Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den Radioreden „Deutsche Hörer!“ von Thomas Mann, die er vom Exil in Amerika aus in den Jahren 1940 bis 1945 an das deutsche Volk richtete. Um dieses Thema behandeln zu können, wird sich die Arbeit zuerst mit Thomas Manns politischer Entwicklung bzw. seinem Werdegang beschäftigen, wobei jedoch keinesfalls eine ausführliche Biographie Manns vorgenommen wird, sondern lediglich die Zeit von 1914 bis 1940 behandelt wird. Schließlich soll dieser Einstieg lediglich deutlich machen, wie es dazu kam, dass Thomas Mann im Oktober 1940 seine Laufbahn als Radiokommentator begann.
Da diese Radioansprachen jedoch nicht auf Eigeninitiative Manns, sondern im Auftrag der British Broadcasting Corporation (BBC) – die während des Krieges zum wichtigsten britischen Propagandaorgan wurde – entstanden sind, folgt im zweiten Teil der Arbeit eine Erläuterung der Stellung Manns in der BBC und der Schwierigkeiten in diesem Verhältnis.
Der dritte Teil, der den Kern der Arbeit bilden soll, befasst sich direkt mit den Reden. Da eine umfassende inhaltliche Analyse aller 58 Reden hier jedoch – aus Kapazitätsgründen – nicht vorgenommen werden kann, wird die Arbeit anhand einiger Themenschwerpunkte (vorrangig Manns Intentionen, sein Bild der Deutschen, die Behandlung der Schuldfrage sowie die verschiedenen „Argumentationsrollen“) versuchen, Manns Einstellungen innerhalb der Reden aufzuzeigen und zu erklären. Die sprachlich-rhetorischen Merkmale der Reden werden dabei, ebenfalls aus Platzmangel, nicht untersucht.
Die Schlussbemerkungen widmen sich dann schließlich der Wirkung der Reden sowie einigen Kri-tikpunkten. Auf die Rezeption nach dem Krieg wird ebenfalls verzichtet.
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung
2. Die politische „Entwicklung“ Thomas Manns
3. Thomas Manns und die BBC
4. Die Radioreden
5. Schlussbemerkung
6. Literaturverzeichnis
1. Einführung
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den Radioreden „Deutsche Hörer!“ von Thomas Mann, die er vom Exil in Amerika aus in den Jahren 1940 bis 1945 an das deutsche Volk richtete. Um dieses Thema behandeln zu können, werde ich mich zuerst mit Thomas Manns politischer Entwicklung bzw. seinem Werdegang beschäftigen, wobei ich jedoch keinesfalls eine ausführliche Biographie Manns vornehmen, sondern mich lediglich mit der Zeit von 1914 bis 1940 befassen werde. Schließlich soll dieser Einstieg lediglich deutlich machen, wie es dazu kam, dass Thomas Mann im Oktober 1940 seine Laufbahn als Radiokommentator begann.
Da diese Radioansprachen jedoch nicht auf Eigeninitiative Manns, sondern im Auftrag der British Broadcasting Corporation (BBC) – die während des Krieges zum wichtigsten britischen Propagandaorgan wurde – entstanden sind, folgt im zweiten Teil der Arbeit eine Erläuterung der Stellung Manns in der BBC und der Schwierigkeiten in diesem Verhältnis.
Im dritten Teil, der den Kern der Arbeit bilden soll, werde ich mich dann mit den Reden direkt befassen. Da eine umfassende inhaltliche Analyse aller 58 Reden hier jedoch – aus Kapazitätsgründen – nicht vorgenommen werden kann, werde ich anhand einiger Themenschwerpunkte (vorrangig Manns Intentionen, sein Bild der Deutschen, die Behandlung der Schuldfrage sowie die verschiedenen „Argumentationsrollen“) versuchen, Manns Einstellungen innerhalb der Reden aufzuzeigen und zu erklären. Die sprachlich-rhetorischen Merkmale der Reden werde ich, ebenfalls aus Platzmangel, nicht untersuchen.
