Die vorliegende Arbeit stellt einen ersten Einblick in das Verständnis des Traums aus tibetischer Sicht dar. Nach einer Einführung wird auf die Entstehung des Traums aus tibetischer Sicht eingegangen. Dabei findet der Energieaspekt gesonderte Beachtung. Im Anschluss erfolgt eine Vorstellung des Traum-Yogas. Die verschiedenen Arten der Träume unter besonderer Berücksichtigung luzider Träume werden behandelt. Zuletzt erfolgt die Darstellung der Nutzung der Träume und der konkreten Praxis des Traum-Yogas.
Träume sind ein „universal menschliches Phänomen“ (Stubbe, 2005, S. 508) und haben daher immer wieder Anstoß zu verschiedenen Überlegungen und Theoriebildungen gegeben. Bereits in der europäischen Antike wurden „wahre“ von „falschen“ Träumen unterschieden, wobei die wahren Träume nach entsprechender Deutung wesentliche Erkenntnisse über die Zukunft verrieten (Weber, 2000; vergl. auch Walde 2001).
In der islamischen Welt wurde zwischen drei verschiedenen Traumarten unterschieden, die Träume des Teufels, bei denen die Erfüllung persönlicher Wünsche leitend waren, Engelsträume, deren Bedeutung nur mit Erfahrung erschlossen werden konnte und Gottesträume, die in klaren Bildern die Zukunft vorwegnahmen (Barisch, 1977; Schimmel 1998; vergl. auch Magdi 1968). Unabhängig von einander entwickelten sich in den verschiedenen Kulturen Vorstellungen über die Traumphänomene. Diese Vorstellungen weisen teilweise interessante Ähnlichkeiten auf.
Auch Psychologen bedienten sich der Träume, um mit deren Hilfe Erkenntnisse über das menschliche Seelenleben zu erhalten. Freud sah in den Träumen die „Via regia [den Königsweg] zur Kenntnis des Unbewussten“ (Freud, 1964, S. 494). Durch Analyse der Bilder und Erlebnisse, die seine Patienten aus ihren Träumen schilderten (manifester Trauminhalt), schloss er mit Hilfe der freien Assoziation der Patienten und mit Hilfe von Symboldeutung auf den verborgenen (latenten) Trauminhalt. In diesem latenten Trauminhalt glaubte Freud, stets die Erfüllung eines infantilen Wunsches zu erkennen. Da dieser Wunsch mit den bewussten Regungen des Menschen unvereinbar war, blieb er verdrängt und konnte sich nur durch die Wirkung des Zensors entstellt in den Traum einschleichen. Freud nutzte die Traumdeutung zur Behandlung seiner Patienten. Für Carl Gustav Jung (1990, 1996) war die Entdeckung der Wunscherfüllung nicht ausreichend aussagekräftig.
Gliederung
1 Einleitung
2 Traumphänomene aus tibetischer Sicht
2.1 Entstehung des Traums
2.1.1 Der Energieaspekt
2.2 Traum-Yoga
2.2.1 Verschiedene Arten von Träumen
2.2.2 Nutzung der Träume
3 Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Träume sind ein „universal menschliches Phänomen“ (Stubbe, 2005, S. 508) und haben daher immer wieder Anstoß zu verschiedenen Überlegungen und Theoriebildungen gegeben. Bereits in der europäischen Antike wurden „wahre“ von „falschen“ Träumen unterschieden, wobei die wahren Träume nach entsprechender Deutung wesentliche Erkenntnisse über die Zukunft verrieten (Weber, 2000; vergl. auch Walde 2001).
In der islamischen Welt wurde zwischen drei verschiedenen Traumarten unterschieden, die Träume des Teufels, bei denen die Erfüllung persönlicher Wünsche leitend waren, Engelsträume, deren Bedeutung nur mit Erfahrung erschlossen werden konnte und Gottesträume, die in klaren Bildern die Zukunft vorwegnahmen (Barisch, 1977; Schimmel 1998; vergl. auch Magdi 1968). Unabhängig von einander entwickelten sich in den verschiedenen Kulturen Vorstellungen über die Traumphänomene. Diese Vorstellungen weisen teilweise interessante Ähnlichkeiten auf.
