Bei der Untersuchung der Flugblätter „Evangeliums Lucae“ und „Anatomia Lutheri“ im Seminar „Flugblätter des 16. und 17. Jahrhunderts“ ist der Autor Johannes Nas benannt worden, zu dessen Person bei einfacher Recherche nur wenige Informationen zu finden sind. Seine polemischen Beiträge zu den Streitigkeiten und Uneinigkeiten im reformatorischen Lager lassen sich jedoch in vielen Flugblättern der Zeit dokumentieren und zeugen von seiner Bedeutung in der Gegenreformation.
Bei der zielstrebigeren Recherche sollte erst seine Person in Verknüpfung zum allgemeinen Verständnis von Flugblättern betrachtet werden. Während der ersten Arbeitsschritte unter dieser Aufgabenstellung stellte sich jedoch heraus, dass sein Leben selbst schon ein Dokument des damaligen widersprüchlichen Verständnisses von Reformation und Gegenreformation darstellt und somit ebenfalls Gegenstand dieser Semesterarbeit sein soll.
Nichtsdestotrotz soll auch sein Wirken näher anhand seiner Werke beleuchtet werden, weil seine Predigten und vor allem seine Vorworte näheren Aufschluss darüber geben, unter welchen Umständen diese Flugblätter entstanden sind. Johannes Nas selbst äußert sich in einem seiner Werke zu dem Verstehen und der Intention von Flugschriften und spielt auf die Intertextualität der Flugblätter an. Hierbei lässt sich deutlich machen, dass sich gerade die religiösen Differenzen zwischen der zersplitterten Front der Reformatoren und der römischen Kirche immer in einem schriftlichen Dialog ausdrücken, die mittels Flugblättern und Flugschriften der interessierten und gebildeten Leserschaft zugänglich gemacht wurden.
Die vorliegenden Schriften zu Johannes Nas und dessen Leben sind nicht eindeutig und weisen an manchen Lebensphasen Bruchstellen auf. Als Basiswerk zu dessen Biographie wäre sicherlich die schwerzugängliche Dissertation von Josef Hepp (1963) als gesichert anzuführen; sie lag jedoch als Grundlage zu dieser Ausarbeitung nicht vor und wird durch Josef Gelmi und dessen Aufsatz ‚Eine weitgehend unbekannte Kurzbiografie über Johannes Nas’ aufgefangen, in der Gelmi ein Werk von Johann Roßbichler (1750-1814) veröffentlicht, das sich mit den Bischöfen von Säben und Brixen beschäftigt und in dem Johannes Nas zehn Seiten gewidmet sind. Der am 15. März 1534 in Eltmann in der Nähe Bambergs (Unterfranken) geborene Johannes Nas wurde von seinen Eltern Valentin und Magdalena Schumann „christkatholisch“ erzogen.
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Biographie zu Johannes Nas
III. Das Flugblatt ‚Anatomia Lutheri’
1. Bildgestaltung
2. Textgestaltung
IV. Johannes Nas’ Wirken in der Reformationszeit
a) Das neue Medium ‚Flugblatt’
b) Johannes Nas in seinen Werken
c) Einordnung des Wirkens in den ‚Dialog der Flugblätter’
V. Literaturverzeichnis
I. Einleitung
Bei der Untersuchung der Flugblätter „Evangeliums Lucae“[1] und „Anatomia Lutheri“[2] im Seminar „Flugblätter des 16. und 17. Jahrhunderts“ ist der Autor Johannes Nas benannt worden, zu dessen Person bei einfacher Recherche nur wenige Informationen zu finden sind. Seine polemischen Beiträge zu den Streitigkeiten und Uneinigkeiten im reformatorischen Lager lassen sich jedoch in vielen Flugblättern der Zeit dokumentieren und zeugen von seiner Bedeutung in der Gegenreformation.
