Einleitung
In seinem 1938 erschienenen Buch „Homo Ludens – Vom Ursprung der Kultur im Spiel“ , stellt Johan Huizinga eingangs fest, dass der Homo sapiens, also das Merkmal der menschlichen Natur, welches den Menschen als denkendes Wesen beschreibt, nicht das einzige Attribut sein kann, welches das Menschsein ausmacht. Auch der Begriff Homo faber sei eine unzureichende Beschreibung unserer Natur, denn Tiere arbeiteten auch. Huizinga schlägt vor, den Begriff Homo ludens, als einen dritten Begriff, neben die beiden anderen zu stellen. Den Konzeptionen des Menschen als Denkendem und als Tätigem wird der spielende Mensch an die Seite gestellt .
Die These, die Huizinga vorschlägt, lautet: Menschliche Kultur kommt im Spiel – als Spiel – auf. Er unterstreicht, dass es ihm um das untersuchen des Spielelements der Kultur und nicht etwa des Spiels als Kulturerscheinung inmitten anderer geht, daher ist es ihm wichtig, an dieser Stelle auf den Genitiv zu bestehen . Die Kultur soll also auf ihren Spielcharakter hin untersucht werden. Huizinga setzt sich das Ziel, den Begriff des Spiels in den Begriff der Kultur einzugliedern, denn er vermisst die Auseinandersetzung der Sozialwissenschaften mit dem Spielbegriff .
Huizinga definiert das Ziel seiner Untersuchung präzisierend folgendermaßen: Es sei mehr als nur ein metaphorischer Vergleich, wenn man von der Kultur als Spiel spreche . Die Ethnologie und die ihr verwandten Wissenschaften sollten sich mit dem Phänomen des Spiels mehr beschäftigen als sie es bisher getan haben .
Das Konzept der gespielten Kultur wurde schon bei Shakespeare und Racine im 17. Jahrhundert vertreten. Die Welt wird bei ihnen immer wieder mit einer Theaterbühne verglichen. Huizinga meint, es würde sich bei diesem Vergleich allerdings um einen Aufgriff der vanitas-Idee handeln, und nichts mit einer tatsächlichen Gespieltheit kultureller Phänomene zu tun haben.
Inhalt
Einleitung
1. Huizingas Spielbegriff und seine Charakteristika
1.1 Unzulänglichkeiten bisheriger Definitionen
1.2 Spiel als selbständige Kategorie
1.3 Formale Kennzeichen des Spiels
2. Das heilige Spiel
2.1 Das Spiel als Kulturfaktor
2.2 Die Beziehung von Fest und Spiel
2.3 Heiliger Ernst und Spiel im Ritual
3. Kritische Anmerkungen
3.1 Die semantische Abgrenzung der Begriffe „Kultur“ und „Spiel“
3.2 Das Problem der Freiheit als formales Kriterium
Schluss
Literaturverzeichnis
Einleitung
In seinem 1938 erschienenen Buch „Homo Ludens – Vom Ursprung der Kultur im Spiel“[1], stellt Johan Huizinga eingangs fest, dass der Homo sapiens, also das Merkmal der menschlichen Natur, welches den Menschen als denkendes Wesen beschreibt, nicht das einzige Attribut sein kann, welches das Menschsein ausmacht. Auch der Begriff Homo faber sei eine unzureichende Beschreibung unserer Natur, denn Tiere arbeiteten auch. Huizinga schlägt vor, den Begriff Homo ludens, als einen dritten Begriff, neben die beiden anderen zu stellen. Den Konzeptionen des Menschen als Denkendem und als Tätigem wird der spielende Mensch an die Seite gestellt[2].
Die These, die Huizinga vorschlägt, lautet: Menschliche Kultur kommt im Spiel – als Spiel – auf. Er unterstreicht, dass es ihm um das untersuchen des Spielelements der Kultur und nicht etwa des Spiels als Kulturerscheinung inmitten anderer geht, daher ist es ihm wichtig, an dieser Stelle auf den Genitiv zu bestehen[3]. Die Kultur soll also auf ihren Spielcharakter hin untersucht werden. Huizinga setzt sich das Ziel, den Begriff des Spiels in den Begriff der Kultur einzugliedern, denn er vermisst die Auseinandersetzung der Sozialwissenschaften mit dem Spielbegriff[4].
Huizinga definiert das Ziel seiner Untersuchung präzisierend folgendermaßen: Es sei mehr als nur ein metaphorischer Vergleich, wenn man von der Kultur als Spiel spreche[5]. Die Ethnologie und die ihr verwandten Wissenschaften sollten sich mit dem Phänomen des Spiels mehr beschäftigen als sie es bisher getan haben[6].
