"Der Tourist zerstört, was er sucht, indem er es findet." (Hans Magnus Enzensberger)
Der wahrscheinlich letzte Traum vom Paradies, der uns noch geblieben ist, ist der Urlaub. Das Glück als Lebensziel ist der Grund für die Sehnsucht nach dem Paradies. Die meisten Menschen (überwiegend aus der westlichen Gesellschaft) verbinden mit Urlaub eine Zeit der Entspannung und Erholung. Sie wollen Abwechslung vom stressigen Alltagsleben und „fliehen“ in die Ferne, um abzuschalten und Kraft zu tanken. Der Urlaub gilt bei vielen als Statussymbol, er bringt soziale Anerkennung, verbessert das Image und das Prestige. Aber als Urlauber ist man nicht nur Gast in einem anderen Land. Man ist zu Gast bei den Menschen, die dort leben, nimmt ihre Ressourcen in Anspruch und beeinflusst deren alltägliches Leben. Obwohl es in vielen der bereisten Ländern mit den sozialen, ökonomischen und ökologischen Verhältnissen nicht zum Besten steht, informieren sich nur die wenigsten Touristen bei der Wahl ihrer Urlaubsdestination über das Land, die Lebensbedingungen der Einheimischen und eventuelle Probleme und Auswirkungen, die v.a. der Massentourismus mit sich bringt. In der vorliegenden Arbeit hat sich der Verfasser auf die ökologischen Auswirkungen konzentriert, da diese z.Zt. eine größere Bedeutung haben, wie an der aktuellen Debatte über die Klimaveränderung zu sehen ist. Eine zusätzliche Analyse der sozialen und ethischen Probleme, die der Tourismus verursacht, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Wie in anderen Industrien hat auch im hart umkämpften Touristik-Markt eine „Geiz-ist-geil-Mentalität“ Einzug gefunden, auch von den Reiseveranstaltern (RV) selbst forciert, bei der die Kunden eine immer bessere Qualität bei gleichzeitig sinkenden Preisen erwarten. Der „hybride“ Kunde, der mit dem Billigflieger nach Mallorca fliegt und dort eine Luxus-Finca bucht, ist schon lange keine Ausnahme mehr, sondern eher die Regel. Aufgrund der niedrigen Margen in der Touristik-Branche liegt es zunächst auf der Hand, dass für Nachhaltigkeit im Tourismus (und damit i.e.S. für Umweltverträglichkeit; der Begriff „Nachhaltigkeit“ wird umfassend in Kapitel 2 erläutert) eher wenig Interesse besteht. Der Einsatz für Nachhaltigkeit verursacht aus Sicht der RV kurzfristig gesehen Kosten, die zunähst einen Wettbewerbsnachteil gegenüber der Konkurrenz darstellen. Langfristig gesehen, würden beide wahrscheinlich ihre Existenz absichern.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Zur aktuellen Situation im Tourismus
2 Nachhaltiger Tourismus
2.1 Zum Begriff der Nachhaltigkeit
2.2 Historische Entwicklung der Nachhaltigkeit im Tourismus
2.3 Heutige Bedeutung im Tourismus
3 Gesellschaftliche Ursachen und Hintergründe
3.1 Werte und Einstellungen im Wandel
3.2 Trend zur Individualisierung
3.3 Perspektiven und Auswirkungen
4 Die Messe Reisepavillon als Beispiel für nachhaltigen Tourismus
4.1 Ursprünge und Weiterentwicklung
4.2 Messekonzept und Zielsetzung
4.3 Daten und Fakten
5 Zukunftsaussichten für den nachhaltigen Tourismus
6 Tourismus und Globalisierung
7 Bibliographie
7.1 Literaturverzeichnis
7.2 Internet-Quellen
8 Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Wunschsportarten von Jugendlichen
Abb. 2: Verhaltensoptionen der Reisenden 2006 bei Klimawande
Abb. 3: Deutschland 2020: Die Rückkehr des Leistungsprinzips
Abb. 4: Entwicklung der Aussteller- und Besucherzahlen
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Zur aktuellen Situation im Tourismus
