Das Beziehungsgeflecht in der Eidgenossenschaft unter den souveränen und den zugewandten Orten, so wie deren Untertanengebieten, wurde im Verlauf des 16. Jahrhunderts um eine religiöse Ebene erweitert. An der Schwelle zur Neuzeit verkomplizierte die religiöse Spaltung innerhalb des Christentums die verworrenen Verhältnisse auch auf dem relativ kleinen Raum der damaligen Eidgenossenschaft. Manch althergebrachte, politische Gegebenheit erschien nun in einem neuen Licht, und stellte so alle Parteien vor gänzlich neue Herausforderungen.
Der vorliegende Essay geht davon aus, dass innerhalb der Eidgenossenschaft, in jenen Gebieten, die sich der Reformation zuwandten, unterschiedliche Entwicklungen zu beobachten waren. Die Ausbreitung der Reformation auf dem Gebiet der Eidgenossenschaft erfolgte demnach nicht überall nach den gleichen Mustern, den gleichen Abläufen. Rückblickend sind unterschiedliche Formen der Ausbreitung der Reformation festzustellen, die den entsprechenden lokalen oder regionalen Umständen oder Gegebenheiten folgten und diesen entsprachen. Der vorliegende Essay wird sich nachfolgend vor allem mit der Entwicklung und Entfaltung der Reformation in der Stadt Genf befassen. Es wird versucht, kurz aufzuzeigen, weshalb sich die reformatorische Bewegung in Genf radikaler auszuprägen vermochte, als dies in anderen Orten der Eidgenossenschaft geschehen ist, und dass dies durchaus auch mit der besonderen Stellung Genfs innerhalb oder gegenüber der Eidgenossenschaft erklärt werden kann. Die eigentümliche Beziehung Genfs zur Eidgenossenschaft des 16. Jahrhunderts kann also durchaus als eine Erklärung für die Entwicklung der historisch bedeutsamen, sich von anderen Formen der Reformation unterscheidenden, Genfer Reformation angesehen werden. Die Beziehung der Stadt Genf zur Eidgenossenschaft wurde in den 20er Jahren des 16. Jahrhunderts enger. Dies kann man einerseits auf das Streben Genfs nach Selbstbestimmung, andererseits aber auch auf die militärische und politische Stärke und Bedeutsamkeit Berns zurückführen. Genf gehörte seit rund fünfhundert Jahren zum burgundischen Reichsteil der Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, und war darüber hinaus eine Bischofsstadt. Der Bischof war also auch der Stadtherr Genfs, und die Beziehung zwischen dem Herrn und den Untertanen gestaltete sich scheinbar sehr freundlich, verfügte Genf doch über eine Vielzahl von Privilegien und Freiheiten.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Stellung Genfs
3. Die Reformation in Genf
4. Die Umsetzung der Reformation in Genf
5. Der Genfer Weg
6. Zusammenfassung
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Das Beziehungsgeflecht in der Eidgenossenschaft unter den souveränen und den zugewandten Orten, so wie deren Untertanengebieten, wurde im Verlauf des 16. Jahrhunderts um eine religiöse Ebene erweitert. An der Schwelle zur Neuzeit verkomplizierte die religiöse Spaltung innerhalb des Christentums die verworrenen Verhältnisse auch auf dem relativ kleinen Raum der damaligen Eidgenossenschaft. Manch althergebrachte, politische Gegebenheit erschien nun in einem neuen Licht, und stellte so alle Parteien vor gänzlich neue Herausforderungen.
Der vorliegende Essay geht davon aus, dass innerhalb der Eidgenossenschaft, in jenen Gebieten, die sich der Reformation zuwandten, unterschiedliche Entwicklungen zu beobachten waren. Die Ausbreitung der Reformation auf dem Gebiet der Eidgenossenschaft erfolgte demnach nicht überall nach den gleichen Mustern, den gleichen Abläufen. Rückblickend sind unterschiedliche Formen der Ausbreitung der Reformation festzustellen, die den entsprechenden lokalen oder regionalen Umständen oder Gegebenheiten folgten und diesen entsprachen. Der vorliegende Essay wird sich nachfolgend vor allem mit der Entwicklung und Entfaltung der Reformation in der Stadt Genf befassen. Es wird versucht, kurz aufzuzeigen, weshalb sich die reformatorische Bewegung in Genf radikaler auszuprägen vermochte, als dies in anderen Orten der Eidgenossenschaft geschehen ist, und dass dies durchaus auch mit der besonderen Stellung Genfs innerhalb oder gegenüber der Eidgenossenschaft erklärt werden kann. Die eigentümliche Beziehung Genfs zur Eidgenossenschaft des 16. Jahrhunderts kann also durchaus als eine Erklärung für die Entwicklung der historisch bedeutsamen, sich von anderen Formen der Reformation unterscheidenden, Genfer Reformation angesehen werden.
