„Deutsch“ in der Goldenen Bulle – Fiktion oder Synonym? - Wie bereits erwähnt verfasste Karl IV. die Goldene Bulle in lateinischer Sprache. Was also meinte er, als er formulierte, daß die Kurfürsten und der Erzbischof von Mainz den Eid in deutscher Sprache aufzusagen hätten?
In Kapitel 16 der Goldenen Bulle findet ein Phänomen Erwähnung - Bürger, die, um das Joch ihrer Fürsten und Landesherren abzuschütteln, sich als Bürger anderer Städte aufnehmen lassen, deren Freiheiten genießen und von ihnen beschützt werden, obschon sie noch auf Ländern ihres früheren Herrschers wohnen, die sogenannten Pfahlbürger in „deutschen Landen“. Was bedeuteten deutsche Lande in dieser Zeit?
Oder gar Kapitel 31 der Goldenen Bulle, in welchem die Kurfürsten, „des Reiches Säulen und Flanken“ , dem Erwerb von Sprachen unterworfen werden, „damit sie von mehr Leuten verstanden werden, wenn sie bei der Fürsorge für die Bedürfnisse so vieler (….) beistehen und einen Teil ihrer Regierungssorgen tragen.(….)“ und „man als wahrscheinlich voraussetzt, daß sie die ihnen angestammte deutsche Sprache kennen und von Kindheit an gelernt haben(….)“ . Von welcher deutschen Sprache ist hier die Rede?
Inhaltsverzeichnis
Einführung
1. Kaiser Karl IV., Kaiser des Reiches und König von Böhmen – Politiker, Kunstkenner, Staatsmann
A. Biographie, Zeitgeschichte und Politik
B. Errungenschaften und Leistungen Karls IV. kulturell und wirtschaftlich
C. Leistungen Karls IV. in politischer Hinsicht durch die Goldene Bulle
Das Wahlrecht (Cap. 2 GB)
Die Rangordnung der Kurfürsten (Cap. IV GB)
Die Erbfolge der Kurfürsten (Primogenitur) (Cap. VII. GB)
2. „Deutsch“ in der Goldenen Bulle – Fiktion oder Synonym?
Literaturverzeichnis
Bildverzeichnis
Einführung
Das Wort „deutsch“ und dessen Entwicklung durch die Zeit hindurch war das Thema sprachwissenschaftlichen Hauptseminars. Auf dem Weg bis in unser heutiges Verständnis seiner Bedeutung findet es immer wieder Erwähnung bis 1870 innerhalb eines Territoriums, das es als das durch Bismarck verfassungsmäßig benannte Deutsche Reich sowie das heutige Deutschland erst seit 135 Jahren gibt. Eine seiner Stationen ist die Goldene Bulle – eine detaillierte Regelung der Wahl- und Reichstagszeremonien, die definitive Vergabe fast aller Reichsrechte an Kurfürsten sowie die Festlegung der deutschen Königswahl, in dieser Form die vielleicht erste „Verfassung“ des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation. Ihr Verfasser ist Kaiser Karl IV. und König von Böhmen, uns aus verschiedensten Quellen als „Friedenskönig“ bekannt. Die von ihm betriebene Politik gestaltete sich nicht nur territorial, sondern auch innenpolitisch und nicht zuletzt im Hinblick auf die Belebung der Kunstszene als zwar umstrittener, aber mehr oder minder gelungener Beitrag zur Schaffung geregelter Verhältnisse und Reduzierung der alltäglichen Fehden damaliger Zeit.
Ich möchte mit dieser Arbeit ein Bild Karls IV. im Zusammenhang mit der Schaffung jenes Regelwerks vermitteln und dabei die Erwähnung und Intention des „Deutschen“ innerhalb der Goldenen Bulle herausarbeiten.
1. Kaiser Karl IV., Kaiser des Reiches und König von Böhmen – Politiker, Kunstkenner, Staatsmann
A. Biographie, Zeitgeschichte und Politik
Karl IV., getauft auf den Namen Wenzel, wurde am 14. Mai 1316 in Prag als drittes Kind des Johann von Luxemburg, auch bekannt als Johann der Blinde, und seiner dem Přemyslidengeschlecht, einer böhmischen Herrscherfamilie, entstammenden Gattin Elisabeth, der zweitältesten Tochter des Königs Wenzel II. Přemysl, geboren. Als die männliche Linie der Přemysliden im Jahre 1306 ausstarb, regte dies die europäische Expansionspolitik an: die „alte Peripherie des Abendlandes“[1] veränderte sich, der Islam wurde in Spanien endgültig vom Kontinent verdrängt, England versuchte im Hundertjährigen Krieg, die Macht in Frankreich zu gewinnen, Dänemark vereinigte Skandinavien unter seiner Herrschaft, Ungarn unterwarf sich ein Großreich mit vielen Satellitenstaaten in Südosteuropa[2], und im Osten, zwischen Abendland und Byzanz, entstand ein großserbisches Reich auf dem Balkan.
