Das Case Management stellt einen Ansatz der fall- bzw. personenorientierten sozialpädagogischen Arbeit dar, welcher in Deutschland zunehmend an Bedeutung gewinnt. In vielen Bereichen des Sozial- und Gesundheitswesen steigt das Interesse an dieser Form der Arbeit an.
Die positive Resonanz auf das Case Management beruht vor allem auf der Flexibilität, Effektivität, sowie der Vielseitigkeit hinsichtlich der Anwendbarkeit auf die unterschiedlichsten komplexen Problemlagen.
Aktuell ist das Thema vor allem wegen der Umbrüchen in der sozialen Arbeit, wie dem Trend hin zur Verlagerung von Dienstleistungen auf freie Träger, die zunehmende Differenzierung und Spezialisierung der Leistungen sowie die, infolge der Spezialisierung und Verlagerung, mangelnde Kooperation der Träger in Hinsicht auf den individuellen Bedarf des Klienten.
Das Ziel dieser Arbeit soll es sein, die Fähigkeiten des Case Management in dem Bereich der multidisziplinären Koordination zwischen den sozialen Diensten bzw. zwischen den Diensten und den Klienten zu untersuchen, denn gerade die multikomplexen Probleme, welche sich den Klienten heute stellen, erfordern multidisziplinäre Lösungen.
Aus diesem Grund sollen in dem ersten Teil dieser Arbeit die Ziele und die Arbeitsweise des Case Management-Ansatzes im Allgemeinen betrachtet werden, um die Aufgabenstruktur deutlich zu machen, unter welcher die multidisziplinäre Koordination statt finden soll.
Wo liegen die Chancen, die Grenzen und die Probleme des Case Managements hinsichtlich der Koordination von multidisziplinären Hilfenetzwerken? Welche Probleme stellen sich dem Case Manager entgegen wenn er zwischen den unterschiedlichen Trägern der Dienst-leistungen und dem Klienten vermitteln muss? Wo liegen die Stärken und die Zukunft eines Hilfesystems, in welchem alle Teilleistungen auf die Erfüllung eines Zieles ausgerichtet werden? Dies sind die Fragen, denen im zweiten Teil dieser Arbeit nachgegangen werden soll.
Inhalt:
1. Einleitung
2. Case Management als fallbezogene Methode der sozialen Arbeit
2.1 Die Ziele des Case Management-Ansatzes
2.2 Case Management als Phasenmodell
3. Case Management als multidisziplinäre Koordination
3.1 Der Case Manager als Vermittler im Netzwerk
3.2 Die Ebenen der multidisziplinären Arbeit
3.3 Chancen, Grenzen und Probleme
3.4 Über die Zukunft des Case Management-Ansatzes
4. Fazit
Literatur
1. Einleitung
Das Case Management stellt einen Ansatz der fall- bzw. personenorientierten sozialpädagogischen Arbeit dar, welcher in Deutschland zunehmend an Bedeutung gewinnt. In vielen Bereichen des Sozial- und Gesundheitswesen steigt das Interesse an dieser Form der Arbeit an, wobei es trotzdem als ein noch immer zu selten praktiziertes Verfahren angesehen wird (vgl. Hansen, 2006, S. 17).
Die positive Resonanz auf das Case Management beruht vor allem auf der Flexibilität, Effektivität, sowie der Vielseitigkeit hinsichtlich der Anwendbarkeit auf die unter-schiedlichsten komplexen Problemlagen.
Aktuell ist das Thema vor allem wegen der Umbrüchen in der sozialen Arbeit, wie dem Trend hin zur Verlagerung von Dienstleistungen auf freie Träger, die zunehmende Differenzierung und Spezialisierung der Leistungen sowie die, infolge der Spezialisierung und Verlagerung, mangelnde Kooperation der Träger in Hinsicht auf den individuellen Bedarf des Klienten.
Die Komplexität des Hilfeangebotes, welches zunehmend bei den Klienten zu Orientierungsproblemen führt, sowie der zunehmende Zwang Kosten einsparen zu müssen, macht die personen- und fallorientierte Hilfe zu einem wichtigen Element im sozialen Unterstützungsmanagement. Denn: „In der Komplexität heutiger Lebensführung wird das Zurechtkommen einer Person oder Familie zu einer Managementaufgabe“ (Löcherbach u.a., 2005, S. 10).
Besonders die Aktivierung von individuellen Selbsthilfefähigkeiten, die Vermittlung eines niedrigschwelligen Zugangs zu den Diensten, sowie die Erstellung eines Hilfenetzwerkes unter der Mitarbeit des Klienten, des auch über den Fall hinaus genutzt werden kann, sind die Vorteile gegenüber anderen Modellen. Gleichzeitig wird durch den Ansatz auch sichergestellt, dass weder doppelt noch unnötige Leistungen erbracht werden.
