»Kein Verständiger […] wird es wagen, seine Gedanken in Sprache niederzulegen und noch dazu in unwandelbarer Weise, was bei dem schriftlich Abgefassten der Fall ist.« (Postman S. 22) Oberflächlich besehen kann man hierin Kritik an der Schrift selbst oder am Geschriebenen im Allgemeinen lesen. In dieser Arbeit will ich zeigen, dass Platon dies keines Falls im Sinn hatte. Vielmehr reagierte er scharfzüngig auf das, was für uns heute selbstverständlich geworden und weithin akzeptiert ist. Er greift weniger die Schrift selbst an, als das, wofür sie steht zu seiner Zeit. Und das ist, wie sich am Ende zeigen wird – entgegen einer ersten Vermutung – durchaus verständlich und nachvollziehbar und auch angebracht. »Es ist immer bedenklich zu behaupten, dieses oder jenes Ereignis habe einen Philosophen ›geprägt‹ […]. Durch Platons eigene Äußerungen im Siebenten Brief aber dürfen wir sagen, dass die politische Dauerkrise der athenischen Polis und die Begegnung mit Sokrates zu seinen wichtigsten Grunderfahrungen gehören.«
(Helferich S. 27f) In dem Brief heißt es: »Da ich nun aber sah, dass diese Männer in kurzer Frist die frühere Verfassung als eine goldene erscheinen ließen, unter anderem einen mir befreundeten älteren Mann, den Sokrates, den ich fast unbedenklich für den gerechtesten aller damals Lebenden erklären möchte, nebst andern nach einem Bürger aussandten, um diesen mit Gewalt seiner Hinrichtung entgegen zuführen […] da erfüllte es mich mit Unwillen und ich selbst zog mich von dem damaligen schlechten Regime zurück.« (Helferich S. 24)
»Ein großes Problem war […] die Abhängigkeit der Demokratie von dem Einfluss führender Persönlichkeiten in der Volksversammlung. Die Sophisten waren es, die der politischen Führungsschicht der Zeit ihre Bildung vermittelten, insbesondere die höchst wichtige Fähigkeit des Redens betreffend.« (Helferich S. 28) Aber für sie »war die Rhetorik nicht nur Gelegenheit zu schauspielerischen Darbietungen, sie war vielmehr ein nahezu unerlässliches Mittel, um Belege und Beweise in eine Ordnung zu bringen, das heißt, sie war ein Mittel zur Mitteilung von Wahrheit. […] Zwar setzte sie stets den mündlichen Vortrag voraus, aber ihre Macht, Wahrheit zu offenbaren, beruhte auf der Macht der geschriebenen Worte, Argumente in einer geordneten Abfolge zur Geltung zu bringen. […]
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Grundzüge Platons
3 Die Dialogform in Platons Schriften und ihre Funktion
4 Die Vorzüge der gesprochenen gegenüber der geschriebenen Rede
Quellenverzeichnis
1 Einleitung
»Kein Verständiger […] wird es wagen, seine Gedanken in Sprache niederzulegen und noch dazu in unwandelbarer Weise, was bei dem schriftlich Abgefassten der Fall ist.« (Postman S. 22)
Oberflächlich besehen kann man hierin Kritik an der Schrift selbst oder am Geschriebenen im Allgemeinen lesen. In dieser Arbeit will ich zeigen, dass Platon dies keines Falls im Sinn hatte. Vielmehr reagierte er scharfzüngig auf das, was für uns heute selbstverständlich geworden und weithin akzeptiert ist. Er greift weniger die Schrift selbst an, als das, wofür sie steht zu seiner Zeit. Und das ist, wie sich am Ende zeigen wird – entgegen einer ersten Vermutung – durchaus verständlich und nachvollziehbar und auch angebracht . . .
