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Die Satire liegt der Komik sehr nahe, enthält Elemente des Komischen bzw. die Komik wird der Satire als übergeordnete Kategorie zugeordnet.
Ein gesellschaftlicher und/oder historischer Kontext, sowie der Erkenntnisgrad des Schriftstellers (wie auch des Publikums), gegebene Zustände zu erkennen, um sie in satirischer Weise anzugreifen (bzw. den Angriff zu werten) gelten als Rahmenbedingungen der Satire. Wirklichkeitselemente wie Gestus, Raum, Zeit, Maß- und Machtverhältnisse spielen bei der Rezeption natürlich ebenso eine wichtige Rolle. Hierbei ist allerdings größere Aufmerksamkeit an den Tag zu legen als bei anderer Literatur: Die Satire besitzt immer eine „Überredungsfunktion“, dass heißt sie verfolgt immer ein selbst gestecktes Ziel und versucht den Leser in ihren Bann und damit auch Angriff zu ziehen. Eine Satire zum bloßen Unterhalten der Leser gibt es nicht. Es sind subjektive Faktoren des Autors und damit auch seine (einseitige?) Darstellung, die meinungsprägend sind. Der Leser kann die „Realitätserfahrung und Realitätsdurchdringung“ des Autors erkennen, aber nicht die Realität selbst. Die Gefahr besteht, dass beides leicht verwechselt wird bzw. kritisches Hinterfragen wegfällt. Nun kann man hier selbstverständlich nicht generalisieren, aber es wird in den nächsten Kapiteln näher darauf einzugehen sein.
Gefallene Schlagwörter wie „Ästhetik“, „Realität“, „Aggression“, „Norm“ oder „Komik“, die bisher selbstverständlich genutzt wurden, müssen unbedingt noch abgegrenzt und mit der Satire genauer in Verbindung gesetzt werden, damit wir hoffentlich in der Lage sind, uns ein wissenschaftlicheres Bild, losgelöster von unseren Empfindungen als Rezipienten, zu bilden. Es sei unterstrichen, dass die nachfolgenden Auseinandersetzungen nur thesenhaft sein können, denn innerhalb meiner Nachforschungen wandelte sich mein Bild von dem stiefmütterlich behandelten Stück Literatur zu dem heiß diskutierten Streitobjekt. Ich war überrascht, wie schwer Germanisten schon die Definition fällt und wieviele Aspekte die Satire hat. Daher stellt diese Arbeit keinen Anspruch auf einen festen Standpunkt oder vermittelt eine Art Dogma wie oder was die Satire ist bzw. sie gesehen werden soll. Vielmehr ist es ein Diskussionsansatz. Ziel war es, die Satire genauer abzustecken, diverse Sichtweisen, Funktion und Kontexte näher zu beleuchten, um sie dann anschließend mit dem Wahlkampf in Verbindung setzen zu können.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung Satire
2. Die Satire – ein Definitionsversuch
3. Die Satire und ihr Verhältnis zur Realität
4. Die Satire und ihr Funktionsbegriff
4.1 Die expressive Funktion - zur Aggressivität der Satire
4.2 Die kommunikative Funktion – zur Normvermittlung der Satire
5. Die satirische Verformung, Verzerrung und/oder Umcodierung
5.1 Metapher und Synekdoche
5.2 Ironie
5.3 Parodie bzw. satirische Parodie
6. Die Wirkungsabsichten der Satire
7. Satirische Komik
8. Die Satire im „Eulenspiegel“ oder wie die Satire Angela Merkel zu Zeiten des Wahlkampfs darstellt
9. Quellen:
1. Einleitung Satire
Die Satire ist eine alte und sehr starke Literaturform, deren Hauptaufgabe es ist(,) eine Form der Realität zu schaffen, der Gesellschaft (bzw. einem Teil) einen Spiegel vorzusetzen und so eine Sensibilität beim Leser zu erzeugen. Sie reflektiert auf spezifische Art und Weise eine „außerästhetische Realität“ bzw. gilt bei Deiritz1 als eine „ästhetisch sozialisierte Aggression“ und sei auf „außerliterarische Erklärungsgründe“ bezogen. Eine weitere Aufgabe besteht darin eine Widersprüchlichkeit zu kreieren, zu entlarven oder zu betonen. Dies geschieht vorwiegend indem die Norm mit einer Kritik bezogen auf Normwidriges behaftet, ein Mißverhältnis hervorgehoben wird, sprich sich zwei Gegensätze kontrastieren. Die Satire lebt von dem (komischen) Spiel zwischen Ziel und Mittel, Form und Inhalt, Handlung und Umstand und ganz besonders Realität und Idealem. Diese Gegensätze und die Grauzonen dazwischen werden wiederum auf unsere Gesellschaft (durch Autor oder Rezipient) bezogen und „Entlarvtes, Kritisiertes“ wird deutlich und damit erst als Angriffsobjekt offensichtlich.