Bei der zielstrebigeren Recherche sollte erst seine Person in Verknüpfung zum allgemeinen Verständnis von Flugblättern betrachtet werden. Während der ersten Arbeitsschritte unter dieser Aufgabenstellung stellte sich jedoch heraus, dass sein Leben selbst schon ein Dokument des damaligen widersprüchlichen Verständnisses von Reformation und Gegenreformation darstellt und somit ebenfalls Gegenstand dieser Semesterarbeit sein soll.
Nichtsdestotrotz soll auch sein Wirken näher anhand seiner Werke beleuchtet werden, weil seine Predigten und vor allem seine Vorworte näheren Aufschluss darüber geben, unter welchen Umständen diese Flugblätter entstanden sind. Johannes Nas selbst äußert sich in einem seiner Werke zu dem Verstehen und der Intention von Flugschriften und spielt auf die Intertextualität der Flugblätter an. Hierbei lässt sich deutlich machen, dass sich gerade die religiösen Differenzen zwischen der zersplitterten Front der Reformatoren und der römischen Kirche immer in einem schriftlichen Dialog ausdrücken, die mittels Flugblättern und Flugschriften der interessierten und gebildeten Leserschaft zugänglich gemacht wurden.
Die vorliegenden Schriften zu Johannes Nas und dessen Leben sind nicht eindeutig und weisen an manchen Lebensphasen Bruchstellen auf. Als Basiswerk zu dessen Biographie wäre sicherlich die schwerzugängliche Dissertation von Josef Hepp (1963) als gesichert anzuführen; sie lag jedoch als Grundlage zu dieser Ausarbeitung nicht vor und wird durch Josef Gelmi und dessen Aufsatz ‚Eine weitgehend unbekannte Kurzbiografie über Johannes Nas’ aufgefangen, in der Gelmi ein Werk von Johann Roßbichler (1750-1814) veröffentlicht, das sich mit den Bischöfen von Säben und Brixen beschäftigt und in dem Johannes Nas zehn Seiten gewidmet sind.[3]
II. Biographie zu Johannes Nas
Der am 15. März 1534 in Eltmann in der Nähe Bambergs (Unterfranken) geborene Johannes Nas wurde von seinen Eltern Valentin und Magdalena Schumann[4] „christkatholisch“[5] erzogen. Nach seiner Ausbildung zum Schneider in Bamberg ging Nas auf die Wanderschaft durch Bayern und hielt sich 1549/50 in Nürnberg auf, wo er durch Predigten der Reformatoren dem Protestantismus und Martin Luther zugetan war. Nas selbst schrieb nach Schöpf[6]: „Weil ich zu Nürnberg gewesst, hab ich manchen Sonntag vier gantzer Predigt gehört, und so stark gesungen, als einer im hauffen.“ „Ich hätte ohne weiteres nach Steinen gesucht, wenn [mir] nach einer solchen Predigt ein katholischer Priester oder Bischof begegnet wäre.“[7] In der Folge gelangt Nas über Regensburg und Augsburg nach München, wo er durch die Schriften Thomas von Kempis[8] wieder rekonvertierte, mit achtzehn Jahren als Laienbruder den Franziskanern beitrat und am 05. August 1553 die Gelübde in München ablegte. Als Konventschneider nach Ingolstadt versetzt, erlernte er Latein, wurde 1557 in Freising zum Priester geweiht und begann 1559 mit dem Studium der Theologie in Ingolstadt. Der „wahrhaft sonderbare Mann“[9] zeichnete sich in der Folge als geschickt im Predigen aus und wurde am 14. September 1560 vom Kapitel der oberdeutschen Franziskanerprovinz zum Konventprediger in Ingolstadt ernannt. Schon 1565 veröffentlicht Nas seine ersten Predigten, in denen er seinen reformatorischen Gegnern und deren „derben Angriffen“[10] entgegentrat. In seinen Schriften erscheint er seinen Gegnern zunehmend gewachsen, wobei Johann Fischart als einer seiner schärfsten Kritiker auszunehmen wäre.