung von Wissenschaft und Philosophie an späterer Stelle dieser Arbeit noch genauer untersucht.
27 Karl Jaspers, Einf ührung in die Philosophie. Zwölf Radiovorträge, Zürich 1950 (28. Auflage 1989), 25.
28 Die Einteilung des Umgreifenden in eine seinsspekulative und eine t ranszendentalphilosophische Dimension entnehme ich der einleuchtenden Kategorisierung von Kurt Salamun, Karl Jaspers, 2. Auflage, Würzburg 2006.
29 Hinzufügung durch den Verfasser.
30 Kurt Salamun, Karl Jaspers, München 1985 (2. Auflage Würzburg 2006), 68.
31 Ebd.
32 Ebd.
33 Karl Jaspers, Von der Wahrheit. Philosophische Logik. Erster Band, München 1947 (4. Auflage 1991), 122, zitiert nach Kurt Salamun, Karl Jaspers, München 1985 (2. Auflage Würzburg 2006), 68.
34 Karl Jaspers, Von der Wahrheit. Philosophische Logik. Erster Band, München 1947 (4. Auflage 1991), 606.
35 Hinzufügung durch den Verfasser.
36 Karl Jaspers, Von der Wahrheit. Philosophische Logik. Erster Band, München 1947 (4. Auflage 1991), 647.
37 Salamun weist auf den engen Zusammenhang mit Kants transzentalphilosophischer Methode hin Vgl. dazu Kurt Salamun, Karl Jaspers, München 1985 (2. Auflage Würzburg 2006), 70.
38 Ebd., 70.
39 Ebd 71
40 Hierbei handelt es sich um eine vom Verfasser dieser Arbeit nachgezeichnete und etwas abgewandelte Variante derjenigen Version, die von Kurt Salamun in seiner Jaspers-Einführung angefertigt wurde. Vgl. dazu Kurt Salamun, Karl Jaspers, München 1985 (2. Auflage Würzburg 2006), 71. Das Original-Schaubild findet sich bei Karl Jaspers, in: Ders., Von der Wahrheit. Philosophische Logik. Erster Band, München 1947 (4. Auflage 1991), 50.
41 Hinzufügung durch den Autor.
42 Kurt Salamun, Karl Jaspers, München 1985 (2. Auflage Würzburg 2006), 71.
43 Eine Erläuterung der verschiedenen Verwirklichungsdimensionen erfolgt im Abschnitt über den Existenzbegriff an späterer Stelle.
44 Karl Jaspers, Der philosophische Glaube, München 1948 (2. Auflage 2017) , 45.
45 Ebd., 46.
46 Jaspers gehört ja bekanntlich der Strömung der Existenzphilosophie an. In holzschnittartiger Manier kann gesagt werden, dass Repräsentanten dieser Art Philosophie den Menschen in seinen mannigfaltigen Dimensionen – wie der Name schon suggeriert – in den Mittelpunkt philosophischer Durchdringung stellen. Existenz beleuchten bedeutet, den Fokus auf die existenziellen Bedingungen des Menschen zu legen und somit den Menschen wahrzunehmen als ein Wesen, das „von elementaren Stimmungen, Gefühlen und emotionalen Grunderfahrungen erschüttert wird.“ Vgl. dazu Kurt Salamun, Karl Jaspers, München 1985 (2. Auflage Würzburg 2006), 38. Existenzphilosophen grenzen sich somit von bestimmten philosophischen Traditionen ab, die den Menschen mit seiner Vernunftfähigkeit als denkendes Wesen überakzentuieren. Statt einer Ausarbeitung einer abstrakten, systematischen Philosophie mit festen Prinzipien und Geboten liefern Existenzphilosophen vielmehr eine detaillierte phänomenologische Analyse der Grunderfahrungen des menschlichen Lebens. Abheben tut sich Jaspers von den Vorgängertheorien der Existenzphilosophie, indem er den Begriff der Existenz mit einer transzendenzbezogenen Konnotation versieht.
