Das Problem besteht darin, dass die Strategien und Kampfmittel des Militärs zu großen Teilen noch für „klassische“ Staatenkriege konzipiert sind. Sie stellen kein taugliches Mittel zur Bekämpfung entstaatlichter Gewalt und der Verhinderung terroristischer Anschläge dar. Die neuen Konflikte unterscheiden sich in Struktur und Zielsetzung von den einstmals üblichen Staatenkriegen. So wird darauf hingewiesen, dass die durch die Andersartigkeit der neuen Kriege bedingte Einschränkung der Abwehrfähigkeit für Staaten die Gefahr der Erosion des Gewaltmonopoles in sich berge. Bei erfolgter Erosion hat dann die entstaatlichte, privatisierte Gewalt das letzte Wort.
Geborgenheit, Zuversicht und Wohlbefinden. Begriffe, die sich lediglich denjenigen Individuen zuordnen lässt, die sich in einer Umgebung aufhalten, welche ihnen Freiheit und Sicherheit nicht nur faktisch zukommen lässt, sondern ihnen auch das Gefühl vermittelt, dass sich an diesem Zustand so schnell nichts ändern wird. Welche psychologischen Narben hinterlassen die Spuren von Terroranschlägen, die sich selbst bei den „Nichtopfern“ zunehmend tiefer ins Bewusstsein zu graben scheinen? Vielleicht liegt es an der schweren Fassbarkeit des Phänomens Terrorismus, dass seiner Eigenart nach zwar nicht neu, aber nach wie vor schwer greifbar scheint. Vor-liegend soll im Kontext einer Analyse staatlicher Gewalt skizziert werden, was Terrorismus ist, wo seine Funktionsweisen liegen. Vielleicht ermöglicht die Analyse eine Perspektive, die Denkansätze - nicht zur Bekämpfung, sondern zur Vermeidung - aufzeigt und dabei einen unverklärten Blick darauf ermöglicht, inwieweit die weltumspannende Gesellschaftsstruktur der Staatlichkeit überhaupt noch geeignet ist, diesem Tod der Geborgenheit zu begegnen.[...]
Gliederung
1. Der Machtverlust des Staates
a) Die ursprüngliche Struktur
b) Das Schicksal des Gewaltmonopols
c) Der Einfluss von Wirtschafts- und Sicherheitsbündnissen
d) Die Entfremdung
2. Der Gewaltverlust
a) Wenn Kriege Kinder kriegen
(1) Die Gestalt des Krieges
(2) Die neue Kriege
b) Das terroristische Kalkül
3. Terroristischer Wirkungsgrad und Staatserosion, Möglichkeiten
zum Erhalt des staatlichen Gewaltmonopols
a) Die Möglichkeit der Erosion
b) Die Möglichkeiten des Erhalts staatlicher Gewalt
(1) Die Politik des Äußeren
(2) Die Politik des Inneren
4. Und so darf gesagt werden…
Geborgenheit, Zuversicht und Wohlbefinden. Begriffe, die sich lediglich denjenigen Individuen zuordnen lässt, die sich in einer Umgebung aufhalten, welche ihnen Freiheit und Sicherheit nicht nur faktisch zukommen lässt, sondern ihnen auch das Gefühl vermittelt, dass sich an diesem Zustand so schnell nichts ändern wird. Welche psychologischen Narben hinterlassen die Spuren von Terroranschlägen, die sich selbst bei den „Nichtopfern“ zunehmend tiefer ins Bewusstsein zu graben scheinen? Vielleicht liegt es an der schweren Fassbarkeit des Phänomens Terrorismus, dass seiner Eigenart nach zwar nicht neu, aber nach wie vor schwer greifbar scheint. Vorliegend soll im Kontext einer Analyse staatlicher Gewalt skizziert werden, was Terrorismus ist, wo seine Funktionsweisen liegen. Vielleicht ermöglicht die Analyse eine Perspektive, die Denkansätze - nicht zur Bekämpfung, sondern zur Vermeidung - aufzeigt und dabei einen unverklärten Blick darauf ermöglicht, inwieweit die weltumspannende Gesellschaftsstruktur der Staatlichkeit überhaupt noch geeignet ist, diesem Tod der Geborgenheit zu begegnen.
