Die Möglichkeit von Placebokontrollen bei der klinischen Prüfung am Menschen gemäß Arzneimittelgesetz (AMG) hat auch nach dessen im Juli 2004 ergangener 12. Gesetzesnovelle keinerlei explizite Regelung erfahren. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird der Umfang der rechtlichen Zulässigkeit placebokontrollierter Forschung anhand der neuen gesetzlichen Vorschriften erstmals detailliert untersucht.
Die für die Placebokontrolle als Rechtsgrundlagen in Betracht kommenden Vorschriften des Arzneimittelgesetzes über klinische Prüfungen am Menschen werden dabei unter Berücksichtigung der durch die 12. Gesetzesnovelle umgesetzten europäischen Richtlinien, insbesondere 2001/83/EG und 2001/20/EG, der Biomedizin-Konvention des Europarates von 1997 und der Deklaration von Helsinki des Weltärztebundes sowie der Verordnung über die Anwendung der Guten Klinischen Praxis – GCP-VO – interpretiert.
Diese sind innerhalb der Vorschriften der §§ 40, 41 AMG zu suchen, welche die allgemeinen und besonderen Voraussetzungen der klinischen Prüfung am Menschen detailliert regeln. Im Rahmen der §§ 40, 41 AMG können insgesamt fünf verschiedene Arten von Teilnehmern an klinischen Prüfungen unterschieden werden, für die jeweils besondere Voraussetzungen gelten und dementsprechend auch für die Placebo-Gabe gelten könnten: gesunde einwilligungsfähige Volljährige, kranke einwilligungsfähige Volljährige, kranke einwilligungsunfähige Volljährige, gesunde Minderjährige und kranke Minderjährige.
Die unterschiedlichen Anforderungen an die Zulässigkeit der Placeboverabreichung an die Prüfungsteilnehmer werden im Hinblick auf jede Teilnehmergruppe ausführlich dargestellt und erörtert Nachdem das Gemeinschaftsrecht und auch das Recht des Europarates im Rahmen der Gesetzesauslegung schon mehrfach zur Verdeutlichung des nationalrechtlichen Befundes herangezogen werden, erfolgt im Anschluss an die Gesetzesauslegung eine Überprüfung speziell des § 41 Abs. 2 und 3 AMG auf verfassungsrechtliche und völkerrechtliche Zulässigkeit hin. Beim Verfassungsrecht geht es um Artikel 1 Abs. 1, 2 Abs. 2, 3 Abs. 1 und 6 Abs. 2 des Grundgesetzes, beim Völkerrecht um Art. 7 – insbesondere S. 2 – des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte. Abschließend werden auf der Grundlage der Arbeitsergebnisse Neuformulierungen des Arzneimittelgesetzes vorgeschlagen, auf deren Basis die bisherige Rechtslage klarer und sicherer gestaltet werden könnte.
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Anmerkung: Es wurde Literatur bis einschließlich 30. Juni 2006 (Redaktionsschluß) berücksichtigt
§1 Einleitung und Darstellung des Problems
Medizinischer Fortschritt beruht zu ganz wesentlichen Teilen auf medizinischer Forschung. Klinische Arzneimittelprüfungen am Menschen, die einen nicht geringen Teilbereich der medizinischen Forschung ausmachen, haben in dem Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln[1] aus dem Jahre 1976, welches am 1. Januar 1978 in Kraft getreten ist, eine ausdrückliche Regelung erfahren.
Das Arzneimittelgesetz ist durch seine im Juli 2004 ergangene 12. Gesetzesnovelle[2] umfassend modifiziert worden. Ziel der Novelle war im Wesentlichen die Umsetzung europäischen Rechts in das Arzneimittelgesetz[3]. Insbesondere der Richtlinie 2001/20/EG, die Bestimmungen zur Durchführung der klinischen Prüfung mit Arzneimitteln enthält, kommt im Hinblick auf die Gesetzesänderung maßgebliche Bedeutung zu. Entscheidende Modifikationen finden sich unter anderem im sechsten Abschnitt des Gesetzes, der sich mit dem Schutz des Menschen bei der klinischen Prüfung befaßt.
Klinische Prüfungen werden heute üblicherweise mit der Methode des kontrollierten klinischen Versuchs[4] durchgeführt. Beim kontrollierten Versuch werden die Teilnehmer der klinischen Prüfung in zwei Gruppen eingeteilt. Die eine Gruppe, die als Testgruppe bezeichnet wird, bekommt das zu prüfende Arzneimittel verabreicht. Die andere, sogenannte Kontrollgruppe, kann eine Therapieform erhalten, die sich bewährt hat und als Standardmedikation anerkannt ist, wobei diese regelmäßig als “aktive Kontrollgruppe” bezeichnet wird. Der Versuch dient in derartigen Fällen dem Nachweis der Überlegenheit des neuen Medikaments gegenüber der Standardtherapie[5].
Alternativ zur Standardtherapie kann das zu prüfende Arzneimittel auch gegen ein Placebopräparat[6] getestet werden, wobei es sich dann nicht um einen Überlegenheitsnachweis, sondern um einen reinen Wirksamkeitsnachweis handelt[7]. Das Placebo ist ein pharmakologisch unwirksamen Stoff, der, beispielsweise als Tablette oder Infusion geboten, in Wirklichkeit eine körperverträgliche Substanz, etwa Zucker oder Kochsalzlösung, enthält. Es ist mit dem zu prüfenden Arzneimittel in allen sinnlich wahrnehmbaren Erscheinungsformen wie Geschmack, Farbe, Form Geruch usw. identisch[8]. Äquivalente Bezeichnungen für das Placebopräparat sind Blindpräparat, Falsumpräparat, Leerpräparat, Plazebo sowie Scheinarznei, um nur einige zu nennen[9].
Bei der klinischen Prüfung sind verschiedene Gruppen von Prüfungsteilnehmern zu differenzieren: Als Proband wird die gesunde oder in Bezug auf das zu testende Präparat nicht einschlägig kranke Versuchsperson bezeichnet. Ein Patient hingegen ist der einschlägig Kranke, bei dem durch den Einsatz des zu prüfenden Arzneimittels ein therapeutischer Erfolg erzielt werden soll. Für die Zulässigkeit der klinischen Prüfung bestehen gemäß §§ 40, 41 AMG im Hinblick auf Probanden und Patienten unterschiedliche Voraussetzungen, wobei diese Termini im Gesetz nicht verwendet werden. Der kontrollierte klinische Versuch wird innerhalb des Arzneimittelgesetzes ebensowenig ausdrücklich angesprochen, und auch die Möglichkeit einer Placeboverabreichung in der Kontrollgruppe hat mit der 12. Gesetzesnovelle nach wie vor keinerlei explizite Regelungen erfahren.
Mit der nachstehenden Untersuchung soll geklärt werden, inwieweit eine Placeboverabreichung in der Kontrollgruppe einer klinischen Prüfung als rechtlich zulässig erachtet werden kann. Vorangehend wird ermittelt, ob die Zuführung eines Placebopräparates in der Kontrollgruppe grundsätzlich dem Regelungsbereich des Arzneimittelgesetzes unterfällt oder vielmehr die allgemeinen Regeln heranzuziehen sind. Die Bearbeitung dieses Problemkreises wird vorrangig an der Bestimmung des Arzneimittelbegriffs sowie an der Definition der “Klinischen Prüfung” ausgerichtet sein.
Nach der Klärung dieser entscheidenden Vorfrage werden die potentiellen Rechtsgrundlagen für eine Placebogabe in der Kontrollgruppe erörtert. In Betracht kommen §§ 40, 41 AMG, die die allgemeinen und besonderen Voraussetzungen klinischer Prüfungen detailliert regeln. Diese Vorschriften sind bezüglich der Möglichkeit einer Placeboverabreichung in der Kontrollgruppe bei klinischen Prüfungen bislang noch nicht umfassend interpretiert worden.
Die vorliegende Arbeit will einen Beitrag zur dahingehenden Auslegung von §§ 40, 41 AMG n. F. leisten: Auf der Basis einer Norminterpretation soll die Zulässigkeit placebokontrollierter klinischer Prüfungen nach dem deutschen Arzneimittelrecht bestimmt werden. Darüber hinaus wird die derzeitige praktische Handhabung dieser Prüfmethode analysiert, im Hinblick auf die bestehende Rechtslage problematisiert und die rechtliche Zulässigkeit des Entzugs einer vorhandenen Standardmedikation bei reiner Placebokontrolle erläutert. Zudem erfolgt eine Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der als verfassungsrechtlich problematisch einzustufenden §§ 41 II, III AMG.
Die Bearbeitungsbedürftigkeit der Placeboproblematik ist bereits darin zu sehen, daß aufgrund der durch die 12. AMG-Novelle eingeführten Formulierungen erhebliche Rechtsunsicherheiten bezüglich der Zulässigkeit placebokontrollierter Forschung bestehen. Bei der klinischen Prüfung am Menschen, die sich stets im Spannungsfeld des Interessenausgleichs zwischen medizinischem Fortschritt und der Wahrung von Individualinteressen der Prüfungsteilnehmer bewegt, sind derartige Unklarheiten zu vermeiden. Hier besteht ein nicht zu unterschätzender Klärungsbedarf.
Für die praktische Handhabung placebokontrollierter Forschungsvorhaben und den damit verbundenen juristischen, medizinischen und ethischen Aspekten sind eindeutig formulierte gesetzliche Vorgaben unerläßlich. Als Mindestanforderung muß gelten, daß die als Rechtsgrundlagen in Betracht kommenden Normen des Arzneimittelgesetzes trotz des Mangels einer ausdrücklichen Erwähnung von Placebogaben durch entsprechende Auslegung hinreichend präzise angewendet werden können. Diesem Aspekt kommt maßgebliche Bedeutung zu, so daß zunächst die in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen für eine Placebogabe in der Kontrollgruppe ermittelt werden sollen.