Der Tourist zerstört, was er sucht, indem er es findet. (Hans Magnus Enzensberger)
Der wahrscheinlich letzte Traum vom Paradies, der uns noch geblieben ist, ist der Urlaub. Das Glück als Lebensziel ist der Grund für die Sehnsucht nach dem Paradies. Die meisten Menschen (überwiegend aus der westlichen Gesellschaft) verbinden mit Urlaub eine Zeit der Entspannung und Erholung. Sie wollen Abwechslung vom stres-sigen Alltagsleben und „fliehen“ in die Ferne, um abzuschalten und Kraft zu tanken. Der Urlaub gilt bei vielen als Statussymbol, er bringt soziale Anerkennung, verbessert das Image und das Prestige. Aber als Urlauber ist man nicht nur Gast in einem anderen Land. Man ist zu Gast bei den Menschen, die dort leben, nimmt ihre Ressourcen in Anspruch und beeinflusst deren alltägliches Leben. Obwohl es in vielen der bereisten Ländern mit den sozialen, ökonomischen und ökologischen Verhältnissen nicht zum Besten steht, informieren sich nur die wenigsten Touristen bei der Wahl ihrer Urlaubsdestination über das Land, die Lebensbedingungen der Einheimischen und eventuelle Probleme und Auswirkungen, die v.a. der Massentourismus mit sich bringt. In der vorliegenden Arbeit hat sich der Verfasser auf die ökologischen Auswirkungen konzentriert, da diese z.Zt. eine größere Bedeutung haben, wie an der aktuellen Debatte über die Klimaveränderung zu sehen ist. Eine zusätzliche Analyse der sozialen und ethischen Probleme, die der Tourismus verursacht, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Wie in anderen Industrien hat auch im hart umkämpften Touristik-Markt eine „Geiz-ist-geil-Mentalität“ Einzug gefunden, auch von den Reiseveranstaltern (RV) selbst forciert, bei der die Kunden eine immer bessere Qualität bei gleichzeitig sinkenden Preisen erwarten. Der „hybride“ Kunde, der mit dem Billigflieger nach Mallorca fliegt und dort eine Luxus-Finca bucht, ist schon lange keine Ausnahme mehr, sondern eher die Regel. Aufgrund der niedrigen Margen in der Touristik-Branche liegt es zunächst auf der Hand, dass für Nachhaltigkeit im Tourismus (und damit i.e.S. für Umwelt-verträglichkeit; der Begriff „Nachhaltigkeit“ wird umfassend in Kapitel 2 erläutert) eher wenig Interesse besteht. Der Einsatz für Nachhaltigkeit verursacht aus Sicht der RV kurzfristig gesehen Kosten, die zunähst einen Wettbewerbsnachteil gegenüber der Konkurrenz darstellen. Langfristig gesehen, würden beide wahrscheinlich ihre Existenz absichern. An dieser Stelle sei das „Gefangenendilemma-Modell“ genannt (vgl. Kirstges 2003:279ff.). Ein positives Beispiel aus einer anderen Branche sind die FairTrade-Produkte die bei den Verbrauchern immer populärer werden und inzwischen auch schon bei Discountern wie Lidl zu erwerben sind. Der CO2-Rechner von WWF (World Wide Fund For Nature ) der zur Kompensation der Emissionen dienen soll, ist ebenfalls ein erfolgreiches Konzept für nachhaltigen Verbrauch. Diese und andere Beispiele zeigen, dass bei vielen Konsumenten durchaus ein geschärftes Bewußstsein gegenüber der Umwelt und fairen Produktionsabläufen besteht. Auch im Geschäftsreisemarkt scheint ein neuer Trend hinsichtlich Nachhaltigkeit und sozialer Verantwortung zu entstehen. – CSR (Corporate Social Responsibility) heißt hier das Zauberwort. Wichtigstes Kriterium ist hierbei der Einklang von CSR-Projekten mit dem wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens (vgl. Rogl 2007:44). Dabei sind auch moralische Aspekte einbezogen: „Nachhaltige Entwicklung hat in ethischer Hinsicht ein doppeltes Fundament: Einerseits betrifft sie die