Auch Psychologen bedienten sich der Träume, um mit deren Hilfe Erkenntnisse über das menschliche Seelenleben zu erhalten. Freud sah in den Träumen die „Via regia [den Königsweg] zur Kenntnis des Unbewussten“ (Freud, 1964, S. 494). Durch Analyse der Bilder und Erlebnisse, die seine Patienten aus ihren Träumen schilderten (manifester Trauminhalt), schloss er mit Hilfe der freien Assoziation der Patienten und mit Hilfe von Symboldeutung auf den verborgenen (latenten) Trauminhalt. In diesem latenten Trauminhalt glaubte Freud, stets die Erfüllung eines infantilen Wunsches zu erkennen. Da dieser Wunsch mit den bewussten Regungen des Menschen unvereinbar war, blieb er verdrängt und konnte sich nur durch die Wirkung des Zensors entstellt in den Traum einschleichen. Freud nutzte die Traumdeutung zur Behandlung seiner Patienten.
Für Carl Gustav Jung (1990, 1996) war die Entdeckung der Wunscherfüllung nicht ausreichend aussagekräftig. Er betonte stattdessen die kompensatorische Wirkung des Unbewussten, welche sich in den Träumen manifestierte. Extreme Einstellungen und Handlungen des Bewusstseins sollten durch die Traumerlebnisse sozusagen ausgeglichen werden. Zusätzlich erkannte Jung auch die prospektive Leistung von Träumen an. Er berichtet über Träume, die die Zukunft voraussagen können und über jene, die von telepathischen Fähigkeiten zeugen.
Die vorliegende Arbeit stellt einen ersten Einblick in das Verständnis des Traums aus tibetischer Sicht vor. Die tibetischen Sichtweisen unterscheiden sich zum Teil grundlegend von den westlichen, sodass zum wahren Verständnis ein eingehendes Studium tibetischer Schriften notwendig wäre, welches im Rahmen dieser Arbeit nicht geleistet werden kann. Hier soll beispielhaft anhand einer zentralen Lektüre (Wangyal 1998) vorgegangen werden.
Zudem wird davon abgesehen, auf westliche Theorien ausführlicher einzugehen, da keine vergleichende Untersuchung angestrebt wird. Die bisherigen Ausführungen dienten lediglich der Einleitung ins Thema. Im Folgenden soll die tibetische Sichtweise im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen.
Nach einer weiteren Einführung wird im Folgenden auf die Entstehung des Traums aus tibetischer Sicht eingegangen. Dabei findet der Energieaspekt gesonderte Beachtung. Im Anschluss wird der Weg des Traum-Yogas vorgestellt. Die verschiedenen Arten der Träume unter besonderer Berücksichtigung luzider Träume werden behandelt. Dann erfolgt die Darstellung der Nutzung der Träume und der konkreten Praxis des Traum-Yogas. Eine abschließende Zusammenfassung beendet die vorliegende Arbeit.
2 Traumphänomene aus tibetischer Sicht
Der tibetische Alltag ist traditionell eng mit regional verschiedenen, mehrheitlich buddhistischen Richtungen verknüpft, auf die in der vorliegenden Arbeit nicht näher eingegangen werden kann. Für den westlichen Leser gestalten sich die Unterschiede der einzelnen buddhistischen Schulen in ihren Auswirkungen auf den Alltag häufig als geringfügig, erfolgen sie doch nach einer Grundstruktur, deren Ausprägung dem westlichen Denken weitgehend fremd erscheint.
Seit etwa zehn Jahrhunderten beschäftigen sich die Tibeter mit der Phänomenologie der Träume (Varela 1998). Eine erste Annäherung an ein Traumverständnis aus tibetischer Sicht soll hier beispielhaft auf der Grundlage der Dzogchen Praxis erfolgen.
Dzogchen gilt als die höchste Stufe der Lehre und Praxis im Bön und in der Nyigma Schule des tibetischen Buddhismus. Im Unterschied zu anderen buddhistischen Richtungen ist weder eine Transformation der Dinge noch eine Entsagung notwendig, da alles, auch der Mensch, bereits ganz und vollkommen ist. Lediglich die Erkenntnis dieser wahrhaftigen Vollkommenheit wird im Dzogchen angestrebt. Es gilt folglich wie in anderen buddhistischen Richtungen auch hier die Erreichung eines Bewusstseinszustandes als Ziel, der nicht länger von Anhaftung oder Ablehnung geblendet ist, sondern alle Erfahrungen ohne Einmischung des Verstandes geschehen lässt. In diesem Zustand verweilt der Geist in seinem wahren Wesen, die Entstehung von Karma[1] wird vermieden und der Mensch erlebt Glückseligkeit.