§2 Mögliche Rechtsgrundlagen für die Placebokontrolle im AMG
Gemäß § 25 II Nr. 2 AMG ist für die Zulassung eines Arzneimittels die Prüfung nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse erforderlich. Die klinische Prüfung im Sinne des Arzneimittelgesetzes wird allgemein in vier verschiedene Phasen untergliedert[10], wobei sich diese Untergliederung dem Gesetz nicht unmittelbar entnehmen läßt.
In Phase I der klinischen Prüfung, die sich unmittelbar an die präklinische Prüfung[11] anschließt, erfolgt eine Verträglichkeitsprüfung an ca. zehn bis 50 in der Regel gesunden Probanden[12] in Einrichtungen pharmazeutischer Unternehmen oder in geeigneten Kliniken. In Phase I wird das Arzneimittel erstmals am Menschen angewendet[13]. Über die Verträglichkeit hinaus sollen insbesondere die Pharmakokinetik einschließlich der Biotransformation, bestenfalls bereits erste Hinweise zur Dosierung und unter Umständen auch ein pharmakodynamisches Profil[14] ermittelt werden, wobei im Falle der Unbedenklichkeit der Übergang zur Phase II erfolgt[15].
Dort wird eine erste Anwendung an bis zu 200 Patienten in einer kontrollierten Studie vorgenommen, im Rahmen derer vorrangig die pharmakologische Wirkung des Arzneimittels geprüft wird[16]. Insbesondere soll hier nach selteneren unerwünschten Arzneimittelwirkungen[17] gefahndet werden, die bis dahin wegen der relativ kleinen Stichproben nicht statistisch relevant in Erscheinung treten konnten[18].
Die klinische Prüfung, welche die Grundlage der mit dem Zulassungsantrag verbundenen Dokumentation ist, wird mit Beendigung dieser Phase abgeschlossen; Die weitere Phase IV der klinischen Prüfung betrifft die aufmerksame und kritische Überwachung des nunmehr zugelassenen Arzneimittels und und seine weitere Prüfung[19]. Für den Schutz des Menschen bei der klinischen Prüfung sind bezüglich all ihrer Phasen die Vorschriften der §§ 40, 41 AMG maßgebend[20].
Sie bestimmen, wann eine klinische Prüfung als rechtlich zulässig anzusehen ist. Auch die Zulässigkeit von Placeboverabreichungen im Rahmen der klinischen Prüfung ist möglicherweise anhand der Voraussetzungen dieser Vorschriften zu bestimmen. §§ 40, 41 AMG kommen daher als Rechtsgrundlagen für eine Placebogabe bei der klinischen Prüfung in Frage. Innerhalb dieser Vorschriften wird eine Unterteilung in verschiedene Personengruppen vorgenommen: gesunde Volljährige, § 40 I AMG; Volljährige, die an einer Krankheit leiden, § 41 I S. 1 AMG; gesunde und kranke Minderjährige, §§ 40 VI und 41 II AMG, und Volljährige, welche nicht einwilligungsfähig sind, § 41 III AMG. An die Zulässigkeitsvoraussetzungen der klinischen Prüfung werden je nach Gruppenzugehörigkeit des Prüfungsteilnehmers unterschiedliche Voraussetzungen geknüpft, auf die später noch im Einzelnen eingegangen werden soll.
Fraglich ist, ob innerhalb von §§ 40, 41 AMG Regelungskomplexe ersichtlich sind, die gegebenenfalls die Möglichkeit einer Placeboapplikation in der Kontrollgruppe erfassen können. In § 40 AMG werden die Voraussetzungen der klinischen Prüfung mit volljährigen einwilligungsfähigen Probanden festgelegt. und vom Gesetz als “allgemeine Voraussetzungen” bezeichnet. Die hiernach in § 41 AMG aufgeführten, sogenannten “besonderen” Voraussetzungen beziehen sich hingegen nur auf Patienten, also Teilnehmer, die an der für die Studie einschlägigen Krankheit leiden.
Die in § 41 AMG genannten Voraussetzungen schließen an § 40 AMG an, sie finden “mit folgender Maßgabe Anwendung”. Das Verhältnis der §§ 40, 41 AMG zueinander ist das einer unvollständigen Spezialität, wobei einzelne Teile der Generalnorm erhalten, andere ganz abgeschafft oder ergänzt und Dritte wiederum modifiziert werden[21].
I. Regelungsbereich der §§ 40, 41 AMG
Vorab ist zu prüfen, ob die Placeboverabreichung in der Kontrollgruppe überhaupt vom grundsätzlichen Regelungsbereich der §§ 40, 41 AMG erfaßt wird. Hierfür müßte die Placebogabe unter den Begriff der “klinischen Prüfung von Arzneimitteln” gefaßt werden können. Dies ist in jedem Falle möglich, soweit Placebopräparate, die zur Erbringung des Wirksamkeitsnachweises eingesetzt werden, Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes sind. Es bedarf damit zunächst einer eingehenden Untersuchung des heute in Deutschland geltenden Arzneimittelbegriffs.
1. Arzneimittelbegriff
Eine Definition des Arzneimittelbegriffs findet sich nunmehr in § 2 AMG. Gemäß § 2 I Nr. 1 AMG, auf den vorliegend abzustellen ist, sind Arzneimittel Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen (...) Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen. Zweifel an der Arzneimitteleigenschaft eines Placebos bestehen insoweit, als es sich hierbei um ein pharmakologisch unwirksames Präparat handelt[22]. Möglicherweise spricht bereits der Stoffbegriff des Arzneimittelgesetzes gegen die Subsumtion der Placebopräparate unter den Arzneimittelbegriff. Eine Legaldefinition des Stoffbegriffes findet sich in § 3 AMG, wobei für den vorliegenden Fall auf § 3 Nr. 1 AMG abzustellen ist. Danach sind Stoffe im Sinne des Gesetzes chemische Elemente und chemische Verbindungen sowie deren natürlich vorkommende Gemische und Lösungen. Die pharmakologische Wirksamkeit dieser chemischen Elemente und Verbindungen wird vom Gesetz nicht ausdrücklich gefordert, so daß der vom Arzneimittelgesetz definierte Stoffbegriff insoweit kein Hindernis für die Einstufung eines Placebos als Arzneimittel darstellen kann.
Auch § 2 I Nr. 1 AMG läßt sich nicht eindeutig entnehmen, daß es sich bei einem Arzneimittel zwingend um einen pharmakologisch wirksamen Stoff oder eine wirksame Zubereitung aus Stoffen handeln muß. Vielmehr wird die finale Zweckbestimmung einer Krankheitsdiagnostik, Prophylaxe oder Therapie im Hinblick auf die Anwendung des Arzneimittels gefordert.
Es ist grundsätzlich denkbar, daß ein Placebopräparat eingesetzt wird, um bei einem Menschen Krankheiten zu erkennen oder sogar zu behandeln, so daß der vom Gesetz geforderten Zweckbestimmung insoweit genüge getan werden könnte.
Diese Vorgehensweise wird als Placeboheilversuch[23] bezeichnet, bei dem sich der Arzt den gegebenenfalls auftretenden “positiven Placeboeffekt” zunutze macht. Unter einem positiven Placeboeffekt versteht die Medizin die günstige Wirkung des Placebos auf Krankheitssymptome, wobei soche Effekte aufgrund der fehlenden Spezifität von Placebopräparaten in der Regel nicht voraussagbar sind[24].
Handelt es sich bei Verabreichung des Placebos im Rahmen der Arzneimittelprüfung um einen Placeboheilversuch, so müßte das Placebo trotz pharmakologischer Unwirksamkeit nach den Begriffsbestimmungen des § 2 I Nr. 1 AMG unter den Stoff- und den Arzneimittelbegriff subsumiert werden können[25]. Bei klinisch kontrollierten Studien werden Placebopräparate in der Kontrollgruppe nicht zu dem Zwecke eingesetzt, den Prüfungsteilnehmern medizinische Vorteile zu erbringen, sondern sie dienen der Erbringung eines Wirksamkeitsnachweises des zu prüfende Arzneimittels[26].
Die Zielsetzung der Placebogabe ist hier gerade nicht der Heilversuch, nicht, dessen Wirksamkeit – also die Wirksamkeit des Placebos selbst – zu prüfen und nachzuweisen, sondern die des Verums[27]. Placebos werden bei derartigen Wirksamkeitsvergleichen ausschließlich eingesetzt, um den therapeutischen (Schein-) Effekt im Vergleich zur Behandlung mit dem zu prüfenden Arzneimittel weitestmöglich auszuschalten. Es geht beim kontrollierten klinischen Versuch keinesfalls darum, den Kontrollpatienten effektiv zu behandeln – im Gegenteil – , zumal beispielsweise im Doppelblindversuch überhaupt keine individuelle Therapie durch den Prüfarzt erfolgt[28]. Daraus folgt, daß die Applikation von Placebopräparaten in der Kontrollgruppe regelmäßig keinen Placeboheilversuch, sondern schlicht eine Form der Nichtbehandlung darstellt[29]. Soweit der Einsatz eines Placebopräparates auf die Funktion des Wirksamkeitsnachweises beschränkt ist – und bei klinischen Prüfungen wird keine andere Fallgruppe denkbar sein – fehlt es bereits regelmäßig an der von § 2 I Nr. 1 AMG geforderten Zweckbestimmung der Behandlung oder des Erkennens einer Krankheit.
Im Übrigen dürfte im Rahmen von § 40 I S. 3 Nr. 2 AMG, der die klinische Prüfung mit gesunden Probanden regelt, ein Placeboheilversuch von vornherein ausgeschlossen sein, da ein Prüfungsteilnehmer, der nicht an einer – einschlägigen-Krankheit leidet, schon denklogisch keiner Therapie bedarf.
Im Ergebnis kann ein Placebopräparat, sofern es in der kontrollierten klinischen Studie bei Mitgliedern der Kontrollgruppe zur Anwendung kommt, nicht Arzneimittel im Sinne der Begriffsbestimmungen des Arzneimittelgesetzes sein. Insoweit erscheint zweifelhaft, daß die Zulässigkeitsvoraussetzungen der §§ 40, 41 AMG für Placeboverabreichungen in der Kontrollgruppe Gültigkeit entfalten sollen.