[11] Als „Kontroverstheologe“[12] wurde Nas schnell auch über die Stadtgrenzen bekannt und 1566 nach Straubing gerufen, um die Stadt durch seine Predigten wieder zu Rekatholizieren, was ihm auch gelang.[13] Auf Bitte des Augsburger Bischofs, Kardinal Otto Truchseß von Waldburg, predigte Johannes Nas vor der Provinzialsynode in Ulm und gelangte 1568 wieder nach München. Der Würzburger Bischof Friedrich von Wirsberg lud ihn auf die Marienburg ein und nahm ihn mit auf seine Visitationsreise, wobei Nas feststellen musste, dass sein Heimatort ebenfalls evangelisiert wurde. Als Guardian der Straßburger Ordensprovinz nahm Nas 1571 am Generalkapitel der Franziskaner in Rom teil und predigte dort vor Papst Pius V., der ihn mit dem Titel des ‚apostolischen Predigers’ belegte und ihm Belobigungsbullen überstellen ließ.[14] Durch Ordensangelegenheiten erreicht Nas 1572 Innsbruck und wird von Erzherzog Ferdinand II. zum Hofprediger bestellt, gerät dort in Auseinandersetzungen mit den Jesuiten, deren „nachteiligen Folgen“[15] durch die Obhut des Erzherzogs von Nas abgewandt wurden.[16] Schon auf der Rückreise von Rom im Juni 1571 gelangte Nas durch Brixen, wo ihm die Dompredigerstelle vom Domkapitel angetragen wurde, die er nun in der Folge der Aus-einandersetzungen in Innsbruck annahm. Während seiner Tätigkeit als Domprediger reiste Nas noch immer viel in deutschen Landen und predigte in Kärnten, Augsburg und anderen Städten. Das Brixener Domkapitel beschwerte sich 1574 und 1577 nicht über die „Predigt-tätigkeit“, über die es „voll des Lobes“ war, sondern „weil er [Nas] immer wieder ohne Er-laubnis verreiste.“[17] Der Fürstbischof Johann Thomas von Spaur erwirkte bei Papst Gregor für Johannes Nas die Ernennung zum bellinischen Bischof[18], um diesen zum Weihbischof annehmen zu können und somit enger an Brixen zu binden. Durch die Bestätigungsbulle vom 19. Mai 1580 und die Bischofssalbung am 18. September 1580 erlangte Nas die Befugnisse und den Einfluss, eine eigenständige Provinz der Franziskaner in Tirol zu errichten, was nicht bei allen seinen Ordensbrüdern auf Anerkennung stieß.[19] Schon 1578 wurde in München an-stelle des Reformators der Titel des „Deformators“[20] für Nas gebräuchlich, wogegen Nas sich durch ein Schreiben an den Papst zur Wehr setzte und von diesem zum Kommissar und Visitator der Franziskanerklöster im Herrschaftsbereich Ferdinands II. eingesetzt wurde.[21] Durch einen vorangegangenen Streit mit dem Generalvikar der Diözesen Trient und Brixen, Adam von Ars, und einem Gerücht, das von einer Nonne des Clarissenklosters, das Nas in Brixen errichtete, verbreitet wurde, geriet Johannes Nas in den Verdacht, als Beichtvater des Klosters mit den Nonnen und der Äbtissin Unzucht getrieben zu haben. Daraufhin musste sich Nas vor dem Papst rechtfertigen, wurde durch eine Untersuchung, die er selbst unter den Vorsitz seines Gegners Adam von Ars erbeten hatte, von den Anschuldigungen freige-sprochen. Durch eine Schutzschrift des Fürstbischofs vom 18. Oktober 1589 an Papst Sixt V. und an den Ordensgeneral der Franziskaner, Franz Gonzaga, bewegt, reiste Nas von Rom ab und kehrte nach Brixen zurück. Eine weitere Schutzschrift des Domkapitels enthält die Aussagen über Nas, dass er „durch Predigen, und Bücherschreiben viele Ketzer und Sünder bekehret, Wankelnde befestiget, und Fromme noch vollkommener gemacht, daß er das Lob eines apostolischen Mannes durch ganz Deutschland behaupte.