Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem ersten öffentlichen <Zeichen> Jesu nach johanneischer Tradition: „Die Hochzeit zu Kana“ (Joh. 2,1-11).
Für die Exegese johanneischer Texte ist grundlegend zu beachten, dass der Evangelist die synoptische Tradition als bekannt voraussetzt. Im Unterschied zu den synoptischen Evangelien handelt es sich bei Johannes in erster Linie nicht um erzählende Texte, sondern um darauf basierende theologische Reflexion. So ist bei johanneischen Texten stets mit mehrschichtigen Bedeutungsebenen zu rechnen. Es sind besonders die <Zeichen>, die über sich hinausweisen und auf die Offenbarung des Wesens Jesu Christi zielen; sie haben somit eine stark christologische Relevanz. So geht es beim vorliegenden Weinwunder Jesu zwar auf den ersten Blick um die wundersame Verköstigung einer Hochzeitsgesellschaft, auf einer tieferen Ebene allerdings um die programmatische Eröffnung des Wirkens Gottes in Jesus zum Heil der Menschen.
Der „Hochzeit zu Kana“ als dem Schauplatz des ersten von insgesamt sieben Wundern kommt im Ganzen des Joh.-Evangeliums offensichtlich eine besonders betonte und exponierte Stellung zu. Zu untersuchen ist, wie es sich in den nahen wie auch weiteren Kontext des Evangeliums einfügt.
Die Untersuchung der Begriffe „Hochzeit“ und „Wein“ wird zeigen, dass Jesus mit diesem Zeichen den Anbruch der eschatologisch-messianischen Heilszeit in seiner Person proklamiert: Das 4. Evangelium zeigt die Person Jesu Christi „mit einer ausstrahlenden Offenbarungskraft wie in keinem der anderen Evangelien“ (Wilckens, U.: Theologie des NT, Bd. I/4, 2005, 153.).
Im Rahmen dieser Arbeit wird es aufgrund der Bezeichnung des „Weinwunders zu Kana“ als erstem der Zeichen von Nöten sein, auf die Problematik der sogenannten „Semeia“-Quelle einzugehen. Daneben ist zur in der Literatur sehr ausführlich diskutierten religionsgeschichtlichen Parallele des Dionysus-Kultes Stellung zu beziehen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Exegese von Johannes 2,1-11
2.1. Übersetzung: Joh. 2,1-11(12) nach Hartwig Thyen
2.2. Literarkritik: Kontextanalyse
2.2.1. Abgrenzung
2.2.2. Gliederung des Textes
2.2.3. Mikrokontext
2.2.4. Makrokontext
2.3. Formkritik: Gattungsbestimmung
2.3.1. Exkurs: Charakteristika der johanneischen Wundererzählungen
2.3.2. Exkurs: Zeichenquelle bei Johannes
2.4. Traditionskritik
2.4.1. Begriffsanalyse „Hochzeit“
2.4.2. Begriffsanalyse „Wein“
2.4.3. Religionsgeschichtlicher Vergleich
2.5. Einzelversauslegung
3. Schluss – Gesamtinterpretation
4. Literatur
4.1. Primärliteratur
4.2. Sekundärliteratur
1. Einleitung
Meine Exegese lege ich im Zusammenhang mit dem von mir im SoSe 2007 besuchten Seminar „Neutestamentliche Wundergeschichten“ vor. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem ersten öffentlichen <Zeichen> Jesu nach johanneischer Tradition: „Die Hochzeit zu Kana“ (Joh. 2,1-11).
Für die Exegese johanneischer Texte ist grundlegend zu beachten, dass der Evangelist die synoptische Tradition als bekannt voraussetzt. Im Unterschied zu den synoptischen Evangelien handelt es sich bei Johannes in erster Linie nicht um erzählende Texte, sondern um darauf basierende theologische Reflexion.[1] So ist bei johanneischen Texten stets mit mehrschichtigen Bedeutungsebenen zu rechnen. Es sind besonders die <Zeichen>, die über sich hinausweisen und auf die Offenbarung des Wesens Jesu Christi zielen; sie haben somit eine stark christologische Relevanz. So geht es beim vorliegenden Weinwunder Jesu zwar auf den ersten Blick um die wundersame Verköstigung einer Hochzeits-gesellschaft, auf einer tieferen Ebene allerdings um die programmatische Eröffnung des Wirkens Gottes in Jesus zum Heil der Menschen.
Der „Hochzeit zu Kana“ als dem Schauplatz des ersten von insgesamt sieben Wundern[2] kommt im Ganzen des Joh.-Evangeliums offensichtlich eine besonders betonte und exponierte Stellung zu. Zu untersuchen ist, wie es sich in den nahen wie auch weiteren Kontext des Evangeliums einfügt.