Das Ziel dieser Arbeit soll es sein, die Fähigkeiten des Case Management in dem Bereich der multidisziplinären Koordination zwischen den sozialen Diensten bzw. zwischen den Diensten und den Klienten zu untersuchen, denn gerade die multikomplexen Probleme, welche sich den Klienten heute stellen erfordern multidisziplinäre Lösungen.
Die Aufgabe des Case Managements liegt hierbei vor allem in der Teamkoordination von einzelnen Disziplinen in Hinsicht auf ein ganzheitliches Ziel, in dessen Zentrum der Klient steht. Damit der Ansatz erfolgreich ist muss der Case Manager den Dienstleister die Bedeutung der Zusammenarbeit deutlich machen.
Aus diesem Grund sollen in dem ersten Teil dieser Arbeit die Ziele und die Arbeitsweise des Case Management-Ansatzes im Allgemeinen betrachtet werden, um die Aufgabenstruktur deutlich zu machen, unter welcher die multidisziplinäre Koordination statt finden soll.
Wo liegen die Chancen, die Grenzen und die Probleme des Case Managements hinsichtlich der Koordination von multidisziplinären Hilfenetzwerken? Welche Probleme stellen sich dem Case Manager entgegen wenn er zwischen den unterschiedlichen Trägern der Dienst-leistungen und dem Klienten vermitteln muss? Wo liegen die Stärken und die Zukunft eines Hilfesystems, in welchem alle Teilleistungen auf die Erfüllung eines Zieles ausgerichtet werden? Dies sind die Fragen, denen im zweiten Teil dieser Arbeit nachgegangen werden soll.
2. Case Management als fallbezogene Methode der sozialen Arbeit
Der in den 70er Jahren entstandene und aus dem amerikanischen Sprachraum übernommene Begriff des „Case Management“, für personenbezogenes Fallmanagement, stellt eine problematische Benennung dar, da die Bezeichnung Fall für manch einen Klienten erniedrigend wirken kann, wie bereits 1991 das US-amerikanische Gesundheitsministerium feststellte. So kann es zu Missverständnissen kommen, wenn sich der Klient durch die Bezeichnung als Fall sieht, welcher zu managen ist (vgl. Hansen, 2006, S. 17).
Zur Entlastung der Bezeichnung des Case Managements muss jedoch gesagt werden, dass sich der Begriff des Case (Fall) nicht auf das Individuum bezieht, welches die Unterstützungsleistung in Anspruch nimmt. Die Bezeichnung als Fall bezieht sich vielmehr auf die problematische Situation, denn: „Sie (die Situation) ist „der Fall“ und Gegenstand des Bewältigungsverhaltens und der Selbsthilfe der zu versorgenden Person“ (Löcherbach u.a., 2005, S. 15f.). Weniger anstößig ist der, nach 1990 in Großbritannien eingeführte Begriff des „Care Management“, also des Hilfemanagements bei der überindividuellen Versorgungs-steuerung und Versorgungsgestaltung im Gesundheitswesen, und der eingedeutschte Begriff des Unterstützungsmanagement.
Case Management wird als Weiterentwicklung der Einzelfallhilfe verstanden, wobei sich der Sozialarbeiter nicht mehr „in den Strudel der psychohygienischen, therapeutischen Beziehungsarbeit“ stürzt (Galuske, 2005, S. 202). Im Zentrum der systematischen und geschlossenen Tätigkeit stehen vielmehr die sachlichen Bezüge, welche durch die individuelle Lebenssituation des Klienten bestimmt werden. Zu ihnen gehören unter anderem die Wohn- und Arbeitssituation, mögliche Eingliederungsschwierigkeiten, eventuelle Benachteiligung usw. Innerhalb dieser Bezüge ist es die Aufgabe des Case Managers zu organisieren, koordinieren, planen und kontrollieren, immer im Hinblick auf die individuelle Problemlage.
Die Komplexität dieser Situationen macht dabei zunehmend die Einbeziehung sehr unterschiedlicher Träger von Dienstleistungen notwendig. Deren Koordination, aufgrund ihrer Unterschiedlichkeit, für den Erfolg der Einzelfallhilfe eine große Bedeutung hat.
