1995 wurde der Song „Lemon Tree“ von der Rockband Fools Garden als Vorabsingle ihres Albums „Dish Of The Day“ veröffentlicht. Lemon Tree entwickelte sich zu einem weltweiten Hit: Insgesamt wurde der Titel in 45 Sprachen übersetzt und in 40 Ländern veröffentlicht. Das kurze Zeit später erschienene Album „Dish Of The Day“ schaffte ebenfalls den Sprung an die Spitze zahlreicher internationaler Charts.
Fools Garden konnten diesen Erfolg bisher nicht wiederholen. Nachfolgende Singles
platzierten sich nicht mehr in den Top-Ten der Hitparaden und auch die Verkaufszahlen der weiteren Alben konnten nie mehr an das einmal erreichte Niveau heranreichen.
Fools Garden werden daher häufig als eine „One Hit Wonder“-Band bezeichnet.
Damit sind Bands oder Musiker gemeint, die nur mit einem einzigen Lied
hochplatziert in den Verkaufs-Hitparaden auftauch(t)en. Oft zählen musikalische Ausflüge
von Prominenten zu den musikalischen „Eintagsfliegen“. Auch Songs, die zu einem bestimmten Anlass produziert wurden, wie z.B. Sommerhits, Titelsongs eines Films oder eines Werbespots stellen typische Ausprägungen der „One Hit Wonders“ dar. Fools Garden können nicht in diese Kategorien eingeordnet werden, was eine Untersuchung ihres „Falls“ besonders reizvoll macht.
Am Beispiel der Band und ihres Hits Lemon Tree sollen in dieser Arbeit Aspekte
aufgezeigt werden, die für den Erfolg in der Popmusik entscheidend sind. Diese Arbeit
soll daher dazu beitragen, den Blick für erfolgsversprechende Faktoren in der
Popmusik zu schärfen.
Wenn es um eine wissenschaftliche Untersuchung der Erfolgsfaktoren in der Popmusik
geht, soll dies nicht bedeuten, dass es so etwas wie ein Patentrezept für Hits gibt. Ein solch „heiliger Gral“ wird nicht zu finden sein, auch wenn die Menge an Publikationen zu dieser Thematik einen solchen Anschein erwecken mag.
Die Ausführungen sollen eher als Leitfaden dienen, um das scheinbar unüberschaubare
Geflecht, in dem sich die Popmusik bewegt, zu strukturieren. Viele unterschiedliche
Erfolgsfaktoren sollen aufgezeigt und miteinander verknüpft werden. Dabei
spielen Fachbereiche wie die Soziologie, Musik, Betriebswirtschaft und Psychologie
eine wichtige Rolle, die in dieser Arbeit jedoch nicht in aller Tiefe berücksichtigt werden können. Vielmehr geht es darum, Verbindungen der einzelnen Diskurse aufzuzeigen, dabei jedoch nicht das zu untersuchende Fallbeispiel Fools Garden aus den Augen zu verlieren.
Inhalt
1 Einleitung
2 Die Hörer und ihre Bedürfnisse
2.1 Die passive Masse
2.2 Pop als Glücksmoment
2.2.1 Die Leiden des Menschen
2.2.2 Streben nach Glück
2.2.3 Zurück zum ozeanischen Gefühl
2.3 Das aktive Publikum
2.3.1 Subkulturen
2.3.2 Stil und Individualisierung
2.4 Zusammenführung
2.4.1 Offene Populärkultur
2.4.2 Leitbedeutungen
2.4.3 Identifizierung
3 Die Seite der Produktion
3.1 Der kaufmännische Part
3.1.1 Zur Struktur der Musikwirtschaft
3.1.2 Zur Situation der Musikwirtschaft
3.1.2.1 Mögliche Begründungen
3.1.2.2 Maßnahmen
3.1.3 Zukunftsoptionen
3.1.3.1 Das Potato-System
3.1.3.2 Preissegmentierungen
3.1.3.3 Die gläserne Plattenfirma
3.1.4 Aktuelle Erfolgsbeispiele
3.1.4.1 Marillion
3.1.4.2 Kettcar
3.1.4.3 RTL Enterprises
3.1.4.4 Klingelton-Marketing
3.2 Der künstlerische Part
3.2.1 Starkult
3.2.2 Starschemata
3.2.2.1 Der Rebell
3.2.2.2 Der Aufsteiger
3.2.2.3 Der Stellvertreter
3.2.2.4 Das Wunschbild
3.2.2.5 Die Projektionsfläche
4 Der Song
4.1 Zur Rangfolge der Einflussfaktoren
4.2 Gliederung der Analyse
4.3 Songwriting
4.3.1 Die Grundidee – Inspiration
4.3.2 Die Konstruktion des Songs
4.3.3 Thematik und Inhalt
4.3.3.1 Mythen – zwischen Produktion und Publikum
4.3.3.2 Mythen des Rock
4.3.3.3 Die Mystik des Songtitels
4.3.4 Die richtigen Worte
4.3.4.1 Hinter dem Wort: Der Wortklang
4.3.4.2 Prägende Worte
4.3.5 Die Geschichte
4.3.5.1 Die Heldengeschichte
4.3.5.2 Die Perspektive
4.4 Musikalische Aspekte
4.4.1 Harmonik
4.4.2 Melodik
4.4.3 Rhythmus
4.4.3.1 Funktionen
4.4.3.2 Körperlichkeit
4.4.3.3 „Schwarze Wurzeln“
4.4.3.4 Rhythmus bei Lemon Tree
4.4.4 Instrumentation
4.4.4.1 Ungewöhnliche Instrumente
4.4.4.2 Die Sonderrolle der Stimme
4.5 Die Abmischung / Klanggestaltung
4.5.1 Einblick in die Möglichkeiten der Klanggestaltung
4.5.2 Funktion und Ziel der Klanggestaltung
4.5.3 Die Wirkung unterschiedlicher Lemon Tree Abmischungen
4.5.3.1 Ergebnisse
4.5.3.2 Interpretation
5 Fazit
6 Literaturverzeichnis
7 Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
I wonder how, I wonder why
Yesterday you told me ‘bout the blue, blue sky.
And all that I can see
Is just a yellow lemon tree.
aus Fools Garden[1]: „Lemon Tree”
Im Herbst 1995 wurde der Song „Lemon Tree“ von der Rockband Fools Garden aus Pforzheim als Vorabsingle ihres Albums „Dish Of The Day“ veröffentlicht. Lemon Tree[2] entwickelte sich zu einem weltweiten Hit: In Deutschland hielt sich die Single 36 Wochen in den Singlecharts, davon 15 Wochen unter den Top-Ten.[3] Insgesamt wurde der Titel in 45 Sprachen übersetzt und in 40 Ländern veröffentlicht. In Deutschland (dreifach), der Schweiz, Österreich, Belgien, Dänemark und Frankreich wurde die Single mit Gold ausgezeichnet; in Norwegen und Irland erhielten Fools Garden[4] sogar Platin. Das kurze Zeit später erschienene Album „Dish Of The Day“ schaffte ebenfalls den Sprung an die Spitze zahlreicher Charts, erlangte den Platinstatus in Deutschland und Gold in den Ländern Österreich, Schweiz, Dänemark, Italien, Singapur, Hongkong und Malaysia. 1996 wurde die Band als erfolgreichste Nachwuchsband mit dem Bambi, der Goldenen Europa, der Goldenen Stimmgabel und dem Echo ausgezeichnet.[5]
Fools Garden konnten diesen Erfolg bisher nicht wiederholen. Nachfolgende Singles platzierten sich nicht mehr in den Top-Ten der Verkaufshitparaden und auch die Verkaufszahlen der weiteren Alben konnten nie mehr an das einmal erreichte Niveau heranreichen.
Fools Garden werden daher häufig als eine sogenannte „One Hit Wonder“-Band bezeichnet. Damit sind Bands oder Musiker gemeint, die nur mit einem einzigen Lied hochplatziert in den Verkaufs-Hitparaden auftauch(t)en. Oft zählen musikalische Ausflüge von prominenten Persönlichkeiten zu den musikalischen „Eintagsfliegen“. Auch Songs, die zu einem bestimmten Anlass produziert wurden, wie zum Beispiel Sommerhits, Titelsongs eines Films oder eines Werbespots stellen typische Ausprägungen der „One Hit Wonders“ dar. Fools Garden können nicht in diese Kategorien eingeordnet werden, was eine Untersuchung ihres „Falls“ besonders reizvoll macht.
Am Beispiel der Band und ihres Hits Lemon Tree sollen in dieser Arbeit Aspekte aufgezeigt werden, die für den Erfolg in der Popmusik eine Rolle spielen. In Zeiten, in denen sich die traditionelle Tonträgerindustrie in einer Krise und einem Umbruch befindet[6], erscheint mir ein solches Thema sehr relevant. Für Musiker und Plattenfirmen spielen erfolgreiche Songs eine immer größere Rolle; eine in den 1990er Jahren verfolgte Veröffentlichungspolitik, bei der einem kommerziell erfolgreichen Produkt neun defizitäre gegenüberstanden, ist heute längst nicht mehr tragbar.[7] Diese Arbeit soll daher dazu beitragen, den Blick für erfolgsversprechende Faktoren in der Popmusik zu schärfen.
