Julian, ein verkannter „Gutmensch“?
Kaiser Julianus II., Neffe von Konstantin dem Großen und letzter der konstantinischen Dynastie, regierte nur
20 Monate. Die Zurücknahme der unter Konstantin gewährten Privilegien für das Christentum verschafften ihm einen großen, wenn auch negativen Ruhm. Die gleichzeitige Wiedereinführung der griechischen Religion und der östlichen Mysterienkulte stieß schon zu Julians Lebzeiten auf heftige Gegenwehr, in späterer Zeit wurde sie von den Christen als schwere Verfehlung ausgelegt. Der Namenszusatz Apostata- der Abtrünnige- ist ihm nachträglich von der Kirche gegeben worden, womit seine Person gebrandmarkt und der Ketzerei für schuldig befunden wurde.
So ist das Julianbild des Mittelalters ein zum Teil sehr negatives und auch noch bis weit in unsere Zeit hängt die Einschätzung seiner Leistungen davon ab, wie man sein Verhältnis zum Christentum bewertet. Dennoch begann in der Zeit der Aufklärung bereits eine positive Betrachtung Julians.
Die vorliegende Arbeit, die auf den neueren Forschungsergebnissen des späten 20. und des beginnenden 21. Jahrhunderts beruht, untersucht die Frage nach Julians tatsächlichem Verhältnis zum Christentum. War er ein echter Christenhasser, oder lehnte er lediglich die Privilegien für eine einzige Religion ab? Ebenfalls wird untersucht, wie tolerant Julians "Toleranzedikte" wirklich waren.
Julians schwere Kindheit und Jugend prägten seinen Charakter und seine Weltanschauung, darum soll in diese Betrachtung auch die menschliche Seite Julians mit einfließen. Die Frage nach seinen eigenen Visionen und der Möglichkeit ihrer Durchsetzung im römischen Staatsapparat der frühen Christenzeit wird sich im Zuge dieser Untersuchung selbst beantworten.
Inhaltsverzeichnis
1. Julian, ein verkannter „Gutmensch“?
2. Julians Kindheit und Jugend
3. Politischer Aufstieg unter Constantius II
3.1. Ernennung zum Caesaren
3.2. Julian als Feldherr
4. Regierungszeit und innenpolitische Maßnahmen
5. Betrachtung der „Toleranz“ unter Julian
5.1. Christenfeindliche Maßnahmen und Toleranzversuche
5.2. Verhältnis zu den Juden
5.3. Antiocheia und die Probleme der heidnischen Programmatik
6. Abschließende Betrachtung
7. Quellen
8. Literatur
1. Julian, ein verkannter „Gutmensch“?
Kaiser Julianus II., Neffe von Konstantin dem Großen und letzter der konstantinischen Dynastie, regierte nur 20 Monate. Seine Kindheit war geprägt von Verlust, Schicksalsschlägen und Morden in der nächsten Umgebung. Seine Jugend wurde vom Cousin geplant und seine Regierungszeit endete nach kurzer Dauer in Ablehnung und Unverständnis. Ebenso düster sah sein Andenken in der Nachwelt aus. Vom Christentum verabscheut wurde er auch von vielen Historikern als schlechter Kaiser skizziert. Er ging dennoch unverrückbar in die Geschichte ein. Die Zurücknahme der unter Konstantin gewährten Privilegien für das Christentum verschafften ihm einen großen, wenn auch negativen Ruhm. Die gleichzeitige Wiedereinführung der griechischen Religion und der östlichen Mysterienkulte stieß schon zu Julians Lebzeiten auf heftige Gegenwehr und wurde von den Christen seiner und denen späterer Zeit als schwere Verfehlung ausgelegt. Der Namenszusatz Apostata- der Abtrünnige ist ihm erst nachträglich von der Kirche gegeben worden, womit seine Person gebrandmarkt und der Ketzerei für schuldig befunden wurde. So ist das Julianbild des Mittelalters ein zum Teil sehr negatives und auch noch bis weit in unsere Zeit hängt die Einschätzung seiner Leistungen davon ab, wie man sein Verhältnis zum Christentum bewertet. Dennoch begann in der Zeit der Aufklärung bereits eine positive Betrachtung Julians. Montesquieu und Voltaire zum Beispiel bezeichnen ihn als idealen Herrscher, was allerdings mehr einer idealisierenden Verklärung gleichkommen dürfte.
