Die Strukturen von Organisationen sind in der Wissenschaft – dabei hauptsächlich von Wirtschaftswissenschaftlern und (Organisations-)Soziologen – vielfach erforscht und analysiert worden. Eine Vielzahl der damit verbundenen Untersuchungen und Studien war allerdings stets auf die Unternehmenskulturen in einzelnen Ländern bzw. Nationen beschränkt. Hierbei entstanden im Laufe des 20. Jahrhunderts eine Reihe theoretischer Ansätze, die Organisationen jeweils unterschiedlich deuteten und unter einem ganz bestimmten Blickwinkel betrachteten; zu nennen wären hier beispielsweise der Ansatz der Mikropolitik, der nach dem Modell des Homo oeconomicus ausgerichtete Rational-Choice-Ansatz, der Situative Ansatz, der von Anthony Giddens formulierte Ansatz der Strukturation, der (Neo-)Institutionalismus sowie der aktuell recht populäre Systemtheoretische Ansatz nach Niklas Luhmann.
Im Gegensatz zu diesen genannten Organisationstheorien, die letztlich grundlegend auf der Untersuchung und Herausstellung von Gemeinsamkeiten bestimmter Organisationen basieren, war und ist es das Ziel Geert Hofstedes, die Unterschiede zwischen Organisationen (bzw. anhand einer Organisation – dem IBM-Konzern) herauszuarbeiten, um dadurch in einem nächsten Schritt die kulturellen Unterschiede sowohl zwischen Organisationen als auch zwischen Nationen darzustellen. [...]
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Geert Hofstede – Eine kurze biographische Notiz
3. Theoretische Grundlagen: Hofstedes Verständnis von Kultur
4. Die Kulturtheorie nach Hofstede – Fünf Dimensionen zur Charakterisierung kultureller Unterschiede
4.1. Machtdistanz
4.2. Individualismus und Kollektivismus
4.3. Maskulinität und Feminität
4.4. Unsicherheitsvermeidung
4.5. Lang- und Kurzzeitorientierung
5. Kritik an Hofstedes Kulturtheorie
6. Resümee
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die Strukturen von Organisationen sind in der Wissenschaft – dabei hauptsächlich von Wirtschaftswissenschaftlern und (Organisations-)Soziologen – vielfach erforscht und analysiert worden. Eine Vielzahl der damit verbundenen Untersuchungen und Studien war allerdings stets auf die Unternehmenskulturen in einzelnen Ländern bzw. Nationen beschränkt. Hierbei entstanden im Laufe des 20. Jahrhunderts eine Reihe theoretischer Ansätze, die Organisationen jeweils unterschiedlich deuteten und unter einem ganz bestimmten Blickwinkel betrachteten; zu nennen wären hier beispielsweise der Ansatz der Mikropolitik, der nach dem Modell des Homo oeconomicus ausgerichtete Rational- Choice-Ansatz, der Situative Ansatz, der von Anthony Giddens formulierte Ansatz der Strukturation, der (Neo-)Institutionalismus sowie der aktuell recht populäre Systemtheoretische Ansatz nach Niklas Luhmann.
Im Gegensatz zu diesen genannten Organisationstheorien, die letztlich grundlegend auf der Untersuchung und Herausstellung von Gemeinsamkeiten bestimmter Organisationen basieren, war und ist es das Ziel Geert Hofstedes, die Unterschiede zwischen Organisationen (bzw. anhand einer Organisation – dem IBM-Konzern) herauszuarbeiten, um dadurch in einem nächsten Schritt die kulturellen Unterschiede sowohl zwischen Organisationen als auch zwischen Nationen darzustellen.
Thema und Aufgabe dieser Arbeit soll es demnach sein, das Modell Hofstedes, bzw. die Studie, auf welcher dieses basiert, in seinen Grundzügen anschaulich darzustellen, um somit weiterhin auch die Frage klären zu können, ob die Popularität und das Ansehen, welches Geert Hofstede mit seinen Forschungsergebnissen in der Welt der Wissenschaft erlangen konnte, letztlich als gerechtfertigt bewertet werden können oder nicht. Im Anschluss daran soll ebenfalls eine überblicksartige Darstellung der meistgenannten und wichtigsten Kritikpunkte am Hofstede‘schen Modell erfolgen, welche in der wissenschaftlichen Rezeption in der Vergangenheit immer wieder benannt und oft diskutiert worden sind.