Wenn es um eine wissenschaftliche Untersuchung der Erfolgsfaktoren in der Popmusik geht, soll dies nicht bedeuten, dass es so etwas wie ein Patentrezept für Hits gibt. Ein solch „heiliger Gral“ wird nicht zu finden sein, auch wenn eine schier unüberschaubare Flut an Publikationen zu dieser Thematik einen solchen Anschein erwecken mag. Meine Ausführungen sollen eher als Leitfaden dienen, um das scheinbar unüberschaubare Geflecht, in dem sich die Popmusik bewegt, zu strukturieren. Viele unterschiedliche Erfolgsfaktoren sollen aufgezeigt und miteinander verknüpft werden. Dabei spielen Fachbereiche wie die Soziologie, Musik, Betriebswirtschaft und Psychologie eine wichtige Rolle, die in dieser Arbeit jedoch nicht in aller Tiefe berücksichtigt werden können. Vielmehr geht es darum, Verbindungen der einzelnen Diskurse aufzuzeigen, dabei jedoch nicht das zu untersuchende Fallbeispiel Fools Garden aus den Augen zu verlieren.
Diese Arbeit verfolgt einen interdisziplinären Ansatz, um die Mehrdimensionalität der Erfolgsfaktoren aufzuzeigen. Seit Adorno in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Basis für eine wissenschaftliche Forschung in Bezug auf populäre Musik gelegt hat[8], besteht die Forderung nach einer fächerübergreifenden Herangehensweise, da populäre Musik immer auch stark durch außermusikalische Faktoren geprägt ist. Dieser Forderung wird aber nur selten nachgekommen: Von Schoenebeck stellte 1987 in ihrer Habilitationsschrift zum Thema „Was macht Musik populär?“ fest, dass die meisten Beiträge aus dem Bereich der Musiksoziologie stammen, bei diesen jedoch meistens keine interdisziplinären Ansätze entwickelt worden sind.[9] Häufig beschränken sich die Autoren darauf, die von Adorno entwickelten Ansätze weiter zu konkretisieren bzw. zu aktualisieren.[10]
Neben der soziologischen Sichtweise auf das Phänomen des Erfolgs in der Popmusik sind vor allem die wirtschaftlichen Aspekte zum Thema umfangreich dokumentiert. Als Standardwerk gilt zum Beispiel das „Handbuch der Musikwirtschaft“.[11] Daneben lassen sich ebenso Ratgeber zu Verträgen in der Musikindustrie[12] anführen, wie Anleitungen für Bands zur Selbstvermarktung[13], Portraits von erfolgreichen Managern[14] und Darstellungen von Erfolgsgeschichten der Musikindustrie[15].
Auffallend ist dabei ein häufig aufzufindendes Defizit: Das Songwriting und die Beschäftigung mit Songinhalten wird oftmals vollkommen ausgeblendet. Auch in dem Buch „Star Making Machinery“ von Stokes, das viele Musiker als Klassiker ansehen, wird in den Ausführungen des Alltags einer Band, die ein neues Album produziert, nur auf die wirtschaftliche Situation der Band, die Vertragsverhandlungen, die Studioarbeit und das Tourneeleben eingegangen.[16] Das Songwriting zählt Stokes offensichtlich nicht zur „Star Making Machinery“.
Dass dieser Bereich für den Erfolg einer Band aber von enormer Wichtigkeit ist, stellt zum Beispiel Thomsen fest: Er beschreibt in dem Aufsatz „Präferenzbildung in der Popmusik aus musikindustrieller Sicht“ am Beispiel der Single „Ey La La“ von „La Montse“, wie die Vermarktung einer Single typischerweise abläuft.[17] Er resümiert, dass die Marketingstrategie nie ein Garant für einen entsprechenden Erfolg sein kann.[18] Das Musikstück müsse selbst das Potential haben, zuerst von den Medien und danach vom Endverbraucher akzeptiert zu werden.[19] Maempel ist auch dieser Auffassung und kommt zu dem Schluss, dass Popsongs „selbstwerbende Produkte“ sind: „Während ein materielles Gebrauchsgut, beispielsweise ein Fahrrad, trotz schlechten Werbespots von guter Qualität sein mag (oder umgekehrt) und vom Verbraucher vor dem Kauf in gewissem Rahmen auf eben diese Qualität überprüft werden wird, fallen die durch Radio, Fernsehen oder Internet vermittelten Eigenschaften eines Popmusikstücks, welche eine werbende Funktion erfüllen müssen, weitestgehend mit den Eigenschaften des tatsächlich in Form eines Tonträgers erwerbbaren Popmusikstücks zusammen.“[20]
Auf dieser Erkenntnis basiert die Geschäftsidee des spanischen Unternehmens Polyphonic HMI. Die Firma hat eine Software entwickelt mit der sie behauptet, Voraussagen über die Erfolgswahrscheinlichkeit eines Songs treffen zu können. Dazu hat Polyphonic – nach eigenen Angaben – 3,5 Millionen unterschiedliche Popsongs untersucht. Auf der Internetseite von Polyphonic wird die Funktionsweise der Software kurz erklärt:[21] Das Programm analysiert einzelne Songelemente wie die Melodie, das Tempo, den Rhythmus, den Sound usw. und ordnet diesen mathematische Werte zu. Die mathematischen Eigenschaften jedes Songs werden gewichtet und so zusammengeführt, dass er als einzelner Punkt auf einem Koordinatensystem abbildbar wird. Polyphonic vergleicht diese Eigenschaften mit denen von Songs, die sich in ihrer Hitdatenbank befinden, welche nach Angaben der Firma aus sämtlichen Titeln der US und UK Top 30 Charts der letzten 5 Jahre besteht. Songs mit mathematischen Ähnlichkeiten stehen in einem Ergebnisraster eng zusammen. Die Firma hat festgestellt, dass sich Hits jeweils in ähnlichen Regionen ihres Rasters anordnen (vgl. Abbildung 1).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Mit diesem Verfahren trifft die Firma Prognosen über die Erfolgswahrscheinlichkeit eines Songs. Polyphonic weist aber auf weitere zwei Faktoren hin, die einen Hit ausmachen: Die richtige Promotion sei unersetzbar, um einen Song kommerziell erfolgreich zu machen: „While given the right kind of promotion and enough public repetition it can be argued that any song can become a hit of some sort, we help labels identify those songs that will rise the charts and sell in the stores with less resistance than other songs.”[22] Außerdem müsse ein Song neben den mathematischen Aspekten, die ihre Software untersucht, auch im menschlichen Ohr wie ein Hit klingen. Dieser Hinweis zeigt ein Problem in der Polyphonic Analyse: Die Untersuchung von Erfolgsfaktoren eines Popsongs basiert auf dem Erfassen und Gewichten statistischer Ähnlichkeiten. Inhaltliche Aspekte, die sich auf den Text eines Songs beziehen, werden beispielsweise außer Acht gelassen; auch Songs mit außergewöhnlich neuartigen Elementen fallen aus dem Analyseraster.
Der Ansatz meiner Arbeit ist daher weiter gefasst. Ich werde einzelne Elemente des Fools Garden Hits Lemon Tree analysieren und damit den Grundgedanken der Firma Polyphonic – „The patterns that we find pleasing haven’t changed a lot. What has changed are the instruments used, the styles, the way the music is performed etc.”[23] –verfolgen. Über diese Methode soll die Arbeit jedoch hinausgehen und auch die ökonomische und textliche Seite erfolgreicher Songs mit einbeziehen.
Zunächst richte ich den Fokus auf die Hörer und Kunden von Popmusik im Allgemeinen. In Kapitel 2 werde ich wesentliche Richtungen der wissenschaftlichen Analysen von Popmusikhörern vorstellen, da den Verkaufsinteressen der Produzenten immer tatsächliche oder vermeintliche Bedürfnisse der Konsumenten gegenüber stehen. Kunden sind die Basis für jede erfolgreiche Ware. Produkte werden nicht konsumiert, wenn sie den Bedürfnissen der Kunden nicht entsprechen, bzw. wenn diese nicht geweckt werden.
Im dritten Kapitel der Arbeit gehe ich dann zu den Produzenten der Musik – der Band und den Musikvermarktern – über. Ich beschreibe die Struktur und die derzeitige ökonomische Situation der Musikwirtschaft und zeige anhand von aktuellen Erfolgsbeispielen Optionen für Vermarktungsstrategien von Fools Garden auf. Das Selbstverständnis und öffentliche Erscheinungsbild der Band werde ich auf ihr Potential hin überprüfen, erprobte erfolgreiche Starschemata auszufüllen.