“[22] An anderer Stelle wird Nas als „dynamische und charakteristische Gestalt mit rauhen Zügen, keiner der bahnbrechenden Theologen, aber als sprachgewaltiger Prediger einer der großen Seelsorger in der katho-lischen Erneuerung des 16. Jahrhunderts“[23] bezeichnet. Auch Hirn kommt zu dem Schluss, dass ihm „unstreitig eine der ersten Stellen“ „unter den Gegenreformatoren Tirols gebührt.“ Kritischer angeführt wird auch, dass sich Nas durch „seine Unbeherrschtheit und seinen galligen Spott die Feindschaft der Jesuiten und mancher Domherren“ zuzog und sich „Mahnungen des Landesfürsten gefallen lassen“[24] musste.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Am 16. Mai 1590 starb Johannes Nas in Innsbruck und wurde im Kapitel, der Kapelle des Franziskanerklosters, beigesetzt. Erzherzog Ferdinand II. ließ eine Grabplatte mit dem Bildnis und dem Wappen des Verstorbenen aus weißem Marmor anfertigen und ein kleiner Gedenkstein trägt die Widmung: „Serenissimus Princepcs Ferdinandus Archidux Austriae erga optimum Praesulum, et olim Ministrum suum, gratiae suae declarandae causa hoc monumentum posuit.“[25] Nachdem Kaiser Joseph II. das Franziskanerkloster aufhob und die Gebeine Nas’ in die Jesuitenkirche überführt wurden, befindet sich das Grab des Brixener Weihbischofs Johannes Nas(us) seit 1842 wieder als einziges Bischofsgrab in der Hofkirche zu Innsbruck.
[...]
[1] Harms II. S. 25.
[2] Harms II. S. 35.
[3] Roßbichler. S. 188-198.
[4] Nach Hepp (S. 20) hieß die Mutter mit Geburtsnamen Schumann, nach Schöpf (S. 5) Schumanin.
[5] Roßbichler zit. nach Gelmi S. 481.
[6] Schöpf S. 7. zit. nach Gelmi S. 481.
[7] zit. nach Walker S. 2.
[8] Thomas von Kampen (1380-1471) wird das Werk ‚De imitatione Christi’ zugeschrieben, wobei ungeklärt ist, ob er es verfasste oder abschrieb, denn das Autograph „Finitus et completus ... per manus fratris Thomae Kempensis“ lässt beide Schlüsse zu. (Meyers Konversationslexikon).
[9] Gelmi S. 476.
[10] Schöpf S. 11.
[11] Vgl. Gödeke S. 384. Anzumerken ist hier, dass Gödeke sehr oberflächlich von Nas spricht, ihn fehlerhaft als Hochschullehrer in Ingolstadt einführt und ihm dessen Lebensdaten unbekannt sind.
[12] Gelmi S. 475.
[13] Vgl. Schöpf S. 15. und Hepp S. 20.
[14] Vgl. Hepp S. 21 und Roßbichler in Gelmi S. 482f.
[15] Gelmi S. 483.
[16] Hirn S. 255.
[17] Hepp S. 21.
[18] Anmerkung: Bellin ist eine zerstörte Stadt in Palästina. Die Weihbischöfe von Brixen erhielten seit Ende des 15. bis zum Ende des 17. Jahrhunderts diesen Titel, weil diese als von einem Erzbistum abhängige Suffragane bestellt waren. Vgl. Schöpf S. 47, Gelmi, Kirchengeschichte Tirols S. 324 und Sinnacher S. 169.
[19] Vgl. Hepp S. 22f.
[20] ebd.
[21] vgl. Hirn S. 247-252.
[22] Roßbichler zit. nach Gelmi S. 488.
[23] Hepp S. 190.
[24] Bücking S. 72.
[25] zit. nach Schilling S. 101.
- Citar trabajo
- René-André Kohl (Autor), 2006, Das Flugblatt 'Anatomia Lutheri' und das Wirken des Autors Johannes Nas in der Reformationszeit, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88861
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