Die Untersuchung der Begriffe „Hochzeit“ und „Wein“ wird zeigen, dass Jesus mit diesem Zeichen den Anbruch der eschatologisch-messianischen Heilszeit in seiner Person proklamiert: Das 4. Evangelium zeigt die Person Jesu Christi „mit einer ausstrahlenden Offenbarungskraft wie in keinem der anderen Evangelien“[3].
Im Rahmen dieser Arbeit wird es aufgrund der Bezeichnung des „Weinwunders zu Kana“ als erstem der Zeichen von Nöten sein, auf die Problematik der sogenannten „Semeia“-Quelle einzugehen. Daneben ist zur in der Literatur sehr ausführlich diskutierten religionsgeschichtlichen Parallele des Dionysus-Kultes Stellung zu beziehen.
2. Exegese von Johannes 2,1-11
2.1. Übersetzung: Joh. 2,1-11(12) nach Hartwig Thyen
Zur Orientierung folgt nun die von mir als Grundlage für diese Exegese gewählte Übersetzung von Hartwig Thyen:[4]
Fünfte Szene: Das Weinwunder auf der Hochzeit zu Kana (2,1-11)
1 Und am dritten Tage wurde in Kana in Galiläa eine Hochzeit gefeiert; und dort war (auch) Jesu Mutter. 2 Aber zur Hochzeit waren auch Jesus und seine Jünger eingeladen. 3 Und als der Wein zu Ende ging, sagte die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben keinen Wein mehr. 4 Jesus entgegnete ihr: Was mischst du dich in meine Angelegenheiten ein, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen. 5 Seine Mutter aber sagte zu den Dienern: Was immer er euch aufträgt, das tut! 6 Es standen dort sechs steinerne Krüge für die Reinigungsriten der Juden, deren jeder zwei oder drei Metreten faßte (sic!). 7 Jesus sagte zu ihnen: Füllt die Krüge mit Wasser! Und sie füllten sie bis zum Rande. 8 Darauf sagte er zu ihnen: Schöpft nun daraus und bringt das dem Speisemeister! Und sie brachten es zu ihm. 9 Als der Speisemeister aber das Wasser, das zu Wein geworden war, gekostet hatte – und er wußte (sic!) ja nicht, woher das kam, die Diener dagegen wußten (sic!) es, denn sie hatten das Wasser ja geschöpft -, da rief der Speisemeister den Bräutigam 10 und sagte zu ihm: Jedermann schenkt seinen Gästen doch zuerst den guten Wein ein und erst danach, wenn sie trunken geworden sind, den geringeren. Du aber hast den guten Wein bis jetzt zurückgehalten. 11 Diesen Anfang aller Zeichen wirkte Jesus im galiläischen Kana und offenbarte (so) seine Herrlichkeit. Und seine Jünger glaubten an ihn.
12 Nach diesen Begebenheiten zog er hinab nach Kapernaum, er selbst mit seiner Mutter und mit seinen Brüdern sowie mit seinen Jüngern. Und dort blieben sie einige Tage.
2.2. Literarkritik: Kontextanalyse
2.2.1. Abgrenzung
Mit Kap. 2,1 besteht durch die zeitliche Einordnung „am dritten Tage“ eine klare Einbettung in und Verknüpfung mit dem Kontext (vgl. Joh. 1,29.35.43). Zugleich wird durch das Stichwort „Hochzeit“ und die zeitliche Nachordnung ein Neueinsatz markiert. Es folgt ein stringenter Bericht, der eher der synoptischen Erzähltradition ähnelt[5] als der sonstigen johanneischen Tradition zu entsprechen scheint. Mit der Abschlussnotiz in V.11 wird der Abschnitt nach hinten klar begrenzt und zugleich über das Stichwort „das erste Zeichen“ in den größeren Kontext der <Zeichen> eingebunden. Die Ortsangabe „Kana in Galiläa“ (V.1.11) klammert den Abschnitt und unterstreicht die vorgenommene Abgrenzung. V.12 kommt eine Scharnierfunktion zu. Dieser Vers kann somit als Überleitung zu Jesu ersten Auftritt in Jerusalem gesehen werden.[6] Mit V.13 beginnt eindeutig ein neuer Bericht, der jedoch über das Stichwort „Reinigung (V.6) bzw. Passah (V.13) der Juden“ mit dem Bericht in 2,1-11 verbunden ist.
