Nach einer über Jahrzehnte andauernden Diskussion um die Bestimmung eines allgemein anerkannten
geldpolitischen makroökonomischen Ziels, ist es zumindest in Europa nahezu unumstritten,
dass sich die Geldpolitik primär am Ziel der Geldwertstabilität orientieren sollte. In
diesem Zusammenhang stellt sich vor allem die Frage, wie die Geldpolitik eines Landes idealerweise
konzeptionell beschaffen sein sollte, um dieses vorgegebene makroökonomische Ziel
mit möglichst geringen Friktionen erreichen zu können.
Mit dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems im März 1973, welches jeder Notenbank
außerhalb der USA eine stabile und einfache geldpolitische Konzeption bot, und der damit
entstehenden Notwendigkeit einer weltweiten grundlegenden konzeptionellen Neuorientierung
entschieden sich zahlreiche Länder dazu, die bereits in den fünfziger und sechziger Jahren
entwickelte Strategie des Monetary Targeting zu verfolgen. Diese auch als Geldmengensteuerung
bezeichnete Konzeption versucht dabei das Endziel der Stabilität des Geldes zu realisieren,
indem sie es indirekt über die als Zwischenziel fungierende Geldmenge steuert.
Dagegen gingen in den neunziger Jahren eine Reihe von Ländern infolge relativ schlechter Erfahrungen
mit Monetary oder Exchange Rate Targeting dazu über, eine neue geldpolitische
Konzeption der direkten Inflationssteuerung, das sogenannte Inflation Targeting, zu praktizieren.
Statt über traditionelle Zwischenziele wird das Endziel der Geldwertstabilität dabei direkt
durch Formulierung eines expliziten, quantitativen Inflationsziels gesteuert.
Angesichts dieses Strategiewandels auch aufgrund negativer Erfahrungen mit Monetary Targeting
entstand zwischen den Verfechtern des Monetary Targeting und den Vertretern des Inflation
Targeting die zentrale geldpolitische Debatte, welche der Strategien die optimalere bzw.
effizientere sei, wobei die Diskussion insbesondere im Zuge der geldpolitischen Ausgestaltung
der Europäischen Zentralbank an Intensität gewann.
Befürworter des Inflation Targeting begründen die Überlegenheit dieser Strategie gegenüber
dem Monetary Targeting hauptsächlich mit der Effizienz der Zwischenzielwahl, einem höheren
Grad an Transparenz und Rechenschaftslegung und infolge der daraus resultierenden
Glaubwürdigkeit einer besseren Eignung zur Inflationsbiasbekämfung, weshalb ich im Rahmen
dieser Arbeit die beiden Strategien neben bisherigen praktischen Erfahrungen hinsichtlich dieser
Aspekte miteinander vergleichen werde.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Einführung
2.1 Die Funktion der geldpolitischen Konzeption
2.2 Entstehung der Debatte um Monetary versus Inflation Targeting
3 Geldpolitische Strategien
3.1 Monetary Targeting
3.1.1 Konzeptioneller Rahmen
3.1.2 Offene konzeptionelle Fragen
3.2 Inflation Targeting
3.2.1 Konzeptioneller Rahmen
3.2.2 Offene konzeptionelle Fragen
4 Monetary versus Inflation Targeting
4.1 Praktische Erfahrungen
4.2 Effizienz der Zwischenzielwahl
4.3 Das Problem der Zeitkonsistenz
5 Fazit
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Nach einer über Jahrzehnte andauernden Diskussion um die Bestimmung eines allgemein anerkannten geldpolitischen makroökonomischen Ziels, ist es zumindest in Europa nahezu unumstritten, dass sich die Geldpolitik primär am Ziel der Geldwertstabilität orientieren sollte. In diesem Zusammenhang stellt sich vor allem die Frage, wie die Geldpolitik eines Landes idealerweise konzeptionell beschaffen sein sollte, um dieses vorgegebene makroökonomische Ziel mit möglichst geringen Friktionen erreichen zu können.1