aktive Übernahme von Verantwortung für zukünftige Generationen (Zukunftsverantwortung), andererseits spielen Gerechtigkeitsüberlegungen unter den heute Lebenden (Verteilungs-gerechtigkeit) ebenfalls eine tragende Rolle“ (Grunwald/Kopfmüller 2006:7). Unter den großen Reiseveranstaltern in Deutschland[1] nimmt die TUI (Touristik Union International AG) nach wie vor eine Vorreiter-Rolle im Bereich der Nachhaltigkeit und des Umweltmanagements ein. Als einziger Veranstalter hat man eine eigene Abteilung geschaffen, die sich seit Jahren mit den relevanten Problemen kontinuierlich auseinandersetzt. Bei der Thomas Cook AG scheint dieses Thema keine große Rolle zu spielen. Die REWE Touristik GmbH hat die Themen Umwelt & Soziales inzwischen wieder aufgegriffen, nachdem diese Bereiche seit Anfang der 90er Jahre etwas „aus der Mode“ gekommen waren. Von der Alltours Flugreisen GmbH wiederum hört und sieht man auf diesem Gebiet fast gar nichts. Und die beiden kürzlich stattgefundenen Fusionen zwischen der TUI AG und First Choice Holidays PLC sowie zwischen der Thomas Cook AG und MyTravel Group plc werden wohl eher dafür sorgen, dass die beiden größten RV Europas in den nächsten Monaten in erster Linie mit sich selbst beschäftigt sind. Im Rahmen dieser Seminararbeit soll zunächst der Begriff der Nachhaltigkeit erläutert werden. Darauf aufbauend wird die historische Entwicklung und die heutige Bedeutung der Nachhaltigkeit im Tourismus dargestellt. Im Anschluß daran werden die Hintergründe für diese Entwicklung skizziert, d.h. gesellschaftliche Veränderungen, Wertewandel mit Trends zur Individualisierung und Umweltbewusstsein. Im zweiten Teil wird exemplarisch die Messe Reisepavillon Hannover vorgestellt. Hierbei handelt es sich um ein weltweit singuläres Forum, das als Plattform für Reiseveranstalter und weitere Interessenten des anderen, d.h. nachhaltigen Reisens dienen soll. Von den Anfängen der Messe über die Zielsetzung bis zu den Perspektiven geht es dann im folgenden Abschnitt. Zum Abschluß erfolgt eine Betrachtung des (nachhaltigen) Tourismus im Zusammenhang mit der Globalisierung.
2 Nachhaltiger Tourismus
Mit dem Begriff des Tourismus kann jeder etwas anfangen. Die meisten verbinden Urlaub und Ferien damit. Für Kaspar (1975:13) ist Tourismus oder Fremdenverkehr die „Gesamtheit der Beziehungen und Erscheinungen, die sich aus der Reise und dem Aufenthalt von Personen ergeben, für die der Aufenthaltsort weder hauptsächlicher und dauernder Wohn- noch Arbeitsort ist“. Nach Freyer (2001:4) umfaßt Tourismus „alle Erscheinungen, die mit dem Verlassen des gewöhnlichen Aufenthaltsortes und dem Aufenthalt am anderen Ort verbunden sind“. Die Umwelt ist unser Lebensraum. Unsere Lebensqualität hängt dementsprechend von der Qualität der Umwelt ab, die wiederum von menschlichem Handeln abhängig ist. Gerade im Tourismus spielen Umwelt und Natur eine sehr wichtige Rolle, da diese oft den Reiz für die Touristen ausmachen. Allerdings ist Tourismus oft schädlich und zerstörerisch für die Natur. Besonders in beliebten Feriengebieten zeigen sich die negativen Auswirkungen des jahrelangen Tourismus.Viele Urlauber legen immer mehr Wert auf Natur und Natürlichkeit wie sich an der immer stärker werdenden Nachfrage für Outdoor- und Sportaktivitäten sowie Wellnessreisen zeigt. Daher ist es gerade im Tourismus erforderlich, Zerstörung und Verschmutzung von Natur und Umwelt zu vermeiden. Nachhaltiger Tourismus ist eine Art der touristischen Nutzung, die im Einklang mit dem Umweltschutz steht.
