Angsterkrankungen sind in den westlichen Industrienationen in den letzten Jahren so sprunghaft angestiegen, dass Wissenschaftler bereits von einem „Jahrzehnt der Angst“ (1) sprechen. So stellen sie inzwischen bei Frauen die häufigste, bei Männern nach Alkoholproblemen die zweithäufigste psychische Störung dar (2).
Angst ist einerseits ein hilfreiches, ja lebenswichtiges Gefühl, das uns auf drohende Gefahren aufmerksam macht und uns zu Höchstleistungen anspornen kann. Angst kann andererseits jedoch ihre Schutzfunktion verlieren und sich in eine quälende, den Menschen völlig beherrschende, unbezwingbare Panik verwandeln, die das Leben der
Betroffenen zur Hölle werden lässt.
Wenngleich das Krankheitsbild der Panikstörung heutzutage einer breiteren Öffentlichkeit besser bekannt sein dürfte, so wissen trotzdem immer noch zahllose Menschen, die unter Ängsten leiden, nicht, dass es überhaupt Hilfe für ihr Problem gibt. Das ist besonders tragisch, wenn man bedenkt, dass sich Angststörungen im Gegensatz zu vielen anderen psychischen Leiden mittlerweile sehr erfolgreich behandeln lassen, sofern sie frühzeitig erkannt und mit den richtigen Methoden therapiert werden.
Da ich vor 20 Jahren selbst an Panikattacken erkrankte und einen von viel Verzweiflung und vielen Irrwegen begleiteten Leidensweg durchlaufen musste, war es mir ein persönliches Anliegen, mich intensiv mit dem Krankheitsbild der Panikstörung mit Agoraphobie auseinander zu setzen und dabei auch immer wieder eigene Erfahrungen und eigenes Erleben mit einfließen zu lassen. Ich hatte damals in den 80-er Jahren bedauerlicherweise noch nie etwas von dieser Erkrankung gehört. Auch die von mir zahlreich konsultierten Ärzte scheinen sie nicht gekannt zu haben, denn sie stellten allenfalls Verlegenheitsdiagnosen, so dass ich den quälenden Symptomen jahrelang hilflos ausgeliefert war. Deswegen ist es mir wichtig, die Panikstörung umfassend zu untersuchen und die gewonnenen Erkenntnisse weiter zu geben, denn vor allem das Wissen nimmt der Erkrankung ihre Macht und kann einen möglichen „Sturz aus dem Leben“ verhindern.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
I. Das Wesen der Angst
1. Was ist Angst und worin besteht ihr Sinn?
2. Körperliche Veränderungen während der Angstreaktion
3. Die drei Ebenen des Angsterlebens
II. Wenn Angst zur Krankheit wird
1. Gesunde Angst kann sich in krankhafte verwandeln
2. Beschreibung der wichtigsten Angststörungen
2.1 Die Agoraphobie ohne Panikstörung
2.2 Die soziale Phobie
2.3 Die spezifische Phobie
2.4 Die generalisierte Angststörung
2.5 Die posttraumatische Belastungsstörung
2.6 Die Zwangsstörung
2.7 Zusammenfassung
III. Panikstörung und Agoraphobie
1. Ein Krankheitsbild erhält erst spät einen Namen
2. Diagnostische Kriterien der Panikstörung
3. Panikattacken - Die Angst ohne erkennbaren Grund
3.1 Einige Krankheiten ähneln der Panikstörung
3.2 Was passiert im Körper während einer Panikattacke?
3.3 Der Teufelskreis der Angst
3.4 Panik verändert das Leben radikal
3.5 Beschreibung und Entstehung der Agoraphobie
3.6 Die Folgen unbehandelter Angst
4. Die Auslöser von Panikattacken
5. Die Ursachen von Panikattacken
5.1 Genetische Prädisposition
5.2 Psychologische Erklärungen
5.3 Lerntheoretische Erklärungen
5.4 Biologische Erklärungen
5.5 Psychobiologische Erklärungen
5.6 Krankhafte Angst ist auch ein gesellschaftliches Phänomen
IV. Behandlungsmöglichkeiten
1. Wichtig ist die richtige Diagnose
2. Behandlung mit Medikamenten
3. Psychotherapie
3.1 Verhaltenstherapie
3.2 Psychoanalytische bzw. tiefenpsychologisch orientierte Therapie
3.3 Resümierende Stellungnahme
4. Die Bedeutung des Therapeuten
Schlussbemerkungen
Anmerkungen
Literaturliste
Einleitung
Angsterkrankungen sind in den westlichen Industrienationen in den letzten Jahren so sprunghaft angestiegen, dass Wissenschaftler bereits von einem „Jahrzehnt der Angst“ (1) sprechen. So stellen sie inzwischen bei Frauen die häufigste, bei Männern nach Alkoholproblemen die zweithäufigste psychische Störung dar (2).
Angst ist einerseits ein hilfreiches, ja lebenswichtiges Gefühl, das uns auf drohende Gefahren aufmerksam macht und uns zu Höchstleistungen anspornen kann. Angst kann andererseits jedoch ihre Schutzfunktion verlieren und sich in eine quälende, den Menschen völlig beherrschende, unbezwingbare Panik verwandeln, die das Leben der Betroffenen zur Hölle werden lässt.
Wenngleich das Krankheitsbild der Panikstörung heutzutage einer breiteren Öffentlichkeit besser bekannt sein dürfte, so wissen trotzdem immer noch zahllose Menschen, die unter Ängsten leiden, nicht, dass es überhaupt Hilfe für ihr Problem gibt. Das ist besonders tragisch, wenn man bedenkt, dass sich Angststörungen im Gegensatz zu vielen anderen psychischen Leiden mittlerweile sehr erfolgreich behandeln lassen, sofern sie frühzeitig erkannt und mit den richtigen Methoden therapiert werden.
Da ich vor 20 Jahren selbst an Panikattacken erkrankte und einen von viel Verzweiflung und vielen Irrwegen begleiteten Leidensweg durchlaufen musste, war es mir ein persönliches Anliegen, mich intensiv mit dem Krankheitsbild der Panikstörung mit Agoraphobie auseinander zu setzen und dabei auch immer wieder eigene Erfahrungen und eigenes Erleben mit einfließen zu lassen. Ich hatte damals in den 80-ger Jahren bedauerlicherweise noch nie etwas von dieser Erkrankung gehört. Auch die von mir zahlreich konsultierten Ärzte scheinen sie nicht gekannt zu haben, denn sie stellten allenfalls Verlegenheitsdiagnosen, so dass ich den quälenden Symptomen jahrelang hilflos ausgeliefert war. Deswegen ist es mir wichtig, die Panikstörung umfassend zu untersuchen und die gewonnenen Erkenntnisse weiter zu geben, denn vor allem das Wissen nimmt der Erkrankung ihre Macht und kann einen möglichen „Sturz aus dem Leben“ verhindern.
