Themenbereich:
4.3.4 Industrialisierung und soziale Frage
Thema der Unterrichtsstunde:
Der Aufstand der schlesischen Weber – Ein Versuch zur Lösung der sozialen Frage
Zielstellung:
Die Schüler lernen anhand des exemplarischen Beispiels des Weberaufstandes von 1844 die Probleme der Industrialisierung sowie den damit verbundenen Versuch der Lösung kennen.
Lernziele:
Die Schüler erkennen (kognitive Lernziele):
- dass durch die Industrialisierung der Kapitalismus den Feudalismus ablöst
- dass die Kluft zwischen den einzelnen Gesellschaftsschichten immer größer wird
- dass kein soziales Netz vorhanden ist
Die Schüler erarbeiten (instrumentale Lernziele):
- mit Hilfe der Karte den Verlauf des Aufstandes
- den Begriff des Verlagssystems
- den Begriff des Pauperismus
Die Schüler beurteilen (affektive und soziale Lernziele):
- dass der Weberaufstand ihre Lebensumstände kaum verbesserte
- dass er somit die soziale Frage nicht löste
- dass er ein Vorbote der Revolution von 1848-49 ist
Medien:
Heinrich Heine „Die schlesischen Weber“
Käthe Kollwitz „Sturm“
Karl Wilhelm Hübner „Die schlesischen Weber“
Karte zum Verlauf des Weberaufstandes
L 1 Vorstellung der Unterrichtseinheit
Wir haben uns in den vergangenen Stunden mit der vorschreitenden Industrialisierung sowie der sozialen Frage in Deutschland beschäftigt. Wir haben gelernt, dass die Epoche des Vormärz – der Jahrzehnte vor der bürgerlichen Märzrevolution von 1848 – von Widersprüchen geprägt war, von der Gleichzeitigkeit von modernen und traditionellen Strukturen.
Der Thronantritt Friedrich Wilhelms IV. weckte 1840 Hoffnungen im Bürgertum, die der König nicht erfüllen sollte. Das erwartete Geschenk einer Verfassung, die durchgreifende Reformen blieben aus. Im Beamtenstaat Preußen war der Schwung der Reformzeit dahin, und zuletzt hatte die französische Julirevolution 1830 die bedrohliche Kluft zwischen Staat und Gesellschaft vor Augen geführt. Preußen, der „klassische moderne Verwaltungsstaat des Vormärz“ sah sich einer wachsenden bürgerlichen Opposition gegenüber, die das uneingelöste Verfassungsversprechen, den Nationalgedanken und – im Lauf der Zeit immer dringlicher – die „soziale Frage“ in den Mittelpunkt ihrer Argumentation stellte. Verschärft wurde die Diskussion um die soziale Frage durch den schlesischen Weberaufstand 1844, mit dem wir uns heute beschäftigen wollen.
SSA 1 Warum erhoben sich die schlesischen Weber?
Die wirtschaftliche Lage der Leinenweber hatte sich über Jahrzehnte hinweg verschlechtert. Zum einen ging die Nachfrage in Richtung der billigeren Baumwollprodukte, zum anderen wurde der Konkurrenzdruck der englischen Leinenweberei, die durch den Einsatz moderner Maschinen billiger und in besserer Qualität produzierte, immer höher. Der übermächtigen Konkurrenz sollte durch Massenproduktion bei immer niedrigeren Löhnen und längeren Arbeitszeiten begegnet werden, was zur Verelendung der Weber führte. Zur Verarmung trug ebenfalls das Verlagssystem bei: Der Vertrieb der dezentral gefertigten Ware lag zentral in der Hand eines Großkaufmanns, dem Verleger, der Preise und Löhne diktierte.
Welcher Tropfen hatte das Fass überlaufen lassen?