2.1 Die Ziele des Case Management-Ansatzes
Case Management soll vor allem die Chance bieten „einzelfallorientiertes Vorgehen mit personeller Netzwerkarbeit und Sozialorientierung ganzheitlich verbinden zu können“ (Neuffer, 2002, S. 19). Das Ziel ist es hierbei die gewohnte Lebenswelt des Klienten so wenig wie möglich zu verändern. Dazu ist neben der Inanspruchnahme von externer Hilfe auch die Stärkung und das Aufzeigen von, dem Klienten häufig noch unbekannten oder ungenutzten Möglichkeiten notwendig.
Die eigenen, bisher ungenutzten Ressourcen und das den Klienten umgebende soziale Netzwerk werden zum Ausgangspunkt für die Förderung der Fähigkeit zur Selbsthilfe. Neben der Stärkung von Ressourcen und die Beziehungsarbeit im privaten Netzwerk steht aber auch die Koordinierung, Beratung und die Schaffung eines Zuganges zu den notwendigen Dienstleistungen durch den Case Manager.
Das langfristige Ziel des Case Managements ist es also, den Klienten zu befähigen Unterstützungsleistungen selbstständig einzufordern und eigene Fähigkeiten zu nutzen, wodurch nur in einem geringen Maß in seine Lebenswelt eingegriffen wird.
Die konkreten Ziele, welche zur staatlichen Förderung und Ausbreitung des Case Management-Ansatzes führen, waren und sind jedoch eher pragmatischer Natur.
Im Zentrum, besonders der Förderung durch die Politik, steht dabei das Ziel die steigenden Kosten für soziale Dienstleistungen einzudämmen, die Wirksamkeit der vorhandenen Leistungen so weit wie möglich zu steigern und eventuelle Folgekosten zu minimieren. Effizienz und Effektivität sollen durch den Einsatz eines Case Manager gefördert werden, denn hinsichtlich der Effektivität ergibt sich ein zwingender Zusammenhang zwischen den Aufwand der Dienstleistung und dem messbaren Effekt. In Hinsichtlich auf die Steigerung der Effizienz übernimmt der Case Manager eine Kontrollfunktion, denn er kann klären, welcher Klient welche Dienstleistung nutzen sollte bzw. welche Lösung die kostengünstigste und angemessenste darstellt (vgl. Löcherbach, 2005, S. 43f.).
Neben dem Ziel der Kostensenkung bei gleichzeitiger Effektivitätssteigerung steht auch die Möglichkeit zur Qualitätssicherung der Tätigkeit der Dienstleister durch den Case Manager, wobei nicht nur die von dem Klienten benötigten Prozesse, sondern auch die Dienste selber hinsichtlich ihrer Qualität ständig überprüft werden. Dies wird möglich, da der Case Manager selbst nach der Beendigung des Falls hinsichtlich der Qualität seiner Arbeit überprüft wird. Es ist für ihn deshalb unabdingbar innerhalb seiner Möglichkeiten dafür zu sorgen, dass die von ihm eingeschalteten Dienstleister ebenfalls qualitativ hochwertig arbeiten. Eine ständige übergreifende Qualitätsoptimierung der sozialen Arbeit wird so durch die überprüfbaren Qualitätsstandards des Case Managements erst möglich (vgl. Löcherbach, 2005, S. 44).
Ein weiteres Ziel des Case Management-Ansatzes ist die Orientierung auf den Klienten und das Empowerment, womit die fallorientierte sozialpädagogische Hilfe zu einem ressourcen-orientierten Ansatz wird. Die Methode setzt eine enge Zusammenarbeit von Case Manager und Klienten voraus, da nur durch die Suche nach der Problemdefinition mit dem Klienten und dessen subjektiven Einschätzung der Lage eine individuelle, effektive und effiziente Lösung möglich wird. Ein Abkapseln von dem Klienten ist dem Manager deshalb nicht möglich. Gleichzeitig wird durch die Einbeziehung des Klienten auch subjektiv und objektiv seine Situation gestärkt, denn einerseits kann durch die Einbeziehung seine rechtliche Situation gestärkt werden, zum anderen vermindert sich durch die Beteiligung das Gefühl extern kontrolliert zu werden.
Zugleich sollen durch das Empowerment die Klienten dazu befähigt werden Komplikationen und Belastungen sowie zuerst unüberschaubare Probleme aus eigener Kraft zu bewältigen. Der Case Manager hat deshalb die Aufgabe dem Klienten dabei zu helfen die vorhandenen Stärken bzw. Ressourcen wieder zu entdecken und zu kräftigen sowie sie in den Hilfeprozess einzubinden (vgl. Neuffer, 2002, S. 21f.). Die Selbsthilfefähigkeit soll dem Klienten dabei helfen langfristig die Kontrolle über seine Umwelt wieder zu erlangen. Aus diesem Grund ist es auch notwendig, dass der Klient in allen Phasen der fallorientierten Unterstützung selbst bestimmt, kollektive Erfahrungen sammelt, sowie zwischen externen und internen Aspekten des Problems unterscheiden lernt.