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es also, eingehend und fundiert über das Krankheitsbild und die Behandlungsmöglichkeiten der Panikstörung mit Agoraphobie zu informieren. Zunächst wird ein allgemeiner Überblick über das Wesen der Angst an sich vermittelt. Anschließend werden die Übergänge von gesunder zu krankhafter Angst dargelegt und die zu den Angststörungen gehörenden Erkrankungen aus Gründen der besseren Abgrenzung zur Panikstörung kurz vorgestellt. Als Schwerpunkt der Arbeit schließt sich eine ausführliche Beschreibung und Darlegung der Panikstörung mit Agoraphobie an, wobei insbesondere die typischen Kennzeichen, Auslöser und Ursachen dargestellt sowie effiziente Behandlungsmöglichkeiten beschrieben und kommentiert werden.
I. Das Wesen der Angst
1. Was ist Angst und worin besteht ihr Sinn?
Angst ist zunächst einmal ein ganz „normales“ menschliches Gefühl, genauso wie z.B. Liebe, Freude, Wut oder Traurigkeit (1), wobei die Angst wahrscheinlich „das grundlegendste unserer Gefühle“ (2) ist. Die Fähigkeit, Angst zu empfinden, ist dem Menschen angeboren und gehört somit zu seinen natürlichen Dispositionen. Angst ist daher ein Gefühl, das jedem Menschen vertraut ist, auch wenn wir es am liebsten aus unserem Alltag verbannen würden, weil es in aller Regel als ein unangenehm empfundenes Gefühl von Bedrohung beschrieben werden kann. Angst ergreift immer den gesamten Menschen, denn sie belastet Seele und Körper gleichermaßen. Wenn wir „richtig“ Angst haben, fühlen wir uns sehr unbehaglich, Herzklopfen, feuchte Hände, Zittern usw. stellen sich ein und wir verlieren, zumindest für einen Moment, unsere gewohnte Sicherheit (3). Wir fühlen uns nicht mehr getragen, sondern unsicher und existentiell bedroht. Angst ist jedoch mehr als ein unliebsames Gefühl, sie ist vor allem „eine für das individuelle Überleben notwendige biologische Mitgift, vergleichbar der Schmerzreaktion“ (4). Während Schmerz uns vor Schädigungen des eigenen Organismus warnt, greift Angst über das Individuum hinaus und richtet sich auf Gefahren aus der Außenwelt. Angst bewahrt uns als „universelles Warnsystem und Fluchtsignal“ (5) davor, dass wir uns in lebensgefährliche Situationen begeben, sie veranlasst uns darüber hinaus zu lernen, mit Risiken umzugehen und uns für das richtige Verhalten zu entscheiden (6). Immer „wenn Ereignisse und Situationen als bedrohlich, ungewiss und unkontrollierbar eingeschätzt werden“ (7), nimmt Angst von uns Besitz und bewirkt eine automatische Alarmreaktion des Körpers, um ihn blitzschnell auf Kampf oder Flucht vorzubereiten. „Wissenschaftlich wird die plötzliche oder kurz andauernde Angst daher auch als ‚Kampf-Fluchtreaktion‘ bezeichnet“ (8). Diese unbewusste Alarmreaktion schützt uns, weil sie uns zuverlässig und schnell warnt, schneller als wir denken können. Das muss auch so sein, denn in Gefahrensituationen ist es dringend erforderlich, unverzüglich zu reagieren, z.B. flugs zur Seite zu springen, wenn ein Auto auf uns zufährt oder auf der Stelle wegzurennen, wenn ein zähnefletschender Hund sich nähert. Ohne Angst hätte die Menschheit sicherlich nicht überlebt, denn sie bietet Überlebensschutz seit Millionen von Jahren (9). Völlige Angstfreiheit kann also keineswegs ein erstrebenswertes Ziel sein.
Angst hilft uns jedoch nicht nur mit der notwendigen Aufmerksamkeit und Handlungsbereitschaft adäquat auf drohende Gefahren zu reagieren, sondern sie kann auch ein Motor sein, um unsere Leistungsfähigkeit zu fördern. Bereits Anfang des 20.Jahrhunderts fanden der amerikanische Psychologe Robert M. Yerkes und sein Student John D. Dodson heraus, „dass ein Zuviel an Angst bestimmte Leistungen verschlechtert, während mittelgradige Angst die Menschen zu Bestleistungen antreiben kann.“ (10). Ein richtig dosierter Angstlevel kann unsere Wachheit, Aufmerksamkeit, intellektuelle und motorische Leistungsbereitschaft in Prüfungssituationen oder bei anderen persönlichen Herausforderungen aufs höchste steigern, er kann die treibende Kraft sein, die uns zu schöpferischem Handeln anregt und unsere Phantasie und Kreativität steigert (11). Balint hat diese ängstliche Spannung, die unsere Konzentration erhöht und durchaus noch als lustvoll erlebt wird, als „Angstlust“ bezeichnet (12). Man denke dabei an das Lampenfieber, wenn Menschen eine wichtige Prüfung absolvieren müssen oder vor einem großen Publikum eine Rede halten sollen. Aber auch talentierte und anerkannte Schauspieler, Politiker, Maler, Schriftsteller, Sportler, Komponisten oder Wissenschaftler schöpfen nicht selten aus ihrer zumeist unterschwelligen Angst vor dem Versagen, vor dem Abgewertetwerden, vor der Mittelmäßigkeit die enorme Energie, die zum Erreichen ihrer großartigen Leistungen vonnöten ist.
Somit erfüllt Angst als eine eher unerwünschte Grundbefindlichkeit des menschlichen Seins zwei ganz wesentliche Funktionen: sie schützt uns und vermag uns zu großen Leistungen anzuspornen.
2. Körperliche Veränderungen während der Angstreaktion
Unser Gehirn umfasst zwei Teilbereiche: Das „uralte“ Gehirn (das limbische bzw. emotionale Gehirn, das unsere Emotionen steuert) und das „neue“ Gehirn (der „Neokortex“, der für Sprache und Denken zuständig ist), das sich erst im Verlauf von Jahrmillionen der Evolution um diesen uralten Stamm herum gebildet hat. Paul Broca, der große französische Neurologe des 19. Jahrhunderts, beschrieb dieses „uralte Gehirn“, das als ein Gehirn tief im Innern unseres eigentlichen Gehirns zu verstehen ist, als erster und gab ihm auch den Namen „limbisches Gehirn“. (13). „Die so genannten limbischen Bereiche sind bei allen Säugetieren gleich und bestehen aus Nervengewebe, das sich von dem der für Sprache und Denken verantwortlichen Hirnrinde unterscheidet. Das limbische System ist für Gefühle und Überlebensreaktionen zuständig. Ganz zuunterst befindet sich der ‚Mandelkern‘, die Amygdala, von der alle Angstreaktionen ausgehen “ (14).