2.1 Zum Begriff der Nachhaltigkeit
„Der Begriff Nachhaltigkeit tauchte erstmals Anfang des 18. Jahrhunderts in der Forstwirtschaft unter der Zielsetzung auf, ökonomische Erwägungen mit dem Faktor Natur in Einklang zu bringen“ (Grunwald/Kopfmüller 2006:14). Innerhalb eines bestimmten Zeitraums durften immer nur so viele Bäume gefällt werden, wie im gleichen Zeitraum nachwachsen können. Eine vielfach zitierte Definition zur nachhaltigen Entwicklung wurde von der WCED (United Nations World Comission on Environment and Development) formuliert: „Sustainable development is development that meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs” (WCED 1987:43). Ein Faktor, der in diesem Zusammenhang immmer wieder auftaucht ist die Kontinuität. Nachhaltiger Tourismus ist vielleicht so etwas wie der Versuch einer „Versöhnung” von Mensch und Natur, von unterschiedlichen Kulturen und Generationen. Die Bezeichnung nachhaltiger Tourismus entwickelte sich aus der Form des sanften Tourismus und dessen Vielzahl an Synonymen in der Literatur und Presse, wie z.B. „anderes Reisen“, „alternativer Tourismus“ oder „Tourismus mit Einsicht“. Im weiteren Verlauf dieser Arbeit soll von nachhaltigem Tourismus gesprochen werden, da dieser aktuell eine größere Bedeutung und Verbreitung gefunden hat, d.h. sich in der Fachwelt weitgehend durchgesetzt hat, aber auch in der Öffentlichkeit zunehmend akzeptiert wird. Nachhaltiger Tourismus stellt einen Versuch dar, die problematischen Auswirkungen des Tourismus zu vermeiden. Gegenwärtig zirkulieren viele unterschiedliche Definitionen des nachhaltigen Tourismus in der Literatur. Nach Baumgartner/Röhrer (1998:26) „kann es nachhaltigen Tourismus per se nicht geben. Tourismus funktioniert nur innerhalb bestehender gesellschaftlicher Rahmenbedingungen (...). Deshalb sprechen wir von Nachhaltigkeit im Tourismus und meinen (...) eine Form des Tourismus, die das Konzept der Nachhaltigkeit integrierend beinhaltet“. Burghoff (1988:7) führt hierzu aus: „Es geht um Forderungen nach einer veränderten Reisepraxis und Tourismuspolitik (...) Abkehr vom Massentourismus und von den Ausbeutungs-verhältnissen im 3. Welt-Tourismus, Wertschätzung natürlicher und ortstypischer Bedingungen, Betonung neuer Sicht- und Erfahrungsweisen“. Nach Auffassung von Kirstges (2003:21) ist nachhaltiger Tourismus „gekennzeichnet durch ethische und soziale Gerechtigkeit, kulturelle Angepasstheit, ökologische Tragfähigkeit sowie wirtschaftliche Bedeutung und Effizienz. Voraussetzung für einen nachhaltigen Tourismus ist die Integration der Ziele ökologisch verträglich (Biodiversität), wirtschaftlich profitabel und ethisch und sozial förderlich und kulturell angepasst“. Für Viegas (1998:14) „berücksichtigt nachhaltiger Tourismus („sustainable tourism“) die Bedürfnisse heutiger Touristen und Gastgaberregionen und schützt bzw. erweitert gleichzeitig die Möglichkeiten für die Zukunft, (...) grundlegende ökologische Prozesse, die Artenvielfalt und die lebenserhaltenden Systeme sind dabei zu bewahren“. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass zur Gewährleistung der Nachhaltigkeit folgende Kriterien berücksichtigt werden müssen: Die Entwicklung soll die Kontrollmöglichkeiten der einheimischen Bevölkerung über ihre Ressourcen stärken sowie die Identität lokaler Gemeinden vorantreiben (sozio-kulturelle Nachhaltigkeit). Sie soll mit dem Erhalt wichtiger ökologischer Prozesse und biologischer Diversität vereinbar sein (ökologische Nachhaltigkeit). Des weiteren muss die Entwicklung ökonomisch effizient sein und Ressourcen fachkundig managen, ohne dass irreversible Veränderungen im Ökosystem entstehen (ökonomische Nachhaltigkeit). Wirklich nachhaltiger Tourismus „satisfies criteria of social, cultural, ecological and economic sustainability. It is socially just, culturally appropriate, ecologically sustainable, and economically rational and productive” (Beyer/Scholz 2003:6).