2. Begriff der klinischen Prüfung
Ob §§ 40, 41 AMG für die rechtliche Behandlung der Placebo-Kontrollgruppe erheblich sind, geht aus den Vorschriften selbst nicht eindeutig hervor, da, wie Eingangs festgestellt worden ist, die Verwendung von Placebos sowie die Möglichkeit der Bildung von Kontrollgruppen im (Doppel-) Blindversuch dort und auch sonst im Arzneimittelgesetz nicht ausdrücklich erwähnt werden[30].
In §§ 40, 41 AMGwird der Begriff der klinischen Prüfung explizit verwendet. Die Placeboverabreichung in der Kontrollgruppe könnte von diesem Begriff umfaßt sein. In § 4 XXIII S. 1 AMG n. F. findet sich nach der 12. AMG-Novelle nunmehr eine Legaldefinition der klinischen Prüfung bei Menschen. Hierunter ist jede am Menschen durchgeführte Untersuchung zu verstehen, die dazu bestimmt ist, klinische oder pharmakologische Wirkungen von Arzneimitteln zu erforschen oder nachzuweisen oder Nebenwirkungen festzustellen oder die Resorption, die Verteilung, den Stoffwechsel oder die Ausscheidung zu untersuchen, mit dem Ziel, sich von der Unbedenklichkeit oder Wirksamkeit der Arzneimittel zu überzeugen[31].
a) Ansätze in der Literatur
In der Literatur ist, soweit dieser Frage überhaupt Bedeutung zugemessen wird[32], häufig davon ausgegangen worden, der Begriff der “klinischen Prüfung” bezeichne lediglich die Anwendung eines bestimmten Arzneimittels, nicht aber die Anwendung von Placebopräparaten in der Kontrollgruppe.
Fincke beispielsweise argumentiert ausschließlich mit dem Wortlaut des Arzneimittelgesetzes und will die Schutzvorschriften der §§ 40, 41 AMG nur auf die Angehörigen der Verumgruppe beziehen, da eben nur sie es seien, “bei” denen das neue Arzneimittel geprüft werde[33]. Jedoch räumt auch er ein, daß, da das Gesetz zum Teil von der “klinischen Prüfung” schlechthin, nicht aber ausschließlich von einer “Anwendung des zu prüfenden Arzneimittels” spreche, es zumindest als nicht ausgeschlossen erscheine, die Kontrollperson – bzw. die gesamte Kontrollgruppe – als einen integrierten Bestandteil des kontrollierten Versuchs zu verstehen[34]. Er hält damit wohl auch eine gegenteilige Interpretation des Gesetzeswortlauts für vertretbar.
Auch Samson, der ebenfalls vorrangig die strafrechtlichen Aspekte placebokontrollierter Forschungsvorhaben diskutiert, ist der Auffassung, die Placebokontrolle ließe sich nicht unter den Begriff der klinischen Prüfung fassen[35]. Er begründet seine Auffassung – anhand eines Verweises auf die Überlegungen Finckes zum Wortlaut der Vorschriften – damit, daß der Gesetzgeber mit der Schaffung von §§ 40, 41 AMG umfangreiche Voraussetzungskataloge für die Zulässigkeit der Erprobung des Verumpräparates am Menschen geschaffen habe, sich jedoch im Gesetz keinerlei Aussagen über die rechtliche Behandlung der Placebogruppe finden ließen[36]. Samson argumentiert damit wie Fincke ausschließlich mit den expliziten Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes, ohne sie im Hinblick auf einen weitergehenden Bedeutungsgehalt zu untersuchen. Diese Sichtweise greift im Endeffekt nicht weit genug, wobei Samson selbst den Mangel insofern zu bemerken scheint, als ihm die Placebokontrolle – wenigstens beim kranken Prüfungsteilnehmer – “rechtlich keineswegs unproblematisch” und das “Schweigen des Gesetzes nicht selbstverständlich” erscheint[37]. Konsequenzen für eine über den Wortlaut der §§ 40, 41 AMG hinausgehende Interpretation zieht er hieraus aber nicht.
Hasskarl und Kleinsorge gehen mit Samson davon aus, daß die Vorschriften der §§ 40, 41 AMG sich mit dem Problem der Placeboanwendung überhaupt nicht auseinandersetzen: Die zitierten Vorschriften des Arzneimittelgesetzes befaßten sich lediglich mit der klinischen Prüfung von Arzneimitteln, während das Placebo gerade als “Falsumpräparat” zu definieren sei[38]. Die Lösung der mit der Placeboanwendung verbundenen Probleme könne daher von vornherein nicht auf der Grundlage des Arzneimittelgesetzes erfolgen. Vielmehr müsse man die Normen des allgemeinen Strafrechts als Beurteilungsgrundlage heranziehen.
An der dargestellten Argumentation muß kritisiert werden, daß die von den Autoren – in Anbetracht der bloßen Wirksamkeitskontrollfunktion des Placebos bei kontrollierten Studien richtigerweise – aufgestellte These, Placebos seien keine Arzneimittel, nicht anhand einer Analyse des geltenden Arzneimittelbegriffs untermauert, sondern schlicht als gegeben angesehen wird. Darüber hinaus wird bei der Beurteilung des Anwendungsbereiches von §§ 40, 41 AMG ausschließlich auf die fehlende Arzneimitteleigenschaft des Placebos abgestellt und im Zuge dessen ignoriert, daß die Applikation von Placebopräparaten unabhängig von der Arzneimitteleigenschaft aus anderen Gründen Bestandteil der klinischen Prüfung sein könnte.
Nach Deutsch fällt unter den Begriff der klinischen Prüfung nur die Anwendung eines Arzneimittels zu dem Zwecke, über die Behandlung im Einzelfall hinaus nach einer wissenschaftlichen Methode Erkenntnisse über den therapeutischen Wert eines Arzneimittels zu gewinnen[39]. Von dieser Definition scheint das in der Kontrollgruppe zum Einsatz kommende Placebopräparat aufgrund seiner fehlenden Arzneimitteleigenschaft ausgeschlossen. Trotzdem geht Deutsch im Widerspruch hierzu davon aus, Placebokontrollen seien unter den Begriff der klinischen Prüfung zu subsumieren[40].
Bezüglich möglicher Analogien im Regelungsbereich klinischer Prüfungen ist hingegen Vorsicht geboten: Kontrollierte klinische Versuche einschließlich solcher mit Placeboapplikation in der Kontrollgruppe gehören seit langem zur medizinischen Forschungspraxis in Deutschland. Bereits seit den 1940er Jahren wird der Begriff des Placebos im deutschen Sprachgebiet im medizinischen Sinne gebraucht, um die Vergleichsmedikationen zur objektiven Beurteilung von Effektivität und Nebenwirkungen bei der klinischen Prüfung von Arzneimitteln zu beschreiben[41].
Dies war auch dem deutschen Gesetzgeber bekannt, zumal die im Zuge der Anhörung zum Entwurf des Arzneimittelgesetzes bzw. zu den Entwürfen der Änderungsgesetze zum Arzneimittelgesetz herangezogenen Sachverständigen zu einem ganz überwiegenden Teil der medizinischen und pharmazeutischen Berufsgruppe angehören[42]. Insoweit dürfte sich die offensichtlich vorliegende Gesetzeslücke kaum als planwidrig erweisen, mag sie auch angesichts der gängigen medizinischen Forschungspraxis nur schwer nachvollziehbar sein.
Eser vertritt die dementsprechende Auffassung, die Kontrollgruppe solle ebenso zu behandeln sein wie die Testgruppe, um keine Verzerrungen durch verschiedene Prüfansätze zu erhalten[43]. Er will jedoch auf die Placebokontrollgruppe bei klinisch kontrollierte Studien mit kranken Prüfungsteilnehmern lediglich die allgemeinen Voraussetzungen des § 40 AMG anwenden, der die klinische Prüfung mit gesunden Probanden regelt und nicht die speziellen Anforderungen des § 41 AMG für die klinische Prüfung mit Patienten als Beurteilungsmaßstab zugrundelegen[44]. Begründet wird dieser Ansatz damit, daß zwar “auch in der Kontroll-gruppe die therapeutische Zielsetzung nicht völlig aufgehoben sei, jedoch in dieser Gruppe eindeutig das Erprobungsinteresse im Vordergrund stehe”[45].
b) Eigener Ansatz
Bei einer klinischen Prüfung mit reiner Placebokontrolle erscheint meines Erachtens nach die therapeutische Zielsetzung bezüglich der der Kontrollgruppe zugeordneten Prüfungsteilnehmer sehr wohl als gänzlich aufgehoben. Dies kann bereits damit begründet werden, daß die Placebogabe in der Kontrollgruppe ausschließlich als Wirksamkeitsnachweis[46] für das zu prüfende Arzneimittel dient. Bei einer Placeboverabreichung in der Kontrollgruppe handelt es sich nicht um eine therapeutische Maßnahme, sondern um einen wissenschaftlichen Versuch in Form des reinen Humanexperiments[47].
Die Definition des Humanexperiments umfaßt “Eingriffe und Behandlungsweisen an Menschen, die zu Forschungszwecken vorgenommen werden, ohne der Heilbehandlung im einzelnen Fall zu dienen und deren Auswirkungen und Folgen aufgrund der bisherigen Erfahrungen noch nicht ausreichend zu übersehen sind”[48].
Für die rechtliche Bewertung eines Humanexperiments am Patienten sollte nicht auf die mangelnde therapeutische Zielsetzung abgestellt werden, sondern darauf, daß bei der klinischen Prüfung mit Patienten gemäß § 41 AMG besondere Voraussetzungen gegenüber den allgemeinen Voraussetzungen des § 40 AMG, welcher die klinische Prüfung mit Probanden regelt, zu beachten sind. Diese besonderen Anforderungen sollten auch und gerade für den Bereich der Applikation von Placebos in der Kontrollgruppe gelten, soweit diese vom Begriff der klinischen Prüfung umfaßt werden.