Die Satire liegt der Komik sehr nahe, enthält Elemente des Komischen bzw. die Komik wird der Satire als übergeordnete Kategorie zugeordnet.
Ein gesellschaftlicher und/oder historischer Kontext, sowie der Erkenntnisgrad des Schriftstellers (wie auch des Publikums), gegebene Zustände zu erkennen, um sie in satirischer Weise anzugreifen (bzw. den Angriff zu werten) gelten als Rahmenbedingungen der Satire. Wirklichkeitselemente wie Gestus, Raum, Zeit, Maß- und Machtverhältnisse spielen bei der Rezeption natürlich ebenso eine wichtige Rolle. Hierbei ist allerdings größere Aufmerksamkeit an den Tag zu legen als bei anderer Literatur: Die Satire besitzt immer eine „Überredungsfunktion“, dass heißt sie verfolgt immer ein selbst gestecktes Ziel und versucht den Leser in ihren Bann und damit auch Angriff zu ziehen. Eine Satire zum bloßen Unterhalten der Leser gibt es nicht. Es sind subjektive Faktoren des Autors und damit auch seine (einseitige?) Darstellung, die meinungsprägend sind. Der Leser kann die „Realitätserfahrung und Realitätsdurchdringung“ des Autors erkennen, aber nicht die Realität selbst. Die Gefahr besteht, dass beides leicht verwechselt wird bzw. kritisches Hinterfragen wegfällt. Nun kann man hier selbstverständlich nicht generalisieren, aber es wird in den nächsten Kapiteln näher darauf einzugehen sein.
Gefallene Schlagwörter wie „Ästhetik“, „Realität“, „Aggression“, „Norm“ oder „Komik“, die bisher selbstverständlich genutzt wurden, müssen unbedingt noch abgegrenzt und mit der Satire genauer in Verbindung gesetzt werden, damit wir hoffentlich in der Lage sind, uns ein wissenschaftlicheres Bild, losgelöster von unseren Empfindungen als Rezipienten, zu bilden. Es sei unterstrichen, dass die nachfolgenden Auseinandersetzungen nur thesenhaft sein können, denn innerhalb meiner Nachforschungen wandelte sich mein Bild von dem stiefmütterlich behandelten Stück Literatur zu dem heiß diskutierten Streitobjekt. Ich war überrascht, wie schwer Germanisten schon die Definition fällt und wieviele Aspekte die Satire hat. Daher stellt diese Arbeit keinen Anspruch auf einen festen Standpunkt oder vermittelt eine Art Dogma wie oder was die Satire ist bzw. sie gesehen werden soll. Vielmehr ist es ein Diskussionsansatz. Ziel war es, die Satire genauer abzustecken, diverse Sichtweisen, Funktion und Kontexte näher zu beleuchten, um sie dann anschließend mit dem Wahlkampf in Verbindung setzen zu können.