2.2.2. Gliederung des Textes
V 1-2 Rahmenhandlung: Einladung zu einer Hochzeit
V 3-10 Die eigentliche Handlung
3-5 Begegnung: Jesus und seine Mutter
6 Erklärung des Evangelisten
7-8 Jesus und die Diener
9-10 Bräutigam und Speisemeister
V 11 Abschließende Feststellung
V12 Überleitung
Die ganze Erzählung ist kurz und schlicht, verliert dadurch aber nicht an Anschaulichkeit. In drei Szenen (Jesus und Maria; Jesus und die Diener; der Bräutigam und der Speisemeister) schildert der Evangelist das Geschehen. Im Zentrum seiner Erzählung steht das Wundergeschehen, alles Störende und Unwichtige bleibt unerwähnt – einschließlich des Brautpaares. Marias fürsorgliche Besorgnis verbindet die erste Szene mit der zweiten und die Jesu Auftrag ausführenden Diener die zweite mit der dritten Szene.
Mit den Worten „und am dritten Tage“ wird die Erzählung von der „Hochzeit zu Kana“ eingeleitet. Neben dieser zeitlichen Verordnung der Geschichte nennt der Evangelist auch den Ort an dem die Hochzeit und dann auch das Weinwunder stattfindet: „in Kana in Galiläa“ (V.1). Die Mutter Jesu wird als erste von den Gästen erwähnt, woraus man schließen kann, dass ihr noch eine besondere Rolle zukommt. Ihrer Anwesenheit wird ein Halbsatz gewidmet (V.1b). Auch Jesus wird eine nicht weniger geringe Rolle spielen, vor allem für seine Jünger. So vermerkt V.2, dass auch er mit ihnen zur Hochzeit geladen war.
Maria ist es, die Jesus in V.3 auf den Missstand hinweist, dass der Wein ausgegangen ist. Es fällt auf, dass das Brautpaar, für die der Weinmangel sehr unangenehm gewesen sein muss, gar nicht zu Wort kommt. Als Gastgeber standen sie in der Pflicht die Gäste mit Wein zu erfreuen. Maria scheint zu wissen, dass ihr Sohn helfen kann. Jesu Antwort „Was mischst du dich in meine Angelegenheiten ein, Frau?“ (V.4) wirkt sehr kühl und drückt eine für die Mutter-Sohn-Beziehung distanzierende Haltung aus.
Aber Maria lässt sich nicht entmutigen, sie ist vom Handeln Jesu überzeugt. In V.5 gibt sie den Anstoß dazu, indem sie sich an die Diener wendet und sie auffordert: „Was immer er euch aufträgt, das tut!“. Sie weiß, dass Jesus richtig handeln wird. Aber die Entscheidung, wann er handeln wird, überlässt sie ihm. Damit bringt sie Jesus in die Rolle des Hausherrn und Gastgebers. In dieser zweiten Szene tritt Jesus nun in den Vordergrund.
Bevor er den Dienern dann in V.7 tatsächlich eine Anweisung gibt, werden zuvor in V.6 die dafür nötigen Requisiten genannt: „sechs steinerne Krüge für die Reinigungsriten der Juden“. V.6 leitet also das Wunder ein. Jesus gebietet den Dienern nun in V.7, diese Krüge „bis zum Rande“ mit Wasser zu füllen. In V.8 bekommen sie dann die Anweisung, aus den gefüllten Krügen zu schöpfen und es dem Speisemeister zum Kosten zu bringen. Die Diener widersetzen sich den Aufforderungen Jesu nicht, sondern tun, was er ihnen aufträgt. Auffallend ist, dass die Verwandlung von Wasser in Wein gar nicht ausführlich beschrieben wird. Das Gewicht liegt demnach auf der Wirkung und dem Ergebnis.
In der dritten Szene wird Jesus nicht mehr erwähnt. Im Mittelpunkt steht der Speisemeister. Er probiert von dem ihm Gebrachten und konstatiert es als qualitativ guten Wein, von dem er nicht weiß, woher er kommt (V.9). Die Diener hingegen wissen es, vermerkt der Evangelist. Die sich daran anschließende Begegnung zwischen dem Speisemeister und dem Bräutigam (V.9.10) wirkt fast anekdotisch. Mit dem Vorwurf des Speisemeisters, warum der Bräutigam entgegen aller Regeln der Gastgeberkunst den guten Wein „bis jetzt“ (V.10) aufbewahrt hat, obwohl man diesen eigentlich zuerst reicht, ist die gute Qualität des von Jesus beschafften Weines angesprochen. Dort bricht die Erzählung plötzlich ab.