Mit dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems im März 1973, welches jeder Noten- bank außerhalb der USA eine stabile und einfache geldpolitische Konzeption bot, und der da- mit entstehenden Notwendigkeit einer weltweiten grundlegenden konzeptionellen Neuorientie- rung entschieden sich zahlreiche Länder dazu, die bereits in den fünfziger und sechziger Jahren entwickelte Strategie des Monetary Targeting zu verfolgen. Diese auch als Geldmengensteue- rung bezeichnete Konzeption versucht dabei das Endziel der Stabilität des Geldes zu realisie- ren, indem sie es indirekt über die als Zwischenziel fungierende Geldmenge steuert.2
Dagegen gingen in den neunziger Jahren eine Reihe von Ländern infolge relativ schlechter Erfahrungen mit Monetary oder Exchange Rate Targeting dazu über, eine neue geldpolitische Konzeption der direkten Inflationssteuerung, das sogenannte Inflation Targeting, zu praktizieren. Statt über traditionelle Zwischenziele wird das Endziel der Geldwertstabilität dabei direkt durch Formulierung eines expliziten, quantitativen Inflationsziels gesteuert. Angesichts dieses Strategiewandels auch aufgrund negativer Erfahrungen mit Monetary Targeting entstand zwischen den Verfechtern des Monetary Targeting und den Vertretern des Inflation Targeting die zentrale geldpolitische Debatte, welche der Strategien die optimalere bzw. effizientere sei, wobei die Diskussion insbesondere im Zuge der geldpolitischen Ausgestaltung der Europäischen Zentralbank an Intensität gewann.3
Befürworter des Inflation Targeting begründen die Überlegenheit dieser Strategie gegenüber dem Monetary Targeting hauptsächlich mit der Effizienz der Zwischenzielwahl, einem höheren Grad an Transparenz und Rechenschaftslegung und infolge der daraus resultierenden Glaubwürdigkeit einer besseren Eignung zur Inflationsbiasbekämfung, weshalb ich im Rahmen dieser Arbeit die beiden Strategien neben bisherigen praktischen Erfahrungen hinsichtlich dieser Aspekte miteinander vergleichen werde.
Es zeigt sich dabei, dass diese von den Vertretern des Inflation Targeting angeführten Argu- mente zum Teil abgeschwächt oder bezweifelt werden müssen und sich keine der beiden Kon- zeptionen zum jetzigen Zeitpunkt als eindeutig effizienter oder optimaler bestimmen lässt.
2 Einführung
2.1 Die Funktion der geldpolitischen Konzeption
Alle geldpolitischen Strategien haben - unabhängig von der ihnen zugrunde liegenden geldpoli- tischen Konzeption - das Erreichen der monetären Stabilität in einer Volkswirtschaft zum Ziel. Primäres Ziel stellt dabei neben dem sekundären Ziel der Dämpfung konjunktureller Produkti- ons- und Beschäftigungsschwankungen sowie dem tertiären Ziel der Vermeidung exzessiver Bankenliquiditätsschwankungen die langfristige Stabilisierung des Geldwertes dar.4 Im Folgenden sei von einer politisch wie ökonomisch unabhängigen Notenbank auszugehen, deren Entscheidungsmöglichkeiten ausschließlich zugunsten des primären Ziels einer niedrigen Inflationsrate eingesetzt werden sollen. Da der geldpolitische Erfolg davon abhängt, wie gering Abweichungen vom Zielwert gehalten werden können, ergibt sich als zentrales Problem einer solchen Notenbank die konkrete Ausgestaltung ihrer Geldpolitik, sodass das Ziel der Geld- wertstabilität, also eine niedrige Inflationsrate tatsächlich erreicht werden kann. Entscheidend ist hierbei die Ausrichtung der Strategie der Notenbank an einer geeigneten geld- politischen Konzeption, welche auf der Grundlage eines theoretischen Modells des Transmis- sionsprozesses monetärer Impulse relativ einfach strukturierte und langfristig stabile Hand- lungsanweisungen bietet. Die Notenbank wird mit einem auf diese Weise geschaffenen, einiger- maßen in sich geschlossenen ökonomischen Weltbild in die Lage versetzt, aus der Fülle mak- roökonomischer Daten die geldpolitisch relevanten Größen und den Einfluss deren Verände- rungen auf das Endziel der Geldwertstabilität zu ermitteln sowie notwendige Änderungen des Operating Target zur Vermeidung von eventuellen Endzielabweichungen festzustellen.5 Die wesentliche Frage ist, ob eine Konzeption existiert, die eine optimale Geldpolitik mit dem Ziel der Geldwertstabilität ermöglicht.