2. Die Satire – ein Definitionsversuch
Die satirische Schreibweise ist eine Schreibweise mit kommunikativer Funktion (Spacks2). Eine Botschaft/ Aussage wird zum Leser transportiert, wobei der Textproduzent jeweils den historisch – sozialen Kontext wertet. Betont sei hierbei das Wort „wertet“, denn selbst wenn die Satire sich einen objektiven Anschein gibt, kann sie es jedoch niemals sein. Sie stellt immer nur eine subjektive Weltsicht des Autors dar, eine wertende Reflektion der Realität, die keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben darf (es aber dennoch gerne macht). Lazarowicz3 hierzu:
„das Adjektiv satirisch kann (...) als literaturwissenschaftlicher Name für eine fundamentale Möglichkeit menschlichen Daseins überhaupt begriffen werden.“
Was „eine dem satirischen Naturell eigentümliche Art der Welterfahrung und Weltbeurteilung“ in sich birgt. Es scheint mir hier besonders wichtig, dass auch er die Satire als eine „Art der Welterfahrung“ und –beurteilung sieht und damit ebenfalls jeglichen Anspruch auf Objektivität negiert. Wie könnte er auch einbezogen sein? Der Autor stellt uns einen Sachverhalt vor. Dies geschieht jedoch nicht in telegraphischer Form, indem man uns die wichtigsten Fakten gibt, sondern jene sind in Textform gegeben. Selbst wenn der Textproduzent dies wollte, könnte er keine Objektivität schaffen (zudem es dann übrigens in Frage zu stellen wäre, ob es sich noch um eine Satire handelt). Die Art in welcher Reihenfolge er uns die Fakten präsentiert und damit nach seiner Priorität ordnet, in welchen Kontext er sie stellt und vielleicht auch eventuellen Gegenargumenten gegenüberstellt, sind derartig meinungsprägend, dass jegliche Neutralität verwirkt ist. Zudem ist die Satire nicht dazu gedacht in erster Linie Informationen zu liefern. Diese Funktionen übernehmen andere Textgattungen. Die Satire spricht einen vorgebildeten Leser an, der die verarbeiteten Fakten bereits kennt, sich bestenfalls selbst schon eine Meinung hierzu gebildet hat und damit auch mit der satirischen Darstellung umzugehen weiß. Wäre dies nicht der Fall, wäre es zum Einen zu einfach den Leser in die Fehde des Autors einzubeziehen und ein gewisser Anspruch (für den Autor bzw. der Satire) würde verloren gehen, zum Anderen wäre viel von der Satire eigenen Komik verloren, denn erst die Positionierung von der Weltsicht des Autors zu der des Lesers und teilweise auch zu den objektiven Fakten macht viel des genutzten Witzes aus.
Ebenfalls wichtig für die Komik kann der Kontext bzw. Zeitpunkt der satirischen Kritik sein. Hier sei auf Gaier4 verwiesen, der betont, dass „ein bestimmter zeitloser Bezug zur empirischen Wirklichkeit“ Grundlage der sprachlichen Realisation des Satirischen sei. Will sagen, dass die Satire nicht direkt an die Zeit gebunden ist, sie, weiter noch, sogar zeitunabhängig sein will. Auch Wölfel5 besteht auf „strukturelle Konstanten satirischen Erzählens, denen eine gewisse Überzeitlichkeit eigen ist“. Wir halten uns vorläufig an diese Art der Sicht von Satire zur Zeit, stellen sie aber gleichsam kritisch in Frage. Ist es wirklich von keiner Bedeutung wann eine Satire geschrieben bzw. gelesen wird? Eine Überzeitlichkeit würde einen stets gleichbleibenden Effekt beim Leser bedeuten und mehr Unabhängigkeit zum historisch – sozialen Kontext schaffen, welcher allerdings unmittelbar notwendig ist für die Rezeption der Satire. Weiter gedacht bedeutet das, dass eine satirische Darstellung der Spitzenkandidaten der Wahl 2005 nicht an Effekt verlieren würde lange nachdem die Wahl entschieden ist und der Leser durch Informationen des weiteren Geschehens der Weltsicht des Autors (die sich ja nach Erscheinen innerhalb der gegebenen Satire nicht ändern kann) längst überlegen ist. Oder anders formuliert: Folgen wir der These von Gaiers „zeitlose[m] Bezug“, empfinden wir dasselbe beim Lesen von römischen Verssatiren oder französischen Verssatiren des 18. Jahrhunderts wie die Zeitgenossen des Autors, obwohl in Frage zu stellen ist, ob