2. Geert Hofstede – Eine kurze biographische Notiz
Geert Hofstede wurde am 2. Oktober 1928 im niederländischen Haarlem geboren. Er erwarb seinen Diplomabschluss an der Delft Technical University, arbeitete daraufhin zehn Jahre lang als Ingenieur sowie im Management in der niederländischen Industrie, studierte in dieser Zeit aber weiter und promovierte schließlich an der Universität von Groeningen in Sozialpsychologie. Im Anschluss daran übernahm er die Leitung der Abteilung für Personalforschung bei IBM Europe, die er zuvor selbst gegründet hatte. Nach diversen beruflichen Aufenthalten im Ausland gelangte Hofstede schließlich zurück in die Niederlande an die Universität von Maastricht, an der er bis 1993 einen Lehrstuhl für Organisationssoziologie und Internationales Management innehatte. Neben diversen weiteren Tätigkeiten war Hofstede zudem Mitbegründer sowie erster Leiter des IRIC (Institute for Research on Intercultural Cooperation) und steht diesem auch heute noch zur Verfügung.
Die Tatsache, dass Hofstedes Bücher in insgesamt 18 Sprachen erschienen, seine Artikel in Fachzeitschriften für Sozialwissenschaft und Management weltweit veröffentlicht wurden, und sich sein Name unter den 100 meistzitierten Autoren im Social Science Citation Index findet, spricht für einen enormen wissenschaftlichen Einfluss Hofstedes in den letzten Jahrzehnten.
Geert Hofstede hält gegenwärtig nachwievor mehrsprachige Vorträge an Universitäten, Lehrinstituten und Firmen weltweit. Sein Tätigkeitsbereich umfasst die Beratung oder die Übernahme von Gastrednerrollen für nationale wie internationale Unternehmen sowie staatliche Organisationen, so etwa für die Weltbank, die Asian Production Organisation oder die Kommission der Europäischen Union.[1]
3. Theoretische Grundlagen: Hofstedes Verständnis von Kultur
Um sich Hofstedes Fünf-Dimensionen-Theorie, die im folgenden Kapitel im Einzelnen erläutert werden soll, inhaltlich zu nähern, ist es zunächst einmal von Bedeutung, das grundlegende Kulturverständnis Hofstedes nachzuvollziehen.
Dabei geht Hofstede grundsätzlich davon aus, dass es „Unterschiede im Denken, Fühlen und Handeln“[2] zwischen Menschen gibt, und kritisiert gleichzeitig, dass diese bei Fragen der Zusammenarbeit in der Vergangenheit oft nicht genügend Beachtung fanden, und sich stattdessen den rein fachlichen Aspekten unterordnen mussten. Ziel Hofstedes ist es nun zu zeigen, „dass trotz der enormen Vielfalt von Denkweisen eine Struktur in dieser Vielfalt existiert, die als eine Grundlage gegenseitigen Verstehens dienen kann.“[3]
In diesem Zusammenhang begreift Hofstede „Kultur als mentale Programmierung“[4], d.h. er geht von Sozialisationsprozessen in der frühen Kindheit aus, welche die oben benannten Unterschiede im Denken, Fühlen und Handeln zwischen Menschen maßgeblich beeinflussen und von der Familie, der Peer-Group oder – allgemeiner – von dem sozialen Milieu des Individuums geprägt werden. Als Sozialpsychologe betont Hofstede hierbei besonders, dass diese „mentale Software“[5] allerdings niemals als determinierend zu verstehen ist, sondern lediglich vermuten lässt, welche Reaktionen eine Person in bestimmten Situationen wahrscheinlich oder erwartungsgemäß zeigen wird. An dieser Stelle unterscheidet Hofstede nun zwei unterschiedliche Verwendungen des Kulturbegriffs: zum Einen Kultur im engeren Sinne, wobei Kultur vornehmlich als Bildung, Kunst und Literatur verstanden wird. Von dieser engen Definition grenzt sich Hofstede ab und bezieht sich auf eine weiter gefasste, vornehmlich sozialanthropologische Definition: „Sie ist die kollektive Programmierung des Geistes, die die Mitglieder einer Gruppe oder Kategorie von Menschen von einer anderen unterscheidet.“[6]
Diese sozialanthropologische Definition lässt sich auch anhand der folgenden Grafik veranschaulichen:
Abbildung 1 Das sozialanthropologische Kulturmodell
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Zentral hierbei ist, dass Kultur erlernt, und nicht angeboren ist. Sie wird unterschieden von der menschlichen Natur, also dem, was allen Menschen gemeinsam ist, sowie der Persönlichkeit eines Individuums, d.h. die „einzigartige persönliche Kombination mentaler Programme, die es mit keinem anderen Menschen teilt“[7]. Hofstede betont in diesem Zusammenhang, dass Kulturen keinesfalls als besser oder schlechter im moralischen Sinne bewertet werden dürften, sondern dass stattdessen eine grundsätzliche Neutralität Voraussetzung für die Untersuchung kultureller Unterschiede sei. Er bezieht sich hierbei auf den Kulturrelativismus des französischen Anthropologen Claude Lévi-Strauss, der die Wichtigkeit der Kenntnis von kulturellen Unterschieden zwischen Gesellschaften betont, um somit vorschnellen – und damit häufig auf Vorurteilen beruhenden – Beurteilungen oder Handlungen vorzubeugen.