Lässt sich eine optimale geldpolitische Strategie auf der Grundlage einer solchen Konzeption bestimmen und richtet sich die Notenbank an dieser dann allgemein akzeptierten, überzeugen- den geldpolitische Konzeption aus, werden zum einen infolge einer eindeutigen Entschei- dungsregel hinsichtlich des Instrumenteneinsatzes interne Grundsatzdiskussionen über die geldpolitischen Wirkungszusammenhänge verhindert, was vor allem für Notenbanken mit einer hohen Mitgliederzahl im Entscheidungsgremium von Interesse ist. Zum anderen verbessert sich mit der öffentlichen Bekanntmachung dieser Konzeption, was für die Privaten ein grund- legendes Anzeichen dafür ist, dass die Notenbank kein Interesse daran hat, sie zu täuschen, und ihnen Einsicht gewährt, ob am Ziel der Geldwertstabilität festgehalten wird, die Transpa- renz und somit die Glaubwürdigkeit der Geldpolitik.6
In Anbetracht der Diskussion der letzten Jahre um die geldpolitischen Strategien des Monetary und Inflation Targeting sollen diese beiden auf unterschiedlichen geldpolitischen Konzeptionen basierenden Strategien im Folgenden - nach einer kurzen Beschreibung der Entstehung jener Debatte - dargestellt und anschließend miteinander verglichen werden, sodass sich bestimmen lässt, welche von ihnen die optimalere bzw. effizientere Strategie ist.
2.2 Entstehung der Debatte um Monetary versus Inflation Targeting
Seit den neunziger Jahren - bzw. Neuseeland schon im Jahre 1989 - sind eine Reihe von Ländern wie Kanada, Großbritannien, Schweden, Finnland, Australien und Spanien aufgrund von Inflationsbekämpfungsschwierigkeiten mit herkömmlichen geldmengen- und wechselkursorientierten Strategien dazu übergegangen, eine neue geldpolitische Strategie der direkten Inflationssteuerung, das sogenannte Inflation Targeting zu verfolgen. In diesem Kontext entwickelte sich eine Theorie des Inflation Targeting, die - nicht zuletzt aufgrund des bisherigen Erfolgs der umgestiegenen Länder - in Wissenschafts- und Zentralbankkreisen immer mehr Aufmerksamkeit erlangt und ausführlich diskutiert wird.7
Im Gegensatz dazu konnten Länder wie Deutschland und die Schweiz mit einer einigermaßen konsequenten und dauerhaften Geldmengensteuerung sowie Japan und die USA mit einer wenig konsequenten Strategie des Monetary Targeting in den vergangenen Jahrzehnten eine im Großen und Ganzen erfolgreiche Geldpolitik vorweisen.8
Aus dieser Gegensätzlichkeit entwickelte sich die Debatte in der geldpolitischen Theorie, ob Monetary oder aber Inflation Targeting die geeignetere geldpolitische Konzeption zur Errei- chung des Ziels der Geldwertstabilität sei. Dabei gewann die Diskussion insbesondere dadurch an Intensität, dass Inflation Targeting als alleinige geldpolitische Strategiealternative zum Mo- netary Targeting nach dem Muster der Deutschen Bundesbank vom Europäischen Währungs- institut für die Europäische Zentralbank im Rahmen der Vorbereitung der Europäischen Wäh- rungsunion vorgeschlagen wurde.9
Auch wenn sich die Europäische Zentralbank mittlerweile für eine Mischform beider Strategien, die sogenannte Strategie der zwei Säulen, entschieden hat, zählt die Diskussion um Monetary versus Inflation Targeting bis heute zu den zentralen Debatten der Geldtheorie.