Dagegen ließ sich eine generelle geographische Orientierung in der politischen Landschaft deutscher Territorialfürsten nicht erkennen. Hier rangen drei Geschlechter um die deutsche Krone und damit um die Vormacht: die Luxemburger, die Wittelsbacher und die Habsburger. Erstere besaßen indessen den mächtigsten Länderkomplex in der Mitte Europas.
Den Aufstieg verdankte das Haus Luxemburg Karls Großonkel Balduin. Als Sohn des Grafen Heinrich von Luxemburg und dessen Gattin Beatrix 1285 geboren, war ihm von Kindheit an der geistliche Stand vorbestimmt. Darüberhinaus verfügte Balduin über eine beachtliche Sprachbegabung, denn Deutsch, Latein, Französisch und die niederrheinischen Sprachen beherrschte er. Persönlich ein frommer Mensch und in den Karthäuserorden eingetreten, avancierte er im Alter von 23 Jahren 1308 zum Erzbischof von Trier. Zahlreiche Reformsynoden mit tauglicheren Satzungen, so u. a. die Forderungen nach vorbildlichem Betragen des Klerus, gegen die Ausuferung von Aberglauben und Irrlehren, gehen auf ihn zurück; er galt als Reorganisator der kurfürstlichen Verwaltung in Trier. Außerdem brachte Balduin zu seiner Zeit einige Burgen in seine Hand, baute sie aus und verstärkte ihre machtpolitischen Einflüsse.[3]
Als im Jahre 1306 die männliche Linie der Přemysliden und damit der Anwärter auf den böhmischen Thron mit Rudolf I. ausstarb, schlug Balduin seinen Bruder Heinrich VII.[4], den Großvater Karls IV., als Kandidaten für die römisch-deutsche Königswürde vor. Dieser, eine „gute Erscheinung, ein umgänglicher Mann mit bester französischer Bildung, die ihn zu besonderen diplomatischen Leistungen befähigte“[5], stellte sein Pflichtbewusstsein und politische Tatkraft unmittelbar nach seiner Wahl im Jahre 1308 unter Beweis. Das Hauptanliegen seiner Politik war dabei stets die Wiedererrichtung des abendländischen Kaisertums, das seit 1254 nicht mehr existierte.
Im Jahre 1312 empfing Heinrich in Rom die Kaiserkrone. Doch obwohl ihm seine Fähigkeiten und sein Wissen im Norden Zulauf und Anerkennung einbrachten, scheiterte er im Süden, in Italien, wo er sich in Kämpfe italienischer Parteien, u. a. wegen unglücklicher wirtschaftlicher Faktoren, so beispielsweise das Fehlen der Voraussetzungen für eine gedeihliche Entwicklung in den Städten, verstrickte, ohne deren Einigung zu erreichen. Im Sommer 1313 erkrankte er und unterlag diesem Leiden. Doch eines seiner Ziele sollte auch nach seinem Tode weiterverfolgt werden: Der Erwerb des Königreiches Böhmen für seine Familie. Noch zu Lebzeiten sich das Wohlwollen der böhmischen Städte sichernd, vermählte er am 31. August 1310 in Speyer seinen Sohn Johann mit Elisabeth, der Tochter des verstorbenen Königs Wenzel II. von Böhmen und sicherte damit den Luxemburgern vor den Habsburgern den Vorrang.
1311 schließlich wurde Johann, der Vater Karls IV., zum König von Böhmen gewählt und regierte als solcher bis zum Jahre 1346, den „böhmischen Löwen“ als Wappentier für die Luxemburger übernehmend.[6] So hatten mit den Habsburgern in Österreich und den Luxemburgern in Böhmen und Schlesien zwei Regentenfamilien die Herrschaft erreicht, die über Stammbesitzungen westlich des Rheins verfügten. Dies führte in Böhmen zu einer Öffnung und Internationalisierung des kulturellen und geistigen Lebens.