47 Kurt Salamun, Karl Jaspers, München 1985 (2. Auflage Würzburg 2006), 44.
48 Karl Jaspers, Von der Wahrheit. Philosophische Logik. Erster Band, München 1947 (4. Auflage 1991), 65, zitiert nach: Kurt Salamun, Karl Jaspers, München 1985 (2. Auflage Würzburg 2006), 45.
49 Karl Jaspers, Philosophie Bd. I. Philosophische Weltorientierung, 3. Auflage. Berlin/Göttingen/ Heidelberg, 1956, 13.
50 Kurt Salamun, Karl Jaspers, München 1985 (2. Auflage Würzburg 2006), 94.
51 Ebd., 185.
52 Vgl. Jaspers, „Wissenschaft und Philosophie“, in: Ders., Was ist Philosophie? Ein Lesebuch, München/Zürich 1997, 183-196.
53 Kurt Salamun, Karl Jaspers, München 1985 (2. Auflage Würzburg 2006), 100.
54 Karl Jaspers, Der philosophische Glaube, München 1948 (2. Auflage 2017) , 132.
55 An anderer Stelle dieser Arbeit wird später noch näher der Fragestellung nachgegangen, wie Unglaube in Form von Menschenvergötterung mit der Kritik an der Inkarnation Gottes in Jesus Christus zusammenhängt.
56 Karl Jaspers, Philosophie II, 3. Auflage. Berlin/Göttingen/Heidelberg: Springer-Verlag, 1956 (3. Auflage), 53, zitiert nach Kurt Salamun, Karl Jaspers, München 1985 (2. Auflage Würzburg 2006), 46.
57 Karl Jaspers, Der philosophische Glaube, München 1948 (2. Auflage 2017), 20.
58 Ebd., 20.
59 Vgl. Kurt Salamun, Karl Jaspers, München 1985 (2. Auflage Würzburg 2006), 46.
60 Es scheint eine Dynamik innerhalb des Denkens von Jaspers in Bezug auf das, was er Transzendenz nennt, zu geben. Während er in früheren Schriften noch von einem Sein spricht, dessen der Mensch sich im Vollzug der Existenz bewusst werde, sind seine späteren Formulierungen schon ein stückweit
61 Kurt Salamun, Karl Jaspers, München 1985 (2. Auflage Würzburg 2006), 50.
62 Karl Jaspers , Von der Wahrheit. Philosophische Logik. Erster Band, München 1947 (4. Auflage 1991), 140.
63 Hier an dieser Stelle nicht zu verstehen als die Verwirklichungsform ‚bloßes Dasein‘, sondern eher im Sinne eines alltäglichen Sprechens im Sinne von ‚eigenem Leben‘.
64 Hier soll mit ‚Theorie‘ und ‚Praxis‘ gemeint sein, dass Theorie eben das Geglaubte selbst ist und sich in der Praxis die Folgen dieses Glaubens in der realen Welt manifestieren.
65 Ebd., 65.
66 Da Jaspers präzise trennt zwischen dem Phänomen der Offenbarung als realem Geschehen und dem Glauben an Offenbarung, fungiert ‚Offenbarung‘ hier jetzt als Oberbegriff für beide.
67 Das zeigt die theologische Rezeption vor allem in den Fünfzigerjahren, die ihrerseits wiederum mit Apologetik reagiert. So z.B. Heinrich Fries, „Jaspers und das Christentum“, (wie Anm.), 258.
68 Vgl. z.B. Karl Jaspers, Der philosophische Glaube, München 1948 (2. Auflage 2017), 60.
69 Karl Jaspers, Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung, München 1962 , 34.
70 Karl Jaspers, Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung, München 1962, 49.
71 Karl Jaspers, Der philosophische Glaube, München 1948 (2. Auflage 2017), 14.
72 Karl Jaspers, Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung, München 1962, 49.
73 Ebd., 49.
- Citation du texte
- Arndt Krause (Auteur), 2019, Karl Jaspers' Kritik am christlichen Offenbarungsglauben, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/902134
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