auch unsere Kenntnisse über den historisch – sozialen bzw. gesellschaftlichen Kontext die gleichen sind. Folgt man der anderen geschilderten These, dass viel an Komik durch die Gegenüberstellung von Satire zur Realität entsteht bzw. die Satire auf Vorkenntnisse des Rezipienten baut, so müsste der heutige Leser erst seine geschichtlichen Kenntnisse auffrischen um einen ähnlichen Effekt zu erfahren. Die gleiche Wirkung wird er trotz studieren der Bücher nicht erfahren, da er kein Zeitgenosse ist und dementsprechend ihm immer etwas zur vollständigen Erfassung der Komik fehlen wird. Vereinfacht formuliert ist es als ob ich sagen will, dass der, der einen Witz hört und sofort lacht, denselben Vergnügungsfaktor hat, wie der, dem ich die Pointe aus welchem Grund auch immer erst erklären muss.
Doch widmen wir uns erstmal wieder der diffizilen Aufgabe der Definition der Satire bzw. der satirischen Schreibweise. Elliott6 führt hierzu aus, dass die hauptsächliche Schwierigkeit darin bestünde, dass für eine Definition die notwendigen (unterscheidenden) Merkmale fehlen würden. Er schreibt:
„(...) if I could find an essential property, it would be so general as to be useless for purposes of definition: ‚All satire attacks something‘ for example.“
D.h. man ist bei dem Versuch die Satire genauer zu umreißen immerfort dazu gezwungen zu verallgemeinern, was scheinbar gefundene Merkmale mehr oder minder bishin zur Unbrauchbarkeit entwerten würde.
Ein wenig mehr bietet uns da Schönert7 an, der zumindest festhält, dass er Satiriker, Angriffsobjekt, satirische Norm und Rezipient als konstituive Elemente ansieht, welche mit Hilfe einer spezifischen Wirkungsabsicht wechselseitige Bezüge zueinander aufnehmen. Wir haben also drei involvierte Personen - Autor, Leser und Angriffsobjekt (zwei wenn Leser und Angegriffener zusammenfallen), die in ständiger, bewusster oder unbewusster Interaktion zueinander stehen. In welcher Art und Weise bzw. was das genau für die einzelnen Personen (besonders dem Rezipienten) bedeutet, die Funktionen bzw. Wirkungen auf den Einzelnen o.ä. bleibt auch hier offen.
Einen anderen Definitionsansatz, nicht weniger schwammig, dafür aber umfassender liefert uns Kästner8. Er sieht die Methode eines Satirikers als eine
„(...)übertriebene Darstellung negativer Tatsachen mit mehr oder weniger künstlerischen Mitteln zu einem mehr oder weniger außerkünstlerischen Zweck.“
Er wertet, indem er die Darstellung als übertrieben, nicht verhältnismäßig ansieht. Gegenstand der Satire seien immer negative Fakten/ Gegebenheiten und er verweist auf den künstlerischen Anspruch der Satire. Ebenfalls erkennen wir, dass die Satire immer ein Ziel bzw. Zweck verfolgt und nicht um ihrerselbst willen wegen existiert. Taktisch clever weicht er „mehr oder weniger“ an den entscheidenden Punkten aus, die in sich vermutlich die meisten Unterscheidungsmerkmale zu anderen Gattungen bergen. Das Problem ist, dass er auch nicht anders kann. Denn genau der Link zur Kunst bzw. zum ästhetischen Anspruch ist es, der schon innerhalb der Satire so viele Unterschiede und Unterordnungen schafft, dass eine Unterscheidung zu anderen Gattungen nur dann erfolgen kann, wenn man (wie Elliott es meinte) verallgemeinert. Es existieren zu viele unbekannte Variablen um eine allgemeingültige Abgrenzung zu bekommen. Eben jene unbekannten Variablen der literarischen Gattung versuchte Hess-Lüttich9 wie folgt auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen:
„X satirisiert p zum Zeitpunkt t am Orte l mit der Intention I unter Verwendung der Mittel l-n im Hinblick auf die Rezipienten Ri.“
Inwiefern Kunst bzw. Literatur in mathematische Formeln umgewandelt werden können, sollte jeder für sich selbst entscheiden. Fakt ist, dass er, erwartungsgemäß, ebenfalls an den entscheidenden Stellen vage bleiben musste um eine Gültigkeit zu erreichen, aber die von Elliott geforderte Merkmale der Satire in einen Satz zusammenfassen konnte: Absender, Adressat, Objekt, Zeit, Ort, Ziel sowie Art und Weise.