Das Gefühl der Angst kommt dann zustande, wenn ein durch die Sinnesorgane an das Gehirn weitergeleiteter Reiz als angstbesetzt eingestuft wird. Für diese Bewertung sind die limbischen Strukturen (insbesondere die Amygdala) verantwortlich, die diese Wertungen aufgrund angeborener, aber auch erlernter Programme bzw. gespeicherter Erfahrungen vornehmen. Sie entscheiden sich daraufhin in Bruchteilen von Sekunden für die passenden Reaktionen. Das Gehirn schlägt Alarm noch ehe uns die Gefahr bewusst wird und gibt die notwendigen Befehle an den Hypothalamus weiter, der sofort alle vegetativen und hormonellen Anpassungen im Körper einleitet und steuert. „Zum einen werden hier Stresshormone ausgeschüttet, zum anderen wird das sympathische Nervensystem aktiviert“ (15), was zu einer Reihe von automatischen körperlichen Veränderungen führt. So befiehlt der Hypothalamus den Nebennieren, die Hormone Adrenalin und Noradrenalin auszuschütten. Während Adrenalin für die Erhöhung der Muskeldurchblutung und -spannung, die Steigerung des Blutdrucks, die Beschleunigung des Atems und Pulses sowie die Erhöhung des Stoffwechsels sorgt, kontrolliert und reguliert Noradrenalin diese Aktivierung und bringt den Körper dazu, alle anderen Aktivitäten zu vermindern, um einen unnötigen Energieverbrauch zu verhindern. Des Weiteren sorgen beide Botenstoffe dafür, dass der aktiveren Muskulatur genügend Brennstoffe zur Verfügung stehen, damit sie optimal arbeiten kann. Darüber hinaus schüttet der Hypothalamus das Hormon „Corticotropin Releasing Hormone“ (CRH) aus, welches die Hirnanhangdrüse aktiviert. Diese Drüse, die auch Hypophyse genannt wird, setzt das Stresshormon „Adrenocorticotropes Hormon“ (ACTH) frei, was zu einer Aktivierung der Nebenniere und damit zur Ausschüttung von Cortisol führt. Cortisol hat im Wesentlichen drei wichtige Aufgaben: „Erstens soll es die Bereitstellung von Energie für den Körper in Form von Zucker gewährleisten. Zweitens dämpft es das Immunsystem, woraus eine Entzündungshemmung resultiert. Drittens steigert es die Wirkung der anderen Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin, die aus dem Nebennierenmark ausgeschüttet werden“ (16).
Bei Angst aktiviert der gesamte Körper auf diese Weise in Sekundenbruchteilen alle seine Kräfte und bündelt sie zu einer erfolgreichen Abwehr, die entweder durch einen blitzschnellen Angriff oder aber durch die Flucht erfolgen kann. Unter dem uns allen bekannten Begriff „Schrecksekunde“ ist genau diese kurze Zeitspanne gemeint, die das Gehirn braucht, um eine Gefahr zu identifizieren und den Körper für eine erfolgreiche Reaktion zu mobilisieren. Der Mensch reagiert im Grunde wie ein primitives Tier, das gar nicht über den Verstand verfügt, eine Gefahrensituation angemessen zu beurteilen, sondern immer auf Autopilot geschaltet hat. Dieser automatische Ablauf im menschlichen Körper auf eine angstvoll erlebte Situation ist dabei immer gleich, unabhängig davon, ob die erlebte Gefahr real und objektiv vorhanden ist oder ob es sich um eine unnötige, falsche und vollkommen übersteigerte Angst handelt wie das z.B. bei der Panikstörung der Fall ist (17).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
3. Die drei Ebenen des Angsterlebens
Angst ist ein kompliziertes Zusammenspiel, das aus einer Kombination von drei Komponenten besteht: einem körperlichen, einem kognitiven (Gedanken und Gefühle) und einem Verhaltensanteil. Wenngleich diese Anteile in der Regel zusammenhängen, so müssen sie dennoch nicht immer gleichzeitig oder gleich intensiv auftreten. So nehmen manche Menschen eher die körperlichen Anteile der Angst wahr, während bei anderen eher die kognitiven oder Verhaltensanteile im Vordergrund stehen. Alle drei spielen jedoch eine Rolle sowohl bei der Entstehung als auch bei der Aufrechterhaltung von Angst. Sie sollen im Folgenden kurz beschrieben werden (18):
Körperlicher Anteil: Bei Angst steigt die Erregung des sympathischen Nervensystems, welches ein Teil des „autonomen Nervensystems“ ist, stark an, was zu einer Adrenalinausschüttung mit massiver Körpersymptomatik führt. Das autonome Nervensystem kontrolliert alle körperlichen Vorgänge, die wir kaum willentlich beeinflussen können und die weitgehend automatisch ablaufen, wie z.B. das Herz-Kreislauf-System, die Atmung oder das Magen-Darm-System. Wird der sympathische Teil des autonomen Nervensystems nun aktiviert, kommt es zu einer Erhöhung der Aktivitäten in allen Systemen, die für eine Reaktion auf eine Bedrohung notwendig sind. Angst geschieht also nicht nur im Kopf, sondern sie bewirkt deutliche, objektiv messbare physiologische Veränderungen, die sich im Anspannen der Muskeln, in Herzrasen und in Veränderungen des Blutdrucks, des Hautwiderstands und der Gehirnwellen äußern.
Kognitiver Anteil (Gedanken und Gefühle): Dieser Teil betrifft unsere Gedanken, Überzeugungen, Erwartungen, Bewertungen usw. Angst besteht auch aus rein gedanklichen Prozessen, in denen subjektive Denkmuster wie Befürchtungen, Gefühle der Hilflosigkeit oder des Ausgeliefertseins die Angst massiv verstärken können. Es ist die Art, wie wir über die Dinge denken, die unsere Stimmung, unsere Gefühle und unser Verhalten beeinflusst. Durch die Überbewertung körperlicher Symptome, die übermäßige Konzentration auf negative Faktoren oder auch dem zwanghaften Verharren in Bedrohungserwartungen beeinflussen Angstpatienten immer wieder ihre Gedanken und fördern auf diese Weise Angstzustände.
Verhaltensanteil: Angst kann das Verhalten von Menschen in unterschiedlicher Art und Weise beeinträchtigen und zeigt sich in bestimmten beobachtbaren Verhaltensweisen wie z.B. Starrwerden vor Schreck, Zittern oder Beben, Fluchtreaktionen, Vermeidung von angstmachenden Situationen, hilfesuchendem oder panikartigem Verhalten.