2 Grundzüge Platons
»Es ist immer bedenklich zu behaupten, dieses oder jenes Ereignis habe einen Philosophen ›geprägt‹ […]. Durch Platons eigene Äußerungen im Siebenten Brief aber dürfen wir sagen, dass die politische Dauerkrise der athenischen Polis und die Begegnung mit Sokrates zu seinen wichtigsten Grunderfahrungen gehören.« (Helferich S. 27f) In dem Brief heißt es:
»Da ich nun aber sah, dass diese Männer in kurzer Frist die frühere Verfassung als eine goldene erscheinen ließen, unter anderem einen mir befreundeten älteren Mann, den Sokrates, den ich fast unbedenklich für den gerechtesten aller damals Lebenden erklären möchte, nebst andern nach einem Bürger aussandten, um diesen mit Gewalt seiner Hinrichtung entgegen zuführen […] da erfüllte es mich mit Unwillen und ich selbst zog mich von dem damaligen schlechten Regime zurück.« (Helferich S. 24)
»Ein großes Problem war […] die Abhängigkeit der Demokratie von dem Einfluss führender Persönlichkeiten in der Volksversammlung. Die Sophisten waren es, die der politischen Führungsschicht der Zeit ihre Bildung vermittelten, insbesondere die höchst wichtige Fähigkeit des Redens betreffend.« (Helferich S. 28) Aber für sie »war die Rhetorik nicht nur Gelegenheit zu schauspielerischen Darbietungen, sie war vielmehr ein nahezu unerlässliches Mittel, um Belege und Beweise in eine Ordnung zu bringen, das heißt, sie war ein Mittel zur Mitteilung von Wahrheit. […] Zwar setzte sie stets den mündlichen Vortrag voraus, aber ihre Macht, Wahrheit zu offenbaren, beruhte auf der Macht der geschriebenen Worte, Argumente in einer geordneten Abfolge zur Geltung zu bringen. […] Die Regeln der Rhetorik zu missachten, die eigenen Gedanken aufs Geratewohl zur Sprache zu bringen, ohne richtige Betonung, ohne die angemessene Leidenschaftlichkeit, das wirkte wie ein Affront gegen die Intelligenz der Zuhörer und erregte den Verdacht der Lügenhaftigkeit.« (Postman S. 33f) Unter anderem in Bezug auf jene gemeinsamen Ansichten zu Struktur und Qualität einer guten Rede musste aber auch Platon sich mitunter die Bezeichnung ›Sophist‹ gefallen lassen.
»Mit der Sophistik ist das Wissen ein reflektiertes Wissen, ein Reflexionswissen geworden. Es ist zur Einsicht gekommen. […] In der Sophistik heißt ›Philosophie‹ eigentlich soviel wie rationale Weltauffassung, wissenschaftliche Betätigung überhaupt bzw. Bildung, die man durch Bezahlung erhalten kann.« (Helferich S. 28)
»Für Platon hingegen bedeutet Philosophie ein Streben nach Weisheit, das höchste, wozu der Mensch überhaupt gelangen kann: ›ein größeres Gut als sie, von Gott den Menschen gegeben, ist weder gekommen noch wird es je kommen‹ (Timaios). Diese Stellung kommt ihr zu, weil es ohne Philosophie kein richtiges Erkennen und kein richtiges Handeln geben kann und weil nur die Philosophie den Ausweg aus der Krise zeigen kann.« (Helferich S. 29) In der Politeia lässt Platon Sokrates sagen:
»Wenn nicht entweder die Philosophen König werden in den Staaten oder die jetzt sogenannten Könige und Gewalthaber wahrhaft und gründlich philosophieren und also dieses beides zusammenfällt, die Staatsgewalt und die Philosophie […], eher gibt es keine Erholung für die Staaten […] und ich denke auch nicht für das menschliche Geschlecht.« (Helferich S. 29)
Für Platon macht einen Philosophen also weit mehr aus, als die Sophisten – in seinen Augen – zu leisten in der Lage waren. Wir finden darauf bereits einen ersten Anhaltspunkt in der Form seiner Schriften.
[...]
- Arbeit zitieren
- Karsten Rohrbeck (Autor:in), 2007, Platons Medien-Kritik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89928
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