3 Geldpolitische Strategien
3.1 Monetary Targeting
3.1.1 Konzeptioneller Rahmen
Die Strategie des Monetary Targeting bzw. der Geldmengensteuerung, welche in den fünfziger und sechziger Jahren von monetaristisch orientierten Ökonomen entwickelt und in den siebzi- ger Jahren nach dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems in vielen westlichen In- dustrieländern unter der Bezeichnung des mittelfristig angelegten potentialorientierten Geld- mengenkonzepts in die notenbankpolitische Praxis übernommen wurde, gründet auf der Er- kenntnis, dass geldpolitische Instrumente sich erst mit starker zeitlicher Verzögerung auf die Zielgröße, die Geldwertstabilität, auswirken. Statt der direkten Verfolgung eines Endziels, der eigentlichen Zielfunktion, orientiert sich die Politik der Notenbanken daher an einem Zwi- schenziel - der Geldmenge - , welches früher reagiert und nicht wie das Endziel durch unbeein- flussbare stochastische Störungen verzerrt wird. Nach der Bestimmung der Zwischenzielent- wicklung, durch welche das gewünschte Endziel durchschnittlich erreicht werden kann, richten sich die geldpolitischen Instrumente ausschließlich am Zwischenziel zu dessen Stabilisierung aus, so als wäre es das eigentliche Endziel.10
Die Steuerung der Geldmenge als Zwischenziel geschieht dabei in der Überzeugung, dass infla- tionäre Tendenzen nur infolge einer übermäßigen Geldmengenausweitung entstehen und ein konstantes, wohldosiertes Wachstum der Geldmenge daher ein probates Mittel zur Sicherstel- lung der Geldwertstabilität und somit die Grundlage für eine wohlfahrtsmaximierende Ent- wicklung der volkswirtschaftlichen Zielsetzung darstellt. Im Gegensatz zu diskretionär gefäll- ten geldpolitischen Entscheidungen mit häufig notwendigen Kurskorrekturen, die aufgrund der unvollkommenen Kenntnis der kurzfristigen Zusammenhänge zwischen Änderungen der Geld- menge und nachfolgenden Änderungen des Preisniveaus zur wirtschaftlichen Destabilisierung führen, trägt das sich auf mittelfristige, vergleichsweise sicher geltende Wirkungszusammen- hänge beschränkende potentialorientierte Monetary Targeting zu einer stabilisierenden Geld- politik bei. Ferner bedarf es theoretisch nur der Beobachtung der Geldmenge, sodass eine sol- che monoindikative Konzeption Interpretations- und Abwägungsprobleme umgeht, welche im Rahmen multiindikativer Strategien durch widersprüchliche Indikatoreninformation auftreten können.11
Voraussetzung dafür, dass die Geldmenge als geldpolitische Zwischenzielgröße herangezogen werden kann, ist, dass sie durch das Operating Target der Notenbank gesteuert werden kann und in einem engen Zusammenhang zu der eigentlich angestrebten wirtschaftspolitischen End- zielgröße steht, sodass durch die Steuerung der Geldmenge eine Steuerung des Preisniveaus im- pliziert wird.12
Dass diese beiden Charakteristika auf die Geldmenge zutreffen, lässt sich mit Hilfe der einfa- chen theoretischen Zusammenhänge der Quantitätstheorie, auf der Monetary Targeting ba- siert, zeigen.
Durch Logarithmieren und Differenzieren der Quantitätsgleichung des Geldes MV = PY nach der Zeit und Auflösen nach der Geldmenge bzw. dem Preisniveau, wobei V die Umlauf- geschwindigkeit der als Zwischenziel dienenden Geldmenge M, P das Preisniveau und Y das Produktionsniveau darstellt, erhält man folgende Beziehung zwischen den Wachstumsraten der Geldmenge µ, des Outputs y, der Geldumlaufgeschwindigkeit v sowie der Inflationsrate π : µ =π + y − v bzw. π =µ− y + v.