II. Wenn Angst zur Krankheit wird
1. Gesunde Angst kann sich in krankhafte verwandeln
Leider kann sich die gesunde, sinnvolle Angst manchmal in eine übertriebene, zerstörende Panik verwandeln, die uns nicht mehr schützt bzw. fördert, sondern nur noch hemmt und einengt. Im Unterschied zur notwendigen und angemessenen Angst, handelt es sich bei der krankhaften um eine eskalierte, verselbständigte Angst, die ihrem eigentlichen Sinn der Entscheidungsfindung und der Entwicklung von Bewältigungsstrategien im Wege steht (1). Die Übergänge zwischen noch gesunder und schon krankhafter Angst können dabei fließend sein. Wer etwa vor der Abiturprüfung vor Angst schwitzt und zittert, wer beim Blick von hohen Aussichtsplattformen jedes Mal von starken Schwindelgefühlen heimgesucht wird oder wer beim Anblick einer Wespe schreiend das Weite sucht, hat sicherlich noch keine behandlungsbedürftige Angsterkrankung. Diese Menschen können in der Regel die Anforderungen ihres Alltags gut bewältigen und erleben allenfalls kleine Begrenzungen bzw. Erschwernisse innerhalb ihrer Lebensmöglichkeiten. Doch wenn Menschen vor lauter Angst ihren täglichen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen können, wenn sie schon morgens von unerklärlichem Herzrasen und bedrohlichen Panikgefühlen überfallen werden und nur noch unter Aufbietung all ihrer Kräfte das Haus verlassen können, dann sind sie mit Sicherheit schwer krank und brauchen professionelle Hilfe (2). Bei diesen Menschen hat sich die ehemals „fürsorgliche Gefährtin“ in eine „blindwütige Feindin“ (3) verwandelt, die sie schonungslos zu vernichten droht. Wie ein Despot bestimmt und beherrscht die Angst das Leben der Betroffenen und raubt ihnen ihr Selbstvertrauen, ihre Sicherheit und vor allem ihre Willenskraft, denn auch der stärkste Wille kann gegen eine solche Angst nichts mehr ausrichten. Krankhafte Angst beeinträchtigt in hohem Maße die soziale und berufliche Funktionsfähigkeit der Betroffenen und löst dadurch einen starken individuellen Leidensdruck aus. Sie hat dabei wenig mit realen Gefahren, alltäglichen Sorgen und Befürchtungen, die uns alle bedrohen bzw. belasten, zu tun, wie beispielsweise terroristische Angriffe, Verlust des Arbeitsplatzes, Unfälle, Krankheiten oder Partnerschaftskonflikte, sondern sie bezieht sich auf Dinge, Situationen und Vorgänge, vor denen man normalerweise keine Angst haben muss (4). Krankhafte Angst unterscheidet sich also von gesunder im wesentlichen durch ihre „Intensität, Dauer und ‚Unangemessenheit‘ zum situativen Kontext“ (5), d.h. „Angst wird zur Krankheit, wenn sie auffallend stark oder lang anhaltend ist, wenn sie ohne Bedrohung auftritt und wenn sie subjektiv unerträglich wird und dadurch das Leben stark einschränkt“ (6). Darüber hinaus ist krankhafte Angst von bedrohlichen Körpersymptomen begleitet, kann hinsichtlich ihres Auftretens nicht kontrolliert werden, führt zu Vermeidung und Rückzug und ist mit belastenden Erwartungsängsten verbunden (7).
Menschen, die unter krankhafter Angst leiden, sind jedoch nicht grundsätzlich ängstlicher als andere Menschen, d.h. sie haben vor tatsächlichen Gefahren nicht unbedingt mehr Angst als andere (8). Als Betroffene kann ich diese Aussage bestätigen. Während ich beispielsweise übermächtige Angst hatte ins Schwimmbad, in den Supermarkt oder auf eine Feier zu gehen, hatte ich all die Jahre überhaupt keine Angst bei Glatteis Auto zu fahren oder mit den Skiern steile Hänge hinunterzusausen.
2. Beschreibung der wichtigsten Angststörungen
Angsterkrankungen nehmen hierzulande immer mehr zu. „Mittlerweile leiden 15-25 Prozent der Menschen im Laufe ihres Lebens unter krankhaften Ängsten. Nach neuen Studien sind gegenwärtig 9 Prozent aller Deutschen von einer behandlungsbedürftigen Angststörung betroffen“ (9). „Damit nehmen Angsterkrankungen vor allen anderen psychischen Erkrankungen eine Spitzenstellung ein“ (10). Sie können jeden treffen, Frauen, Männer und auch Kinder, unabhängig von Herkunft, Ausbildung, Beruf und Kultur, denn in der Regel handelt es sich bei Angstpatienten um normale, geistig und körperlich gesunde Menschen (11). Frauen sind davon etwa doppelt so oft betroffen wie Männer, was sehr wahrscheinlich mit der traditionellen Rollenerwartung zusammenhängt. Während es in unserer Gesellschaft weitgehend als „normal“ gilt, wenn eine Frau Angst zeigt, wird ein ängstlicher Mann dagegen in der Regel als „Weichei“ verleumdet und verlacht. Von Männern wird ein unerschrockenes, selbstsicheres Auftreten erwartet, so dass sie verstärkt zum Verdrängen und Tabuisieren neigen. Infolgedessen haben heutzutage noch immer mehr Männer als Frauen Probleme damit, sich Schwächen einzugestehen und in einer persönlichen Krisensituation einen Therapeuten aufzusuchen. Sie entwickeln deshalb eher die Tendenz, belastende, massive Ängste mit Alkohol oder irgendeiner anderen Sucht zu betäuben (12).
Krankhafte Angst kann sehr viele Gesichter haben und sich in unterschiedlichen Facetten zeigen. Manche Menschen fürchten sich nur vor einzelnen Dingen oder Situationen (z.B. Spinnen, Prüfungen), bei anderen treten Ängste ganz plötzlich und unvermutet wie „aus heiterem Himmel“ auf, manche fürchten sich davor, im Mittelpunkt zu stehen und sich zu blamieren, während andere aus Angst vor einer Ansteckung mit Bakterien ihre Wohnung kaum noch verlassen, manche entwickeln eine unkontrollierbare Furcht vor Erbrechen oder vor Höhen, andere wiederum haben Angst vor Krankheit, Dunkelheit, vor anderen Menschen oder vor sich selbst (13).
Die verschiedenen Angststörungen unterscheiden sich vor allem darin, wovor und in welchen Situationen Menschen Angst haben. Im DSM-VI (International anerkanntes Handbuch für Diagnose und Statistik aller psychischen Erkrankungen) sind die wichtigsten Angststörungen und deren diagnostische Kriterien aufgeführt, zu den am häufigsten vorkommenden gehören (14):
- die Panikstörung
- die Agoraphobie ohne Panikstörung
- die soziale Phobie
- die spezifische Phobie
- die generalisierte Angststörung
- die posttraumatische Belastungsstörung
- die Zwangsstörung
Darüber hinaus führt das DSM-VI auch noch akute Stresssyndrome, Angststörungen aufgrund eines medizinischen Zustands und substanzinduzierte Störungen als Angststörungen auf. Auf diese Störungen soll jedoch aus Platzgründen hier nicht näher eingegangen werden (15).