Die dargestellten unterschiedlichen Lösungsansätze sind aus verschiedenen Gründen unzureichend: Sie werden teils überhaupt nicht, teils nur unvollständig oder unpräzise argumentativ untermauert[49]. Diese Argumentationsdefizite dürften vorrangig darauf zurückzuführen sein, daß der Problematik des grundsätzlichen Anwendungsbereiches von §§ 40, 41 AMG auf die Placebokontrollgruppe bislang verhältnismäßig wenig Beachtung geschenkt worden ist, da die Placeboproblematik häufig nur im Hinblick auf ihre strafrechtliche Bewertung untersucht wurde[50].
Legt man die Normen des allgemeinen Strafrechts als Beurteilungsmaßstab für die rechtliche Zulässigkeit von Placebokontrollen zugrunde, so erübrigt sich eine dahingehende Interpretation des Vorschriftenkataloges des Arzneimittelgesetzes von vornherein, da dann eine andere Rechtsquelle, das Strafgesetzbuch, für die Beurteilung entscheidend ist. Vorliegend soll aber gerade nicht die strafrechtliche Beurteilung der placebokontrollierten klinischen Studien diskutiert werden. Fraglich ist vielmehr, ob das Arzneimittelgesetz als Spezialgesetz und öffentlich-rechtlicher Normenkatalog die Placebokontrolle bei der klinischen Arzneimittelprüfung regelt und unter welchen Voraussetzungen es placebokontrollierte klinische Prüfungen gestattet oder verbietet.
Ist, wie vielfach vertreten wurde, mit dem Begriff der “klinischen Prüfung” lediglich die Anwendung des zu prüfenden Arzneimittels gemeint, so gelten die Regelungen des Arzneimittelgesetzes für den mit dem Placebopräparat kontrollierten Probanden oder Patienten nicht. Bezeichnet hingegen die klinische Prüfung sämtliche im Zuge der klinischen Prüfung durchgeführten und durchzuführenden Maßnahmen, so ist die Zulässigkeit des Placeboeinsatzes auch an §§ 40, 41 AMG zu messen.
Möglicherweise erfaßt bereits die in § 4 XXIII S. 1 AMG vorgenommene Definition der klinischen Prüfung Placeboverabreichungen in der Kontrollgruppe. Placebokontrollen dienen bei klinisch kontrollierten Studien mittels direkter Vergleichsmöglichkeit der Ermittlung von Wirkungen eines Verumpräparats, um dessen Unbedenklichkeit und/oder Wirksamkeit festzustellen. Es ist der Zweck dieser Kontrollen, einen Nachweis der klinischen sowie pharmakologischen Wirkung von Arzneimitteln zu erbringen. Die Definition der klinischen Prüfung in § 4 XXIII AMG beschreibt solche Vorgänge. Insofern kann bereits der Normtext als Beleg dafür herangezogen werden, daß die Placebogabe in der Kontrollgruppe wesentlicher Bestandteil der klinischen Prüfung am Menschen ist.
Des weiteren sind auch die außerhalb des Arzneimittelgesetzes bestehenden Normen, welche die Durchführung der klinischen Arzneimittelprüfung regeln, als Auslegungshilfe heranzuziehen. So werden die Placebos beispielsweise ausdrücklich in Art. 2 lit. d) der Richtlinie 2001/20/EG, auf die im Übrigen wiederum in § 40 I S. 1 AMG Bezug genomen wird, erwähnt. Auch die §§ 3 III, 7 VII der Good-Clinical-Practice-Verordnung[51] nehmen bei der Definition des Begriffs “Prüfpräparat” auf Placebopräparate Bezug. Die Deklaration von Helsinki[52] erwähnt in ihrer aktuellen Fassung in C, Nr. 29 S. 2 ebenfalls “die Verwendung von Placebos”, ebenso wie auch in der Klarstellung zu Punkt 29 von 2002, auf die später noch ausführlich eingegangen werden soll. Die Deklaration des Weltärztebundes stellt als solche kein rechtsverbindliches Regelwerk dar. Sie ist aber dadurch, daß nunmehr zwei einschlägige europäische Richtlinien auf sie verweisen[53], auch für die klinische Prüfung am Menschen nach deutschem Recht unmittelbar rechtlich relevant geworden. Die Deklaration von Helsinki ist im Übrigen weltweit im Hinblick auf die dort gelisteten ethischen Grundsätze für die Forschung am Menschen anerkannt und findet auch auf diese Weise im Rahmen der Durchführung klinischer Prüfungen Beachtung. Insgesamt kann davon ausgegangen werden, daß die Vorschriften des Arzneimittelgesetzes, die unter anderem im Zuge der Umsetzung der in Rede stehenden Richtlinie geändert worden sind und sich im Übrigen an den ethischen Maßstäben der Deklaration von Helsinki orientieren, die Verwendung von Placebos erfassen. Zusätzlich ist auch die angewandte klinische Praxis zu beachten. Es wurde vielfach belegt, daß seit langem nahezu jede klinische Studie auf einem Vergleich beruht, so daß der kontrollierte klinische Versuch heute zum Standard jeder biomedizinischen Forschung gehört[54].
Die kontrollierte klinische Studie als Versuchsform ist, um empirisch gesicherte Erkenntisse über die Wirksamkeit von Behandlungsverfahren bzw. die Sicherheit von diagnostischen und prophylaktischen Verfahren sowie deren Nebenwirkungen zu erlangen, nach Auffassung nationaler und internationaler Fachkreise wissenschaftlich am besten fundiert[55]. Diese Auffassung ist nicht unumstritten[56], doch würde eine Auseinandersetzung über den Sinn kontrollierter klinischer Studien den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Sie soll hier dahingestellt bleiben.
Bei der Gegenüberstellung der schlichten Nichtbehandlung in Form der Verabreichung des Placebos und der neuen Behandlung in Form der Verabreichung des zu prüfenden Arzneimittels handelt es sich um einen sogenannten einfachen Vergleich[57]. Auch der einfache Vergleich ist als Alternative zum Überlegenheitsnachweis, bei dem das neue Arzneimittel gegen ein vorhandenes Standardpräparat getestet wird, eine dem Grunde nach national und international anerkannte Prüfmethode[58]: Die Applikation von Placebopräparaten in der Kontrollgruppe wird in der medizinischen Forschungspraxis unter bestimmten Voraussetzungen[59] als notwendiger und integrierter oder zumindest als ein durchführbarer Bestandteil der kontrollierten klinischen Prüfung verstanden.
Bezieht man die eben dargestellten Gegebenheiten der Rechtswirklichkeit in die Gesamtbetrachtung ein, so erscheint es zusätzlich zu den bis dahin vorgebrachten Argumenten sinnvoll und erforderlich, den kontrollierten klinischen Versuch mit all seinen denkbaren Prüfmethoden[60], die Placebokontrolle eingeschlossen, trotz Ermangelung einer ausdrücklichen Erwähnung als von den Regelungen des Arzneimittelgesetzes inkorporiert anzusehen[61].
Ein letztes Argument für die Einbeziehung der Placebokontrollgruppe ist schließlich, daß es kaum dem Zwecke des Arzneimittelgesetzes entsprechen dürfte, einen Teil der Studienpopulation aus den speziellen Schutzvorschriften auszuklammern. So würde beispielsweise der Versicherungsschutz, der gemäß § 40 I S. 3 Nr. 8 i. V. m. § 40 III S. 2 AMG in einer Höhe von 500.000 € zu gewährleisten ist, für die Teilnehmer in der Kontrollgruppe entfallen, wenn jene nicht Bestandteil der klinischen Prüfung wäre.
c) Ergebnis
Angesichts dieser Befunde ist davon auszugehen, daß die Placebogabe, die neben einer Verabreichung der Standardmedikation in der Kontrollgruppe auch Bestandteil des kontrollierten klinischen Versuchs sein kann, vom Begriff der klinischen Prüfung im Sinne des Arzneimittelgesetzes erfaßt wird.
3. Ergebnis
Damit unterfällt die im Zusammenhang mit klinischen Prüfungen vorgenommene Placeboapplikation dem grundsätzlichen Regelungsbereich der §§ 40, 41 AMG und muß sich vorrangig an deren Voraussetzungen messen lassen, nicht an den allgemeinen Maßstäben des Rechts.
II. Bestimmung der als Rechtsgrundlagen in Betracht kommenden Normen
Fraglich ist, ob und inwieweit die Verabreichung von Placebopräparaten in der Kontrollgruppe gemäß den Voraussetzungen der §§ 40, 41 AMG zulässig ist. Die Zulässigkeit ist anhand einer dementsprechenden Auslegung der in Betracht kommenden Normen zu bestimmen. Bei der klinischen Prüfung mit Patienten soll vorrangig die Prüfmethode der reinen Placebokontrolle analysiert werden, da der randomisierte Kontrollversuch, bei dem der neuen Methode – auch – die bisherige Standardbehandlung gegenübergestellt wird, heute als weitgehend zulässig anerkannt ist.
Die These Finckes, der Arzt als Garant für Leben und Gesundheit seiner Patienten begehe eine Körperverletzung durch Unterlassen, wenn er nicht bei allen seinen Patienten die seiner Ansicht nach optimalste Behandlungsmethode und damit das Testpräparat, das er für überlegen halte, anwende[62], ist von der juristischen Literatur widerlegt worden. Die Pflichten des Arztes gehen allenfalls bis zur Grenze der bereits erprobten Standardbehandlung, nicht auf ein Optimum, das sich noch nicht durchgesetzt hat[63].
Die Applikation des Placebos müßte den jeweils in §§ 40, 41 AMG zugrundegelegten Anforderungen an die klinische Prüfung von Arzeneimitteln genügen. Zentrales Anliegen dieser Vorschriften ist der Schutz der Rechtsgüter des Prüfungsteilnehmers, in erster Linie seines Lebens, seiner Gesundheit und seiner körperlichen Unversehrtheit und zugleich der Schutz seines Selbstbestimmungsrechts über diese Rechtsgüter. Daraus ergeben sich zwei Prinzipien, als deren Einzelausgestaltung sich etliche Normierungen der §§ 40, 41 darstellen: Einerseits muß die übermäßige Gefährdung des einzelnen Prüfungsteilnehmers vermieden werden, andererseits bedarf die Teilnahme grundsätzlich einer freiwillig erteilten Einwilligung.