Auf diese Weise lässt sich eine Korrelation zwischen dem Geldmengenziel und der zu erwar- tenden Inflation feststellen; ein direktes Schließen von der Geldmenge auf die Inflationsrate des nächsten Jahres ist jedoch nicht möglich, da nur der über die erwartete Produktionspotenti- aländerung hinausgehende Teil des Geldmengenwachstums Inflation zur Folge hat, zudem muss die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes berücksichtigt werden. Soll eine genaue Bestim- mung der Inflationsrate auf der Grundlage des Geldmengenziels erfolgen, ist daher eine Kor- rektur um das Wachstum des Produktionspotentials und der Geldumlaufgeschwindigkeit nötig. Zur Ableitung der optimalen Geldmengenexpansionsrate ist es erforderlich, die Wachstumsra- ten auf der rechten Seite der transformierten, nach der Geldmenge aufgelösten Quantitätsglei- chung durch normative bzw. prognostizierte Werte zu ersetzen, sodass sich mit einer Inflati- onsnorm π* , einer Wachstumsrate des realen Produktionspotentials bei Normalauslastung der Produktionsfaktoren y r * sowie dem langfristigen Trend der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes v * folgende Bestimmungsgleichung, die sogenannte Potentialformel, ergibt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Allerdings muss eine mittel- und langfristig hinreichend stabile Umlaufgeschwindigkeit des
Geldes bzw. der Geldnachfrage vorliegen, damit die Geldmenge als geldpolitische Zwischenzielgröße fungieren kann.13
Soll Monetary Targeting in einem bestimmten Land praktiziert werden, ist nicht nur durch ö- konomische Tests zuvor zu überprüfen, ob eine solche Stabilität gegeben ist, sondern auch, ob überhaupt eine allgemein statistisch signifikante Beziehung zwischen der Geldmenge und der geldpolitischen Instrumenten- sowie der Endzielvariable besteht. Die Quantitätstheorie, mit deren einfachen theoretischen Zusammenhängen eine derartige Beziehung oben zwar nachge- wiesen werden konnte, ist unter den heutigen Verhältnissen zu einer „Black box“ geworden, die zur Identifikation konkreter Wirkungszusammenhänge nicht geeignet ist. Bei der Anwen- dungsbedingung der Kontrollierbarkeit der Geldmenge stellt sich vor allem die Frage, welche Abgrenzung des Geldvolumens das Kriterium der größtmöglichen Steuerbarkeit erfüllt.14
3.1.2 Offenen konzeptionelle Fragen
Wenn die Strategie des Monetary Targeting angewandt werden soll, muss die Notenbank ange- sichts der Notwendigkeit, den konkreten Wert der Zwischenzielgröße fortlaufend bestimmen zu können, zuvor einige noch offene konzeptionelle Entscheidungen bezüglich der Festlegung eines Geldmengenziels beachten, wobei im Rahmen dieser Arbeit auf eine ausführliche Dar- stellung jener Entscheidungen mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen verzichtet wird. So sind neben der Auswahl geeigneter Norm- bzw. Trendwerte für die Potentialformel im Hin- blick auf das Bestreben einer mittelfristigen geldpolitischen Ausrichtung weitere wichtige Ent- scheidung mit der Wahl eines ein- oder mehrperiodigen Zeithorizontes, für den die abgeleiteten Zielwerte gelten sollen, der Fixierung der Zielwerte der Geldmenge als Jahresdurchschnitt oder -verlauf, der Formulierung eins Punktziels oder eines Zielkorridors sowie der Wahl zwischen einer öffentlichen Zielankündigung oder einer lediglich internen Zielvorgabe zu treffen.15 Da öffentliche Zielwertankündigungen in der geldpolitischen Praxis der meisten westlichen In- dustrieländer vor allem aus Glaubwürdigkeitsaspekten - wie im Abschnitt 4.3 ausführlich ge- zeigt wird - üblich sind, sei davon auszugehen, dass sich die Notenbank immer für eine Selbst- bindung entscheidet.