Das Konzept der gespielten Kultur wurde schon bei Shakespeare und Racine im 17. Jahrhundert vertreten. Die Welt wird bei ihnen immer wieder mit einer Theaterbühne
verglichen[7]. Huizinga meint, es würde sich bei diesem Vergleich allerdings um einen Aufgriff der v anitas -Idee handeln, und nichts mit einer tatsächlichen Gespieltheit kultureller Phänomene zu tun haben.
Huizinga möchte seinen Spielbegriff als ‚Spiel im Sinne einer Kulturerscheinung’ und nicht als ‚Spiel im Sinne einer biologischen Funktion’ verstanden sehen. Er behauptet, sich nicht mit der psychologischen Bedeutung des Spiels für den Menschen befassen zu wollen[8]. Inwiefern seine Argumentation einen solchen Ausschluss glaubwürdig macht, wird uns im Nachfolgenden näher beschäftigen. Zuerst befasst sich diese Arbeit mit Huizingas Spielbegriff und seinen Charakteristika, daraufhin mit der Frage nach der Rechtfertigung der Definition der Kulthandlung als ernstes und heiliges Spiel, und zum Schluss wird ein Versuch unternommen, Fragen, die an Huizingas Text gestellt werden können, hervorzuheben.
1. Huizingas Spielbegriff und seine Charakteristika
1.1 Unzulänglichkeiten bisheriger Definitionen
Laut Huizinga werde in der Forschung im Allgemeinen versucht, die Bedeutung des Spielens in einer biologischen Zweckmäßigkeit zu finden[9]. Huizinga gibt dazu die folgenden vier Meinungstendenzen an[10]:
Als erste jene, welche das Spiel als ein Sich-Entlasten von einem Überschuss an Lebenskraft beschreibt. Ein Zuviel an Lebenskraft, was auch immer darunter zu verstehen sei, wird in dieser Theorie, welche stark an eine Verwertungsrationalität erinnert, frei verfügbar. Als Konsequenz dessen, dass diese scheinbar nicht speicherbar ist und auf irgendeine Art belastend wirkt, wird sie abgebaut. Dies geschieht im Spiel.
Als zweite erwähnt Huizinga die Theorie nach welcher das Spiel als angeborener Nachahmungstrieb, der als Befriedigung des Bedürfnisses nach Entspannung oder als Training für den Ernstfall zu verstehen sei. Diese Auffassung bezieht sich stark auf den biologischen Nutzen, der aus dem mimetischen Verhalten für das jeweilige Lebewesen entsteht.
Die dritte erwähnte Theorie ist die, dass das Spielen als Bedürfnis zu können, oder zu verursachen verstanden werden kann. Diese Theorie legt den Schwerpunkt auf das kreative Bedürfnis des Tieres oder Menschen, wie auch auf den Trieb der Potenzerlangung im allgemeinen.
Zuletzt und an vierter Stelle das Spiel als unschuldige Abregung schädlicher Triebe. Dabei hat wohl das Spielen eine filternde Funktion inne. Diese Theorie stellt die implizite Prämisse eines schadhaften Triebes von Lebewesen auf, welche abgebaut, oder auch abreagiert, werden müssen. Da das ‚schuldige’, also nicht spielhafte, Ausleben dieser Aggressionen auch dem Subjekt bedrohlich werden kann, wird von diesem das Spiel als Abregung gebraucht.[11]
Diese Erklärungen für das ‚warum’ des Spielens schließen einander nicht aus, woraus folgt, dass es sich nur um Teilerklärungen handeln kann. Huizinga meint, alle diese Theorien würden das, was das Zentrale am Spiel sei, nämlich seine inhärent ästhetische Eigenart, nicht, oder nur in zweiter Instanz behandeln. Huizingas kritisiert an diesen Theorien, dass man sie daraufhin befragen könne, „was denn der Witz des Spielens“ sei, ohne eine Antwort zu bekommen.[12]
Huizinga führt den Begriff der Intensität ein, welche das Wesen des Spiels ausmache, und die durch keine biologische Analyse erklärt werden könne. Es geht hier also um Spannung, Freude und Spaß, welche den „Witz“ des Spielens ausmachen und jeder Analyse und jeder logischen Interpretation zu widerstreben scheinen. Das englische Wort „fun“ beschreibe laut Huizinga das Wesen des Spiels auf äußerst treffende Weise.[13]