Einigen wir uns zusammenfassend auf folgenden Satirebegriff, der ebenfalls nur thesenhaft bleiben kann, aber die gegebenen und andere Statements in sich zu vereinen sucht und zumindest die prägnantesten Unterscheidungsmerkmale beinhaltet:
Ein Satiriker (sei es durch Selbst- oder Fremddefinition) schreibt unter Berücksichtigung seines historisch - sozialen Kontextes, impliziten Normenempfindens und den folglich daraus resultierenden Kommunikationsbedingungen einen Text, der den Maßstäben der Ästhetik Rechnung trägt. Dieser Text birgt entweder implizit oder explizit einen Angriff auf eine außenstehende reale Person, meist größerer Popularität. Adressat ist aber nicht eben jene angegriffene Person (zumindest nicht primär) sondern ein zu überzeugendes bzw. auf es einzuwirkendes Publikum in derselben Zeit und demselben Raum, sprich in derselben „Realität“ wie Satiriker und Angriffsobjekt. Dargestellt wird eine vom Textproduzenten empfundene Diskrepanz zwischen einer erlebten (gesellschaftlichen) Norm und einem empfundenen Normverstoß bzw. einer Normabweichung des Objektes (wenn es diese Abweichung nämlich nicht gäbe, würde folglich das Objekt auch nicht zum Objekt werden). Diese Diskrepanz kennzeichnet den subjektiven und wertenden Charakter der Satire. Die Satire steht in Wechselbeziehung zwischen einer notwendigen Ästhetik (sie muss dem Rezipienten gefallen/ ansprechen, um ihn zu überzeugen) und ihrer kommunikativen und referentiellen Funktion.
Für die folgenden Ausführungen wird diese Definition (so thesenhaft sie auch sei) als geltend übernommen.
3. Die Satire und ihr Verhältnis zur Realität
„The central problem of satire is its relation to reality“ (Highet10)
Und genau weil diese Problematik von so zentraler Bedeutung ist, widmen wir uns ihr als erstes. Schiller11 kommentierte sie folgendermaßen:
„In der Satire wird die Wirklichkeit als Mangel dem Ideal als der höchsten Realität gegenübergestellt. Es ist übrigens gar nicht nötig, dass das letztere ausgesprochen werde, wenn der Dichter es nur im Gemüt zu erwecken weiß; (...).“
Das heißt, abgesehen von der Fähigkeit des Autors die Diskrepanz zwischen Wirklichkeit und Normvorstellung effektvoll in Szene zu setzen, bedarf es dieser überhaupt erstmal. Wir brauchen beide Eckpunkte um ein Spannungsverhältnis aufzubauen, von dem die Satire lebt. Will sagen: im Gegensatz zu anderen literarischen Gattungen, kann die Satire ohne ihre Relation zur Realität gar nicht existieren. Das wiederum schafft ein einseitiges Abhängigkeitsverhältnis, denn es liegt auf der Hand, dass die Realität aus sich selbst heraus existiert und nichts dazu benötigt. Schon allein das Angriffsobjekt gibt der Satire ihren Realitätsbezug und eine konkrete Aktualität. Folglich ist die Satire aus sich „herausweisend“, denn die Satire bezieht sich auf die Realität und nicht umgekehrt.