Beide Prinzipien finden sich bereits im Nürnberger Kodex[64], in der Deklaration von Helsinki samt ihren Folgedeklarationen, in der Menschenrechtskonvention zur Biomedizin des Europarates und auch in der nunmehr ins nationale Recht umgesetzten Richtlinie 2001/20/EG und in der Bundesrepublik Deutschland außer im Arzneimittelgesetz auch noch im Medizinproduktegesetz und in der Strahlenschutzverordnung[65]. Die Pflicht des Vermeidens einer übermäßigen Gefährdung der Probanden und Patienten ist im Arzneimittelgesetz durch das Erfordernis der bezüglich aller Probanden und Patienten vorzunehmenden Nutzen-Risiko-Abwägung zum Ausdruck gekommen.
Die darin enthaltene Frage, welche Vor- und Nachteile mit der klinischen Prüfung verbunden sind, ist von ganz zentraler Bedeutung[66].
Sie kann in aller Regel nur anhand der Umstände des Einzelfalls beantwortet werden. Bei einer Maßnahme beispielsweise, die im unmittelbaren Eigeninteresse des Betroffenen durchgeführt wird, darf unter Umständen auch ein sehr hohes Risko für diesen eingegangen werden – zu denken ist etwa an eine lebensgefährliche Herzoperation als letzte Chance für den Betroffenen-, wohingegen mit einer Maßnahme, die vor allem dem Gemeinwohl dient, allenfalls ein geringes Risiko für den betroffenen Studienteilnehmer verbunden sein darf, während umgekehrt der erwartete Nutzen für das Gemeinwohl hier besonders groß sein muß[67].
1. Gesunde, einwilligungsfähige Volljährige, § 40 I AMG
Zunächst soll ermittelt werden, ob § 40 I AMG, welcher die Voraussetzungen der klinischen Prüfung bei gesunden, einwilligungsfähigen Volljährigen normiert[68], die placebokontrollierte Studie ermöglicht. Hierbei ist einerseits auf § 40 I S. 3 Nr. 2 AMG, der die Nutzen-Risiko-Abwägung enthält, andererseits auf § 40 I S. 3 Nr. 3 AMG, welcher eine freiwillig erteilte Einwilligung des Prüfungsteilnehmers voraussetzt, einzugehen. § 40 AMG bezieht sich ausschließlich auf die klinische Prüfung mit Probanden. Eine Studie mit Probanden findet in der Regel nur in Phase I der klinischen Prüfung statt, im Rahmen derer nicht die therapeutischen Effekte des zu prüfenden Arzneimittels, sondern in erster Linie nur dessen Verträglichkeit ermittelt werden soll. Es ist zu klären, ob die Durchführung einer placebokontrollierten Studie mit gesunden Prüfungsteilnehmern in Phase I überhaupt üblich ist.
Seit im Jahre 1945 der erste Art. über das Placebo von Pepper[69] erschien, wurden Tausende von Texten über diese Thema veröffentlicht[70], jedoch nur sehr wenige über die Placeboverabreichung am Gesunden[71]. Möglicherweise läßt dies darauf schließen, daß solche Studien in der klinischen Praxis nicht statistisch relevant werden.
In der medizinischen Literatur lassen sich dennoch Berichte über placebokontrollierte klinische Prüfungen mit Probanden und deren Auswertungen finden. Beispielsweise führten Pogge und Coats bereits 1962 ein Placebo-Forschungsprojekt durch, im Rahmen dessen 51 gesunden volljährigen Teilnehmern Placebopräparate in verschiedenen Dosen appliziert wurden[72]. Im Jahre 1993 bewerteten Rosenzweig und andere 109 doppelblinde placebokontrollierte Studien mit insgesamt 1228 gesunden Probanden[73].
Zwei Jahre später kamen dieselben Autoren nach weiteren Untersuchungen zu dem Schluß, daß auch in Phase I-Studien mit Gesunden Placeboversuche angezeigt sein können[74]. Auch Meyer und andere haben in einer ausführlichen Studie im Jahre 2000 die Zuverlässigkeit der Angaben von Beschwerden durch Probanden untersucht, die über mehrere Zeitperioden Placebos verabreicht bekamen[75].
Placebokontrollierte klinische Prüfungen am Probanden können grundsätzlich nicht als Wirksamkeitsnachweis für das zu prüfende Arzneimittel fungieren, da beim Gesunden in aller Regel keine therapeutischen Effekte feststellbar sind. Zudem ist in Phase I der klinischen Prüfung in der Regel auch noch gar kein Wirksamkeitsnachweis vorgesehen, sondern es soll ermittelt werden, ob und in welchem Umfange unerwünschte Arzneimittelwirkungen auftreten, so daß insoweit die Verträglichkeitsprüfung in den Vordergrund gerückt ist[76]: Placebos werden in Phase I der klinischen Prüfung zu dem Zwecke eingesetzt, mögliche unspezifische UAW auszuschalten.
Placebokontrollierte Studien mögen in dieser frühen Phase zwar nicht annähernd in dem Umfange durchgeführt werden, wie in den sich anschließenden Phasen des Wirksamkeitsnachweises[77]. Trotzdem kommen klinische Prüfungen mit derartigem Studiendesign durchaus vor[78], so daß die Bewertung ihrer rechtlichen Zulässigkeit nicht außer Acht gelassen werden darf. Als Rechtsgrundlage für die Placeboverabreichung im Rahmen des klinische kontrollierten Versuchs beim gesunden einwilligungsfähigen Volljährigen kommt, wie bereits dargelegt worden ist, § 40 I AMG in Betracht.
a) Nutzen-Risiko-Abwägung gemäß § 40 I S. 3 Nr. 2 AMG
Gemäß § 40 I S. 3 Nr. 2 AMG, der innerhalb des Forderungskatalogs an zweiter Stelle steht, darf die klinische Prüfung eines Arzneimittels bei Menschen nur durchgeführt werden, wenn und solange die vorhersehbaren Risiken und Nachteile gegenüber dem Nutzen für die betroffene Person und der voraussichtlichen Bedeutung des Arzneimittels für die Heilkunde ärztlich vertretbar sind. Man unterscheidet im Allgemeinen zwei verschiedene Formen der Nutzen-Risiko-Abwägung.
Vor der erstmaligen Anwendung des zu prüfenden Arzneimittels in Phase I der klinischen Prüfung eine sogenannte abstrakte Risikoanalyse anhand der pharmakologischen und toxikologischen Daten vorzunehmen, wobei hier die Frage im Mittelpunkt steht, ob nach den bisher erzielten Prüfergebnissen eine therapeutische Wirkung wahrscheinlich und die mit der Anwendung des Präparates verbundenen Risiken als allgemeinhin – sofern dies festzustellen ist – ärztlich vertretbar anzusehen sind[79]. Im Gegensatz zur abstrakten Nutzen-Risiko-Abwägung bezieht sich die konkrete Risikoanalyse ausschließlich auf eine bestimmte Versuchsperson, wobei hier die individuell und konkret möglichen Risiken aufgrund des Gesundheitszustandes des jeweiligen Teilnehmers abzuwägen sind[80]. Die Ergebnisse der abstrakten und konkreten Risikoabwägung können bei ein und demselben Prüfungsteilnehmer durchaus unterschiedlich ausfallen[81]. Da im Protokoll alle medizinischen Maßnahmen für alle Prüfungsteilnehmer festgelegt werden müssen, sind das Risiko und die Belastung aus einer ex-ante-Sicht zu beurteilen[82].
Die Formulierung zur Nutzen-Risiko-Abwägung in § 40 I S. 3 Nr. 2 AMG legt nahe, daß es dort ausschließlich um eine konkrete Risikoanalyse geht, da hiernach ausschließlich die Risiken und Nachteile für die betroffene Person in Rahmen der Abwägung berücksichtigt werden sollen. Diese konkrete Nutzen-Risiko-Abwägung ist während des gesamten Versuchsablaufs wiederholt zu treffen: Beginn und auch Ausführung der klinischen Arzneimittelprüfung stehen daher ständig unter dem Vorbehalt der ärztlichen Vertretbarkeit[83].
Fraglich ist, inwieweit den Anforderungen der Nutzen-Risiko-Abwägung des § 40 I S. 3 Nr. 2 AMG bei einer Placeboverabreichung in der Kontrollgruppe genüge getan werden kann. Bereits die Revidierte Deklaration von Helsinki führt in lit. a) Ziff. 5 im Hinblick auf die ärztliche Vertretbarkeit aus, daß “die Sorge um die Belange der Versuchsperson stets ausschlaggebend sein muß im Vergleich zu den Interessen der Wissenschaft und Gesellschaft”. Unter Heranziehung dieser Grundsätze ergibt sich für die klinische Prüfung zu rein wissenschaftlichen Zwecken, also für das Humanexperiment, und ein reines Humanexperiment ist auch die Placeboverabreichung in der Kontrollgruppe[84], eine recht klare Gewichtung: Zwar stehen sich hier die Risiken für das Individuum und die Vorteile für die Wissenschaft und Allgemeinheit gegenüber.
Trotz der scheinbaren Unvergleichbarkeit, die in der Natur aller rein wissenschaftlichen Versuche liegt, ist jedoch eine Abwägung erforderlich, welche stets in einem Zwischenraum zwischen individuellem Schutz und allgemeinem Fortschritt stattzufinden hat[85]. Bei der klinischen Prüfung eines Arzneimittels besteht die Frage, ob das zu prüfende Arzneimittel entweder gleichwertig oder besser als das verfügbare Standardmedikament ist, und zwar gemessen an den Parametern der Wirksamkeit, der unerwünschten Arzneimittelwirkungen[86] und der Verabreichungsweise[87].