Johann jedoch fühlte sich mehr dem Ritterideal verbunden, und er ließ keinerlei Gelegenheit aus, Kriege und Fehden zu führen, so daß für sein Amt als König von Böhmen kaum mehr Zeit verblieb. Stets danach strebend, für Luxemburg Land hinzuzugewinnen, stellten sich seine Aktivitäten für Böhmen als gering dar.[7]
Ein weiterer Grund dafür mag gewesen sein, daß sich seine Ehefrau Elisabeth und er auseinandergelebt hatten und sie, während er die meiste Zeit seines Lebens in Luxemburg verbrachte, nach ihrem Gutdünken in Böhmen regierte. Bereits 1318/1319 führte dieser Ehekonflikt zur endgültigen Trennung und dazu, daß Johann seine Kinder – immerhin entsprossen mehrere der Ehe, nämlich Margarethe, die später Heinrich XV. von Bayern heiratete, Gutta, die mit König Johann II. von Frankreich verehelicht wurde und Wenzel, der bei seiner Firmung den Namen Karl IV. erhielt, der spätere Kaiser, sowie Johann Heinrich und Anna, die später Herzog Otto von Österreich heiratete, schließlich noch zwei Kinder (Ottokar und Elisabeth), die früh verstarben[8] - fern der Mutter erziehen ließ. (Abbildung 1)
Die Luxemburger unterhielten seit langer Zeit gute Kontakte zum französischen Hof, so dass es der französische König Karl IV. war, der Wenzel seinen Taufnamen gab. In Paris erhielt Karl auch seine umfassende und für die damalige Zeit keineswegs selbstverständliche Erziehung (ca. 1323-30). Beschrieben wird er als pflicht- und selbstbewusst, ehrgeizig und kämpferisch.
Er, der aufgrund seiner Herkunft teils Franzose, teils Deutscher mit „einem kräftigen Schuß slawischen Blutes durch seine Mutter Eliška (Elisabeth) und in seiner geistigen Erziehung völlig international geprägt“[9] war, beherrschte frühzeitig fünf Sprachen, nämlich Latein, Deutsch, Tschechisch, Französisch und Italienisch; außerdem schrieb er eine Biographie, die Vita Karoli Quarti.[10]
1331 begab er sich nach Italien, den weitreichenden Plänen des Vaters Johann folgend. Hier nahm Karl auch zum ersten Mal selbständige Amtshandlungen vor. Das Verhältnis zwischen Vater und Sohn ist als ambivalent bezeichnet worden: nicht frei von Spannungen, wohl durch die Trennung der Eltern bedingt, aber auch durch die unterschiedlichen Charaktere. Vom Vater frühzeitig angehalten, ritterlichen Idealen zu folgen, dem er diesbezüglich – wie oben genannt – auch gehorchte, zeigte sich Karl IV. aber auch als sehr religiöser Mensch, der sich gern zurückzog und in christlicher Demut lebte.[11] Seine Autobiographie verrät seine Beschäftigung mit der Religion: „Als wir wieder in Böhmen angelangt waren, (….), und als uns eben der Schlaf übermann wollte, kam uns eine heftige Imagination über jenes Evangelium: `Das Himmelreich ist gleich einem verborgenen Schatz im Acker`, (….), und indem die Imagination begann, entwarf ich im Schlafe die Auslegung. Beim Erwachen aber hatte ich die Bearbeitung des ersten Teiles des Evangeliums noch vollkommen inne, und so führte ich sie unter dem Beistand der göttlichen Gnade völlig zu Ende.“[12] Später traten das ritterliche und damit das kriegerische Moment völlig in den Schatten, und seine Politik war durch Vermeiden von Waffengewalt und Krieg geprägt.
1329 wurde Karl IV. mit Blanka von Valois vermählt, die ihm eine Tochter gebar, Katharina, die später Erzherzog Rudolf IV. von Österreich heiratete, und Margarethe, die zukünftige Gattin Ludwigs des Großen von Ungarn.
1333 kehrte Karl nach Böhmen zurück und wurde 1334 mit der Markgrafschaft Mähren belehnt.
[...]
[1] Ferdinand Seibt, Probleme eines Profils, in: Kaiser Karl IV., S. 19
[2] ebenda
[3] Heinrich Koller, Die Familie der Luxemburger, in: Kaiser Karl IV., S. 318
[4] dazu Jörg K. Hoensch, Die Luxemburger. Eine spätmittelalterliche Dynastie von gesamteuropäischer Bedeutung 1308-1347, S. 105-192
[5] Heinrich Koller, Die Familie der Luxemburger, in: Kaiser Karl IV., S. 319
[6] Ales Zelenka, Heraldische Bemerkungen, in: Kaiser Karl IV., S. 312
[7] Heinrich Koller, Die Familie der Luxemburger, in: Kaiser Karl IV., S. 319
[8] siehe dazu Abbildung 1, grüne Kennzeichnung, entnommen: Kaiser Karl IV., S. 433
[9] Der weise Herrscher, aus: www.celtoslavica.de/bibliothek/karl.htm
[10] Blaschka (Hg.): Vita Karoli Quarti, kommentiert von J. Spevacek, S. 63 f.
[11] Heinrich Koller, Die Familie der Luxemburger, S. 320
[12] Blaschka (Hg.): Vita Karoli Quarti, kommentiert von J. Spevacek, S. 100
- Citation du texte
- Diplomgermanistin Dorothee Noras (Auteur), 2005, Kaiser Karl IV. – Leben und Werk vor dem Hintergrund der ersten "Reichsverfassung", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89219
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