„Gegenüber anderen Handlungen literarischer Kommunikation ist die Satire durch eine besondere Abhängigkeit zwischen textuellem System und außertextuellen Bezügen gekennzeichnet, die für die Textstruktur relevant wird.“ (Schönert12)
An anderer Stelle fordert Schönert den Wirklichkeitsbegriff auszuweiten. Schon 1969 möchte er nicht nur den Autor in Betracht ziehen, sondern den Fokus auch auf das Publikum ausdehnen.
Ein anderer Ansatz kommt von der Philosophie. Der dort vertretene Standpunkt stellt erstmal eine Wirklichkeit, eine universelle Realität in Frage. Es wird hier von Teilwirklichkeiten ausgegangen, deren Bestandteile aus den Erfahrungen eines jeden Individuums aufgebaut sind. Was wie eine Fortsetzung der „Matrix“ - Trilogie anmutet, geht davon aus, dass jeder von uns in seiner eigenen Welt lebt - nicht nur im übertragenen Sinn. Es folgt ein wenig dem „Wenn ein Baum im Wald umkippt und keiner war dabei. Ist es wirklich geschehen?“ – Prinzip. Denkbar ist bei diesem Ansatz (konsequent weitergedacht), dass ich allein existiere und meine Existenz aufhört, wenn ich mich bewußt nicht mehr wahrnehme. Im Schlaf wäre eine solche Situation gegeben (diese These ist künstlerisch mehrfach mit mehr oder weniger großem Effekt verarbeitet worden – vgl. Kafkas Parabel „Nachts“). Auch die Menschen um mich herum existieren nur, wenn sie mit mir in direkter Interaktion sind. So phantastisch dieser Ansatz auch sein mag, so bringt er doch einen interessanten aber auch komplizierten Aspekt mit sich. Bezogen auf die Satire zwingt er uns auch hier endgültig dazu, uns von der Allgemeingültigkeit zu lösen:
Da es keine Wirklichkeit gibt, müssen wir von der dargestellten Teilwirklichkeit ausgehen. Diese ist nur aufgebaut aus den Erfahrungen des Autors und steht denen des Lesers gegenüber. Diese Teilwirklichkeiten müssen eine mehr oder minder große Schnittmenge aufweisen, damit beide die Satire zum Einen als ästhetisch zum Anderen als zutreffend empfinden. Diese Mischung beider Realitäten und damit auch die Schnittmenge ändert sich jedes Mal, wenn sich der Rezipient ändert. Folgen wir diesem Gedankengang, ergäbe die Mischung aller „Teilrealitäten“ doch eine „Gesamtrealität“ und das Verbinden von nur Zweien eine „Verzerrung“ der Wirklichkeit (da ja wesentliche Elemente, von beiden nicht wahrgenommene „Teilrealitäten“ fehlen). Der Term „Verzerrung“ ist natürlich hier provokant eingesetzt, denn wenn wir schon bei der Philosophie sind, drängt sich auch auf zu fragen, wer denn entscheidet was verzerrt und was real ist. Nehmen wir deshalb für „Verzerrung“ das harmlosere, neutralere Wort „Modell“ und spinnen den Gedanken weiter. Ist also die Satire ein „Modell der Wirklichkeit“? Hierzu müssen wir noch weiter in der Philosophie ausholen und erstmal fragen was wirklich ist. Ohne auf die hier herrschende diesbezügliche Diskussionen näher eingehen zu wollen, sagen wir einfach wirklich ist etwas, dass mit Bedeutungen besetzt ist (womit wir wieder bei der „Baum fällt um“ - Diskussion sind). Das heißt, wenn wir die Satire als „Modell der Wirklichkeit“ wahrnehmen, bedeutet das, dass wir die konstituierten Bedeutungen als äquivalent für „Wirklichkeit“ empfinden. Empfinden wir sie anders, müsste die Satire zumindest eine Art Vergleichsmodell oder gar Gegenmodell unserer herrschenden Vorstellung von Wirklichkeit bilden. Hierbei kreiert jedoch der Text eine eigenständige, interne „Wirklichkeit“.