Um eine Abgrenzung zur Panikstörung mit Agoraphobie, die in einem gesonderten Kapitel ausführlich behandelt wird, zu ermöglichen, sollen die anderen oben genannten Angststörungen hier kurz beschrieben werden.
2.1. Die Agoraphobie ohne Panikstörung
Die an Agoraphobie (Angst vor öffentlichen Plätzen, engen Räumen, Menschenansammlungen) leidenden Menschen haben insbesondere Angst vor Orten oder Situationen, in denen eine Flucht schwierig oder peinlich sein könnte und wo keine direkte Hilfe zu erwarten ist. Diese Situationen werden deshalb von allen Agoraphobikern weitgehend vermieden oder nur in Begleitung vertrauter Menschen, mit Hilfe von Beruhigungsmitteln oder anderen Hilfsmitteln aufgesucht, denn die Betroffenen befürchten, dass sie in den phobischen Situationen z.B. ohnmächtig werden oder die Kontrolle über die Magen-Darmtätigkeit verlieren könnten (16).
Als Auslöser für eine Agoraphobie ohne Panikstörung gelten jedoch nicht Panikattacken, sondern bei dieser Form der Erkrankung sind ursächlich körperliche Symptome wie Schwindel, Ohnmachtsangst, plötzlicher Harn- oder Stuhldrang oder allgemeine Schwächegefühle für das ängstliche Vermeidungsverhalten verantwortlich (17). Bei den Agoraphobikern, die in den angstauslösenden Situationen keine Panikattacken aufweisen bzw. keine Angst vor dem Auftreten einer plötzlichen Panikattacke haben, handelt es sich allerdings nur um eine kleine Gruppe (18).
Christine Brasch und Inga-Maria Richberg stellen sogar in ihrem Buch „Die Angst aus heiterem Himmel“ die Möglichkeit einer Agoraphobie ohne Panikattacken gänzlich in Frage. Sie gehen vielmehr davon aus, dass jede Agoraphobie mit mehr oder weniger stark ausgeprägten Panikattacken beginnt, denn „verschiedene Angstforscher haben in den letzten Jahren herausgefunden, dass Patienten, die zum Teil seit Jahren, ja sogar seit Jahrzehnten an einer Agoraphobie litten, zuvor Panikattacken gehabt hatten. Sie konnten sich jedoch entweder überhaupt nicht mehr daran erinnern, oder sie hielten sie für unbedeutend“ (19). Diese These scheint mir einleuchtend, denn ich kann aus eigenem Erleben bestätigen, dass bei mir zuerst die Panikattacken auftraten, die, gefolgt von der „Angst vor der Angst“ sehr schnell zu einer Agoraphobie führten. Irgendwann im Laufe zahlreicher Therapien lösten sich die Panikattacken zwar weitgehend auf, dennoch leide ich bereits seit vielen Jahren an einer Agoraphobie mit der Angst, in den bedrohlichen Situationen ohnmächtig zu werden. Viele Forscher gingen nach dem Stand ihrer damaligen Untersuchungen deswegen davon aus, dass diese dritte Gruppe Agoraphobie ohne Panikattacken bei der nächsten Änderung der Klassifikation wegfallen würde, was jedoch nicht geschah (20).
2.2. Die soziale Phobie
Die soziale Phobie tritt unter den Angsterkrankungen am häufigsten auf (21). Charakteristisch für Menschen, die an dieser Störung leiden, sind ihre extreme Unsicherheits- und Minderwertigkeitsgefühle, sowie ihre übermäßige Angst vor einer negativen Beurteilung durch andere. „Eine Sozialphobie besteht im wesentlichen aus einer Beurteilungsangst“ (22). Im Vordergrund stehen deswegen eine dauerhafte, unangemessene Angst und Vermeidung von sozialen oder Leistungssituationen, bei denen man im Zentrum der allgemeinen Aufmerksamkeit stehen und sich lächerlich oder peinlich verhalten, versagen oder durch ungeschicktes Verhalten gedemütigt werden könnte (23). Die Betroffenen haben ständig das Gefühl, von anderen Menschen beobachtet und für dumm, ungeschickt, langweilig, unattraktiv oder unbeholfen gehalten zu werden (24). Infolgedessen jagen die Mitmenschen einem Sozialphobiker immense Angst ein, sie mutieren zu „feindlichen Zensoren“. Dies hat zur Folge, dass die Betroffenen große Angst haben, in der Öffentlichkeit vor bzw. mit anderen Menschen zu sprechen und es im Extremfall sogar vermeiden, in der Gesellschaft ihrer Mitmenschen zu essen, zu trinken oder zu schreiben. In der nonverbalen Kommunikation offenbart sich ihre Unsicherheit vor allem durch mangelnden Blickkontakt, Zittern, Schwitzen und Erröten (25).
Sozialphobien können nach dem Ausmaß der sozialen Ängste in eine spezifische und eine generalisierte Sozialphobie unterteilt werden. Bei der spezifischen Sozialphobie, die im allgemeinen im sechzehnten oder siebzehnten Lebensjahr beginnt, treten die Ängste nur in Situationen auf, in denen eine Leistung im weitesten Sinn zu erbringen ist wie z.B. Prüfungen, Vorträge, öffentliches Sprechen oder sportliche Betätigung. Die Beeinträchtigungen zeigen sich vorwiegend im schulischen und beruflichen Bereich. In der Schule führt die extreme Versagensangst zu Passivität im Unterricht, der Entwicklung von Prüfungsangst und manchmal auch zum vorzeitigen Abbruch. Im Beruf, sofern diese Menschen überhaupt eine Stelle gefunden haben, verhindert die Versagensangst jegliche Aufstiegschancen. Bei der generalisierten Sozialphobie, die durchschnittlich vor dem 15. Lebensjahr beginnt, weiten sich die Ängste auf eine Vielzahl sozialer Situationen und zwischenmenschlicher Aktivitäten aus (z.B. Personen des anderen Geschlechts ansprechen, Teilnahme an Gruppenaktivitäten wie Partys, Feiern, Verabredungen, Treffen, Geschäftsessen, Gespräche mit Arbeitskollegen oder Fremden usw.), so dass sich im Laufe der Zeit schwere Beeinträchtigungen in vielen Lebensbereichen entwickeln können (26).
Die in den phobischen Situationen auftretenden Ängste äußern sich vor allem in körperlichen Symptomen wie Herzrasen, Herzklopfen, Zittern, Schwitzen, Erröten, Harn- oder Stuhldrang sowie Übelkeit mit Brechreizneigung, sie können sich dabei bis zu einer Panikattacke steigern (27). Wann immer die Konfrontation mit einer Angst auslösenden Situation bevorsteht, stellen sich bei den Betroffenen massive Erwartungsängste ein, die im Laufe der Zeit zur Vermeidung von immer mehr Situationen führen, in denen man mit anderen Menschen zusammentreffen könnte (28). Der damit einhergehende stärker werdende Rückzug endet nicht selten in der völligen sozialen Isolation. Insbesondere durch ihre unzureichende Kontaktfähigkeit, ihre mangelnden sozialen Fertigkeiten und ihre Selbstunsicherheit haben diese Menschen kaum Freunde, selten einen Ehepartner und bleiben deshalb meistens an ihre Herkunftsfamilie fixiert. Unbehandelt kann sich die soziale Phobie „zur ,Einstiegsstörung‘ in schwerere psychische Störungen (Alkohol- und Medikamentenmissbrauch, Depressionen, schwere Angststörungen) entwickeln“ (29). „Personen mit Sozialphobie begehen dreizehn mal häufiger Suizidversuche als der Bevölkerungsdurchschnitt“ (30).