Die Einbeziehung dieser Parameter ist auch im Hinblick auf die Bewertung der Nutzen-Risiko-Verteilung bei Placebogaben in der Kontrollgruppe hilfreich, da sonstige objektive Kriterien für die Feststellung eines Nutzens oder eines Risikos für den einzelnen Studienteilnehmer nicht ersichtlich sind. Daher sollen sie als Beurteilungsmaßstab für die Placebokontrolle zugrundegelegt werden.
a) Mögliche Risiken und Nachteile der Placeboverabreichung
Das Placebo ist ein pharmakologisch unwirksames Präparat. Es stellt sich die Frage, ob dessen Verabreichung ein Risiko oder einen Nachteil für den Prüfungsteilnehmer begründen kann. Hierfür ist zunächst der Begriff des Risikos im Sinne des Arzneimittelgesetzes zu bestimmen.
(1) Risikobegriff
Der Begriff des Risikos ist lange Zeit in der bioethischen Diskussion vernachlässigt worden: Es gibt mittlerweile Tausende von Publikationen, die sich mit der Einwilligung der Versuchsperson befassen, doch nur wenige einzelne, die die Nutzen-Risiko-Abwägung thematisieren, wobei diese rudimentäre Auseinandersetzung insoweit verständlich ist, als die Bewertung von Risiko und Nutzen schwierig ist und sich nicht ohne weiteres in leicht anwendbare Skalen einordnen läßt[88]. Es stellt sich die Frage, was ein Risiko im Umgang mit der Forschung am Menschen, insbesondere der im Zuge eines Forschungsvorhabens durchgeführten Placeboanwendung, sein kann.
Zunächst muß der Risikobegriff vom Begriff des Schadens unterschieden werden. Die Termini sind nicht deckungsgleich, Risiko und Schaden stehen jedoch derart miteinander in Zusammenhang, daß man das Risiko als die Wahrscheinlichkeit und das Ausmaß eines ungewollten Schadens in der Zukunft beschreiben kann. Vereinfacht kann das Risiko daher einem potentiellen Schaden gleichgesetzt werden[89].
Um ein Risiko ermitteln und einem quantitativen Schema zuordnen zu können, muß man es in seine zwei wesentlichen Komponenten von Wahrscheinlichkeit des Auftretens und Ausmaß des Schadens aufteilen, wobei problemtisch werden kann, daß subjektive Momente mit in die Risikobewertung einfließen[90]. Trotz eines möglichen Einflusses subjektiver Wahrnehmungen sind objektive Kriterien für die Bestimmung des Risikos einer Placeboverabreichung zu bestimmen. Im Rahmen der vorzunehmenden Risikobewertung soll zwischen dem Risiko nachteiliger Wirkungen des Placebos und den mit der Applikationsform des Placebopräparats gegebenenfalls einhergehenden Risiken differenziert werden.
(2) Wirkungsweise des Placebos
Placeboeffekte sind alle seelischen und körperlichen Wirkungen, die bei der Verabreichung von Medikamenten auftreten und über die eigentliche pharmakogene Wirkung hinausgehen, so daß sie daher auch nach der Verabreichung von pharmakologisch unwirksamen Präparaten auftreten können[91]. Placebopräparate können sowohl einen therapeutischen Effekt auf Krankheitssymptome haben, als auch “Nebenwirkungen” hervorrufen, die sich manchmal als so stark erweisen, daß die Applikation des Placebos abgebrochen werden muß[92].
Erstere Wirkung bezeichnet man als positiven, letztere als negativen Placeboeffekt[93]. Die unerwünschten “Arzneimittel”wirkungen des Placebos beim negativen Placeboeffekt können identisch mit echten Arzneimittelwirkungen sein und nicht nur subjektive, sondern unter Umständen auch objektivierbare Symptome verursachen[94]. Daß man den Placeboeffekt nicht schlicht mit bloßer Einbildung gleichsetzen kann, zeigen neuere Untersuchungen, bei denen sogar eine substantielle, biochemisch faßbare Wirkung auf das Zentralnervensystem bestätigt wurde[95].
Trotz dieser Erkenntnisse darf nicht außer Acht gelassen werden, daß Placebos grundsätzlich unspezifisch wirken[96]. Es werden zwar spezifisch wirkende, sogenannte “aktive Placebos” hergestellt, welche eine Substanz enthalten, die bei mangelnder pharmakologischer Wirksamkeit ganz bewußt die bei dem zu prüfenden Arzneimittel bereits bekannten Nebenwirkungen hervorrufen sollen. Von dem Einsatz solcher Placebopräparate, deren Verabreichung im Übrigen weder in der Therapie noch im klinischen Versuch gerechtfertigt werden kann[97], soll vorliegend jedoch nicht ausgegangen werden.
[...]
[1] AMG.
[2] 12. Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 30. Juli 2004, BGBl.1, S. 2031, in Kraft getreten am 6. August 2004.
[3] Insbesondere die Regelungen zur Pharmakovigilanz bei Humanarzneimitteln und bei Tierarzneimitteln, Richtlinie 2001/83/EG und Richtlinie 2001/82/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 sowie die Richtlinie 2001/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. April 2001 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Anwendung der guten klinischen Praxis bei der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Humanarzneimitteln, ABl. EG Nr. L 121, 34.
[4] Die grundlegende Idee für die Methode der kontrollierten klinischen Prüfung ist in Deutschland zum ersten Mal vor mehr als 70 Jahren von Paul Martini erarbeitet und in seinem Werk über die Methodenlehre ausführlich dokumentiert worden: Martini/Oberhoffer/Welte, Methodenlehre der therapeutisch-klinischen Forschung.
[5] Dazu ausfürlich Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdnr. 653.
[6] Placebo=lat.: “Ich werde gefallen/zufriedenstellen.” Martini hatte sich seit 1932 bemüht, Arzneimittelwirkungen zu objektivierbaren und brauchbaren Kriterien für die entsprechenden Prüfungen auszuarbeiten und dabei immer wieder die Wichtigkeit der Placebopräparate betont, die aber erst mehr als zehn Jahre später in größerem Ausmaße in Rahmen klinischer Arzneimittelprüfungen angewendet wurden. Dazu Binz, Das Placebo-Phänomen, S. 20.
[7] Alternativ kann in der Kontrollgruppe auch die Standardmedikation plus Placebo oder das Verumpräparat in unterschiedlichen Dosen gegeben werden. Besteht das Studienziel in einem Nachweis der Gleichwertigkeit eines Novums und einer Standardtherapie, kann die Einführung eines Placebos in einem zusätzlichen dritten, gegebenenfalls fallreduzierten Behandlungsarm als eine Maßnahme der Qualitätssicherung eingesetzt werden, um auf diese Weise die Aussagefähigkeit der Studie anhand eines Placebo-Standard-Vergleiches beurteilen zu können. Staib, Klinische Prüfung – Methodik und Planung, in: Hasford/Staib, Arzneimittelprüfungen und Good Clinical Practice, S. 161.
[8] Staib, Klinische Prüfung – Methodik und Planung, in: Hasford/Staib, Arzneimittelprüfungen und Good Clinical Practice, S. 161.
[9] Der Einheitlichkeit halber werden im Folgenden ausschließlich die Bezeichnungen “Placebo” bzw. “Placebopräparat” verwendet.
[10] Exemplarisch Rehmann, AMG-Kommentar, § 40 AMG Rdnr. 3.
[11] Bei der präklinischen Prüfung beziehen sich die Fragestellungen in erster Linie auf die Toxikologie, die Pharmakokinetik, biologische Verfügbarkeit und Metabolismus. Demgegenüber gelingt es selten, die pharmakodynamische Wirkung eines Pharmakons zu klären. Dazu ausführlich Staak/Weiser, Klinische Prüfung von Arzneimitteln – Methodik und Rechtsgrundlagen, S. 6-10.
[12] In Betracht kommen auch Patienten mit Krankheiten, bei denen das zu prüfende Arzneimittel voraussichtlich indiziert ist sowie Patienten, deren Krankheiten mit dem Mittel in keinem Zusammenhang stehen. Bevorzugt werden jedoch Gesunde in Phase I der klinischen Prüfung einbezogen, da bei dieser Personengruppe die Arzneimittelwirkung nicht durch pathologische Prozesse oder notwendig verabreichte andere Medikamente beeinflußt wird. Zum Ganzen Sander, AMG-Kommentar, Erl. § 40 AMG S. 16, und Staak/Weiser, Klinische Prüfung von Arzneimitteln – Methodik und Rechtsgrundlagen, S. 14.
[13] Sog. Human-Pharmakologie.
[14] Wenn die klinische Prüfung bereits in Phase II ausnahmsweise an einschlägig kranken Versuchsteilnehmern durchgeführt wird.
[15] Meyer, Placeboanwendung – die ethischen Perspektiven, S. 6; Rehmann, AMG-Kommentar, § 40 AMG Rdnr. 3.
[16] Rehmann, AMG-Kommentar, § 40 AMG Rdnr. 3.
[17] UAW. Als Synonym wird häufig auch der Begriff “Nebenwirkungen” verwendet.
[18] Staak/Weiser, Klinische Prüfung von Arzneimitteln – Methodik und Rechtsgrundlagen, S. 15.
[19] Staak/Weiser, Klinische Prüfung von Arzneimitteln – Methodik und Rechtsgrundlagen, S. 16.
[20] Ob auf die Prüfung der Phase IV die Bestimmungen der §§ 40, 41 AMG anzuwenden sind, ist umstritten. Nach herrschender Ansicht kommt zumindest eine sinngemäße Anwendung in Betracht. Dazu im Einzelnen Rehmann, AMG-Kommentar, § 40 AMG Rdnr. 3, m. w. N.
[21] Deutsch, in: Deutsch/Lippert, AMG-Kommentar, § 41 AMG Rdnr. 1; im Ergebnis ebenso Rehmann, AMG-Kommentar, § 41 AMG Rdnr. 1.
[22] Als “Falsumpräparat” bezeichnet von Hasskarl/Kleinsorge, Arzneimittelprüfung/Arzneimittelrecht, S. 43; Rieger, Lexikon des Arztrechts, S. 631, spricht von einem „Scheinmedikament“ bzw. „Leerpräparat“; Hasskarl, in: Kleinsorge/Hirsch/Weißauer, Forschung am Menschen, S. 74, bewertet Placebos als “Nichtarzneimittel”.