1. Der Machtverlust des Staates
Hierzu sei zuvor kurz skizziert, wie der Begriff des „Staates“ zu verstehen ist.
a) Die ursprüngliche Struktur
Einer der Ersten, die den Begriff des Staates, so wie wir ihn heute verstehen, verwendeten, war Niccollò Machiavelli Anfang des 16. Jahrhunderts, als er die Ordnungsstruktur Italiens beschrieb[1]. Max Weber sprach einem politischen Anstaltsbetrieb, die Qualifikation als Staat zu, wenn und soweit sein Verwaltungsstab erfolgreich das Monopol legitimen physischen Zwanges für die Durchführung der Ordnungen in Anspruch nehmen konnte[2]. Die „essentialia negotii“ für das Bestehen eines Staates werden oft in der Trias des Vorhandenseins von Staatsgebiet, Staatsvolk, und Staatsgewalt[3] gesehen. Nach dem Westfälischen Frieden von 1648 zeichnete sich der Staat durch seine Souveränität nach innen und außen ab. Kennzeichnend waren, das nach innen bestehende Gewaltmonopol und das nach außen stehende Recht zum Krieg (ius ad bellum)[4]. Dem Staat obliege traditionell die Aufgabe der Gefahrenabwehr[5].
Es lässt sich jedoch aufzeigen, dass diese Verhältnisse einem Wandel unterworfen sind.
b) Das Schicksal des Gewaltmonopols
Für die Stabilität eines Staates scheint die ausschließliche Ausübung von legitimierter Gewalt ein unverzichtbares Kriterium zu sein. Was dabei legitim ist, bestimmt die Legislative als Stellvertreter des Souveräns durch Aufstellung von Regeln, also durch Rechtsnormen. Staat und Recht gehören zusammen[6]. Der Staat benötigt das Recht, um definieren zu können, wo er zum Einschreiten, unter Umständen unter Anwendung von Gewalt, ermächtigt ist und wo nicht. Dort, wo niemand das staatliche Gewaltmonopol in Anspruch nehme, könnten Terroristen ungestört ihre Kämpfer ausbilden[7]. Der Staat hört jedenfalls dann auf zu existieren, wenn er sein Gewaltmonopol vollständig eingebüßt hat[8]. Bis zum heutigen Tage hat sich der Staat einem Wandel unterzogen. Es fragt sich, ob man in Anbetracht der, zur Zeit weltweit existierenden knapp 200 Staaten, überhaupt von dem Staat sprechen kann. Es fallen jedoch einige Gemeinsamkeiten auf, die es erlauben, eine Abstraktion des Staatenbegriffes zuzulassen. Durch die Rolle der UNO, beziehungsweise die Statuten der UN-Charta, ist heute zunächst festgelegt, dass das ius ad bellum keinesfalls mehr zu den konstituierenden Elementen eines Staates gehören kann[9]. Die Option der atomaren Vernichtung ließe dieses Recht auch als absurd erscheinen[10]. Vielschichtig sind die Ausgestaltungsmöglichkeiten seiner Organisationsformen. So kann es sich beispielsweise um einen zentralistisch geprägten Nationalstaat, wie Frankreich, oder um einen föderativen Staat handeln, zu dem sich die Bundesländer unserer Republik zusammengeschlossen haben. Gemeinsam ist jedoch allen ihre, mehr oder weniger große Beeinflussung durch den Prozess der Globalisierung. Diese soll vorliegend weder positiv noch negativ bewertet werden. Es geht um die Auswirkungen der Globalisierung auf das Gefüge „Staat“. Globalisierung steigert die Interdependenzen gesellschaftlicher Systeme. Sie bedingte das Aufkommen von Netzwerken technischer, wirtschaftlicher und politischer Art. Zu beobachten ist die Liberalisierung der Märkte, sowie zunehmende Privatisierung ursprünglich staatseigener Betriebe[11]. Die Gefahren werden unvorhersehbarer, da vielschichtiger. Somit ist ihnen auch schwerer zu begegnen. Diese Vernetzungen führen nicht nur zur Herstellung eines komplexeren Gesamtgefüges, in dem es dem einzelnen Staat schwerer fallen dürfte, seine Souveränität herauszustellen, vielmehr werden mit Einverständnis der Staatsregierungen Machtbefugnisse übertragen.
c) Der Einfluss von Wirtschafts- und Sicherheitsbündnissen
So wird in diesem Zusammenhang erwähnt, dass die UNO die Rolle einer globalen Exekutive einnehme[12]. Hierdurch bedingt wird nicht nur eine Minderung der Souveränität bezüglich der Anwendung von Gewalt, sondern auch bezüglich der Entscheidungen, die im Zusammenhang mit innerer und äußerer Sicherheit stehen. Der Sicherheitsrat übernimmt dabei die Rolle der Legislative, wobei dessen Resolutionen ausdrücklich dem Zweck gewidmet sind, die Souveränität aller Signatarstaaten einzuschränken[13]. Hiermit soll nicht der Eindruck erweckt werden, dass die Existenz der UNO den Staatszweck in Frage stellt. Sicherlich haben die United Nations durch die Schaffung der UNO ein nie zuvor da gewesenes Sprachrohr für den Ausgleich Zwischenstaatlicher Spannungen geschaffen. Damit wirkt die UNO bezogen auf das Fortbestehen von Staaten fraglos stabilisierend, nicht destabilisierend. Es gilt jedoch wahrzunehmen, dass sich die Existenz der UNO auf die Rolle der in ihr vertretenen Staaten souveränitätseinschränkend ausgewirkt hat.