Schließlich gehe ich in Kapitel 4 auf den Erfolgssong der Band, Lemon Tree, ein. Einzelne Elemente wie das Thema des Songs, der Songaufbau, die verwendeten Worte, die erzählte Geschichte, die Perspektive, die Melodik, die Harmonik, der Rhythmus, die Instrumentation und die Abmischung des Songs werden auf mögliche Erfolgsfaktoren untersucht.
In einem Fazit werde ich reflektieren, ob sich der Erfolg von Lemon Tree aus diesen Überlegungen begründen lässt und mögliche erfolgsversprechende Optionen für die Zukunft der Band aufzeigen.
Dieser Arbeit liegt eine CD-ROM bei. Sie enthält eine elektronische Version der Ausarbeitung, verwendete Bilder, Musikbeispiele und die zitierten Onlinequellen. Die CD-ROM beinhaltet zum Teil auch nicht öffentlich zugängliches bandinternes Material, das mir Fools Garden zur Verfügung gestellt haben.
Auf eine Diskussion zur Definition des Begriffs „Popmusik“ und zur Abgrenzung von „Ernster“- und „Unterhaltungs“-Musik wird in dieser Arbeit bewusst verzichtet. Populäre Musik wird, einer Definition von Peter Wicke folgend, nicht als ein Nominalbegriff, sondern als ein „[...] diskursives Instrument kultureller Auseinandersetzungsprozesse auf dem durch die kommerzielle Musikproduktion abgesteckten Territorium“[24] verstanden. Es werden daher für dieses durch Musiker, Industrie und Publikum geprägte Korrelationsgefüge unterschiedliche Begriffe wie „Unterhaltungsmusik“, „Popmusik“, „populäre Musik“ oder „leichte Musik“ zur Anwendung kommen, die im Wesentlichen synonym zu verstehen sind. Die ebenfalls verwendeten Bezeichnungen „Rock“ und „Rock'n'Roll“ sind als Untergattungen der Popmusik zu verstehen.
2 Die Hörer und ihre Bedürfnisse
Die Anzahl verkaufter Tonträger hat sich in der Musikbranche als das Kriterium zur Messung des Erfolgs einer Band bzw. eines Interpreten durchgesetzt. Zahlreiche Hitparaden und Auszeichnungen basieren auf Verkaufszahlen der Tonträger; Tonträgerverkäufe stellen zudem das größte Einnahmepotential für Bands und Plattenfirmen dar.
Kennt eine Band wie Fools Garden die Struktur und die Vorlieben ihrer potentiellen Tonträgerkunden, kann sie ihre Songs eher auf diese abstimmen und so im Endeffekt einen größeren Erfolg erzielen. Eine Betrachtung der Konsumenten hilft der Band, Vermarktungs- und Informationsstrategien deutlicher auf den Kunden auszurichten.
Ziel des zweiten Kapitels ist es daher zu vergegenwärtigen, welche grundsätzlichen Publikumsgruppen eine Popband erreichen kann und welche Publikumsbedürfnisse dabei zum Tragen kommen. Dazu werde ich vornehmlich soziologische Untersuchungen betrachten, die sich mit den Rezipienten von Popmusik befassen. Die unterschiedlichen Ansätze fußen im Wesentlichen auf den Denkansätzen der kritischen Theorie und der Cultural Studies. Es wird deutlich werden, dass beide Richtungen besonders den Grad der Aktivität des Hörers unterschiedlich einstufen.
Negus gibt einen Überblick über die Geschichte der wissenschaftlichen Annäherungen im Hinblick auf die Betrachtung des Publikums populärer Musik. Er beginnt bei Adorno, einem Vertreter der kritischen Theorie, der von vielen Autoren als Wegbereiter der wissenschaftlichen Herangehensweise an populäre Musik betrachtet wird.[25]
2.1 Die passive Masse
Adorno zeichnet ein sehr negatives Bild vom Popmusikhörer. Er spricht ihm einen tief greifenden Zugang zur Sache ab: „Musik ist ihm [dem Hörer – Anm. d. Autors] nicht Sinnzusammenhang, sondern Reizquelle.“[26] Nicht Sinn, sondern Ablenkung bzw. Zerstreuung sind für Adorno das zentrale Bedürfnis der Hörer nach Popmusik. Das mühelose, zur Entspannung bestimmte Hören wirke als Norm auf die populäre Musik zurück. Die Hörer lehnten dabei alles ab, was nicht bekannt klinge und nicht das Potential habe kindliche Erinnerungen wecken zu können. Hörer verfolgten die Musik nicht genau und achteten nicht auf ihre Details, sondern begnügten sich mit den einfachsten, klarsten Fragmenten der Melodie.[27]
Popmusik sei eine standardisierte Freizeit-Ware, die eine Flucht vor der Arbeit verspreche. Die Freizeit diene aber lediglich dazu, die Produktivitätskapazitäten des Arbeiters wieder aufzuladen.[28] Die Freizeit und damit auch die Popmusik sei nach den Strukturen und Eigenschaften der übermächtigen Arbeitswelt geformt. „Amusement ist die Verlängerung der Arbeit unterm Spätkapitalismus. Es wird von dem gesucht, der dem mechanischen Arbeitsprozeß ausweichen will, um ihm von neuem gewachsen zu sein. Zugleich aber hat die Mechanisierung solche Macht über den ››Freizeitler‹‹ und dessen Glück, sie bestimmt so gründlich die Fabrikation der Amüsierwaren, daß er nichts anderes mehr erfahren kann als die Nachbilder des Arbeitsvorgangs selbst. Der vorgebliche Inhalt ist bloß verblaßter Vordergrund; was sich einprägt, ist die automatisierte Abfolge genormter Verrichtungen.“[29]
Der Produktionsprozess spiegelt sich nach Adorno in der Unterhaltungsmusik durch die „Wiederholung des Immergleichen“ wieder. Der Hörer fühle sich glücklich, wenn er nach den ersten Takten eines Songs seine Fortsetzung raten könne und diese so eintreffe.[30] Adorno sieht Unterhaltungsmusik als eine gesellschaftlich akzeptierte Droge an. Wie Alkohol und Rauchen diene sie einem Süchtigen dazu, sich mit der Situation des sozialen Drucks oder der Einsamkeit abzufinden und für kurze Zeit in eine Scheinwelt zu flüchten, in der er glaubt, er selbst sein zu können.[31]
Der Aspekt der Identifikation mit der Musik bzw. den Musikern ist Adorno deshalb wichtig. Er folgert aus der Tatsache der leichten Nachsingbarkeit von Schlagern, dass der Hörer sich „mit den ursprünglichen Trägern der Melodie, gehobenen Persönlichkeiten, oder mit dem kriegerischen Kollektiv, das die Lieder anstimmt“[32], identifiziert. Darüber vergesse der Hörer seine „Vereinzelung“ und empfange die Illusion „entweder vom Kollektiv umfangen oder eine gehobene Persönlichkeit zu sein“.[33]
Negus entdeckt in Adornos Ausführungen zwei Gruppen von Hörern:
Die „alone in the bedroom“-Gruppe besteht aus schüchternen, gehemmten Menschen, die sich durch die Illusion von Intimität, die ihnen Musik vermittelt, eigene Sphären der Sicherheit schaffen, die ihnen im Kontakt zu anderen Menschen fehlen.[34] Musik dient ihnen als Trost für ihre soziale Abgeschiedenheit. Adorno spricht vom Hörer „der Zeit totschlägt und Einsamkeit paralysiert durch ein Hören, das ihm die Illusion des bei was auch immer Dabeiseins vermittelt.“[35]
Menschen, die Popmusik im Gegensatz dazu in Gesellschaft mit anderen beim Tanz konsumieren, bezeichnet Negus als „lost in the crowd“.[36] Adorno kritisiert, dass beim Tanz zur Popmusik Individuen ihre Eigenständigkeit verlieren und zu Teilen einer Masse werden. Ihre zwanghaften, ruckartigen Bewegungen erinnern ihn an herumschwirrende Insekten, an den in einem Kessel mit siedendem Öl schmorenden St. Vitus oder an die letzten Reflexe von gerade getöteten Tieren.[37]
Popmusikhörer werden von Adorno als passive hilflose Masse, der es an kritischem Urteilsvermögen fehlt und die der Kulturindustrie vollkommen ausgeliefert sind, dargestellt. Sie sind demnach in ihrer Welt des Alltags und der Arbeit gefangen. Popmusik fungiert dabei als ein Fenster, das Blicke aus der Welt des Alltags in eine Welt des Glücks gewährt.