Seit Monaten hatten sich unter den Webern in Peterswaldau Unzufriedenheit und Erbitterung aufgestaut. Als selbstständige Heimarbeiter fertigten sie zu Hause, an ihren eigenen Webstühlen, Leinenstoffe. Doch für die von ihnen angebotene Ware zahlten die Textilkaufleute in letzter Zeit immer niedrigere Preise; noch dazu hatten sie sich gerade prunkvolle Wohn- und Geschäftsbauten errichten lassen. Den größten Hass hatte das Handlungshaus Ernst Friedrich Zwanziger und Söhne auf sich gezogen. Es war mit den Lohnkürzungen vorangegangen und hatte zugleich ohne Scheu seinen Reichtum zur Schau getragen. Die allgemeine Erregung fand schließlich ihren Ausdruck in einem eigens gedichteten Volkslied, genannt das „Blutgericht“.
Am Abend des 3. Juni verabredeten sich rund 20 Weberburschen dazu, mit dem Schmählied auf den Lippen vor die Villa der Familie Zwanziger zu ziehen. Was dann geschah, sollte den Anlass zu Aufstand bieten: „Als sie jedoch zur Besitzung der Zwanziger kamen, wurden sie von den Leuten derselben vertrieben und in die Flucht gejagt. Die Letzteren nahmen einen der Sänger, den Weber Wilhelm Mäder, gefangen und überlieferten ihn der Ortspolizeibehörde … misshandelt und blutig geschlagen.“ Nun kochte die Stimmung über. Noch am selben Abend wurde beratschlagt und beschlossen, am anderen Morgen weitere Weber zu mobilisieren, „um vereint den Gefangenen, Weber Mäder, aus dem Gefängnisse zu befreien, und mit den Zwanziger wegen der Erhöhung des Lohnes zu sprechen.“ Der Grund zu der Revolte, die drei Tage dauern und zwölf Tote fordern sollte, war gelegt.
SSA 2 Wie verlief der Aufstand?
„Heute machen wir Rebellion!“ schrie der junge Weber Johannes Fischer seiner Mutter übermütig zu. Unbewaffnet, aber voller Groll zog er mit Dutzenden anderer Weber an den Fenstern seines Elternhauses vorüber. Sein Weg führte zum neugebauten, prächtigen Wohnhaus des verhassten Textilkaufmanns Zwanziger. „Er ist mitgegangen, weil er wollte, dass mehr lohn gegeben würde“, notierte später der Schreiber des Oberlandesgerichts Breslau in die Akten. Sein Entschluss zur „Rebellion“ an diesem Dienstag, dem 4. Juni 1844, sollte schwerwiegende, für ihn selbst kaum vorhersehbare Folgen haben.
Zum einen brachte er den bisher als „ordentlichen und ruhigen Menschen“ bekannten 25jährigen, der schließlich Steine geworfen und ein Stück Rindfleisch gestohlen hatte, „wegen Tumultes“ für drei Jahre ins Zuchthaus. Zum anderen aber sollte sein Handeln – und das seiner Mitstreiter – unerwarteterweise für mehr als 150 Jahre im Gedächtnis der Nachwelt haften bleiben.
Der Weberaufstand der Leineweber in den schlesischen Orten Peterswaldau und Langenbielau vom 4. bis 6. Juni 1844 richtete sich gegen die für ihre katastrophalen Lebensbedingungen verantwortlichen Unternehmer.
1844 entlud sich in Peterswaldau der Unmut der Arbeiter. Das Verlegerhaus der Gebrüder Zwanziger war durch eine besonders harte Lohnpolitik zu Reichtum gelangt. Am 4. Juni legten die Weber in Peterswaldau die Arbeit nieder, sammelten sich und forderten vor dem Haus der Zwanziger mehr Lohn. Sie stürmten und verwüsteten das Gebäude, als ihre Forderung abgelehnt worden war. Eine Gruppe von etwa 3000 Webern sowie Arbeiter anderer Gewerbe zog nun von einem Fabrikanten zum nächsten. Diese kauften sich mit geringen Zugeständnissen frei. Der Aufstand griff auf das benachbarte Langenbielau über. Als inzwischen benachrichtigtes preußisches Militär eingriff, um die Lohnauszahlung im Hause der Gebrüder Dierig zu regeln, kam es zu Ausschreitungen. Die Soldaten schossen in die Menge und beendeten so den Aufstand gewaltsam.
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- Arbeit zitieren
- Marlen Frömmel (Autor:in), 2003, Der Aufstand der schlesischen Weber, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89089
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