Aus der Perspektive, welche Huizinga als deterministisch-materialistische Sicht bezeichnet,[14] sei das Spiel demnach überflüssig. Erst durch ein Einströmen des „Geistes“ würde das Spiel sowohl möglich als auch denkbar und begreiflich. Das Spiel lässt „den Geist“ erkennen, der auch schon in der Tierwelt in Erscheinung tritt. Huizinga meint Tiere würden spielen und seien somit mehr als mechanische Dinge. Menschen würden zwar auch spielen, wüssten aber, dass sie spielen, und seien dadurch mehr als nur vernünftige Wesen, denn „das Spiel ist unvernünftig“[15]. Somit bestätige das Spiel den überlogischen Charakter unserer Situation im Kosmos, folgert Huizinga.[16]
Huizinga behauptet, jedes denkende Wesen könne sich ein Bild von der „Realität Spiel“[17] machen, auch wenn seine Sprache keinen Begriff dafür kenne. Die meisten abstrakten sprachlichen Konzepte, wie Recht, Schönheit, Wahrheit, Güte, Geist, Gott und auch das scheinbare Gegenteil des Spiels, der Ernst, seien verneinbar. Ein wichtiges Charakteristikum des Spiels sei seine Unverneinbarkeit. Doch was meint Huizinga damit? Bewegt er sich auf einer Ebene sprachlicher Konzepte? Dann ist das abstrakte Konzept ‚Spiel’ natürlich in sein Gegenteil, in das Konzept ‚Nicht-Spiel’, verneinbar. Bewegt er sich auf der Ebene der Dinge, die in der Welt sind? Realiter kann man jedoch bekanntlich nichts verneinen, höchstens vernichten. Es ist genauso sinnvoll, Wahrheit, Güte oder einen Stuhl als Tatsache zu leugnen, wie es sinnvoll oder –los ist, die Tätigkeit ‚Spiel’ oder irgendetwas anderes in der Welt zu leugnen.
[...]
[1] Johan Huizinga – „Homo Ludens. Vom Ursprung der Kultur im Spiel.”, Hamburg, 2004. Nachfolgend HL genannt.
[2] Vgl. HL, S. 7.
[3] HL, S. 7.
[4] HL, S. 8.
[5] HL, S.13: “Das Ziel dieser Untersuchung ist, darzutun, daß es wesentlich mehr als ein rhetorischer Vergleich ist, wenn man meint, die Kultur sub specie ludi betrachten zu können.“
[6] HL, S. 8.
6 HL, S. 13. Auch William Shakespeare – „As You Like It”, [1623], Cambridge, 2000. In der siebten Szene des zweiten Aktes sagt Jaqes zu Duke Senior: “All the world’s a stage, / And the men and women merely players: / They have their exits and their entrances; / And one man in his time plays many parts, / His acts being seven ages.”, S. 124, Zeilen 139-143.
[8] Vgl. HL, S. 9ff.
[9] Auf welche Autoren er sich mit dieser Aussage bezieht, bleibt unklar. Es ist nicht ganz unproblematisch von ‚der Forschung im Allgemeinen’ zu sprechen, weil ‚die Forschung’ als solche kein Handlungssubjekt darstellt, sondern ein Konzept darstellt, welches aus einer Vielzahl von Meinungen verschiedener Forscher zu einem abstrakten Begriff zusammengefasst ist. Diese Personen im einzelnen zu erwähnen, würde die Argumentation klarer erscheinen lassen.
[10] Es scheint nicht abwegig anzunehmen, dass Huizinga aus rhetorischen Gründen nur sehr kurz, meist nur in einem Satz, auf diese Theorien eingeht, um dem Leser nicht die Gelegenheit zu geben, sich näher mit den Huizinga ‚konkurrierenden’ Theorien anzufreunden.
[11] Diese vier Auffassungen beschreibt Huizinga in HL, S. 10.
[12] HL, S.11.
[13] HL, S. 11.
[14] Er spricht in HL auf Seite 11 von der „determiniert gedachten Welt“ und von einer „biologischen Zweckmäßigkeit“ auf Seite 10.
[15] HL, S. 12.
[16] „[Das Spiel ist] im wahrsten Sinne des Wortes Superabundans, etwas Überflüssiges.“, HL, S. 12.
[17] Huizinga verwendet den Begriff den ganzen Text hindurch, HL, S. 11. Daran lässt sich erkennen, wie primär Huizinga die Kategorie ‚Spiel’ verstanden sehen will, da er dem Spiel eine ganz eigene Realität einräumt.
- Arbeit zitieren
- Grzegorz Olszowka (Autor:in), 2006, Johan Huizingas kulturanthropologische Theorie des Spielens, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89315
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