2.2 Pop als Glücksmoment
Das Bedürfnis nach Popmusik wird von Adorno durch Zerstreuung, dem Ablegen von Ich-Grenzen, Flucht aus dem Alltag und dem Streben nach Glück beschrieben. Hiermit greift Adorno eine schon von Freud in seinem Buch „Das Unbehagen in der Kultur“ diagnostizierte, scheinbar typische Eigenschaft des Menschen auf.[38]
2.2.1 Die Leiden des Menschen
Freud zeigt, dass der Mensch ständig von Gefahren umgeben ist: „Von drei Seiten droht das Leiden, vom eigenen Körper her, der, zu Verfall und Auflösung bestimmt, sogar Schmerz und Angst als Warnsignal nicht entbehren kann, von der Außenwelt, die mit übermächtigen, unerbittlichen, zerstörenden Kräften gegen uns wüten kann und endlich aus den Beziehungen zu anderen Menschen.“[39] Er beobachtet weiter, dass das Leiden, das aus den Beziehungen zu anderen Menschen entsteht, schmerzlicher als jedes andere Leiden empfunden wird.[40]
Durch Ablenkungen, Ersatzbefriedigungen oder Rauschstoffe ließen sich diese Leiden lindern. Die Popmusik gehört nach Adorno zu diesen Linderungsmitteln. Die „Fluchtfunktion“, die er der populären Musik zuschreibt, lässt sich auf dem Hintergrund Freuds somit kulturpsychologisch begründen.[41]
2.2.2 Streben nach Glück
Popsongs kommen demnach im Streben der Menschen nach Glück zum Einsatz. In der Entwicklung der menschlichen Kultur, die Freud als Summe der Leistungen und Einrichtungen definiert, die Menschen vor der Natur schützen und die Beziehungen untereinander regeln, habe der Mensch seine individuelle Freiheit dem Wohl der Gemeinschaft unterordnen müssen.[42] Menschliche Triebe wie der Aggressions- und der Sexualtrieb wurden dabei unterdrückt. Die menschliche Psyche kämpfe gegen diesen kulturell geforderten Triebverzicht an und flüchte sich in Bereiche, die Ersatzbefriedigungen verheißen und Glück versprechen. Freud stellt fest, dass das Verhalten der Menschen stets darauf gerichtet ist, solches Glück zu erlangen. Die „Abwesenheit von Schmerz und Unlust“[43] und das „Erleben starker Lustgefühle“[44] sei gemäß dem Lustprinzip ein ständig verfolgtes Ziel von Menschen.
Glück könne aber nicht als dauerhafter Zustand, sondern nur als Kontrast genossen werden.[45] Kontraste haben in der Popmusik selbst wichtige Funktionen, wie ich in Kapitel 4 noch herausstellen werde. In diesem Sinn kann Popmusik als vergänglicher Glücksbringer verstanden werden, als kurzer Kontrast im tristen Alltag.
2.2.3 Zurück zum ozeanischen Gefühl
Die Richtung, die der Mensch bei seiner Suche nach Glück einschlägt, ist für Freud eine rückwärts gerichtete.
Im ersten Kapitel des Werks „Das Unbehagen in der Kultur“ beschäftigt sich Freud mit dem „Gefühl des Ozeanischen“.[46] Darin sieht er die Quelle aller Religiosität. In Bezug auf die Bedürfnisse von Popmusikhörern lassen sich an dieser Stelle deutliche Parallelen zu Adornos „Flucht-aus-dem-Alltag-Theorie“ auffinden. Freud beschreibt das ozeanische Gefühl als „ein Gefühl von etwas Unbegrenztem, Schrankenlosem“[47], als „ein Gefühl der unauflösbaren Verbundenheit, der Zusammengehörigkeit mit dem Ganzen der Außenwelt.“[48] Er sieht das Gefühl als einen Zustand an, in dem die Grenzen des Ichs zur Außenwelt zerschmelzen und nicht mehr wahrgenommen werden. Das Ich-Gefühl von Säuglingen sei ursprünglich ein noch nicht von der Außenwelt abgesondertes. Erst im Laufe des Lebens löse sich das Ich von der Außenwelt ab. Vom ursprünglichen Zustand, der allumfassenden, innigen Verbundenheit mit der Umwelt, blieben aber Reste im Ich erhalten. „Ozeanische Gefühle“ riefen die Reste des Ursprünglichen wieder hervor.
Das Bedürfnis des Menschen, sich von der Hilflosigkeit bzw. der Übermacht des Schicksals lösen zu wollen, rufe diesen regressiven Zustand hervor. Die Außenwelt werde als bedrohlich empfunden. Erinnerungen an Zustände, als es diese drohende Außenwelt noch nicht gab, erscheinen als tröstend.
Durch Freud lassen sich Adornos Gedanken untermauern: Das Streben nach Glück, nach Momenten des Einklangs mit der Umwelt, scheint ein dienlicher Erklärungsansatz für das Streben der Menschen nach Unterhaltung durch Popmusik zu sein.
2.3 Das aktive Publikum
Das Publikum der Popmusik wird durch die kritische Theorie – auf deren prominentesten Vertreter Adorno ich eingegangen bin – und die psychoanalytischen Aspekte Freuds noch nicht hinreichend erschlossen.
Besonders Vertreter der Cultural Studies kritisieren, dass diese Diskurse dem Publikum eine zu passive Rolle zuordnen. Fiske distanziert sich bewusst von Adorno. Zu den Konsumenten von Massenkultur meint er: „Sie sind keine passive, hilflose Masse, der es an kritischem Urteilsvermögen fehle und die somit in ökonomischer, kultureller und politischer Hinsicht den Industriebaronen ausgeliefert wäre.“[49] Fiske erkennt: „Popularität lässt sich scheinbar einfach fassen, wenn wir an der irrigen Überzeugung festhalten, dass wir in einer homogenen Gesellschaft leben und die Leute im Wesentlichen alle gleich sind.“[50]
Die Aussagen der Cultural Studies machen Differenzen innerhalb des Publikums deutlich. Popsongs werden vor allem auf ihre soziale Zirkulation und die Bedeutungen, die im kulturellen Umgang mit dem Song entstehen, betrachtet.[51] Die Cultural Studies gehen von existierenden gesellschaftlichen Machtverhältnissen aus, die in Form kultureller Kämpfe durch die Populärkultur in Frage gestellt werden.[52]
Es gibt verschiedene Gegenpositionen bzw. Ergänzungen zur kritischen Theorie, die sich mit dem Grad der Passivität bzw. Aktivität des Publikums befassen.
Negus zählt Riesmann zu den Ersten, die in den 1950er Jahren die Hörgewohnheiten von Teenagern untersuchten. Riesmann stellte fest, dass nicht alle Hörer den von Adorno beschriebenen passiven Gestus aufweisen und teilt Rezipienten in Gruppen zwischen Anpassung und Autonomie ein.[53] Er unterscheidet zwischen Meinungsführern – einer aktiven Minderheit – und den Meinungsmitläufern, einer passiven, unkritischen Mehrheit.[54] Publikum mit einem nicht hinterfragten Geschmack, das die Musik der großen Radiosender und die der bekannten Bands hört, bildet bei ihm den Großteil der Hörer.[55] Dieses Mehrheitspublikum verfolgt die Hitparade und interessiert sich für das Leben der Stars, aber zum Beispiel nicht für den Herstellungsprozess der Musik.[56] Analog zu Adorno stuft Riesmann also die Mehrheit der Hörer als passiv ein.
Neben dieser Mehrheit beschreibt er aber kritische, aktive Gruppen von Hörern, die eigene Standards des Musikzugangs und eigene Formen über Musik zu diskutieren entwickelt haben. Große Stars und bekannte Bands sind in der Sichtweise dieser Hörer nicht respektabel. Sie bevorzugen unkommerzielle Bands, deren Songs (noch) unbekannt sind.[57] Das Wissen um die Existenz solcher „besonderer“ Musik evoziert bei diesen aktiven Hörern Gefühle der Exklusivität, die sie einerseits in ihr Selbstbild übernehmen und die andererseits auch auf andere Menschen attraktiv wirken. Somit übernehmen die aktiven Hörer oft die Rollen von Meinungsführen.
Hall und Whannel differenzieren das Publikum hinsichtlich der Altersstruktur.[58] Das aktive Minderheitenverhalten wird von ihnen als typisch für eine jüngere Generation von Popmusikhörern angesehen. Sie bestreiten nicht, dass der Markt der Teenager auch ein „üppiges Weideland für kommerzielle Anbieter“ ist, unterscheiden aber zwischen einer aktiven jungen Minderheit, die sich eine eigene Subkultur schafft und einer passiven älteren, konservativen Mehrheit.[59]
2.3.1 Subkulturen
Das jugendliche Hörverhalten rückte in den 1970er Jahrer immer weiter in den Fokus der wissenschaftlichen Betrachtung. Theorien zur Subkultur differenzierten die Gruppe der jungen Hörer zunehmend. Einer der einflussreichsten Beiträge stammt von Hebdige.[60]
Hebdige bezieht sich auf Williams Verständnis von Kultur, bei der diese als „ganze Lebensweise“, als umfassende kulturelle Praxis verstanden wird.[61] Kultur äußert sich nach Williams nicht nur in Kunst und Bildung, sondern auch in Institutionen und dem alltäglichen Leben.[62] Damit tritt Williams dem elitären Ansatz der kritischen Theorie, in dem Kultur eher als ein normativ-wertender Begriff im Sinne zivilisatorischer Errungenschaften oder kunstvoller Hervorbringung von Ideen, schöpferischen Gestaltungen und (Kunst-)Werken begriffen wird, entgegen.