Wenngleich Sozialphobiker sich vor denselben Situationen fürchten können wie Agoraphobiker auch, so ist ihre Angst dennoch ganz anders begründet. Während für einen Sozialphopbiker z.B. in einer Menschenansammlung die zentrale Befürchtung darin besteht, von den Anwesenden beobachtet und negativ bewertet zu werden, besteht die primäre Angst des Agoraphobikers darin, die Situation womöglich nicht rechtzeitig verlassen und keine Hilfe erhalten zu können.
2.3. Die spezifische Phobie
Das Hauptmerkmal der spezifischen Phobie ist eine dauerhafte, irrationale und übertriebene Angst vor harmlosen oder wenig gefährlichen Objekten oder Situationen und eine deutliche Vermeidung derselben (31). Es handelt sich dabei um eine eng umschriebene Angst vor Reizen außerhalb des eigenen Körpers, wobei fast jeder externe Reiz zum Auslöser einer Phobie werden kann. Die Symptome sind auf das gefürchtete Objekt oder die gefürchtete Situation beschränkt, das heißt, es liegt weder eine Agoraphobie noch eine soziale Phobie vor (32). Spezifische Phobien können gemeinsam mit situationsgebundenen oder situationsbegünstigten Panikattacken auftreten, die das Ausmaß der Phobie anzeigen. Entsprechend den Furcht auslösenden Reizen lassen sich die folgenden 5 Phobietypen unterscheiden (33):
- Tier- Typ (z.B. Schlangen, Spinnen, Mäuse, Ratten, Hunde)
- Naturgewalten-Typ (z.B. Gewitter, Hitze, Wasser, Feuer)
- Blut-Injektion-Verletzungstyp (z.B. Blut, Spritzen, Infusionen, Verletzungen)
- Situativer Typ (z.B. öffentliche Verkehrsmittel, Tunnel, Brücken, Fahrstühle)
- Andere Typen (Hierbei handelt es sich um Auslöser, die den anderen Kategorien nicht zugeordnet werden können, wie z.B. Wasserlassen und Stuhlgang auf öffentlichen Toiletten, Lärm oder Geräusche).
Zusammenfassend kann man sagen, dass die Ängste der Betroffenen sich vorwiegend auf die Gegebenheiten der Natur beziehen: Angst vor Tieren, Insekten, Dunkelheit, tiefem Wasser, Höhen, Gewitter oder dem eigenen Blut (34). Das ist auch nicht weiter verwunderlich, denn uns allen hat die Evolution ein biologisches Verhaltensprogramm eingebaut, das uns bestimmte Tiere und Situationen noch immer mit Vorsicht und Unbehagen begegnen lässt. Die Spinnenphobie tritt dabei am häufigsten auf, weit verbreitet ist aber auch die Angst vor Hunden und Katzen (35).
Die meisten spezifischen Phobien haben ihre Wurzel in der Kindheit, aber auch dramatische Erlebnisse im Laufe des Lebens (z.B. Hundebiss, Autounfall, Beinaheabsturz, Busentführung) können als Auslöser fungieren (36).
Obwohl die betroffenen Menschen ganz klar erkennen, dass ihre Ängste übertrieben bzw. unbegründet sind, entwickeln sie dennoch starke, von massiven Körpersymptomen begleitete, Angstreaktionen bei der Konfrontation mit den phobischen Objekten bzw. Situationen. Charles Darwin, der an einer Schlangenphobie litt, hat die Diskrepanz der Angstintensität zur vermeintlichen Bedrohung seinerzeit treffend auf den Punkt gebracht: „Mein Wille und mein Verstand waren kraftlos gegen die Einbildung einer Gefahr, welche niemals direkt erfahren worden war“ (37). Mit anderen Worten, die unangemessene Angst, die sich bis zur Panikattacke steigern kann, lässt sich durch die nüchterne Ratio nicht kontrollieren.
Leichte spezifische Phobien sind sehr verbreitet, so dass man davon ausgehen kann, dass fast jeder Mensch ein oder zwei Phobien hat. Die meisten Menschen können mit diesen Ängsten jedoch ganz gut leben, weil die angstauslösenden Reize nur selten auftreten oder keine panikartigen Reaktionen bewirken. So kann z.B. der Flugzeugphobiker auf andere Transportmittel ausweichen, der Schlangenphobiker Zoobesuche meiden oder der Katzenphobiker einen Bogen um jede Katze machen. Aus diesem Grund begeben sich auch nur wenig Betroffene in therapeutische Behandlung, eine Ausnahme bildet lediglich die Blut- und Verletzungsphobie (38).
„Krankhafte, behindernde Phobien sind dagegen relativ selten“ (39). Sie treten häufig nicht als isoliertes Krankheitsbild, sondern zusammen mit anderen Angstformen, Phobien und psychiatrischen Störungen auf (40). Dennoch kann eine spezifische Phobie auch als isoliertes Symptom manchmal beachtliche Ausmaße annehmen (41). Wenn sich aus einem ursprünglichen Unbehagen oder leichten Ekel eine zeitaufwändige und nervenaufreibende Vermeidungsstrategie entwickelt, dann handelt es sich um eine schwere spezifische Phobie mit Krankheitscharakter, die die normale Lebensführung der Betroffenen stark beeinträchtigt und ausgeprägtes Leid verursacht. Hat jemand z.B. eine so große Angst vor Spinnen, dass er tagtäglich sämtliche Zimmer der Wohnung nach Spinnen absuchen muss, den Gang in den Keller meidet und sich im Sommer kaum noch traut, nach draußen zu gehen, so leidet seine Lebensqualität mit Sicherheit in hohem Maße.
