Die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts ist in Deutschland vom Zeitalter der Empfindsamkeit und Aufklärung geprägt. Unter den Frauen der gebildeten Mittelklasse ist das Briefeschreiben weit verbreitet, doch wird die Schriftkultur weiterhin von Männern dominiert. Männer sind es auch, die sich über das Frauenthema schlechthin ausführlicher äußern als die Frauen selbst: Die Geburt. Dennoch existieren auch Zeugnisse von Frauen, die sich schriftlich mit dieser Erfahrung auseinandersetzen.
Die Arbeit vergleicht zwei verschiedene Quellen miteinander: Die Lebenserinnerungen der Margarethe Elisabeth Milow und Briefe von Therese Huber, geb. Heyne.
Ausgewählte Zitate zu Schwangerschaft und Geburt werden vorgestellt und anhand von Leitfragen kommentiert: Wie äußern sich die Frauen über körperliche Vorgänge wie die Schwangerschaft? Was wird über die Geburt berichtet, was nicht? Wie gehen die beiden Frauen mit ihrer Rolle als Ehefrau und Mutter um?
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Margarethe Milow
II.1 Vorstellung
II.2 Das Gedenkbuch
II.3 Die erste Schwangerschaft
II.4 Die erste Geburt
III. Therese Huber
III.1 Vorstellung
III.2 Die Briefe
III.3 Die erste Schwangerschaft
III.4 Die erste Geburt
IV. Vergleich
V. Anhang
1. Zeittafel Margarethe Milow
2. Zeittafel Therese Huber
VI. Literatur- und Bildnachweis
I. Einleitung
Die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts ist in Deutschland vom Zeitalter der Empfindsamkeit und Aufklärung geprägt. Unter den Frauen der gebildeten Mittelklasse ist das Briefeschreiben weit verbreitet, doch wird die Schriftkultur weiterhin von Männern dominiert. Männer sind es auch, die sich über das Frauenthema schlechthin ausführlicher äußern[1] als die Frauen selbst: Die Geburt. Dennoch existieren auch Zeugnisse von Frauen, die sich schriftlich mit dieser Erfahrung auseinandersetzen.
In der vorliegenden Arbeit möchte ich zwei verschiedene Quellen miteinander vergleichen: Die Lebenserinnerungen der Margarethe Elisabeth Milow und Briefe von Therese Huber, geb. Heyne. Ich beschränke mich dabei auf einige Auszüge, die sich inhaltlich mit der jeweils ersten Schwangerschaft und Geburt der beiden Frauen beschäftigen.
Die beiden Teile meiner Arbeit sind identisch aufgebaut: Zunächst stelle ich den Lebenslauf und die Person von Margarethe Milow und Therese Huber kurz vor. Die Zeittafeln im Anhang bieten einen ergänzenden Überblick über ihr Leben, beschränken sich jedoch auf weitere Geburten und familiäre Todesfälle. Jeweils ein Kapitel ist den Quellen gewidmet und informiert über die Entstehung und Intention des Gedenkbuches, bzw. über die Adressaten der Briefe. Im jeweiligen Hauptteil sammle und kommentiere ich die von mir ausgewählten Zitate zu Schwangerschaft und Geburt.
Zum Abschluss vergleiche und interpretiere ich die beiden Frauenschicksale anhand einiger Leitfragen: Wie äußern sich die Frauen über körperliche Vorgänge wie die Schwangerschaft? Was wird über die Geburt berichtet, was nicht? Wie gehen sie mit ihrer Rolle als Ehefrau und Mutter um?
II. Margarethe Milow
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten Abb.1
II.1 Vorstellung
Margarethe Elisabeth Milow wird am 02. Oktober 1748 in Hamburg geboren. Ihr Vater ist ein angesehener Geschäftsmann, dennoch lebt die Familie offenbar relativ bescheiden. Margarethes Kindheit und Jugend verläuft ihrer eigenen Schilderung nach sehr behütet. Ihre Erziehung ist für diese Zeit typisch: Als älteste Tochter wird sie zusammen mit ihren Schwestern von einer französischen Gouvernante betreut und beschäftigt sich überwiegend innerhalb des Hauses mit Handarbeiten. Es gibt allerdings auch einen Hauslehrer, der die Mädchen unterrichtet – in welchen Gebieten bleibt leider unerwähnt. Abwechslung bringen nur gelegentliche Ausflüge oder Bälle, zu denen die älteren Mädchen gehen dürfen. Insgesamt ist Margarethe Milow sehr auf ihre Tugend und Sittsamkeit bedacht und wertet solche gesellschaftlichen Ereignisse im nachhinein als Ausschweifungen, die die Bildung ihres Charakters ihrer Meinung nach negativ beeinflusst haben.