Subkulturen entwickeln sich nach Hebdige als Antwort einer unterdrückten gesellschaftlichen Schicht auf gesellschaftliche Ordnungspraxen. „Das Populäre wird als ein Feld begriffen, auf dem Macht von oben eine Macht von unten gegenübersteht.“[63] Pop werden oppositionelle, revolutionäre Kräfte zugeschrieben.
Zu den traditionellen Subkulturen zählen die Teds, Punks oder Skins. Waren sie früher noch klar über Stil, Mode und Musik einzuordnen, herrscht heute jedoch – wie es Jacke formuliert – „eher ein Mischmasch aus Stilen, Moden und Musiken, welches aber subkulturelle Phänomene nicht per se verschwinden lässt, sondern diese nur nicht mehr so schnell identifizierbar macht.“[64]
Die Betrachtungsweise verschiedener Subkulturen rückte die Identitätsorientierung und -konstruktion des Individuums ins Zentrum des Diskurses. Pop bekommt somit eine elementare Rolle für die Identitätsinszenierung von Menschen zugesprochen.
2.3.2 Stil und Individualisierung
Renner siedelt den Popmusikhörer von heute auf der fünften Stufe der Maslowischen Bedürfnispyramide an: „Auf das Bedürfnis nach Nahrung und Fortpflanzung und nach Sicherheit folgt das nach Gruppenzugehörigkeit. Auf Stufe fünf folgt in sehr entwickelten Gesellschaften die Individualisierung.“[65] Durch das weite Spektrum der Stile, vor allem in den Subkulturen, würden den Konsumenten immer bessere Möglichkeiten zur individuellen Identitätsorientierung und -konstruktion geboten, meint Jacke.[66] Der Konsument dokumentiere seine Eigenständigkeit, indem er musikalische Bouquets zusammenstellt, so Renner. Plattensammlungen mit Interpreten aus den unterschiedlichsten Genres seien heute keine Seltenheit mehr.[67]
Popmusik verschiedenster Gattungen wird verwendet, um den eigenen Stil zu entwickeln. Clarke erklärt in seinem Buch „Jugendkultur als Widerstand“, wie sich in Subkulturen ein neuer Stil bildet.[68] Er benutzt dazu den von Levi Strauss geprägten Begriff „Bricolage“, der die Neuordnung und Rekontextualisierung von Objekten bezeichnet, um neue Bedeutungen für diese Objekte innerhalb eines Systems bestehender Bedeutungen zu kommunizieren. „Die Schöpfung kultureller Stile umfasst also eine differenzierende Selektion aus der Matrix des Bestehenden. Es kommt nicht zu einer Schaffung von Objekten und Bedeutungen aus dem Nichts, sondern vielmehr zu einer Transformation und Umgruppierung des Gegebenen in ein Muster, das eine neue Bedeutung vermittelt; einer Übersetzung des Gegebenen in einen neuen Kontext und seiner Adaption.“[69]
Pop wird zur Kreation des persönlichen Stils eingesetzt und dient als Mittel, die eigene Persönlichkeit auszudrücken. Dadurch tragen die Rezipienten – aus der Sicht der Cultural Studies – andersherum auch ihre eigene Kultur an die Popmusik heran.[70]
So entstehen sich ständig verändernde Ansprüche an erfolgreiche Popmusik. Die Cultural Studies machen deutlich, dass zwischen Publikum und Produzenten weit reichende Beziehungen bestehen. Es ließe sich folgern, dass nur die Musik, die zu den Trends der Zeit und der Gesellschaft passt, bzw. Musik, der es gelingt, neue Trends zu definieren, Chancen auf Erfolg hat. Die Entscheidung liegt aber letztendlich beim Publikum.
2.4 Zusammenführung
Die bisher vorgenommene Gegenüberstellung des aktiven und passiven Publikums ist eine stark vereinfachende Einteilung, um Beziehungen und Dynamiken zwischen Rezeption und Produktion darzustellen.
Beide Perspektiven dürfen nicht separat und ausschließlich in den Blick genommen werden. Während der passive Ansatz dem Publikum zu wenig selbstbestimmenden Spielraum einräumt, vernachlässigen Theorien über das aktive Publikum, wie die Aktivität der Rezeption durch die Industrie geformt sein könnte, wie musikalische Produkte und visuelle Styles greifbar gemacht werden für eine prädestinierte „Aneignung“ und wie sie die Möglichkeiten eines kreativen Gebrauchs und der möglichen Interpretationen beschneiden können.[71]
Ein aktuelles Online-Experiment einer amerikanischen Forschergruppe bestätigt diesen Einwand. Die Soziologen Salganik, Dodds und Watts haben über das Internet insgesamt 14.341 jugendliche User eingeladen, sich auf einer Website, 48 bislang unbekannte Songs herunterzuladen und diese anschließend zu bewerten.[72] Die Teilnehmer wurden nach dem Zufallsprinzip in unterschiedliche Gruppen eingeteilt. Ein Teil der Probanden erfuhr, wie oft ein Song runtergeladen worden war. Denn die Forschergruppe wollte herausfinden, ob und wie diese Art von Information die Bewertung der Songs und deren Erfolg beeinflussen würde. In den Kontrollgruppen gab es keine Informationen zum Download-Verhalten der anderen User. Salganik et al. stellten fest, dass sich jene Gruppe, die Einsicht in die Bewertung und das Download-Verhalten ihrer Mit-Probanden hatte, an dieser „Hitliste“ orientierte. Populäre Songs wurden immer populärer, unpopuläre Songs wurden hingegen kaum noch wahrgenommen.[73] Das Experiment zeigt, wie schon ein veröffentlichtes „Ranking“ zum Erfolg eines Songs beitragen kann und wie stark eine „Meinungsmehrheit“ den Auswahlprozess von Popmusikhörern beeinflusst.
Zu diskutieren ist, wie groß die Autonomie des Publikums wirklich ist. Es ist fraglich, ob Hörer wirklich frei in ihren Wahlmöglichkeiten sind und ob Produzenten nicht doch so viel Macht besitzen, Trends auch künstlich schaffen zu können.
Autoren wie zum Beispiel Müller und Wulff kritisieren eine rein auf das Publikum fixierte Darstellung der Cultural Studies. Sie bezweifeln, dass die kulturindustriell produzierten „Rezeptionsvorgaben“ keine Rolle für den „Prozeß der Bedeutungsproduktion und -zirkulation“ spielen.[74] Die Frage nach der Vermittlung von Macht und Bedeutung in kulturellen Prozessen werde zu sehr aus den Augen gelassen.
2.4.1 Offene Populärkultur
Einen vermittelnden Ansatz spiegelt nach Meinung von Jacke das Werk von Kellner wider. Kellner weicht die Einteilung in passives und aktives Publikum mit der Idee einer emanzipatorischen Populärkultur auf. Er meint, dass Populärkultur weder eine selbst gemachte Kultur des Volkes noch ausschließlich eine kulturindustriell aufoktroyierte Ideologie sei, sondern eine Mischung aus beidem.[75] Eine strikte Trennung zwischen passiven (Mainstream) und aktiven (Subkultur) Hörerschaften exisitert für ihn nicht mehr. Die Popkultur sei vielmehr ein „Janusgesicht“, das sowohl in die Richtung Mainstream als auch in die der Subkultur schaut.[76] Einerseits werden immer wieder Aspekte aus den Subkulturen im Mainstream assimiliert; andererseits biete auch der Mainstream manchmal neue Quellen für individuellen, widerständigen Ausdruck.[77]
2.4.2 Leitbedeutungen
Negus führt Morley an, der nicht innerhalb der Publikumsgruppen, sondern zwischen Konsumenten- und Produzentenseite vermittelt.[78] Morley meint, dass die Mächte, die Rezipienten und Produzenten zugeschrieben werden, nicht vergleichbar sind. Für Zuschauer und Zuhörer ist die Macht, Bedeutungen zu reinterpretieren, kaum gleichwertig zur Macht, welche zentrale Medieninstitutionen, die Texte konstruieren, haben. Morley fragt sich daher, ob die Aktivitäten des Zuschauers und Zuhörers limitiert sein könnten durch vorgegebene bevorzugte Bedeutungen und soziale Gebräuche.[79]
Morley bezieht sich bei der Ausweitung dieser Fragen auf das von Hall formulierte Modell vom „encoding/ decoding“.[80] Hall schlug vor, dass, während Medien in unterschiedlicher Weise interpretiert werden können, diese Möglichkeiten limitiert seien und das Publikum zu bestimmten Bedeutungen geleitet werde. Das Publikum müsse dann bestimmte Strategien in Relation dazu adaptieren. Rezipienten könnten die dominante Bedeutung akzeptieren, aushandeln und nur teilweise annehmen oder eine unabhängige Interpretation entwickeln.