2.4. Die generalisierte Angststörung
Die generalisierte Angststörung ist insbesondere dadurch charakterisiert, dass die Betroffenen unter dauerhaften, unrealistischen und übertriebenen Ängsten, Sorgen und Befürchtungen in Bezug auf vielfältige Aspekte des Lebens leiden, d.h. die Angst ist nicht auf bestimmte Situationen beschränkt, sondern frei flottierend, daher auch der Name „generalisierte Angststörung“ (42). Da es ganz typisch für diese Störung ist, dass sich die Betroffenen unaufhörlich exzessive Sorgen machen und stets befürchten, dass immer das absolut Schlimmste eintreffen wird, könnte man diese Erkrankung auch als „Sorgenkrankheit“ (43) bezeichnen. Die generalisierte Angststörung beginnt im Gegensatz zur Panikstörung langsamer, die Symptome zeigen sich am Anfang meist recht abgeschwächt und prägen sich erst im Laufe der Zeit immer stärker aus (44). Auch tritt die Angst nicht in Form von plötzlichen, kurzfristigen Panikattacken auf, sondern mehr oder weniger als Dauerzustand, wobei allerdings die Angstintensität geringer ist (45). Für eine zuverlässige Diagnose müssen die Ängste, begleitet von 6 typischen Symptomen für die Dauer von mindestens 6 Monaten vorhanden sein, ohne dass die Betroffenen sie kontrollieren oder abstellen können, obwohl sie wissen, dass sie unbegründet sind (46).
Eine generalisierte Angststörung entsteht oftmals im Zusammenhang mit Stress, Lebenskrisen, Überforderung, negativen Lebenserfahrungen und körperlichen Erkrankungen, auch Veranlagung und negative Denkmuster können Auslöser bzw. Ursache sein. Die Ängste und Sorgen betreffen in der Regel mehrere Lebensbereiche, beziehen sich jedoch hauptsächlich auf das Wohlergehen der Familie und naher Verwandter, auf die Arbeit, die Finanzen und die Gesundheit. So macht sich eine an dieser Störung erkrankte Person beispielsweise den ganzen Tag Sorgen darüber, ob vielleicht dem Ehemann auf dem Weg zur Arbeit, den Kindern in der Schule oder nahen Verwandten etwas zugestoßen sein könnte, obwohl im Grunde kein Anlass dazu besteht. Im Hinblick auf die Inhalte der Sorgen unterscheiden sich Menschen mit einer generalisierten Angststörung dabei nicht wesentlich von psychisch Gesunden, wohl aber hinsichtlich der Intensität und Zeitdauer der Befürchtungen (47).
Die anhaltenden und ständig wechselnden Sorgen bewirken einen permanent erhöhten Angstpegel, der eine motorische Anspannung und zahlreiche vegetative Symptome zur Folge hat. So treten im Zusammenhang mit der generalisierten Angststörung typische Symptome wie Herzrasen, Schweißausbrüche, Zittern, Luftnot, Beklemmungsgefühle, Schwindel, Brustschmerzen, Übelkeit, Hitzewallungen oder Frösteln, Mundtrockenheit oder Schluckbeschwerden auf. Der ständige Stress verbunden mit einer permanent erhöhten Anspannung kann weiterhin zu Spannungskopfschmerzen, chronischen Schmerzen und Schlafstörungen führen. Bei Menschen mit einer generalisierten Angststörung gehören Ruhelosigkeit und die Unfähigkeit, sich zu entspannen, erhöhte Wachsamkeit (Hyperviglianz), Nervosität und psychische Anspannung zum Alltag (48).
Da bei der generalisierten Angststörung wie bei der Panikstörung auch, insbesondere körperliche Symptome das Krankheitsbild bestimmen und die Beschwerden zudem den Symptomen einer Depression sehr ähnlich sind, ist es auch für Fachleute nicht immer leicht, diese Erkrankung eindeutig zu erkennen und richtig zu diagnostizieren. Die Patienten warten im Durchschnitt 7 Jahre nach Beginn der ersten Symptome, bis sie eine zuverlässige Diagnose erhalten (49). Zudem entwickelt der Großteil, der von einer generalisierten Angststörung Betroffenen im Laufe der Zeit tatsächlich als resignative Folgeerkrankung zusätzlich eine Depression. Außerdem suchen viele Betroffene aufgrund des hohen Leidensdrucks, den das ewige nicht endend wollende sich sorgen auslöst, Erleichterung und Entspannung durch den Genuss von Alkohol oder die Einnahme von abhängig machenden Medikamenten (50).
2.5. Die posttraumatische Belastungsstörung
Unter einem psychischen Trauma versteht man die Wirkung von einem extrem belastenden Erlebnis auf einen Menschen, das wegen seiner Intensität und/oder Plötzlichkeit nicht verarbeitet werden kann. Traumatische Ängste übersteigen bei weitem das Ausmaß und gewissermaßen auch die Grenzen unserer alltäglichen Ängste, aber wohl auch aller anderen klinischen Ängste. Es handelt sich dabei um Ängste, die in Situationen von außergewöhnlicher, exzessiver Belastung auftreten wie z.B. bei Naturkatastrophen (wie bei dem verheerenden Seebeben in Südostasien), dem Erleben von Gewalt (wie die Geißelnahme von Beslan), Krieg, Unfällen, Überfällen, Entführungen, Vergewaltigungen, sexuellem Missbrauch oder Folter, aber auch bei der Diagnose von lebensbedrohlichen Krankheiten wie z.B. Krebs oder Aids, dem plötzlichen Tod eines geliebten Menschen, der Schuld am Tod oder der schweren Verletzung eines anderen Menschen (51). Die meisten Menschen, die ein Trauma erleben, sind völlig überfordert und fallen in tiefe Verzweiflung, denn sie erleben eine Situation des vollständigen Kontrollverlustes im Angesicht einer äußeren, extrem bedrohlichen Gefahrensituation, aus der es kein Entrinnen mehr gibt, weder durch Kampf noch durch Flucht (52). Die normalen Selbstregulationsmechanismen der Psyche brechen bei derartigen außergewöhnlichen Belastungen vollständig zusammen, d.h. das Ich kann mit der Situation nicht mehr umgehen, ist völlig orientierungs- und hilflos, ohnmächtig und überwältigt von Gefühlen der Angst, Demütigung, Wut und Verzweiflung (53). David Servan-Schreiber spricht in diesem Zusammenhang von einem emotionalen Kurzschluss (54). Ein Trauma bewirkt einen tiefen Vertrauenseinbruch ins Leben, der das Selbst- und Weltverständnis radikal verändern kann.
Eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) kann sich als verzögerte Reaktion auf ein nicht verarbeitetes Trauma erst Wochen bis Monate, manchmal sogar erst Jahre später nach einem erlebten Trauma entwickeln (55). Es handelt sich dabei um eine schwere Angstkrankheit, der streng genommen keine pathologischen Ängste zugrunde liegen, sondern die sich vielmehr aus einer zunächst angemessenen und verständlichen Angst bei einer Überforderung der seelischen und körperlichen Anpassungsmechanismen entwickelt (56). Allerdings hängen die Entstehung und das Ausmaß einer PTBS nicht allein von dem erlebten Trauma ab, sondern auch von der Art und Weise wie der Betroffene subjektiv darauf reagiert bzw. das Erlebte verarbeiten kann (57). So hat z.B. mein Vater, der als junger Mann jahrelang unter ständiger Lebensgefahr an der russischen Front kämpfen und tagtäglich unvorstellbares Leid erleben musste, im Gegensatz zu vielen seiner Kameraden diese extrem belastenden Erlebnisse ohne die Entwicklung einer PTBS oder anderer psychischer Folgeschäden überstanden.