[23] Zum Placeboheilversuch Biermann, Die Arzneimittelprüfung am Menschen, S. 380; Kuschinsky, Wirkungen und Indikationen von Placebo, S. 666.; Samson, Strafbarkeit klinischer Arzneimittelprüfung, S. 1186.
[24] Gauler/Weihrauch, Placebo – ein wirksames und ungefährliches Medikament?, S. 29. Auf die unterschiedlichen Wirkungsweisen des Placebos wird im Rahmen der Nutzen-Risiko-Analyse ausführlich eingegangen.
[25] Ähnlich Biermann, Die Arzneimittelprüfung am Menschen, der das Placebo in dergearteten Fällen “wie ein Arzneimittel betrachten” will. Als Arzneimittel, wenn auch objektiv unwirksame, werden Placebos bei Cloesel/Cyran, AMG-Kommentar, § 41 AMG Anm. 1, bezeichnet. Anderer Ansicht sind Hasskarl/Kleinsorge, Arzneimittelprüfung/Arzneimittelrecht, S. 43, und Fischer, Medizinische Versuche am Menschen, S. 95.
[26] Ebenso wie das Standardpräparat im sogenannten Überlegenheitsnachweis, vgl. dazu oben § 1: “Einleitung und Darstellung des Problems”.
[27] Vgl. Habermann/Lasch/Gödicke, Therapeutische Prüfungen an Nichtenwilligungsfähigen im Eilfall, S. 3389, 3392.
[28] Richtig Fischer, Medizinische Versuche am Menschen, S. 53, mit Bedenken gegen Samson, Strafbarkeit klinischer Arzneimittelprüfung, S. 1187.
[29] Nicht gefolgt werden kann der Auffassung von Staak/Weiser, Klinische Prüfung von Arzneimitteln – Methodik und Rechtsgrundlagen, S. 60, es komme nur vordergründig ein Placebopräparat zum Einsatz, weil eine effektive Behandlung, etwa Diät, Gymnastik etc. weitergeführt werde. Entweder wird das zu prüfende Arzneimittel gegen Placebo als Nichtbehandlung im Rahmen eines Wirksamkeitsnachweises getestet oder aber man prüft gegen ein wirksames Standardpräparat. Ist letzteres der Fall, so liegt ein Überlegenheitsnachweis mit Therapie in beiden Gruppen der Studien vor, siehe auch oben § 1: “Einleitung und Darstellung des Problems”.
[30] Vgl. § 1: “Einleitung und Darstellung des Problems”.
[31] Diese Definition wurde im Rahmen der 12. Gesetzes-Novelle nahezu wortgleich aus Art. 2 lit. a) der Richtlinie 2001/20/EG übernommen.
[32] Offen bleibt dies etwa bei den Kommentaren zum Arzneimittelgesetz von Kloesel/Cyran und Sander, jeweils zu § 40 AMG, ebenso bei Staak/Weiser, Klinische Prüfung von Arzneimitteln – Methodik und Rechtsgrundlagen, S. 65.
[33] Fincke, Arzneimittelprüfung-Strafbare Versuchsmethoden, S. 116.
[34] Fincke, Arzneimittelprüfung-Strafbare Versuchsmethoden, S. 117.
[35] Samson, Strafbarkeit klinischer Arzneimittelprüfung, S. 1183.
[36] Samson, Strafbarkeit klinischer Arzneimittelprüfung, S. 1183.
[37] Samson, Strafbarkeit klinischer Arzneimittelprüfung, S. 1183. Auch nach Auffassung Jordans, Strafrechtliche Zulässigkeit placebokontrollierter Therapiestudien, S. 103, erfaßt das “Tatbestandsmerkmal der klinischen Prüfung jedenfalls nicht den gesamten Vorgang einer Therapiestudie, sondern lediglich die Anwendung eines Arzneimittels, und zwar der Testsubstanz”. Zur Begründung wird auf die Thesen Finckes und Samsons verwiesen.
[38] Hasskarl/Kleinsorge, Arzneimittelprüfung/Arzneimittelrecht, S. 43.
[39] Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdnr. 923.
[40] Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdnr. 653.
[41] Dazu ausführlich Möller, Rechtliche Aspekte der Placebo-Anwendung in der Medizin, S. 67, der unter anderem auf das Werk Martinis verweist: Martini/Oberhoffer/Welte, Methodenlehre der therapeutisch-klinischen Forschung.
[42] Dies zeigen das Protokoll und die Stellungnahmen zur 50. Sitzung des Bundestagsausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung vom 28. Januar 2004 (12. AMG-Novelle): http://webarchiv.bundestag.de/archive/2007/0108/ausschuesse/archiv15/a13/a13a_anhoerungen/50_Sitzung/t-Protokoll.pdf; bzw. (...“...)/50_Sitzung/Stellungnahmen/index.html
[43] Eser, Kontrollierte Arzneimittelprüfung in rechtlicher Sicht, S. 222.
[44] Zu den “allgemeinen” und “besonderen” Voraussetzungen der klinischen Prüfung siehe oben § 2, vor § 2 I.
[45] Eser, Kontrollierte Arzneimittelprüfung in rechtlicher Sicht, S. 222.
[46] Vgl. oben § 2 I. 1.: “Arzneimittelbegriff”.
[47] Ebenso Hart, Heilversuch und klinische Prüfung, S. 94, 95 und Winau, in: Helmchen/Winau, Versuche mit Menschen, S. 101. Anders Rosenau, Legal Presuppositions for Clinical Trials, in: Schauer u.a., Ethics in Medicine, der die Placeboapplikation in der Kontrollgruppe überhaupt nicht als wissenschaftlichen Versuch ansehen will. Er begründet dies damit,daß aufgrund der Randomisierung für jeden Prüfungsteilnehmer die gleiche Chance bestehe, in die Verumgruppe zu kommen und die neuartige, möglicherweise vielversprechendere Behandlung zu erhalten. Daher sei auch die Verabreichung eines Placebos in der Kontrollgruppe im Wege einer “Gesamtbetrachtung” durchaus als therapeutisch anzusehen. Er zitiert als Nachweis hierfür fälschlicherweise Schimikowski, Experiment am Menschen, S. 14, der jedoch an dieser Stelle auf das Problem gar nicht eingeht.
[48] Helmchen, in: Helmchen/Winau, Versuche mit Menschen, S. 17.
[49] Vgl. die jeweils zu den einzelnen Ansätzen angestellten Überlegungen.
[50] So z.B. Fincke, Strafbare Versuchsmethoden; Hägele, Arzneimittelprüfung am Menschen-ein strafrechtlicher Vergleich; Jordan, Strafrechtliche Zulässigkeit placebokontrollierter Therapiestudien; Samson, Strafbarkeit klinischer Arzneimittelprüfung; Schimikowski, Zur strafrechtlichen Problematik des Humanexperiments.
[51] Verordnung über die Anwendung der Guten Klinischen Praxis (“Good Clinical Praxis”) bei der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Arzneimitteln zur Anwendung am Menschen vom 9. August 2004, BGBl.1, S. 2081 .
[52] Ethische Grundsätze für die medizinische Forschung am Menschen, verabschiedet von der 18. Generalversammlung des Weltärztebundes Helsinki, Finnland, Juni 1964, revidiert von der 29. Generalversammlung des Weltärztebundes Tokio, Japan, Oktober 1975, von der 35. Generalversammlung des Weltärztebundes Venedig, Italien, Oktober 1983, von der 41. Generalversammlung des Weltärztebundes Hongkong, September 1989, von der 48. Generalversammlung des Weltärztebundes Somerset West, Republik Südafrika, Oktober 1996 und von der 52. Generalversammlung des Weltärztebundes Edinburgh, Schottland, Oktober 2000. Klarstellung zum Punkt 29 der Deklaration, vorgenommen von der Generalversammlung des Weltärztebundes, Washington 2002.
[53] Vgl. Erwägungsgrund (2) der Richtlinie 2001/20/EG und Art. 3 II der Richtlinie 2005/28/EG.
[54] Hierzu anstatt vieler Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdnr. 679, m. w. N.
[55] Fischer, Medizinische Versuche am Menschen, S. 5; Gugler, Medizinische Grundlagen der medizinischen Prüfung, in: Kleinsorge/Steichele/Sander, Klinische Arzneimittelprüfung, S. 21; Giesen, International Medical Malpractice Law, S. 18; Hasskarl/Kleinsorge, Arzneimittelprüfung/Arzneimittelrecht, S. 38; Rehmann, AMG-Kommentar, § 40 AMG Rdnr. 3; Staak/Weiser, Klinische Prüfung von Arzneimitteln, S. 16. Das BMJFG hat im Übrigen am 9. Dezember 1987 eine Bekanntmachung über die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Durchführung der klinischen Prüfung im Bundesanzeiger veröffentlicht, BAnz. S. 16617, worin kontrollierte klinische Prüfungen explizit gefordert werden.