2.2 Historische Entwicklung der Nachhaltigkeit im Tourismus
Seit jeher reisen die Menschen, sei es zu geschäftlichen, politischen oder privaten Zwecken. Die Erscheinung, die wir mit dem heutigen Begriff des Tourismus verbinden, trat als solche erst seit Ende des 19. Jahrhunderts auf (vgl. Freyer 2001:8-11). Der Touristikmarkt galt über Jahre hinweg als der Wachstumsmarkt überhaupt. Mit Beginn des „Kaufhaustourismus“ (Freyer 2001:11) wurden Anfang der 60er Jahre erstmals Flugreisen in Katalogen der Firma Neckermann angeboten. Durch eine hohe Auslastung der Flugzeuge konnten günstige Pauschaltarife angeboten werden, die ein großes Spektrum an Reisewilligen ansprachen. Bis 1970 erhöhte sich die Zahl der RV auf ca. 260 und die bis heute marktbestimmenden Großveranstalter wurden gegründet.[2] Die Zahl der Pauschaltouristen stieg über Jahre hinweg kontinuierlich an, die Umsätze, Gewinne und Teilnehmerzahlen wuchsen oftmals im zweistelligen Bereich, und die gesamte Branche wähnte sich in einem „Fass ohne Boden“. Umweltorientierung und Rücksichtnahme auf das Leben der einheimischen Bevölkerung in der Urlaubsgebieten war, wenn überhaupt, nur am Rande von Bedeutung. Nach Hochreiter/Arndt (1978:111) gab es etwa 400 RV Ende der siebziger Jahre. Die ersten Zeichen auf ein Abschwächen des Wachstumstrends erhielten die RV Mitte der 80er Jahre. Dazu meint Kirstges (2003:3): „Risiken, teilweise aber auch Chancen entstanden für die Pauschalreise aus dem zunehmenden Trend zur Individualisierung des Konsums, der sich im Zuge des allgemeinen Wertewandels bis heute beobachten lässt“. Immer wieder zeigen sich auch die Auswirkungen auf die labile touristische Nachfrage bei Ereignissen wie den Anschlägen vom 11.09.2001, der SARS (Severe Acute Respiratory Syndrome )-Krise, der Tsunami-Katastrohpe in Südostasien oder den Anschlägen in der Türkei im Sommer 2006. Insbesondere die gravierenden Folgen der globalen Klimaveränderung aufgrund von jahrelanger Umweltverschmutzung und Ausbeutung der Ressourcen werden selbst in Europa immer deutlicher sichtbar, wie die „Jahrhundertflut“ in Deutschland im Sommer 2002 gezeigt hat. Als einer der ersten befasste sich der österreichische Zukunftsforscher Robert Jungk (1980:154-156) mit dieser Thematik und unterschied dabei „sanftes Reisen“ von „hartem Reisen“: „Hart reist demnach, wer z.B. wenig Zeit in den Urlaub mitbringt, schnelle Verkehrsmittel benutzt, Sehenswürdigkeiten knipst, sich nicht geistig auf die Reise vorbereitet und seinen Lebensstil in das Gastland zu importieren versucht“.Die Merkmale des sanften Urlaubs sind dementsprechend die geistige Vorbereitung auf die Reise, eine möglichst umweltschonende Anreise, sich Zeit zu nehmen und die Kultur und die Gepflogenheiten der Einheimischen zu respektieren. Das Konfliktpotential des Umweltschutzes und der Nachhaltigkeit ist von der Tourismusindustrie erst relativ spät erkannt worden. Die erste empirische Untersuchung im deutschsprachigen Raum zum Problembereich Umwelt, Freizeit und Tourismus führte das Freizeit-Forschungsinstitut 1984 durch (vgl. Opaschowski 2001). Obwohl die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung bereits 1987 im Brundtland-Bericht (s. Hauff 1987) eine nachhaltige Entwicklung in allen Witschaftsbereichen forderte, blieb der Tourismus auf der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung (UNCED), die im Juni 1992 in Rio de Janeiro stattfand, sowohl in der Konvention zum Klimaschutz als auch in der Konvention zum Schutz der Artenvielfalt unerwähnt. Erst 1995, auf der World Conference on Sustainable Tourism auf Lanzarote, wurde eine international konsensfähige Definition für nachhaltigen Touismus gefunden: „Gemeint ist ein Tourismus, der langfristig ökologisch tragbar, wirtschaftlich machbar sowie ethisch und sozial gerecht für die Einheimischen ist.“[3]