Führen wir das Ganze aber wieder in germanistischere Gefilde. Dieser Exkurs über die Philosophie sollte unter Anderem herausarbeiten, dass die Satire einen subjektiven Blickwinkel, eine Deutung der gemeinten „Wirklichkeit“ wiedergibt und gemeinsame Erfahrungen („Teilrealitäten“) von Satiriker und Publikum vonnöten sind. Wenn (hier) keine gemeinsame Basis existiert, zum Beispiel die Satire in einer späteren Epoche rezipiert wird in der der Aktualitätsbezug soweit abgenommen hat, dass er für den Rezipienten nicht wieder herstellbar ist, dann ist zwar das Konsumieren als solches immer noch möglich, aber die Gesichtspunkte haben sich entscheidend geändert. Die Satire wird dann nicht mehr als Satire gelesen, sondern sie konvertiert zu einem anderen literarischen Text wie einer Fabel oder einem Kinderbuch zum Beispiel. Wir erkennen, dass Stoff und Form, beide zusammen, mitteilende Funktion haben, weil dadurch, dass es ein ästhetischer Text ist, die Form (das Satirische) das zu behandelnde Objekt ebenso definiert wie der Stoff selbst.
4. Die Satire und ihr Funktionsbegriff
Rückt der Fokus in Richtung der Funktion ist es nötig zu erwähnen, dass sprachliche Nachrichten die unterschiedlichsten Funktionen haben. Wie schon bei dem Versuch einer Definition erkannt ist es dementsprechend nicht möglich, ein paar Funktionen aufzuzählen, sie der Priorität nach zu ordnen und als Weisheit letzter Schluss stehen zu lassen. Es wird davon auszugehen sein, dass auch wir uns am Ende in die Vagheit flüchten müssen, um wenigstens einen Teil Anspruch auf Richtigkeit zu retten.
Gehen wir zunächst erstmal vom ästhetischen Text aus, über den gesagt wird, er hätte poetische Funktion. Aber das Ganze mit der Satire gleichzusetzen und auch hier von einer poetischen Funktion zu sprechen, ist mehr als gewagt.
Also sind wir gezwungen, eine andere Herangehensweise zu finden. Hierfür soll Jakobson‘s Kommunikationsmodell zu Rate gezogen werden. Dieses beinhaltet einen Sender, Empfänger, Kontext, Kontaktmedium, Code und eine Nachricht. Die Verbindungen zueinander werden durch die jeweiligen Funktionen aufgebaut, woraus folgende hervorgehen: die Expressive (= Emotive), die auf die Einstellung der Sprache auf den Sender referiert, die Appellative (= Konative) (Einstellung auf Empfänger) und die Referentielle (Einstellung auf Kontext bzw. Interpreten). Zusätzlich wird die bereits erschienene poetische Funktion gegeben, die darauf verweist, welche Einstellung die Nachricht auf sich selbst hat bzw. wie eine Nachricht „gemacht“ ist. Es sei noch herausgearbeitet, dass die Referenz ambivalent und mehrdeutig wird. Daraus bildet sich abermals ein Gegensatz, denn wie festgehalten, zielt die Satire immer auf ein außenstehendes, reales Objekt. Dieses Objekt muss eindeutig sein, damit es identifizierbar ist. Jene geschilderte Eindeutigkeit steht der Mehrdeutigkeit der Satire gegenüber und bildet damit weiteres Spannungspotential.
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- Citation du texte
- Christopher Hohlbaum (Auteur), 2006, Die theoretische Darstellung der Satire als Betrachtungsform politischer Ereignisse mit Bezug auf den Wahlkampf 2005 am Beispiel Dr. Angela Merkel, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89389
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