In den Schlussbemerkungen widme ich mich dann der Wirkung der Reden sowie einigen Kritikpunkten meinerseits. Auf die Rezeption nach dem Krieg werde ich jedoch auch verzichten.
Grundsätzlich muss im Voraus festgehalten werden, dass die Radioreden Manns in der wissenschaftlichen Betrachtung und Forschung nur oberflächlich Beachtung fanden. Die wenigen vorhandenen Aufsätze beschäftigen sich meist unter literaturwissenschaftlichen Gesichtspunkten mit diesem Thema oder nur mit Teilaspekten von „Deutsche Hörer!“ (wie dem Rundfunkaspekt oder der Sprachanalyse). Deshalb werde ich mich in meiner Arbeit auch großteils auf Heike Weidenhaupts „Gegenpropaganda aus dem Exil“ stützen, vor allem in dem Abschnitt über die verschiedenen Rollen Manns innerhalb der Reden.
Natürlich kann und soll meine Arbeit das Forschungsdefizit nicht ausräumen – das würde auch bei weitem den Rahmen sprengen. Aber ich hoffe, hiermit einen Einblick in den Forschungsstand geben zu können.
2. Die politische „Entwicklung“ Thomas Manns
Hineingeboren in eine gutbürgerliche Lübecker Kaufmannsfamilie und aufgewachsen im politisch ruhigen Lübeck, bestand für Thomas Mann bis 1914 keine unbedingte Notwendigkeit für politisches oder soziales Handeln. Politik galt außerdem zu dieser Zeit in weiten Kulturkreisen als „unästhetisch, unpoetisch und gehörte in den Bereich grober Handgreiflichkeiten, geistloser Banalität und brutaler Wirklichkeit“[1]. Dies änderte sich für Thomas Mann jedoch jäh zu Beginn des Krieges: wie die Mehrzahl der Deutschen verfiel auch er in den patriotische Begeisterung über diesen Krieg und verkündete seine Gesinnung bald öffentlich. Es erschienen noch 1914 seine „Gedanken zum Krieg“ und der Aufsatz „Friedrich und die große Koalition“. Es folgten 1918 die „Betrachtungen eines Unpolitischen“, in denen seine antidemokratische Haltung deutlich wurde. Die Beschäftigung mit Politik heißt aber keinesfalls, dass Mann nun dieser gegenüber positiver eingestellt gewesen wäre; ganz im Gegenteil, heißt es in den „Betrachtungen eines Unpolitischen“ doch: „Denn ich hasse die Politik und den Glauben an die Politik, weil er dünkelhaft, doktrinär, hartstirnig und unmenschlich macht.“[2] Für ihn bleibt Monarchie die ideale Staatsform. Im Jahre 1922, also nur vier Jahre später, tritt er in seiner Rede „Von deutscher Republik“ jedoch deutlich für die Republik im Allgemeinen und die Weimarer Republik im Besonderen ein. Der Wandel vom Monarchie-Vertreter und Demokratie-Gegner zum Republik- und Demokratieverfechter war vollzogen und die Karriere als politischer Publizist begann. Mann erklärte diese unverständlich erscheinende „Verwandlung“ seinem Publikum mit der Versicherung, immer noch konservativ zu sein; seine Einstellung wäre damit nicht revolutionärer, sondern erhaltender Natur und ihm gehe es allein um den Menschen – er sehe einfach die Republik als die der Humanität zuträglichste Staatsform an[3]. Schon bald kommt jedoch ein weiterer Grund für sein öffentliches Auftreten hinzu: die Warnung vor dem aufziehenden Nationalsozialismus, durch den er die Verwirklichung der Demokratie gefährdet sah. In seiner „Deutschen Ansprache“ vom Oktober 1930 attackiert er – erschüttert vom Ausgang der Reichstagswahlen – deutlich die wachsende nationalsozialistische Bewegung und bezeichnet sie als „exzentrische Barbarei, [...], Emanzipation der Rohheit [und] Diktatur der Gewalt“[4]. Die Pressehetze, die auf seinen Vortrag im Februar 1933 