2.3 Heutige Bedeutung im Tourismus
Die Tourismusindustrie ist heute der weltweit größte Wirtschaftszweig, wie diverse Studien, z.B. der UNWTO (World Tourism Organization ) belegen. Kirstges (2003:8) geht davon aus, „dass es heute etwa 1700 deutsche Haupterwerbs-Reiseveranstalter gibt“. Sind die Touristen und die Touristikbranche heute dazu bereit, ihre Interessen in den Dienst der Nachhaltigkeit zu stellen? Eher nicht, wenn man sieht, dass das Flugzeug als touristisches Transportmittel seit Jahren die höchsten Zuwachsraten hat. Und wie veträgt sich der zu beobachtende „Trend zum Mehr-Weiter-Öfter-Reisen“ (Merkel 1997:179) mit den Zielen einer nachhaltigen Tourismusentwicklung? Was tun die RV heute um für eine intakte Umwelt und Umgebung im Zielgebiet zu sorgen, von der sie ja letztlich auch abhängig sind? Die TUI gilt nach wie vor als Vorreiter im Bereich der nachhaltigen Entwicklung unter den großen deutschen RV. So gibt es dort einen Zentralbereich „Konzern-Umweltmanagement“, der dafür Sorge tragen soll, dass hinsichtlich einer nachhaltigen Geschäftspolitik die Integration und Umsetzung von Umweltqualitätsstandards in allen Kozernbereichen stattfindet. Neben dem Bereich Umweltmanagement engangiert sich die TUI außerdem seit Jahren für einen intensiven Austausch mit ihren Stakeholdern im TUI-Umwelt-Netzwerk (TUN!). Ökologische und ökonomische Ziele des TUI Umweltmanagements gehen dabei Hand in Hand, um einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung des Unternehmenswertes (Shareholder Value) zu leisten.[4] Des weiteren ist die TUI als Gründungsmitglied des „econsense-Forum Nachhaltige Entwicklung der deutschen Wirtschaft“ eine freiwillige Selbstverpflichtung zu ökologischer, ökonomischer und gesellschaftspolitischer Nachhaltigkeit eingegangen. Das Forum ist eine Initiative der deutschen Wirtschaft, in der führende national und global agierende Unternehmen (u.a. Deutsche Bahn AG, Lufthansa AG) und Organisationen vertreten sind, die das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung in ihre Unternehmensstrategie integriert haben und sich den damit verbundenen ökologischen sowie ökonomischen und gesellschaftspolitischen Fragen stellen. Die aktuelle Studie des Studienkreis für Tourismus und Entwicklung e.V. (Tourismus in Entwicklungsländer 2006) wurde ebenfalls von der TUI wie auch von Studiosus Reisen München GmbH unterstützt. Der Spezialist für Studienreisen Studiosus ist ebenfalls sehr engagiert beim Thema nachhaltiges Reisen.[5] An dieser Stelle sei erwähnt, dass Selbstverpflichtungen der Untenehmen allerdings wenig zu nutzen scheinen. „Für freiwillige Selbstbeschränkungen lassen sich – insbesondere angesichts der Trittbrettfahrer-Problematik – keine Mehrheiten gewinnen“ (Bolscho 1995:37 zit. nach Kirstges 2003:146). Die dargelegten Maßnahmen der TUI werden natürlich nicht aus reinem Idealismus durchgeführt, sondern basieren auf der Annahme vieler Unternehmen, die den Umweltschutz als komplementäres Unterziel zu anderen Zielen, insbesondere langfristig orientierten Wachstumszielen, sehen. Durch gesteigertes Umweltbewusstsein und wachsendem Interesse an fairen Produktions-prozessen auf Seiten der Verbraucher ensteht für die Unternehmen die Notwendigkeit sich v.a. wegen der Kundenbindung und des Image-Gewinns auf die Forderungen der Verbraucher nach mehr Transparenz, Umweltbewusstsein und fairen Produktions-prozessen einzulassen, um die Kunden nicht an die