Seine Erkenntnisse bezogen sich zwar auf das Fernsehen, doch geben sie übertragen auf die Popmusik eine neue, kritischere Richtung vor und lenken bei Analysen den Blick auf Fragen wie: Was sind die vom Interpreten und der Musikindustrie „bevorzugten“ Bedeutungen? Wie transportieren Musiktechnologie und Texte bestimmte Bedeutungen, Bräuche und Interpretationen und wie dekodiert das Publikum sie?
Fiske analysiert Medien im Sinne von Morley.[81] Er unterscheidet Texte auf ihr Reinterpretationspotential hin und sieht darin einen Faktor, der die Popularität ausmacht. Er differenziert zwischen „lesbaren“, „schreibbaren“ und „produzierbaren“ Texten. „Lesbare Texte“ seien in sich geschlossen und leicht verständlich; ihre Bedeutung sei klar vorgegeben. Der Leser[82] nehme bei der Rezeption eine passive Haltung ein, die keine große Anstrengung und kein Mitdenken verlange. Ein „schreibbarer Text“ müsse hingegen vom Leser selbst ständig neu geschrieben werden, damit er daraus für sich einen Sinn ziehen könne. Die populärste Textart sei der „poduzierbare Text“, der einerseits leicht verständlich, andererseits aber auch so offen gestaltet sei, dass die Möglichkeit, unterschiedliche Bedeutungen hineinzulesen gegeben ist.[83] „Er [der produzierbare Text – Anm. d. Autors] überläßt sich, wie widerwillig auch immer, den Verwundbarkeiten, Grenzen und Schwächen seiner bevorzugten Lesart. Er beinhaltet – während er versucht, diese zu unterdrücken – Stimmen, die denjenigen, die er favorisiert, widersprechen. Er hat lose Enden, die sich seiner Kontrolle entziehen, sein Bedeutungspotential übertrifft seine eigene Fähigkeit, dieses zu disziplinieren, seine Lücken sind groß genug, um ganze neue Texte in diesen entstehen zu lassen – er befindet sich, im ureigensten Sinne des Wortes jenseits seiner eigenen Kontrollen.“[84]
Fiskes Aussagen zur Popularität lassen sich als ein Resümee der vorgestellten Überlegungen zum Popmusikhörer betrachten. Nach Fiske existieren beim Publikum sowohl aktive als auch passive Rezeptionsmuster. Die Adressierung beider Arten des Hörens stellt grundsätzlich die größte Möglichkeit auf Erfolg in Aussicht.
Im Folgenden wird es immer wieder darum gehen, mögliche Wege aufzuzeigen, die zur Realisierung eines solchen Balanceakts zwischen den Rezeptionsarten beitragen. Daneben wird der Aspekt der Identifizierung in Erscheinung treten, der für die Rezeption der Popmusik eine Schlüsselrolle spielt.
2.4.3 Identifizierung
Die Identifizierung nimmt in der Psychologie als Vorgang, der das menschliche Ich konstituiert, eine zentrale Bedeutung ein. In Zimbardos Psychologie-Einführung wird der Begriff als ein Abwehrmechanismus des Ichs erwähnt: Durch die Identifikation mit einer Person oder Institution von hohem Rang erfolge eine Erhöhung des Selbstwertgefühls.[85] Die Psychoanalytiker Laplanche und Pontalis definieren den Begriff wie folgt: „Psychologischer Vorgang, durch den ein Subjekt einen Aspekt, eine Eigenschaft, ein Attribut des anderen assimiliert und sich vollständig oder teilweise nach dem Vorbild des anderen umwandelt.“[86]
Popmusik kann als Identifizierungsobjekt in Erscheinnung treten, wie die bisherigen Ausführungen bereits verdeutlichten. Es zeigte sich, dass beide in diesem Kapitel dargestellten Denkrichtungen den Aspekt der Identifizierung betonen: Die Denkansätze der Cultural Studies schenken besonders der imaginären Statuserhöhung des Rezipienten durch die Identifizierung mit dem Künstler oder dem Produkt Beachtung. Im Zuge einer persönlichen Stilbildung trägt diese Art der Identifikation so zu einer Abgrenzung gegenüber anderen bei.[87] Passiv orientierte Aussagen der kritischen Theorie stellen zudem die Identifizierung mit Gleichgesinnten bei der massenhaften Rezeption von Musik heraus. Diese Art der Identifizierung verleiht dem Hörer das Gefühl der Geborgenheit und Stärke, welches durch die Zugehörigkeit zu einer homogenen Gruppe entsteht.[88]
Die Identifikation scheint Voraussetzung für die Befriedigung der Bedürfnisse nach Unterhaltung zu sein. Hier liegt offenbar ein Schlüssel zum Erfolg in der Popmusik. Ich werde daher kurz auf psychoanalytische Ausführungen zur Identifikation eingehen, um mögliche Rückschlüsse für die Popmusik aufzuzeigen.
Freud benutzt den Begriff der Identifizierung in verschiedenen Beiträgen: In seinem Werk „Die Traumdeutung“ verweist er auf eine Quelle für diesen Vorgang: „[…] sie [die Identifizierung – Anm. d. Autors] drückt ein ››gleiches‹‹ aus und bezieht sich auf ein im Unbewußten verbleibendes Gemeinsames.“[89]
In seinen Ausführungen zum Ödipuskomplex werden laut Laplanche und Pontalis bei Freud die Wirkungen des Ödipuskomplexes auf die Strukturierung des Ichs in Ausdrücken der Identifizierung beschrieben: Die Besetzungen der Eltern werden aufgegeben und durch Identifizierungen ersetzt.[90]
In „Massenpsychologie und Ich-Analayse“ führt Freud eine Identifizierungsform als regressives Substitut einer aufgegebenen Objektwahl auf[91] und auch an anderer Stelle bringt er die Identifizierung in Zusammenhang mit dem Vorgang der Liebesobjektwahl: Menschen mit einer „narzißtischen Objektwahl“ lieben:
„a) was man selbst ist (sich selbst);
b) was man selbst war;
c) was man selbst sein möchte;
d) die Person, die ein Teil des eigenen Selbst war.“[92]
Punkt d) meint die narzisstische Liebe zwischen Mutter und Kind. Für Popmusik wesentlich zentraler sind die ersten drei Punkte: Das Sich-Wiedererkennen des Rezipienten in der Popmusik und Möglichkeiten des Sich-Hineinversetzens sind wichtige Momente, die für die Rezeption von Popmusik von großer Bedeutung sind. Auch das Vorleben eines „Ideal-Ichs“ regt das Publikum demnach zur Identifikation an. Besonders Erfahrungen, die auf zwischenmenschliche Beziehungen verweisen – Freud betont Eltern und Sexualpartner – lassen sich nach diesen kurzen psychoanalytischen Einwürfen als besonders geeignetes Identifizierungsmaterial ansehen.
In den weiteren Ausführungen, in denen es um Strategien zur Gewinnung des Publikums geht, werde ich diese Folgerungen reflektieren. Dabei wird der Blick vom Hörer auf die Produzenten der Musik gewechselt und das Beispiel Fools Garden konkreter einbezogen.
3 Die Seite der Produktion
Bereits die Rahmenbedingungen, die für die Entstehung und Vermarktung von Popsongs gelten, können dazu beitragen, Identifikationspotentiale für das Publikum zu schaffen.
Die Seite der Produktion, die den Konsumenten gegenübersteht, stellt sich als ein Beziehungsgeflecht aus kaufmännischer und kreativer Arbeit von Musikindustrie und Künstlern dar. Die Akteure der Produktion sind auf der künstlerischen Seite die Songschreiber, die Melodien komponieren und Texte verfassen, sowie die Interpreten. Letztere führen die Musik auf oder spielen sie in Tonstudios ein, damit Tonträger hergestellt werden können. Songschreiber sind dabei häufig gleichzeitig die Interpreten ihrer Songs. Produzenten nehmen auch oft ambivalente Positionen ein. Ihr orginärer Part ist der der Klanggestaltung und damit ein künstlerischer (vgl. Kapitel 4.5). Oft übernehmen Produzenten aber auch einzelne Funktionen der kaufmännischen Seite. Auf dieser kümmern sich Institutionen wie Plattenfirmen mit eigenen oder fremden Vertriebsfirmen, Verlage, Managements, Promotion- und Konzertagenturen um die Vermarktung der Musik. Jeder Akteur des kaufmännischen Parts setzt dabei zwar unterschiedliche Schwerpunkte; im Mittelpunkt aller Vermarktungsstrategien steht in der Regel jedoch neben der Musik vor allem der Interpret.[93]
Das Profil und das öffentliche Erscheinungsbild einer Band können daher Vermarktungsmaßnahmen stützen oder auch behindern. Am Beispiel von Fools Garden werde ich diese Problematik im zweiten Teil dieses Kapitels aufzeigen.