2. Die Stellung Genfs
Die Beziehung der Stadt Genf zur Eidgenossenschaft wurde in den 20er Jahren des 16. Jahrhunderts enger. Dies kann man einerseits auf das Streben Genfs nach Selbstbestimmung, andererseits aber auch auf die militärische und politische Stärke und Bedeutsamkeit Berns zurückführen. Genf gehörte seit rund fünfhundert Jahren zum burgundischen Reichsteil der Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, und war darüber hinaus eine Bischofsstadt. Der Bischof war also auch der Stadtherr Genfs, und die Beziehung zwischen dem Herrn und den Untertanen gestaltete sich scheinbar sehr freundlich, verfügte Genf doch über eine Vielzahl von Privilegien und Freiheiten.[1] Das friedliche Verhältnis geriet erst mit dem zunehmenden Einfluss des Genf umringenden Herzogtums Savoyen aus dem Gleichgewicht, welches neben französischen Territorien auch noch die Gebiete der Waadt zu seinem Hoheitsgebiet zählen konnte. Genf sah sich also mit einem aufstrebenden Fürstentum konfrontiert, das zum Einen grosse Gebiete rund um die Stadt beherrschte, und zum Andern seinen Einfluss auf die Stadt selbst zu mehren versuchte. Der Versuch Savoyens, verstärkten Einfluss auf die nicht nur verkehrspolitisch sehr bedeutsame Stadt Genf zu nehmen, kollidierte mit dem ausgeprägten Willen der Stadtbewohner, über die eigenen Geschicke selbst bestimmen zu können. In dieser zunehmenden Bedrohungslage sah sich Genf nach neuen Verbündeten um, und fand diese in zwei Orten der Eidgenossenschaft. 1526 schloss Genf Verträge mit Fribourg und Bern ab, vor allem letzteres Bündnis war sicherlich auch als militärische Absicherung gegen Savoyen gedacht. Von diesem Zeitpunkt an versuchte Genf zunehmend, zugewandter Ort der Eidgenossenschaft zu werden. Ziel war es also, unter Wahrung der Selbstbestimmung Mitglied eines relativ freiheitlichen Bündnisses zu werden, mit der Rückendeckung einer zu dieser Zeit sehr bedeutsamen und mächtigen Stadt Bern.
Bern selbst war diesem Bündnis gegen Savoyen sehr zugetan, da der Stadtstaat eine expansive Territorialpolitik betrieb, und schon länger die Einordnung der Waadt in das eigene Hoheitsgebiet beabsichtigte. Dennoch wartete man in Bern den geeigneten Zeitpunkt ab, um die nach den Verträgen von 1526 von Savoyen als Pfand für die Sicherheit Genfs eingesetzte Waadt zu besetzen. Diese politische Weitsicht und Geduld sollte sich lohnen: 1536 nutzte Bern eine günstige, aussenpolitische Konstellation aus, um die Waadt zu erobern, und der bis dahin vorwiegend deutschsprachigen Eidgenossenschaft einen grossen französischsprachigen Westteil hinzuzufügen, der danach auch nicht mehr verloren gehen sollte. Die Stadt Genf blieb jedoch bis zu einem gewissen Grad souverän, verpflichtete sich allerdings zu einer Öffnung gegenüber seiner Schutzmacht Bern.[2] Die eigentliche Geburtsstunde der Romandie erweiterte somit einerseits die eidgenössischen Gebiete, stand andererseits aber auch Genf die gewünschten Freiheiten zu. Genf wurde unabhängig und ein der Eidgenossenschaft zugewandter Ort, blieb dies bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, und wurde im Zuge der Restauration nach den napoleonischen Kriegen schweizerisch.
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[1] Vgl. Muralt, Leonhard von : Renaissance und Reformation. S. 527. In : Handbuch der Schweizer Geschichte. Band 1. 2. Aufl., Zürich 1980. S. S. 389-570.
[2] Vgl. Muralt, Leonhard von : Renaissance und Reformation. S. 531. In : Handbuch der Schweizer Geschichte. Band 1. 2. Aufl., Zürich 1980. S. S. 389-570.
- Arbeit zitieren
- David Venetz (Autor:in), 2008, Genf und der Calvinismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/90163
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