Wettbewerber zu verlieren. Neben der TUI scheint zumindest die REWE Touristik ein einigermaßen engagierter RV im Bereich der nachhaltigen Entwicklung zu sein. Seit 2001 setzt sich ein zweiköpfiges Umwelt-Team in Zusammenarbeit mit allen Bereichen des Unternehmens für die nachhaltige Tourismusentwicklung bei ITS, Jahn Reisen und Tjaereborg ein. Außerdem setzt sich REWE Touristik mit RV aus aller Welt in der Tour Operators' Initiative for Sustainalble Tourism Development (TOI) vor allem dafür ein, Natur, soziale Strukturen sowie die Kultur in den Feriengebieten zu schützen. Dabei kooperiert die TOI „mit allen, die dafür Sorge tragen, dass die Gäste einen schönen Urlaub erleben: mit Hoteliers, Busunternehmern, Politikern und anderen Verantwortlichen in den Gastländern“[6]. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass lediglich die TUI z.Zt. aktuelle Daten liefern kann. Die Daten der REWE-Touristik hören 2005 auf. Alltours und Thomas Cook scheinen am Thema der Nachhaltigkeit wenig bis kaum interessiert zu sein. Ebenso die FTI (Frosch Touristik GmbH) und die ÖGER TOURS GmbH. Bei diesen Unternehmen lassen sich auf den jeweiligen Internetseiten nur spärlich Informationen finden, die kaum über allgemeine Bekenntnisse zur Umweltschonung und zum sozialen Engegement hinausgehen.[7] Gerade bei Thomas Cook, als zweitgrößtem RV Europas, verwundert dies doch etwas. Dort war Anfang der 90er Jahre (damals noch NUR-Touristik) der Umweltgedanke noch ein Top-Thema. Anscheinend ist man dort immer noch mit Sanierungsarbeiten aus den Krisenjahren seit 2001 zugange, und auch die erst vor kurzem vollzogene Fusion mit MyTravel bringt wohl noch einiges an Arbeitsaufwand mit sich. Bei den Luftverkehrsunternehmen wiederum hat das sogenannte „Carbon Offsetting“ Einzug gefunden. Hier wird jeder Passagier bei der Online-Buchung befragt, ob er die durch seinen Flug verursachten Emissionen finanziell ausgleichen möchte. Wenn der Passagier das will, wird er zu einem CO2-Rechner (z.B.: atmosfair.de, myclimate.org oder climatefriendly.com) weitergeleitet, der den Preis für die durchschnittlichen Emissionen auf der gewählten Strecke errechnet. Je länger der Flug, desto höher der Preis lautet die Devise. Hier gilt der Billigflieger Easyjet als Vorreiter: „Dort lässt man seit August einen CO2 -Rechner bei der Online- Buchung mitlaufen und schlägt den Reisenden vor, freiwillig rund 4,50 Euro pro Return – Flug an von der UNO unterstützte Projekte zu zahlen“ (FVW 21/2007:14). Die Flugesellschaft SAS z.B. kooperiert schon seit einem Jahr mit der Firma The Carbon Neutral Company. „Die Kunden können sich auf www.flysas.de einloggen und eine freiwillige Klimaschutzabgabe leisten“ (FVW 21/2007:14). Seit dem 17. September 2007 haben auch Kunden von Lufthansa und SWISS die Möglichkeit einer freiwilligen Klima-Spende. „Über den unabhängigen Partner myclimate können Umweltbewusste gezielt in Klimaschutzprojekte investieren. Mittels eines direkten Links auf der Internetseite www.lufthansa.com kann der Fluggast eine freiwillige Spende leisten“[8] Weitere Umweltmaßnahmen von Lufthansa sind auf der Homepage einzusehen. Aktiv ist Easyjet auch bei der Forderung nach dem Bau von Flugzeugen, die die Umwelt weniger belasten. In einem Bericht der Neuen Zürcher Zeitung sucht Andrew Harrison (Chief Executive Officer von Easyjet) nach einem Flugzeughersteller, der sein Modell des „Ecojet“ baut: „25 Prozent weniger Lärm, 50 Prozent weniger CO2-Emissionen und 75 Prozent weniger Stickoxide“ soll das Flugzeug der Zukunft verursachen (Flottau 2007:B5). Auch die neuen Modelle von Airbus (A380) und Boeing (787 Dreamliner) gelten