Doch auf welche Art und Weise treten diese kulturellen Unterschiede nun in Erscheinung? Diese Frage soll die folgende Abbildung beantworten:
Abbildung 2 Unterschiedliche Manifestationsebenen von Kultur
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Hiermit soll gezeigt werden, „dass Symbole die oberflächlichsten und Werte die am tiefsten gehenden Manifestationen von Kultur sind“[8]. Symbole können dabei kurz als Bedeutungsträger verstanden werden, die eben nur von Anhängern einer bestimmten Kultur verstanden werden; Helden sind bestimmte Personen, die einer Kultur als Verhaltensvorbilder gelten, wobei diese Personen auch fiktiv sein können; Rituale sind definiert als „kollektive Tätigkeiten, die […] um ihrer selbst willen ausgeübt“[9] werden. Diese drei Manifestationen lassen sich unter dem Begriff der Praktiken subsumieren, was bedeutet, dass ein Beobachter von außen eben diese Praktiken zwar sehen, nicht aber ihre (kulturelle) Bedeutung nachvollziehen kann. Werte schließlich, von Hofstede als „Kern der Kultur“[10] bezeichnet, sind als bestimmte Neigungen oder Orientierungen zu verstehen, die sich häufig diametral gegenüberstehen und bereits in der frühen Kindheit sozialisiert werden.
Selbstverständlich gehört ein Individuum in der modernen Gesellschaft nicht nur einer einzigen Kulturebene an, weshalb sich die damit verbundenen mentalen Programme oftmals unterscheiden und sich sogar widersprechen können: so können etwa Werte der sozialen Klasse der ethnischen Zugehörigkeit zuwiderlaufen. Ebenso sind die kulturellen Praktiken (im Gegensatz zu den kulturellen Werten) dem sozialen Wandel unterworfen; Hofstede beschreibt diese Prozesse wie auch das Entstehen nationaler Kulturen im historischen Prozess sehr genau[11], worauf hier allerdings nicht näher eingegangen werden kann.
Entsprechend dem Thema dieser Arbeit ist nun entscheidend, dass Managementkulturen bzw. Organisationsstrukturen nicht losgelöst von anderen Teilen der Gesellschaft betrachtet werden können. Dies ist letztlich der Grund für Hofstedes vergleichende Untersuchung über die Werte von Mitarbeitern des multinationalen IBM-Konzerns, die im folgenden Kapitel näher erläutert werden soll.
[...]
[1] Vgl. Hofstede, Geert: Lokales Denken, Globales Handeln. Interkulturelle Zusammenarbeit und globales Management. 3., vollständig überarbeitete Auflage. München 2006. S. 525f.
[2] Ebd., S. 2.
[3] Ebd.
[4] Ebd.
[5] Ebd., S. 3.
[6] Ebd., S. 4.
[7] Ebd.
[8] Ebd., S. 7.
[9] Ebd., S. 8.
[10] Ebd., S. 9.
[11] Vgl. ebd., S. 13-25.
- Quote paper
- René Klug (Author), 2007, Organisationsstrukturen im interkulturellen Vergleich anhand der Fünf-Dimensionen-Theorie von Geert Hofstede, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88828
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