Die vorliegende Arbeit, die auf den neueren Forschungsergebnissen des späten 20. und des beginnenden 21. Jahrhunderts beruht, untersucht die Frage nach Julians tatsächlichem Verhältnis zum Christentum. War er ein echter Christenhasser, oder lehnte er lediglich die Privilegien für eine einzige Religion ab? Ebenfalls soll untersucht werden, wie tolerant Julians Toleranzedikte wirklich waren. Auch sein Rhetorenedikt wurde als Intoleranz gegenüber den Christen ausgelegt, konnte aber trotzdem von seinen christlichen Nachfolgern beibehalten werden, da es ihnen den staatlichen Zugriff auf das Bildungswesen ermöglichte. Da Julians schwere Kindheit und Jugend seinen Charakter und seine Weltanschauung entscheidend geprägt haben, soll in diese Betrachtungen auch die der menschlichen Seite Julians mit einfließen. Die Frage nach seinen eigenen Visionen und der Möglichkeit ihrer Durchsetzung im römischen Staatsapparat der frühen Christenzeit wird sich im Zuge dieser Untersuchung denn auch von selbst beantworten.
2. Julians Kindheit und Jugend
Julian wurde als Flavius Claudius Julianus im Jahre 331 n. Chr. in Konstantinopel geboren.[1] Er war der Neffe von Konstantin dem Großen und somit kann seine Zukunft in den ersten Jahren seines Lebens rosig ausgesehen haben. Er konnte mit einigem Wohlstand und der besten Bildung rechnen, die ein junger Römer aus den obersten Schichten erhalten konnte.[2]
Aber bereits im Jahre 337 brach diese Welt für den knapp 6-jährigen zusammen. Als nach dem Tode Konstantins des Großen eine Soldatenrevolte losbrach, kamen sein Vater Julius Constantius und die meisten Verwandten um.[3] Fraglich ist, ob Konstantins Sohn und Thronfolger Constantius II. diese Ermordung anordnete. Motive hatte er als legitimer Nachfolger genug. Julians Vater war ein Halbbruder Konstantins gewesen und hätte mit dessen drei Söhnen um den Thron streiten können.
Diesen Punkt wird die Forschung nicht ganz aufklären können, allerdings scheint es als gesichert zu gelten, dass Constantius die Ermordung zumindest nicht verhinderte.[4] Immerhin stellte er sicher, dass Julian und sein 6 Jahre älterer Halbbruder Gallus dem Massaker entkamen. Sie waren zum Zeitpunkt der Machtkämpfe um den Thron noch jung genug, um nicht als Konkurrenten zu gelten, was ebenfalls die These stützt, dass Constantius an der Ermordung der anderen Thronanwärter und deren Verwandten beteiligt gewesen sein könnte.[5] Julian wurde nach dem Massaker von Constantius nach Nikomedeia am Marmarameer geschickt.[6] Dort nahm sich der arianische Bischof Eusebios seiner an und Mardonios wurde sein Lehrer.[7] Durch Mardonios lernte Julian den Hellenismus kennen, was sein Interesse am Schöngeistigen geweckt haben mag.[8] Auch der heidnische Rhetor Libanios trat in Nikomedeia in Julians Leben und blieb ihm bis an sein Lebensende freundschaftlich verbunden.[9] Im Jahre 345 wurde Julian von Constantius nach Kappadokien in die kaiserliche Domäne Marcelli berufen, wo sich der arianische Bischof Georgios von Loadikeia seiner annahm.[10]
An dieser durch Constantius organisierten Kontrolle und Bildung Julians wird deutlich, dass der Kaiser die Weltsicht seines jungen Cousins nicht dem Zufall überließ. Er plante genau, von wem Julian unterrichtet wurde und wo er seine Jugend verbringen sollte. Julian war jetzt bereits 14 Jahre alt und las heimlich heidnische Literatur, während er nach außen Christ blieb[11], womit sich der Kontrollwunsch von Constantius als gerechtfertigt erweist.
Julian hatte durchaus eine eigene Weltsicht.