Zunächst werde ich jedoch die Aufstellung und die Situation der Band innerhalb der Musikwirtschaft beleuchten. Allgemeine Zukunftsoptionen konkretisiere ich, indem ich derzeit erfolgreiche Beispiele aufzeige. Anschließend reflektiere ich, inwiefern sich solche „Methoden“, die Bands zum Erfolg verholfen haben, auf Fools Garden übertragen lassen.
3.1 Der kaufmännische Part
Spätestens seit dem 19. Jahrhundert lassen sich die Bereiche Vermarktung und Kreation von Musik klar voneinander trennen. Der Handel mit Noten ließ Musik zu einer Ware werden, woraus das Musikverlagswesen resultierte, das sich um die Jahrhundertwende zu etablieren begann.[94] Verlage wurden zu einer wichtigen Einnahmequelle von Komponisten, da diese an dem Verkauf der Noten partizipierten.
Seit der Erfindung und Etablierung von Medien wie Grammophon und Radio zu Beginn des 20. Jahrhunderts kamen mit der Tonträgerindustrie schließlich auch wichtige Partner für „reine“ Musiker hinzu. Der Interpret, der nicht unbedingt auch der Komponist eines Songs sein muss und die Plattenfirmen wurden zu den Protagnisten der Musikwirtschaft.
Neben der Möglichkeit durch Konzerte Einnahmen zu erzielen, stehen Musikern zwei weitere Erlösquellen zur Verfügung: Der Verkauf von Waren (Tonträger, Merchandise, Noten) und die Verwertung von Rechten. Letzteres ist die heutige Aufgabe der Verlage, die ihre Haupteinkünfte längst nicht mehr über den Handel mit Noten, sondern durch die Verwertung der Urheberrechte erzielen. Verwertungsgesellschaften − wie in Deutschland die GEMA − erheben festgesetzte Gebühren für die mechanische Vervielfältigung, die öffentliche Aufführung, Wiedergabe und Sendung von Werken. Verlage werden an diesen Gebühren mit 33% bei der Aufführung und Sendung bzw. 40% bei der mechanischen Vervielfältigung beteiligt. Daher bemühen sie sich, die Werke ihrer Komponisten an Interpreten zu vermitteln; sie akquirieren Lizenznehmer, verhandeln Plattenverträge und promoten fertige Tonträger.[95]
Für Fools Garden sind alle dargestellten Einnahmequellen von Bedeutung. Die Urheber der Fools Garden Songs stammen aus der Band selbst: Sänger Peter Freudenthaler und Gitarrist Volker Hinkel schreiben alle Songs der Band. Sie profitieren also nicht nur als Bandmitglieder am Verkauf ihrer Tonträger, sondern auch als Komponisten und Textdichter an der Nutzung ihrer Songs, zum Beispiel in Form von Vervielfältigungen auf Samplern, Aufführungen durch andere Interpreten und Sendungen in TV und Radio.
Um die Verwertung ihrer Urheberrechte kümmert sich der Verlag von „Sony-BMG“. Die Zusammenarbeit mit einem Verlag bringt neben der Vernetzung mit zahlreichen Businesskontakten für die Band auch einen finanziellen Vorteil, da der Verlag einen Vorschuss auf zu erwartende Einkünfte zahlt. So fließen schon vor der Veröffentlichung eines Tonträgers Einnahmen an die Urheber.
Während Fools Garden im Bereich der Rechteverwertung mit einem sogenannten Majorlabel kooperieren, werden sie bei der Produktion ihrer Tonträger nicht mehr von einer Plattenfirma unterstützt. Fools Garden betreiben ihr eigenes Label[96] „Lemonade Records“, das im Wesentlichen Manager Koch, Sänger Freudenthaler und Gittarist Hinkel führen. Die „Labelarbeit“ nimmt neben der Musik einen zentralen Stellenwert im Alltag der Band ein. Im Folgenden werde ich daher auf diesen Bereich der Musikwirtschaft weiter eingehen.
[...]
[1] Seit der Veröffentlichung des Albums „Welcome to the real world“ schreibt die Band ihren Bandnamen ohne Apostroph. Alte Veröffentlichungen verwenden noch die Schreibweise „Fool's Garden“. Im Folgenden wird ausschließlich die neue Schreibweise verwendet.
[2] Aufgrund des zentralen Stellenwerts und häufigen Gebrauchs des Songtitels „Lemon Tree“ in dieser Arbeit werde ich im Folgenden auf eine Kennzeichnung des Begriffs als Songtitel durch Anführungszeichen verzichten.
[3] vgl. Meyer, Holger: Charts Surfer Musik / Suchergebnis: "lemon tree" in Deutsche Single-Charts ab 1956. Online im Internet: www.charts-surfer.de [abgerufen am 10.12.2005]
[4] Ich verwende nach Bandnamen den Plural, um auf diese Weise zu betonen, dass jede Band aus mehreren Mitgliedern besteht.
[5] vgl. Munzinger-Archiv: Pop-Archiv International 11/02. Ravensburg: Munzinger-Archiv GmbH 1990, Eintrag zu Fools Garden [ohne Seitenangaben]
[6] Laut Angaben des Bundesverbandes der Phonographischen Wirtschaft, die 91% des deutschen Musikmarktes repräsentiert, sank der Branchenumsatz seit 1997 um fast 40%.
vgl. Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft: Jahreswirtschaftsbericht 2004. Online im Internet: http://www.ifpi.de/jb/2005/umsatz.pdf [abgerufen am 14.01.2006]
[7] vgl. Röttgers, Janko: Mix, Burn & RIP. Das Ende der Musikindustrie. [Netzausgabe] Hannover: Verlag Heinz Heise 2003. Online im Internet: http://www.lowpass.cc/Janko_Roettgers_Mix_Burn_RIP.pdf, S. 123 [abgerufen am 15.01.2006]
Lau publizierte sogar, dass in den USA im Jahr 2001 von 6455 CD-Veröffentlichungen der Major Companies nur 112 rentabel waren. Das entspricht 1,7 Prozent.
vgl. Lau, Peter: Musik für Erwachsene (2). In: brandeins 09/2002, S. 42. Online im Internet: http://www.brandeins.de/ximages/11407_036musikfu.pdf [abgerufen am 15.01.2006]
[8] zum Beispiel durch seinen Aufsatz „On popular music“ aus dem Jahr 1941
vgl. Adorno, Theodor: On Popular Music. In: Frith, Simon; Goodwin, Andrew: On Record. London: Roudledge 1990, S. 301-319
[9] vgl. von Schoenebeck, Mechtild: Was macht Musik populär? Untersuchungen zu Theorie und Geschichte populärer Musik. Frankfurt am Main: Verlag Peter Lang 1987, S. 142
[10] vgl. ebd., S. 124
[11] vgl. Moser, Rolf; Scheuermann, Andreas (Hrsg.): Handbuch der Musikwirtschaft. 4. Auflage. Starnberg, München: Josef Keller Verlag 1997
[12] vgl. Lyng, Robert: Musik & Moneten. Wirtschaftliche Aspekte von Künstler-, Bandübernahme- und Produzentenverträgen. 2. Auflage. Bergkirchen: PPV Medien 2001
[13] vgl. Hilberger, Manfred: Das Rock- & Pop-Business. Mühlheim: Bandstand-Music 1997 oder Jahnke, Marlis: Der Weg zum Popstar. Mainz: Schott 1998 oder Stark, Jürgen: Überlebenskunst – Tips und Tricks für Musiker. Düsseldorf: Zebulon-Verlag 1995
[14] vgl. York, Norton: The Rock File. Making it in the Music Business. New York: Oxford University Press 1991
[15] vgl. zum Beispiel: Dannen, Fredric: Hit Men. Makler der Macht und das schnelle Geschäft im Musikgeschäft. Frankfurt am Main: Zweitausendeins 1998
[16] vgl. Stokes, Geoffrey: Star-making-machinery. Indianapolis, New York: Bobbs-Merrill Company 1975
[17] vgl. Thomsen, Kai: Präferenzbildung in der Popmusik. In: Rösing, Helmut und Phleps, Thomas (Hrsg.): NEUES zum Umgang mit ROCK- und POPMUSIK. Karben: CODA Musikservice + Verlag 1998, S. 49-67
[18] vgl. ebd., S. 63
[19] vgl. ebd.
[20] Maempel, Hans-Joachim: Klanggestaltung und Popmusik. Eine experimentelle Untersuchung. Heidelberg: Synchron Wissenschaftsverlag der Autoren 2001, S. 2
[21] vgl. Polyphonic HMI: Hit Song Science – Technology. Online im Internet: http://www.hitsongscience.com/technology.php [abgerufen am 30.12.2005]
[22] Polyphonic HMI: Hit Song Science – FAQ. Online im Internet: http://www.hitsongscience.com/faq.php [abgerufen am 30.12.2005]
[23] ebd.