Die Reduktion der Komplexität sowohl der Situation, als auch der Leistungen durch einen objektiven Sozialarbeiter sollen den überforderten Klienten eine differenzierte Sicht ermöglichen.
2.2 Case Management als Phasenmodell
Trotz seiner Flexibilität und Vielseitigkeit besitzt der Case Management-Ansatz einen phasenorientierten Ablauf mit Ausrichtung auf ein spezifisches erreichbares Ziel, woraus sich auch die Transparenz und die Überprüfbarkeit der Arbeit ergibt.
Obwohl unterschiedliche Bezeichnungen für die Phasen und Vorstellung über die Anzahl derselben existieren, soll hier die häufig genutzte Unterteilung in Einschätzung, Planung, Durchführung, Überwachung und Auswertung Grundlage sein (vgl. Neuffer, 2002, S. 49).
Die Phase der Einschätzung bzw. des Assessments stellt den Beginn der Arbeit des Unterstützungsmanagers dar. Als Grundlage für die folgenden Tätigkeiten werden hier die Hilfeerfordernisse, die Ausgangslage und die subjektive Einschätzung des Klienten erfasst und analysiert. Zudem soll der Klient durch einen selbstreflexiven Erkenntnisprozess zur Einsicht über die Hilfebedürftigkeit kommen, was die Erfassung des individuellen Hilfebedarfs erleichtert. In diese erste Phase fällt auch die Aufklärung des Klienten über die weiteren Abläufe, die Möglichkeiten, die Ziele und die Rechte, denn Freiwilligkeit, Vertrauen und Zustimmung durch den Klienten sind die Voraussetzung für eine weitere enge Zusammenarbeit und die zukünftige Aktivierung von Diensten. Der Klient soll dabei durch den Case Manager nie als ein Bittsteller, sondern als Nutzer von Leistungen angesehen werden, welchem er Vorschläge und Informationen über das weitere Vorgehen gibt (vgl. Raiff/Shore, 1997, S. 46). In der Phase der Einschätzung nimmt der Case Manager auch Kontakt zu den unterschiedlichen Institutionen auf, welche in den weiteren Hilfeprozess eingebunden werden sollen, was u.a. der Abschätzung des Angebotes und der Verfügbarkeit dient.
Im Zentrum der anschließenden Phase der Planung (des Services) steht die konkrete Entwicklung eines Hilfe- und Unterstützungsplanes für den Klienten. Neben Sicherung der Stärken und Ressourcen werden hier die lang- und kurzfristigen Ziele aufgrund des durchgeführten Assessments festgelegt. Statt eines angebotsgesteuerten, soll ein nachfrage-gesteuertes Leistungssystem entwickelt werden. Hierbei verständigen sich Klient und Manager einerseits auf sinnvolle, individuell zugeschnittene Unterstützungsleistungen, andererseits wird auch in Hinsicht auf das lokale Angebote geplant (vgl. Hansen, 2006, S. 23).
Am Ende der zweiten Phase steht die Entwicklung eines Hilfeplanes, welcher alle infrage kommenden Institutionen in den Hilfeprozess einbindet sowie den Ablauf der Tätigkeiten festlegt. Zur Erstellung desselben kann eine Hilfekonferenz beitragen, bei der die Träger der Leistungen mit dem Klienten und dem Case Manager zusammentreffen und gemeinsam den Plan erarbeiten. Mit dem Hilfeplan bringt das Case Management ein Instrument ein, „das dem praktischen Handeln mehr Struktur, mehr Klarheit über die Hilfeleistungen und einen höheren Verantwortungs- und Verpflichtungscharakter verschafft. Der Hilfeplan wird zu einem Vertrag zwischen allen Beteiligten und sollte von allen [...] unterschrieben werden“ (Neuffer, 2002, S. 98). Der Plan dient dazu im Detail darzulegen, was der Klient von den Dienstleistern oder an Ressourcen in seinem Umfeld braucht, weshalb auch festgelegt werden sollte wie die Maßnahmen der Träger der Dienste aussehen und welcher Zeitrahmen festgelegt wurde (vgl. Raiff/Shore, 1997, S. 64).
[...]
- Arbeit zitieren
- Johannes Pretzsch (Autor:in), 2007, Case Management als multidisziplinäre Koordination, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89882
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