Interessant zu beobachten ist, dass seid dem Ende des zweiten Weltkrieges etliche supranationale Bündnisse geschlossen wurden. Viele der internationalen Bündnisse dienen der Förderung von Wirtschaftsbeziehungen. Auch die EU erfährt vor diesem Hintergrund ihren nach wie vor größten Erfolg. Die EU hat sich zum Vorbildbündnis entwickelt, das seiner Eigenart nach schon oft zur Kopie verleitet hat. So entwickelte sich die LAFTA (Lateinamerikanische Freihandelszone), die CACM (Mittelamerikanischer Gemeinsamer Markt), oder auch die ASEAN (Association of South East Asian Nations). Der freie und internationale Markt bedingt eine Abnahme der Einflussmöglichkeiten von Landesregierungen. Auch hier sei wieder betont, dass dies nicht einseitig betrachtet werden darf. Mehrfach hielt die noch amtierende Bundesregierung die „Exportweltmeisterschaft“ Deutschlands hoch und offerierte damit den Vorzug des globalen Marktes. Auch wenn der Markt grundsätzlich frei ist, ist er in seinen Rahmenbedingungen durch etwaige Gesetze, insbesondere durch das Kartellrecht staatlich gesteuert. Um so eher scheint es daher nachvollziehbar, dass sich durch die Globalisierung, in Anlehnung an Luhmanns Systemtheorie, die nationalen Einflussmöglichkeiten des politischen Systems auf das Umweltsystem Wirtschaft verringern werden. Diesen Machtverlust könnte man vielleicht als Teilverlust des „wirtschaftlichen Gewaltmonopols“ bezeichnen.
Nicht zu vernachlässigen sind dabei die Bündnisse im Hinblick auf Herstellung kollektiver Sicherheit. So ist das Bestehen der Europäischen Union ihrem Ursprung nach auf den Sicherheitsaspekt der Rüstungskontrolle im Rahmen der EGKS zurückzuführen. Auch wenn das Bestehen der NATO einer Erhöhung der Sicherheit ihrer Mitgliedsstaaten bedingt, lässt auch ihr Bestehen einen Souveränitätsverlust dieser Staaten vermuten. Die Mitgliedschaft an Sicherheitsbündnissen verursacht einen interessanten Kreislauf: Je wichtiger ein Staat ist, desto wahrscheinlicher ist seine Beteiligung an internationalen, mehrstaatlich bestimmten Organisationen. Durch zahlreichere Mitgliedschaften überträgt er mehr Souveränität zum Preis dessen, ein Mitspracherecht über die Angelegenheiten anderer Staaten zu erhalten. Auch wenn das Mitspracherecht die eigene Macht erhöht, verringert sich die eigene Souveränität umso mehr, je zahlreicher Sicherheitsbündnisse eingegangen werden[14]. Es kommt zu einer Auslagerung der Staatsgewalt.
[...]
[1] Eppler, Erhard, Auslaufmodell Staat?, Kap. IV, S. 70
[2] Weber, Max; Wirtschaft und Gesellschaft, Kap. I, § 17, S. 39
[3] Ellwein, Thomas/Hesse, Joachim Jens; Der überforderte Staat, S. 11f.; Eppler, Erhard, Auslaufmodell Staat?, Kap. IV, S. 74
[4] Eppler, Erhard, Auslaufmodell Staat?, Kap. IV/VI, S. 70/ 111
[5] Preuß, Ulrich, K.; Risikovorsorge als Staatsaufgabe, in: Grimm, Dieter; Staatsaufgaben, S. 523
[6] Eppler, Erhard, Auslaufmodell Staat?, Kap. IV, S. 74
[7] Eppler, Erhard, Auslaufmodell Staat?, Kap. VII, S. 136
[8] Eppler, Erhard, Auslaufmodell Staat?, Kap. IV, S. 74
[9] Van Creveld, Martin; Aufstieg und Untergang des Staates, S. 390
[10] Eppler, Erhard, Auslaufmodell Staat?, Kap. VI, S. 113
[11]
[12] Van Creveld, Martin; Aufstieg und Untergang des Staates, S. 423
[13] Van Creveld, Martin; Aufstieg und Untergang des Staates, S. 424
[14] Van Creveld, Martin; Aufstieg und Untergang des Staates, S. 433
- Citar trabajo
- Alexander Classen (Autor), 2006, Privatisierte Gewalt und Staatszerfall - Die Macht des Terrorismus, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89079
-
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X.