Im Jahre 351 ging er nach Kleinasien, wo er in Ephesos den Neuplatoniker Maximos kennenlernte und zur chaldäisch-neuplatonischen Theurgie abfiel.[12] Dieser frühe Abfall zum Heidentum wird in der neueren Forschung viel diskutiert. Rosen vertritt die Ansicht, dass Julian zwar vor seinem Machtantritt im Jahre 361 schon mit paganen Ideen geliebäugelt hätte, dass er damit allerdings dem Bild eines typischen Christen der Antike entsprach und sich noch nicht öffentlich zum Heidentum bekannte[13], was auch Julians eigenen Worten entspricht.[14] Auch Gehrke vertritt die Ansicht, dass Julian die Abwendung vom Christentum höchst wahrscheinlich noch nicht nach außen zeigte.[15]
3. Politischer Aufstieg unter Constantius II.
3.1. Ernennung zum Caesaren
In Ephesos war Julian 20 Jahre alt und es ist anzunehmen, dass er bereit war, die Entscheidungen für sein Leben selbst zu treffen. Dabei kam ihm Constantius zuvor, als er ihn nach der Hinrichtung des Halbbruders Gallus im Jahre 355 zum Caesaren und Mitregenten ernannte.[16] Die Verbindung zwischen beiden wurde auch durch Julians Heirat mit der jüngsten Schwester des Constantius, Helena, gefestigt.[17] Hierbei sollte aber die Tatsache Beachtung finden, dass auch Gallus mit einer Schwester von Constantius, Constantia, verheiratet gewesen war.[18] Diese Vermählung mit seiner Cousine rettete Gallus dennoch nicht das Leben.
Zu überlegen ist in Bezug auf Julian die Frage, wie stark er sich durch Constantius kontrolliert und manipuliert fühlen musste. Die heimliche Abwendung vom Christentum, das von Constantius bevorzugt wurde, scheint einer inneren Rebellion gleichzukommen. Dennoch vermied Julian scheinbar den Streit mit Constantius. Ob er das aus Sympathie und Dankbarkeit oder aus purem Überlebenswillen tat, wird spekulativ bleiben müssen. Denkbar ist eine Mischung aus beidem. Julian hatte Constantius sein Leben zu verdanken, aber er hatte auch gesehen, wie seine Verwandten starben und er hatte erlebt, wie sein älterer Halbbruder Gallus von Constantius hingerichtet wurde. Gallus war unter Constantius Caesar für den Orient gewesen. Er hatte dort ein selbstbewusstes und grausames Regiment geführt, was wegen seiner Eigenmächtigkeiten dem Kaiser nicht gefallen konnte.[19]
Julian wusste also, dass allzu eigenmächtiges Handeln bei Constantius nicht beliebt war und mit einer Hinrichtung enden konnte. Zumal er selbst als Mitglied der konstantinischen Familie und inzwischen erwachsener Thronanwärter das Mißtrauen von Constantius erregt haben musste. Constantius hatte ihn im Jahre 354/55 in Mailand am Hof für acht Monate festgesetzt, was einer Gefangenschaft gleichkam.[20] Nach der Entlassung folgten einige Wochen der Ruhe in Como und des Studiums in Athen, die Julian sehr genoss.[21] Die Philosophie der Griechen reizte ihn so sehr, dass er hoffte, sie zum Beruf zu machen.[22]
Dieser jugendlich visionäre Wunsch wurde durch die plötzliche Berufung zum Caesaren und die Rückberufung nach Mailand vereitelt.[23]
[...]
[1] Der Kleine Pauly, Bd. 2, 1515.10
[2] Bidez, 10ff
[3] Bidez, 13ff
[4] Rosen, 52; Julian. or. 1,17a
[5] Liban. or. 18,10; Soz. 5,2,9
[6] Amm. 22,9,4
[7] Der Kleine Pauly, Bd. 2, 1515.10
[8] Bidez, 15
[9] Liban. or. 12-18
[10] Julian.p. 349,21ff
[11] Julian. epist. 36 p. 531,20ff
[12] Liban.or.13,12
[13] Rosen: Kaiser Julian, in: JBAC 40 (1997).126-146
[14] Julian. epist. 38 p. 352-354
[15] Gehrke, 383
[16] Julian. p. 351,24
[17] Amm. 15,8,1- 18
[18] Bidez, 66ff. Constantia wird an anderer Stelle auch Constantina genannt. Der Kleine Pauly, Bd.1, 1283.60
[19] Bidez, 67
[20] Bidez, 72ff
[21] Bidez, 75ff
[22] Rosen, 120
[23] Bidez, 82ff
- Citation du texte
- BA Daniela Stramm (Auteur), 2006, Julianus Apostata - Christenhasser, oder „Gutmensch“ und Toleranzstifter?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89925
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