In V.11 zieht der Evangelist ein Resümee: „Diesen Anfang aller Zeichen wirkte Jesus im galiläischen Kana und offenbarte (so) seine Herrlichkeit. Und seine Jünger glaubten an ihn.“ Nach der knappen und präzisen Schilderung der Handlung folgt also mit V.11 ein klar erkennbarer Schluss. Die Schlussbemerkung fasst noch einmal die Dimension des Geschehenen zusammen.
V.12, als eine Art Zwischenbemerkung, hat lediglich die Funktion einer Überleitung und markiert einen Ortswechsel.
2.2.3. Mikrokontext
Kap. 1 Einleitung
1,1-18 Prolog: Das Wort ward Fleisch
1,19-34 Johannes, der Täufer
1,35-51 Berufung der ersten Jünger
Kap. 2-12 Jesu öffentliches Wirken
2,1-12 Hochzeit zu Kana
2,13-25 Tempelreinigung
Der vorliegende Text beschließt den Erzählzusammenhang Kap. 1,19-2,11. Das „Weinwunder zu Kana“ bildet zugleich Ende wie Höhepunkt dieses Abschnittes. Nach der theologischen Reflexion in Kap. 1,1-18, in dem schon das Verhältnis zwischen Johannes, dem Täufer, und Jesus anklingt, schließt sich ein Erzählzusammenhang an, der den Übergang von dem auf Christus hinweisenden Johannes zu jenem selbst beschreibt. Diese Zusammengehörigkeit wird besonders durch die Zählung der Tage deutlich, die mit Kap. 2,1 eine Sieben-Tage-Woche abschließt: „Den Übergang zwischen Johannes und Jesus erzählt der Evangelist in der Abfolge einer Woche, die sich im ersten Wunder in Kana vollendet (vgl. Kap.1,19.29.35.43; 2,1). Diese Woche steht symbolisch für die Zeit der Sendung Jesu insgesamt. Das erste <Zeichen> [Hervorhebung im Original, C.N.], in dem Jesus seine Herrlichkeit als inkarnierter Sohn Gottes (Kap. 1,14.18) offenbart (Kap. 2,11), ist zugleich der erste Hinweis auf die Vollendung seiner Sendung in seinem Tod am Kreuz, mit dem Jesus den Hinweis des Täufers auf ihn als <das Lamm Gottes> [Hervorhebung im Original, C.N.] (Kap.1,29.36) selbst aufnimmt. Insofern eröffnet dieses Zeichen die Geschichte Jesu.“[7] So wird Jesus in dieser ersten Woche als Messias geoffenbart; die Woche schließt mit dem Wunder zu Kana, mit dem er die Herrlichkeit Gottes offenbart (vgl. Kap. 1,14). Diesen Zusammenhang stellt auch Rudolf Schnackenburg heraus: „Dieser Bericht vom ersten „Zeichen“, durch das Jesus seine Herrlichkeit enthüllt (V.11), ist einerseits ein Zielpunkt der bisherigen Darstellung, die auf eine sichtbare Manifestation des von den ersten Jüngern erkannten, aber in seinem wahren Wesen noch nicht voll erkannten Messias hindrängte (vgl. Kap. 1,50.51), andererseits ein Ausgangspunkt für die ganze in <Zeichen> [Hervorhebung im Original, C.N.] erfolgende Selbstoffenbarung Jesu (vgl. Kap. 12,37; 20,30).“[8]
V.11 beschließt somit den ersten Abschnitt des Johannesevangeliums und deutet schon weitere <Zeichen> an. Der Hinweis auf den Glauben der Jünger zeigt, dass hier schon ein erstes Ziel erreicht ist.
[...]
[1] vgl. Wilckens, U.: Theologie des NT, Bd. I/4, Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vlyn, 2005,
154.
[2] „Von den sieben Wundern, die er ausführlich erzählt, sind nur drei synoptischer Herkunft.“ In:
Wilckens, U.: Theologie des NT, Bd. I/4, 2005, 153.
[3] a.a.O., S.151.
[4] Thyen, H.: Das Johannesevangelium. Mohr Siebeck, Tübingen, 2005, 150.164.
[5] Eine Ausnahme ist im komplizierten Satzbau von V.9 zu sehen.
[6] vgl. Schnackenburg, R.: Das Johannesevangelium. Freiburg im Breisgau: Herder Verlag,
(HThk I/3), 1975, 356.
[7] Wilckens, U.: Theologie des NT, Bd. I/4, 2005, 174.
[8] Schnackenburg, R.: Das Johannesevangelium, (HThk I/3), 1975, 328.
- Quote paper
- Corinna Neeb (Author), 2007, Exegese von Johannes 2,1-11 "Die Hochzeit zu Kana" - Das erste Zeichen Jesu, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89855
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