3.2 Inflation Targeting
3.2.1 Konzeptioneller Rahmen
Vorweg sei bemerkt, dass es trotz diverser Publikationen über Inflation Targeting bisher an ei- ner gut entworfenen Fundierung der wichtigsten theoretischen Zusammenhänge und einer kla- ren Abgrenzung zu anderen geldpolitischen Konzeptionen fehlt. Im Folgenden soll Inflation Targeting im Rahmen der Unterscheidung eines expliziten Inflation Targeting, bei dem ein kon- kreter Zielwert für die Inflationsrate veröffentlicht wird, und eines impliziten Inflation Targe- ting, bei welchem auf eine solche Ankündiung verzichtet wird, wobei die tatsächlich verfolgte Geldpolitik die primäre Orientierung am Geldwertstabilitätsziel betont, als explizit verstanden werden.16
Die geldpolitische Strategie des Inflation Targeting gründet auf der Annahme, dass infolge der langfristigen Neutralität des Geldes und der durch Inflation verursachten Kosten in Form von Effizienzverlusten oder langfristiger Outputwachstumseinbußen das primäre Ziel der Geldpo- litik im Erreichen einer niedrigen und stabilen Inflationsrate besteht, weshalb sie als theoreti- sches Konstrukt durch die Vorgabe eines expliziten, quantitativen Inflationsziels durch die Notenbank gekennzeichnet wird. Auf traditionelle Zwischenziele wie die Geldmenge oder den Wechselkurs wird vollkommen verzichtet. Jedoch muss in Anbetracht der Verzögerungsprob- lematik bei der geldpolitischen Transmission mit langen und variablen Lags der Operating Tar- get der Notenbank mit Hilfe anderer Informationen, die die Rolle einer Zwischenzielgröße ü- bernehmen können, so eingesetzt werden, dass eine Realisierung der Inflationsratenzielwerte möglich ist. Daher wird Inflation Targeting aufgrund der erst mit Zeitverzögerungen auf die In- strumente der Geldpolitik reagierenden Inflation und der damit beeinträchtigten Möglichkeit der Notenbank, diese in der jeweiligen Periode steuern zu können, durch ein Durchführungs- verfahren, welches als Indikator- und Zwischenzielvariable eine notenbankinterne konditionale Inflationsvorhersage heranzieht, charakterisiert, das sogenannte „inflation-forecast targeting“.17 Vorraussetzung dafür, dass die Inflationserwartung als eine Art Zwischenziel fungieren kann, ist - wie auch schon beim Monetary Targeting hinsichtlich der Geldmenge -, dass sie von der Notenbank gesteuert werden kann und mit dem Endziel der Geldwertstabilität korreliert.
Im Rahmen der Erwartungstheorie der Inflation, auf der Inflation Targeting basiert, kann man auf kürzere Sicht, d.h. innerhalb eines etwa einjährigen Zeitraums, aufgrund von temporären Preisrigiditäten davon ausgehen, dass ein solcher Zusammenhang zwischen der Inflationser- wartung und der Inflationsrate besteht.
[...]
1 Vgl. Bofinger, Geldpolitik, 1996, S. 4.
2 Vgl. Bofinger, Geldpolitik, 1996, S. 248 f.
3 Vgl. Wagner, Inflation Targeting, 1998, S. 295.
4 Vgl. Schaal, Geldtheorie und Geldpolitik, 1998, S. 289.
5 Vgl. Bofinger, Geldpolitik, 1996, S. 241 f.
6 Vgl. Bofinger, Monetary Policy, 2001, S. 242 f.
7 Vgl. Leschke, Konzeption des Europäischen Systems der Zentralbanken, 1999, S. 244; Wagner, Inflation Targeting versus Monetary Targeting, 1999, S. 610.
8 Vgl. Bofinger, Geldpolitik, 1996, S. 279 ff.
9 Vgl. Reither, Geldpolitische Strategien, 1996, S. 1; Wagner, Inflation Targeting, 1998, S. 295.
10 Vgl. Illing, Theorie der Geldpolitik, 1997, S. 127 f.; Bofinger, Geldpolitik, 1996, S. 249; Kreßbach, Die Rolle der Geldmenge im Inflationsprozess, 1994, S. 113.
11 Vgl. Erkels, Geldpolitik der Deutschen Bundesbank, 1997, S. 15; Kreßbach, Die Rolle der Geldmenge im Inflationsprozess, 1994, S. 114.
12 Vgl. Bofinger, Geldpolitik, 1996, S. 247; Erkels, Geldpolitik der Deutschen Bundesbank, 1997, S. 115 ff.
13 Vgl. Frey, Informationsgehalt des Geldmengenziels, 1998, S. 3; Bofnger, Geldpolitik, 1996, S. 249 ff.; Jarchow, Theorie und Politik des Geldes, 2003, S. 339.
14 Vgl. Bofinger, Geldpolitik, 1996, S. 250.
15 Vgl. Bofinger, Geldpolitik, 1996, S. 251 ff.
16 Vgl. Bofinger, Geldpolitik, 1996, S. 365 f.
17 Vgl. Wagner, Inflation Targeting, 1998, S. 295; Bofinger, Geldpolitik, 1996, S. 367.
- Arbeit zitieren
- Diplom-Volkswirtin Anna D. Schipler (Autor:in), 2004, Optimale geldpolitische Strategie , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88750
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