Die folgenden Ausführungen beziehen sich im Wesentlichen auf eine Veröffentlichung von Tenzin Wangyal Rinpoche (1998), der sich als buddhistischer Mönch der Dzogchen Praxis verpflichtet hat. Wie viele andere Tibeter war auch er gezwungen, vor der chinesischen Besetzung zu fliehen. Um eine tibetisch religiöse Erziehung und gleichzeitige Sicherheit zu gewährleisten, brachten ihn die Eltern in jungen Jahren nach Dolanji in Indien in das Hauptkloster des Bön. Von dort aus kam er später nach Europa und Amerika und veröffentlichte hier die Lehren seiner Vorfahren für westliche Leser. Insbesondere dem Traum-Yoga hat er sich intensiv gewidmet und diese früher geheim gehaltene Praxis einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt.
Träumen wird in der tibetischen Kultur eine wichtige Bedeutung beigemessen. Mit Hilfe des Traums ist es möglich, Informationen aus dem Unbewussten zu erhalten, denen häufig größerer Wert zugesprochen wird als dem Wissen, welches das Alltagsbewusstsein zur Verfügung stellen kann.
Tenzin Wangyal Rinpoche (1998) beschreibt beispielsweise, dass das spirituelle Wachstum der Mönche von ihren Lehrern anhand von Träumen überprüft wurde. Die Lehrer ließen sich vor jeder neuen wichtigen Unterweisung den Traum des Schülers berichten und wussten anhand dessen nicht nur, ob der Schüler für die Praxis bereit war, sondern auch, was er zur Vorbereitung noch benötigte. Erinnerte ein Schüler keinen Traum, war das ein sicheres Zeichen, dass er für die anstehende Unterweisung noch nicht bereit war. Zur Beseitigung der Hindernisse musste der Schüler in diesem Fall Reinigungsübungen vollziehen und erst nach Schilderung eines entsprechenden Traums erhielt er die Unterweisung.
Nach Ansicht buddhistischen Lehren verbringen die Menschen Tag und Nacht in einem traumähnlichen Zustand. Träume werden nicht als unwirklich oder irreal angesehen. Sie entstammen lediglich einer anderen Wirklichkeitsdimension als das Tagesgeschehen.
Da die Menschen nicht ihr wahres Wesen erkennen, werden sie von ihren Wünschen und Abneigungen hin und her gerissen. Ein Traumerlebnis unterscheidet sich von der Alltagserfahrung dadurch, dass das Ichgefühl im Traum weniger konstant ist. Im Traum verlieren wir unser Ichgefühl und finden es unzählige Male wieder. Im Alltag wäre diese Erfahrung für die meisten Menschen undenkbar. Somit stellt der Traum zwar einen anderen Bewusstseinszustand als das Tagesbewusstsein dar und wird auch in sich noch weiter klassifiziert, beruht aber in den meisten Fällen auf der gleichen grundlegenden Unwissenheit von der wahren Natur der Dinge wie die Erlebnisse im Alltag.
[...]
[1] Karma bedeutet „Handeln“ oder „Tat“. Karmische Spuren sind Muster innerer und äußerer Reaktionen, die unser Erleben gestalten und werden im Westen als „Tendenzen im Unbewussten“ aufgefasst. Jede Reaktion, die aus Anziehung oder Ablehnung erwächst, lässt im Geist karmische Spuren zurück und beeinflusst auf diese Weise unsere zukünftige Erfahrung. Zur Aktivierung der karmischen Spuren sind bestimmte Bedingungen notwendig (sekundäre Ursachen), die sich aus den Lebensumständen ergeben.
Ähnlichkeiten bestehen zum Prinzip der Konditionierung.
- Citar trabajo
- Claudia Schmitz (Autor), 2007, Annäherung an das tibetische Verständnis der Traumphänomene, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89971
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