an der Universität München folgt, veranlasst ihn auf Anraten seiner Kinder Erika und Klaus vorläufig in der Schweiz zu bleiben, wohin ihn ein Erholungsurlaub nach einer Vortragsreise geführt hatte. Zutiefst erschüttert von den Vorgängen, glaubt er jedoch anfangs nicht an ein längeres Exil. Er sollte sich täuschen: Während seiner Abwesenheit wurden seine Konten gesperrt, seine Villa besetzt und seiner Passverlängerung nicht entsprochen. Da er eine Trennung von seinem deutschen Publikum durch ein Erscheinungsverbot befürchtete, hielt er sich trotz allem mit Kritik am neuen Regime zurück und scheute ein offenes Bekenntnis gegen die neuen Machthaber. Der endgültige Bruch mit Deutschland vollzog sich dann 1936. Seine Vorbehalte gegen das deutsche Emigrantentum, die er zwei Jahre zuvor einige Male geäußert hatte („Meine Haltung, mein Urteil sind nicht vom Emigrantengeist bestimmt oder beeinflusst. Ich stehe für mich und habe mit dem in der Welt verstreuten deutschen Emigrantentum überhaupt keine Fühlung.“[5] ), traten in den Hintergrund; er bekannte sich in einem Brief an die „Neue Züricher Zeitung“ zum Emigrantentum und verurteilt offen die Diktatur und den Nationalsozialismus in Deutschland. Daraufhin entzogen die deutschen Machthaber ihm, seiner Frau und vier seiner Kinder[6] im Dezember 1936 die deutsche Staatsbürgerschaft. Da Thomas Mann zwei Wochen vorher allerdings schon die tschechische Staatsbürgerschaft erhalten hatte, traf ihn dieser Schlag nicht allzu hart; vielmehr machte ihm die Aberkennung der Ehrendoktorwürde der Universität Bonn zu schaffen. Unter anderem durch den darauffolgenden (an den Dekan adressierten) offenen Schmähbrief, der in den Kreisen der Emigranten einen tiefen Eindruck hinterließ, wurde Thomas Mann zum „Botschafter eines anderen besseren Deutschlands im Exil“[7], wobei er diese Stellung „nicht angestrebt [hatte], er hatte sich darin wiedergefunden“[8]. In den ersten Jahren bestand jedoch unter den Emigranten noch die Hoffnung, dass es sich bei Hitler nur um eine „vorübergehende Erscheinung, ein Zwischenspiel, ein Betriebsunfall“[9] handelt; so äußert Mann noch im Juli 1941: „Das alles trägt ja den Stempel des schauerlich exzentrischen Zwischenspiels.“[10].
Mittlerweile (es ist Mai 1938) war Mann (u.a. aufgrund der Kriegsgefahr in Europa und dem Angebot einer Gastprofessur) nach Princeton übergesiedelt. Sein Bedürfnis nach politischer Aktivität war schließlich nicht an Europa gebunden. Auch in Amerika war ein antinationalsozialistisches Engagement in Form von Vortragsreisen, Zeitungsinterviews sowie politischen Publikationen etc. möglich. Um sein deutsches Publikum auch weiterhin zu erreichen, bediente er sich letztlich des Rundfunks und beteiligte sich durch die Serie „Deutsche Hörer !“ am britischen Ätherkrieg gegen Deutschland.
[...]
[1] Weidenhaupt, S. 13
[2] Mann, Thomas: „Betrachtungen eines Unpolitischen“, zitiert nach Weidenhaupt, S. 19
[3] Weidenhaupt, S. 26
[4] Mann, Thomas: „Deutsche Ansprache“, zitiert nach Weidenhaupt S. 31
[5] Mann, Thomas: „Briefe, Band 1“, zitiert nach Hoffschulte, S. 26
[6] Erika und Klaus Mann waren bereits 1934 ausgebürgert worden
[7] Weidenhaupt, S. 37
[8] Goll, S. 59f
[9] Hoffschulte, S. 24
[10] Mann, S. 34
- Quote paper
- Maria Lang (Author), 2003, "Deutsche Hörer!" Zu Thomas Manns Radioreden aus dem Exil, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88846
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