Eine PTBS ist insbesondere dadurch gekennzeichnet, dass im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der traumatischen Erfahrung eher „aktive Symptome“ im Vordergrund stehen, wie ängstliche Erregung, übertriebene Schreckhaftigkeit, Anspannung, Reizbarkeit, Wut, Panikanfälle und als wesentlichstes Merkmal das mit starker Angst verbundene, ungewollte Wiedererleben des Traumas in Form von Alpträumen oder quälenden, aufdringlichen Erinnerungen während des Tages. Im späteren Verlauf hingegen herrschen „passive Symptome“ wie eine resignative Grundhaltung, emotionale „Taubheit“ und der Verlust von Lebensfreude und Initiative vor. Die Betroffenen fühlen sich dem Leben nicht mehr zugehörig und ziehen sich mehr und mehr aus allen Lebensbereichen zurück (58). Ihre Reaktion auf Umweltreize reduziert sich, was zur Folge hat, dass sie mehr und mehr abstumpfen. Es kann sein, dass weder ihr Ehepartner bzw. ihre Familie, ihr Beruf noch irgendein anderer Lebensbereich sie noch zu berühren vermag. „Ein erst in jüngster Zeit gänzlich erkanntes, häufiges Symptom der PTBS ist das hohe Risiko für impulsive Selbsttötungen“ (59).
Eine PTBS führt jedoch nicht nur zu schweren seelischen Beeinträchtigungen, sondern auch zu Veränderungen der Hirnstrukturen. Durch traumatische Erlebnisse werden die Alarmsysteme des Gehirns (Amygdala, Hypothalamus, Hirnstamm) extrem aktiviert, was zu einer Veränderung der Tätigkeit von Genen in den genannten Gehirnzentren führt und Veränderungen in den neurobiologischen Strukturen erzeugt (60). Auch Strian beschreibt die PTBS als eine “schwere Krankheit, bei der Schrecken und Terror bis in die neuronalen Gehirnstrukturen hineinreichen und ein schwer löschbares ‚molekulares Angstgedächtnis‘ bilden“ (61). „Bei PTBS treten also aufgrund außergewöhnlicher Erlebnisse (Bedrohungswahrnehmungen) ähnliche bis identische Symptome auf, wie sie auch bei abnormer Aktivität im mediobasalen Schläfenlappen selbst vorkommen. Diese klinische Evidenz lässt wenig Zweifel daran, dass bei PTBS tatsächlich Änderungen ‚Festschreibungen‘, in den für Angst und Gedächtnis bedeutsamen Gehirnstrukturen erfolgen“ (62), so dass die PTBS als eine psychophysische Angstkrankheit zu verstehen ist.
Angesichts der Tatsache, dass etwa 25% der Bevölkerung irgendwann in ihrem Leben selbst ein traumatisches Erlebnis erleiden und knapp 8% dieser Menschen posttraumatische Stresssymptome entwickeln, ist die posttraumatische Belastungsstörung eine ernstzunehmende, weil nicht gerade selten vorkommende Erkrankung (63).
Unbehandelt nimmt diese Erkrankung oftmals einen chronischen Verlauf. Die Patienten erleben einen immensen Leidensdruck, da sich das traumatische Erlebnis wie ein dunkler, schwerer Schatten auf ihre Seele legt, ihre Empfindungen auszulöschen droht und sie in eine quälende Einsamkeit schlittern lässt. Depressionen, Alkohol oder Medikamentenabhängigkeit sind häufige Folgeerkrankungen. Da eine PTBS nicht nur schwerwiegende seelische, sondern auch neurobiologische Folgen nach sich ziehen kann, ist es von großer Bedeutung, dass sich die Betroffenen möglichst unverzüglich in eine psychotherapeutische Behandlung begeben, da diese nachweislich, sofern sie früh erfolgt, die seelischen und neurobiologischen Traumafolgen bessern oder ganz beheben kann (64).
2.6. Die Zwangsstörung
Unter einem Zwang versteht man Gedanken, Vorstellungen, Impulse und Handlungen, die sich einem Menschen gegen seinen Willen aufdrängen obwohl er sich vehement dagegen zu wehren versucht. Es ist als ob das Gehirn in einem bestimmten Gedanken oder Impuls stecken bleibt und nicht mehr loslassen kann (65). Zwänge sind uns allen bekannt. Wer hätte z.B. nicht schon einmal wiederholt nachsehen müssen, ob die Tür auch wirklich abgeschlossen ist. Der pathologische Charakter von Zwängen ergibt sich allerdings erst aus dem automatischen Handlungsablauf, der situativen Unangemessenheit, der Hartnäckigkeit, Intensität und Häufigkeit der krankhaften Zwangsphänomene und der damit verbundenen subjektiven Beeinträchtigung (66).
Bei Zwangsstörungen kann man zwei Gruppen unterscheiden, einerseits die Zwangsgedanken, -befürchtungen und -impulse, andererseits die Zwangshandlungen. Während die oftmals bedrohlichen oder aggressiven Inhalte der Zwangsgedanken die Betroffenen unmittelbar ängstigen, tritt die Angst im Zusammenhang mit den Zwangshandlungen erst beim Versuch, diese zu unterlassen, auf. Aufgrund dieser engen Beziehung zwischen Angst und Zwang, wird die Zwangsstörung auch in der neueren psychiatrischen Klassifikation den Angstkrankheiten zugeordnet (67).
Unter Zwangsgedanken versteht man aufdringliche Gedanken, bildhafte Vorstellungen und Impulse, die sich den betroffenen Menschen immer wieder aufdrängen, sie beherrschen, quälen und immens belasten. Da die Patienten diese Gedanken nicht kontrollieren können, fühlen sie sich ihnen ohnmächtig ausgeliefert, was massive Ängste in ihnen auslöst. Sie erleben die Inhalte der Zwangsgedanken als unannehmbar, abstoßend, moralisch verwerflich, unsinnig und wesensfremd. Dennoch sind sich die Betroffenen darüber im Klaren, dass diese Gedanken aus ihnen selbst kommen und nicht von außen eingegeben werden. Was den Inhalt der Zwangsgedanken betrifft, so handelt es sich häufig um aggressive, sexuelle, obszöne oder gotteslästerliche Themen (68). Zwangspatienten mit aggressiven oder autoaggressiven Vorstellungen und Impulsen wie z.B. jemandem sexuelle oder körperliche Gewalt anzutun, sich selbst oder andere vor ein Auto oder einen Zug zu werfen, befürchten, diese auch in die Tat umsetzen zu müssen . Dies kommt aber praktisch nie vor, so dass man einen Zwangstäter auch als einen untätigen Täter bezeichnen kann (69).
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- Quote paper
- Hiltrud Wieland (Author), 2006, Panikstörung und Agoraphobie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89460
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