als wesentlich umweltschonender und v.a. sparsamer. Denn hier liegt wohl das hauptsächliche Interesse der Flugesellschaften. Neben dem Image-Gewinn können die Betriebskosten pro Sitz und Kilometer durch die hohe Effizienz und die modernen Technologien wesentlich gesenkt werden (vgl. Fischer 2007:R2). Die aufgeführten Maßnahmen zur Schonung des Klimas im Flugverkehr sind für Werner Reh vom Arbeitskreis Flugverkehr allerdings Teil einer gezielten Irreführung: „Berechnet man den CO2-Ausstoß pro Kopf und Kilometer, wird die Flugreise noch lange Zeit schädlicher sein als eine Zug- oder sogar Autofahrt über die gleiche Strecke" (Gierke 2007:15). Aufgrund der finanziellen und organisatorischen Rahmenbedingungen (z.B. der niedrigen Umsatzrendite) in der Touristik-Branche ist es für die Mehrzahl von kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU’s) sehr schwer, sich für nachhaltigen Tourismus einzusetzen.[9] Als Ausnahme kann allerdings der Studienreisespezialist Studiosus aufgeführt werden., der schon immer sehr engagiert in diesem Bereich ist. 2006 wurde Studiosus ausgezeichnet als Vorreiter für nachhaltiges Reisen. Im Bildungsbereich bietet die Fachhochschule Eberswalde als bisher einzige Hochschule in Deutschland die Möglichkeit an, Nachhaltigkeit im Tourismus zu studieren. Dort gibt seit 2004 die Möglichkeit, einen Master of Arts im Masterstudiengang „Nachhaltiger Tourismus“ zu erwerben Künstliche Urlaubswelten, wie die CenterParcs, Skihallen oder Badewelten, wie das Tropical Island in der Nähe von Berlin sind sicherlich Alternativen zum Massentourismus. Die Umwelt wird geschont, es enstehen keine Bettenburgen wie in Benidorm, und der Eingriff in das soziale Gefüge der Urlaubsgebiete wird vermieden. Auf der anderen Seite verlieren die Urlaubsländer wichtige Tourismuseinnahmen, und Arbeitsplätze gehen verloren bzw. entstehen erst gar nicht. Die neueste Möglichkeit des „künstlichen/alternativen Urlaubs“ hat Thomas Cook jetzt entdeckt. Als erster Veranstalter ist man in SecondLife (virtuelle Internetwelt) vertreten. Dass es sich dabei um die Urlaubsform der Zukunft handelt, ist wohl eher unwahrscheinlich.
[...]
[1] Im Zentrum der Arbeit stehen v.a. deutsche RV.
[2] Die TUI entstand aus einem Zusammenschluß von Touropa, Scharnow, Hummel und Dr.Tigges; ITS wurde von der Kaufhof AG gegründet; Josef Neckermann stieg ins Reisegeschäft ein.
[3] „Tourism development shall be based on criteria of sustainability, which means that it must be ecologically bearable in the long term, as well as economically viable, and ethically and socially equitable for local communities.” Vgl. URL: http://www.gdrc.org/uem/eco-tour/charter.html, [28.08.2007].
[4] Vgl. URL: http://www.tuigroup.com/de/nachhaltigkeit/umwelt/kon_u_sys/index.html, [31.08.2007].
[5] Vgl. URL: http://www.studiosus.com/ studienreisen/ informationen/nachhaltiges_reisen/ index. php, [08.09.2007].
[6] Vgl. URL: http://www.rewe-touristik.com/offen/umwelt-soziales/index.php, [01.09.2007].
[7] Auf mehrmalige Anfragen per Mail und Telefon bei Thomas Cook und Alltours gab es keine Auskunft bzw. Reaktion über die gewünschten Informationen; vgl. auch Kirstges (2003:336-337).
[8] Vgl. URL: http://konzern.lufthansa.com/de/html/presse/pressemeldungen/index.html?c=nachrichten/
app/show/de/2 007/09/1443/HOM&s=0, 17.09.2007, [17.09.2007].
[9] Vgl. dazu Kirstges (2003:69ff) für eine detailliertere Darstellung.
- Citar trabajo
- Maximilian Gorski (Autor), 2007, Nachhaltiger Tourismus am Beispiel der Messe Reisepavillon Hannover, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89801
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