[56] Von den Kritikern der kontrollierten klinischen Prüfung wird eingewandt, daß mit diesen Studien ein methodisch einwandfreier Wirksamkeitsnachweis nicht erbracht werden kann: “Ein Hauptunterschied des kontrolliert-experimentellen Vorgehens in der Medizin im Vergleich zu den Naturwissenschaften besteht darin, daß die Versuchseinheiten autonome Individuen sind, die eine ärztliche behandlung wünschen oder benötigen. Das führt zu den Problemen der Patientenselektion, der Zielgrößen mit mit der grundlegenden Unterscheidung von Wirkung und Wirksamkeit und dem Ausfall von Versuchspatienten aus den verschiedensten Gründen. Es werden ferner nicht Medikamente verglichen, sondern therapeutische Strategien, die sich durch die Gabe untrschiedlicher Medikamente unterscheiden. Die Qualität der statistischen Auswertungen läßt zudem häufig sehr zu wünschen übrig. Insgesamt kann infolgedessen mit Versuchsergebnissen keine unmittelbare Aussage über die therapeutische Wirksamkeit von Medikamenten vorliegen...” So Burkhardt/Kienle, Der Wirksamkeitsnachweis für Arzneimittel, S. 21. Andererseits wird aber auch von Kienl e und Burkhardt die Durchführung von kontrollierten klinischen Prüfungen nicht in jedem Falle als sinnlos angesehen. Sie weisen der kontrollierten klinischen Studie jedoch einen anderen Stellenwert als deren Befürworter. Entscheidend komme es auf die intuitive Beurteilung des Arztes an. Zwischen Kritikern und Befürwortern bestehen grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten, wie die methodologischen Schwierigkeiten bei der kontrollierten klinischen Prüfung überwunden werden können. Die Befürworter sehen die einzige Möglichkeit in der Verbesserung der Prüfungsverfahren, wobei die Methode des kontrollierten Versuchs an sich nicht in Frage gestellt wird. Demgegenüber suchen die Kritiker nach anderen Methoden; es sei dringend erforderlich, “den naiven Glauben an die Leistungsfähigkeit randomisierter Studien“ – als objektive Wirksamkeitsnachweise – durch eine differenzierende methodologische Analyse zu ersetzen. Es sollte ein Bewußtsein dafür entstehen, daß ohne eine Diskussion der Diskrepanzen zwischen statistischem Modell und empirischer Wirklichkeit keine wissenschaftliche Aussage möglich ist und daß der Signifikanzbegriff nichts über die Irrtumsmöglichkeit in der Realität aussagt...” Burkhardt/Kienle, Der Wirksamkeitsnachweis für Arzneimittel, S. 170.
[57] Wobei unter dem Begriff der Nichtbehandlung im Zusammenhang mit klinisch kontrollierten Studien stets die Applikation des Placebos in der Kontrollgruppe zu verstehen ist, siehe oben § 2 I Nr. 1: “Arzneimittelbegriff”.
[58] Vgl. nur Deutsch, Der Doppelblindversuch, S. 289, 290; Rieger, Lexikon des Arztrechts, S. 281; Rosenau, in: Deutsch/Taupitz, Forschungsfreiheit und Forschungskontrolle, S. 72; Staak/Uhlenbruck, Problematik neuer Arzneimittel beim Minderjährigen aus rechtsmedizinischer Sicht, S. 177; Windeler, Wirksamkeitsnachweis medizinischer Behandlungsmethoden, S. 265, 267.
[59] Auf die einzelnen jeweils erforderlichen Voraussetzungen wird im Laufe der Arbeit noch ausführlich eingegangen werden.
[60] Als weitere Methoden wären die sogenannten Einfach- und Doppelblindversuche, die Auswechselung der Gruppen und die Einschleichphase zu benennen, exemplarisch Deutsch, in Deutsch/Lippert, AMG-Kommentar, § 41 AMG Rdnr.1.
[61] Im Ergebnis ebenso Deutsch, in Deutsch/Lippert, AMG-Kommentar, § 41 AMG Rdnr. 1, der die §§ 40, 41 AMG auf die “heute üblichen Formen der Arzneimittelprüfung anwendbar machen” will.
[62] Fincke, Arzneimittelprüfung – Strafbare Versuchsmethoden, S. 102 ff.
[63] Eser, Kontrollierte Arzneimittelprüfung in rechtlicher Sicht, S. 223; Samson, Strafbarkeit klinischer Arzneimittelprüfung, S. 1182 f.; Schimikowski, Experiment am Menschen, S. 14; Schreiber, in: Hippius, Das Placebo-Problem, S. 11, 14.
[64] Die Grundsätze des Nürnberger Ärzteprozesses sind abgedruckt in NJW 1949, S. 377.
[65] § 20 I Nr. 1 und 2 MPG, § 24 I Nr. 1 c) StrlSchV.
[66] Hierzu anstatt vieler Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdnr. 559.
[67] Dazu Taupitz/Brewe/Schelling, in: Taupitz, Menschenrechtsübereinkommen zur Biomedizin des Europarates, S. 416.
[68] Die Voraussetzungen des § 40 AMG werden als “allgemein” bezeichnet, da sie die Arzneimittelprüfung mit gesunden Probanden regeln, dazu oben § 2 vor I.
[69] Pepper, A note on the placebo, S. 409-412.
[70] Dazu Meyer, Placeboanwendung – die ethischen Perspektiven, S. 19, mit zahlreichen Nachweisen.
[71] Auch im juristischen Schrifttum ist diese Problematik weitgehend nicht behandelt worden. Lediglich Jordan geht im Rahmen seiner 1988 veröffentlichten Dissertation “Zur strafrechtlichen Zulässigkeit placebokontrollierter Therapiestudien” im Kontext der Erforderlichkeit einer rechtfertigenden Einwilligung auf S. 103, 104, kurz auf die placebokontrollierte klinische Prüfung am Probanden ein, wobei aber keine nähere Untersuchung dieses Prüfdesigns vorgenommen wird.
[72] Pogge/Coats, The placebo. As a source of side effects in normal people: Influence of gradually increasing doses. Nebraska State Medical Journal 1962, 47: S. 337-339.
[73] Rosenzweig/Brohier/Zipfel, The placebo effect in healthy volunteers: Influence of experimental conditions on the adverse events profile during phase I studies, Clinical Pharmacologic Therapy 1993, 54: S. 578-583.
[74] Rosenzweig/Brohier/Zipfel, The placebo effect in healthy volunteers. Influence of experimental conditions on physiological parameters during phase I studies, S. 657-664.
[75] Meyer/Tröger/Röhl, Reliability of symptom reports by healthy volunteers treated with placebo over several time periods, S. 768-771. Eine weitere Übersicht über die Durchführung placebokontrollierter Studien mit gesunden Prüfungsteilnehmern, insbesondere unter Beleuchtung der Häufigkeit des Auftretens von Placeboeffekten, findet sich bei Binz, Das Placebo-Phänomen, S. 35-49, mit zahlreichen Nachweisen.
[76] Vgl. dazu oben § 2 vor § 2 I.: “Mögliche Rechtsgrundlagen für die Placebokontrolle im AMG”.
[77] Meyer, Placeboanwendung – die ethischen Perspektiven, S. 20, geht davon aus, daß ein dementsprechendes Studiendesign die absolute Ausnahme darstellen dürfte.
[78] Die Placebogruppe bei klinischen Prüfungen mit Gesunden erwähnt beiläufig etwa auch Freund, Aus der Arbeit einer Ethik-Kommission, S. 67.
[79] Staak/Uhlenbruck, Problematik neuer Arzneimittel beim Minderjährigen aus rechtsmedizinischer Sicht, 181.
[80] Was praktisch die Entscheidung über die Teilnahme eines bestimmten Freiwilligen am klinischen Versuch bedeutet, vgl. Staak/Uhlenbruck, Problematik neuer Arzneimittel beim Minderjährigen aus rechtsmedizinischer Sicht, 181.
[81] So kann beispielsweise ein zu prüfendes Antihypertensivum nach der vorklinischen Prüfung ungefährlich sein, darf aber nach der klinischen Untersuchung am hypotonen Versuchsteilnehmer an diesem nicht geprüft werden.
[82] Dies gilt auch im Hinblick auf die Beurteilung der Zulässigkeit der klinischen Arzneimittelprüfung durch die jeweils zuständige Ethikkommission, dazu von Dewitz, in: von Dewitz/Luft/Pestalozz a, Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung, S. 290.
[83] Staak/Uhlenbruck, Problematik neuer Arzneimittel beim Minderjährigen aus rechtsmedizinischer Sicht, S. 182.
[84] Siehe oben § 2 I. 2. b): “Eigener Ansatz”.
[85] Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rdnr. 779.
[86] Als Synonym zum Begriff der UAW kann auch der der “Nebenwirkungen” verwendet werden.
[87] Von Dewitz, in: von Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung, S. 270.
[88] Maio, Ethik und Theorie des minimalen Risikos in der medizinischen Forschung, S. 1.
[89] Maio, Ethik und Theorie des minimalen Risikos in der medizinischen Forschung, S. 2.
[90] Maio, Ethik der Forschung am Menschen. Zur Begründung der Moral in ihrer historischen Bedingtheit, S. 94. Der Autor geht darüber hinaus sogar davon aus, daß sich die Größe eines potentiellen Schadens überhaupt nicht ohne die Berücksichtigung der subjektiven (Schadens-)Wahrnehmung des Forschers ermitteln läßt, vgl. Maio, aaO, S. 95.
[91] Timm, Der Placeboeffekt, S. 17, m. w. N.
[92] Gauler/Weihrauch, Placebo – ein wirksames und ungefährliches Medikament?, S. 35.
[93] Zu den unterschiedlichen Arten von Placebo-Effekten ausführlich Binz, Das Placebo-Phänomen, S. 52-56, und Timm, Der Placeboeffekt, S. 9, 10, jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen.
[94] Gauler/Weihrauch, Placebo – ein wirksames und ungefährliches Medikament?, S. 35.
[95] Wandtner, Nur Schein? Homöopathie offenbar nicht wirksamer als ein Placebo, FAZ vom 31. August 2005 (Natur und Wissenschaft).
[96] Siehe oben § 2 I. 1: “Arzneimittelbegriff”.
[97] Dazu Burow/Lüllmann, Gesetzliche Regelung der Arzneimittelprüfung, S. 25. Zur Problematik des Einsatzes von aktiven Placebopräparaten ausführlich Müller-Oerlinghausen, in: Hippius u.a., Das Placebo-Problem, S. 87, 89, der diesbezüglich von einem “unreinen Placebo” bzw. einem “Nocebo” spricht. Lienert bezeichnet solche Präparate als “schmutzige Placebos”, Benkert verwendet den Begriff der “Pseudoplacebos”, beide in: Hippius u. a., Das Placebo-Problem, Diskussion, S. 92. Nach Binz, Das Placebo-Phänomen, S. 51, werden auch Medikamente als unreine Placebos bezeichnet, die so niedrig dosiert sind, daß eine spezifische Wirkung unwahrscheinlich oder unmöglich ist. Ebenso Kienle, Arzneimittelsicherheit und Gesellschaft, S. 170.
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