[24] Wicke, Peter: Populäre Musik. In: Finscher, Ludwig (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Mut – Que Sachteil 7. 2., neubearb. Ausg. Kassel [u.a.]: Bärenreiter [u.a.] 1997, S. 1695-1703, hier S. 1696
[25] vgl. Negus, Keith: Popular Music in Theory. Cambridge: Polity Press 1996, S. 7-36
vgl. auch: von Schoenebeck 1987, S. 97
[26] Adorno, Theodor W.: Einleitung in die Musiksoziologie. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1975 [O.A. 1962], S. 29
[27] vgl. Negus 1996, S. 9
[28] vgl. Adorno 1990, S. 310
[29] vgl. Horkheimer, Max; Adorno, Theodor W.: Dialektik der Aufklärung. 3. Auflage. Frankfurt am Main: Fischer 2001 [O.A. 1944], S. 145
[30] vgl. ebd., S. 133
[31] vgl. Adorno 1975, S. 29f
[32] Adorno, Theodor W.: Zur gesellschaftlichen Lage der Musik [O.A. 1932]. In: Prokop, Dieter (Hrsg.): Kritische Kommunikationsforschung. München 1973, S. 152 ff, zit. nach: von Schoenebeck 1987, S. 100
[33] vgl. ebd.
[34] vgl. Negus 1996, S. 11
[35] Adorno 1975, S. 30
[36] vgl. Negus 1996, S. 10
[37] vgl. ebd.
[38] vgl. Adorno 1975, S. 3
[39] Freud, Sigmund: Das Unbehagen in der Kultur. In: Gesammelte Werke. Band 14. Werke aus den Jahren 1925-1931. London: Imago Publishing 1991 [O.A. 1948], S. 421-506, hier S. 434
[40] vgl. ebd.
[41] vgl. von Schoenebeck 1987, S. 169
Stimmt Adornos These und wird Popmusik tatsächlich als Linderungsmittel gegen Leid eingesetzt und ist die schlimmste Form von Leid die, die durch Beziehungen zu anderen entsteht, ließe sich erklären, warum auch die meisten Popsongs von Liebe und Beziehungen handeln. 1955 analysierte Donald Horton 235 Songs: 83,4% der Songs handelten von Liebe.
[vgl. Horton, Donald: The dialogue of courtship in popular songs. In: Frith, Simon; Goodwin, Andrew: On Record. London: Roudledge 1990, S. 14-26, hier S. 15]
[42] vgl. von Schoenebeck 1987, S. 167
[43] Freud 1991, S. 434
[44] ebd.
[45] vgl. ebd.
[46] Freuds Freund Romain Rolland gab Anstoß zu diesem Thema. Er übte Kritik an Freuds Schrift „Die Zukunft einer Illusion". Rolland sah die ursprüngliche Quelle der Religiosität darin nicht gewürdigt.
[47] Freud 1991, S. 422
[48] ebd.
[49] Fiske, John: Die populäre Ökonomie. In: Winter, Rainer; Mikos, Lothar (Hrsg.): Die Fabrikation des Populären. Der John Fiske Reader. Bielefeld: Transcript 2001, S. 111
[50] ebd.
[51] Winter; Mikos 2001, S. 10
[52] vgl. ebd., S. 7
[53] vgl. Schlesky, Helmut: Einführung. In: Riesmann, David: Die einsame Masse. Darmstadt; Berlin-Frohnau; Neuwied am Rhein 1956, S. 9-27, hier S. 23
[54] vgl. Riesmann 1956, S. 133ff
[55] vgl. Negus 1996, S. 12
[56] ebd.
[57] vgl. Riesmann 1956, S. 466ff
[58] vgl. Hall, Stuart; Whannel, Paddy: The Young Audience. In: Frith, Simon; Goodwin, Andrew: On Record. Rock, Pop and the written word. London: Routledge 1990 S. 27-37
[59] vgl. ebd., S. 29
[60] vgl. Hebdige, Dick: Subculture. London: Methuen 1979
[61] vgl. Williams, Raymond: Gesellschaftstheorie als Begriffsgeschichte. Studien zur historischen Semantik von ››Kultur‹‹. München: Rogner & Bernhard 1972 [O.A. 1958], S. 382-392
[62] vgl. ebd.
[63] Göttlich, Udo; Winter, Rainer: Die Politik des Vergnügens. Aspekte der Populärkulturanalyse in den Cultural Studies. In: Göttlich, Udo; Winter, Rainer (Hrsg.): Politik des Vergnügens. Zur Diskussion der Populärkultur in den Cultural Studies. Köln: Herbert von Halem Verlag 2000, S. 10
[64] Jacke, Christoph: Medien(sub)kultur. Geschichte – Diskurse – Entwürfe. Bielefeld: Transcript 2004, S. 207-208
[65] Renner, Tim: Kinder, der Tod ist gar nicht so schlimm! Über die Zukunft der Musik- und Medienindustrie. Frankfurt; New York: Campus Verlag 2004, S. 14
[66] vgl. Jacke 2004, S. 208
[67] vgl. Renner 2004, S. 14
[68] vgl. Clarke, John: Jugendkultur als Widerstand. Frankfurt am Main. Syndikat 1979
[69] ebd., S. 138
[70] vgl. Klein, Gabriele; Friedrich, Malte: Globalisierung und die Performanz des Pop. In: Neumann-Braun, Klaus; Schmidt, Axel; Mai Manfred (Hrsg.): Popvisionen. Links in die Zukunft. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2003, S. 83
[71] vgl. ebd.
[72] vgl. Salganik, Matthew J.; Dodds, Peter Sheridan; Watts, Duncan J.: Experimental Study of Inequality and Unpredictability in an Artificial Cultural Market. In: Science Magazin. Washington: Science/AAAS 10.02.2006 Nr. 5762, S. 854-856
[73] vgl. ebd.
[74] vgl. Müller, Eggo; Wulff, Hans J.: Aktiv ist gut: Anmerkungen zu einigen empirischen Verkürzungen der British Cultural Studies. In: Hepp, Andreas; Winter, Rainer (Hrsg.): Kultur – Medien – Macht. 2. Auflage. Opladen, Wiesbaden: Westdeutscher Verlag 1999, S. 183-190, hier S. 183
[75] vgl. Jacke 2004. S. 182
[76] vgl. ebd., S. 205
[77] vgl. ebd.
[78] vgl. Negus 1996, S. 33
[79] vgl. ebd.
[80] vgl. Hall, Stuart: Kodieren/Dekodieren. In: Adelmann, Ralf et al. (Hrsg.): Grundlagentexte zur Fernsehwissenschaft. Theorie – Geschichte – Analyse. Konstanz: UVK-Verl.-Ges. 2002, S. 105-124
[81] vgl. Fiske, John: Populäre Texte, Sprache und Alltagskultur. In: Hepp Andreas; Winter, Rainer (Hrsg.): Kultur – Medien – Macht. Cultural Studies und Medienanalyse. 2. überarbeitete und erweiterte Auflage. Opladen/Wiesbaden: Westdeutscher Verlag 1999, S. 67-84, hier S. 67
[82] Fiske bezeichnet Medieninhalte generell als Texte. Mit „Lesern“ sind somit allgemein Rezipienten gemeint.
[83] vgl. ebd., S. 67
[84] ebd., S. 67f
[85] vgl. Zimbardo, Phillip G.; Gerrig, Richard J.: Psychologie. 7., neu übers. und bearb. Aufl.. Berlin; Heidelberg; New York; Barcelona; Hong Kong; London; Mailand; Paris; Tokio: Springer 1999, S. 534
[86] Laplanche, Jean; Pontalis, J.-B.: Das Vokabular der Psychoanalyse [aus dem Franz. von Emma Moersch], 15. Aufl.. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1999, S. 219
[87] vgl. Kapitel 2.3.2
[88] vgl. Kapitel 2.1
[89] Freud, Siegmund: Die Traumdeutung [O.A. 1900] In: Gesammelte Werke, II-III, S. 155f. Zit. n.: Laplanche; Pontalis 1999, S. 221
[90] vgl. Laplanche; Pontalis 1999, S. 221
[91] vgl. ebd., S. 222
[92] Freud, Siegmund: Zur Einführung des Narzißmus (1914), Gesammelte Werke X, S. 156. Zit. n. Laplanche; Pontalis 1999, S. 349f
[93] vgl. Wirtz, Bernd W.: Medien- und Internetmanagement. 4. Auflage. Wiesbaden: Gabler 2005, S. 490
[94] vgl. Stark 1995, S. 117
[95] vgl. Passmann, Donald S.; Herrmann Wolfram: Alles, was Sie über das MusikBusiness wissen müssen. Stuttgart: Schäfer-Poeschel 2004, S. 208 ff.
[96] Das Wort „Label“ ist eine Kurzbezeichnung für Plattenlabel. Damit wird einerseits eine Unterabteilung einer Plattenfirma bezeichnet, die mit ihr in Vertrag stehende Künstler unter einem Label, das die Funktion einer Marke einnimmt, vermarktet. Andererseits hat sich besonders bei kleineren unabhängigen Firmen die Bezeichnung Label für die ganze Firma etabliert.
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