Ein großer Teil ihrer Schilderungen dreht sich um ihre Jugendzeit, in der sie ihre Gefühle zu entdecken beginnt und erste Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht sie immer wieder in moralische Bedrängnis bringen. Eine über mehrere Jahre währende Jugendliebe zu einem Freund ihres Bruders bringt sie in schwere Gefühlskonflikte. Er erwidert ihre Liebe, doch die Eltern missbilligen die Verbindung und so dürfen sie nicht heiraten. Da sie sich dennoch heimlich treffen, ist Margarethes Ehre schwer angeschlagen und kann nur durch eine standesgemäße Verheiratung gerettet werden. Obwohl es ihr sehr schwer fällt, wendet sie sich schließlich von ihrer Jugendliebe ab und beugt sich dem Willen ihrer Eltern. Am 17. 10. 1769 heiratet sie den Pastor Johann Nicolaus Milow und verlässt ihr Elternhaus, um mit ihm in Lüneburg zu leben. Diese Ehe wird von ihr im nachhinein als sehr glücklich beschrieben, über ihr weiteres Leben ist jedoch wenig bekannt. Margarethe bringt insgesamt acht Kinder zur Welt, das letzte im Alter von 35 Jahren. Mit 46 stirbt sie schließlich an ihrem langjährigen Brustkrebsleiden.
II.2 Das Gedenkbuch
Als Margarethe Elisabeth Milow die beiden ersten Teile ihres Gedenkbuches niederschreibt, ist sie 31 bzw. 32 Jahre alt. Diese Aufzeichnungen umfassen jedoch nur die ersten 22-23 Jahre von ihrer Geburt 1748 bis zu den Anfangsjahren ihrer Ehe mit Johann Nicolaus Milow. Weitere Teile sollen angeblich von Angehörigen vernichtet worden sein, da sie Ungünstiges über einzelne Familienmitglieder enthalten haben sollen.[2] In einem Anhang beschreibt ihr ältester Bruder Johann Michael Hudtwalcker ihre weitere Lebensgeschichte, die 1794 mit ihrem Tod endet.
Religion spielt in Margarethe Milows Leben eine entscheidende Rolle. Die Schilderung ihres Lebens liest sich wie ein beständiger Kampf darum, Gottes Wille in ihrem Schicksal zu erkennen und sich ihm unterzuordnen. Offenbar hilft ihr der Glauben dabei, Konflikte zu bewältigen und sich mit ihrem Schicksal auszusöhnen. Ihre Memoiren, die sie als Vermächtnis für ihren Mann und ihre Kinder hinterlassen möchte, schreibt sie mit der Absicht, Gottes Wille in ihrem Leben erkennbar zu machen. Dabei geht es ihr offenbar nicht darum, ihre Geschichte romantisch zu verklären und sich selbst als besonders tugendhaft darzustellen – im Gegenteil: Sehr offen und schonungslos berichtet sie von Fehlern, die sie begangen hat und von Charakterschwächen, die sie sich selbst attestiert. Jede Episode endet aber mit dem Hinweis darauf, dass Gott sie wieder auf den rechten Weg geführt und es immer gut mit ihr gemeint habe.
Oft spricht sie ihre Kinder direkt an und ermahnt sie, aus den Erfahrungen ihrer Mutter zu lernen. In den einleitenden Worten benennt sie selbst den Hauptzweck ihrer Aufzeichnungen: Die religiöse Erbauung ihres Mannes und ihrer Kinder nach ihrem Tod. Selbstbewusst empfiehlt sie ihnen, gleich nach der Bibel das Gedenkbuch ihrer Mutter zur Hand zu nehmen, um daraus Stärkung und Hoffnung zu beziehen.[3]
II.3 Die erste Schwangerschaft
Margarethe Milow bekommt ihr erstes Kind im Alter von 22 Jahren, als sie gerade ein Jahr lang verheiratet ist. In ihren Aufzeichnungen berichtet sie relativ ausführlich von ihren Ängsten und Erfahrungen, die diese erste Schwangerschaft betreffen. Dabei mischt sich dieser Erzählstrang mit den Schilderungen des beruflichen Werdegangs ihres Mannes, der sich zu dieser Zeit auf eine Predigerstelle in Hamburg bewirbt.
„Auch rückte die Zeit meiner Entbindung immer näher; wenigstens sagte die Wehmutter, ich würde nicht viel länger als Michaelis hingehen. Der Gedanke hieran, die Angst, die größer war, als ich mir je habe merken lassen, die Zurüstungen dazu, all das nahm mir die Zeit, an die Wahl viel zu denken. Meine Mutter erwartete ich zu meiner Entbindung, aber ich schrieb Briefe über Briefe, bis ich den 3. October die Nachricht bekam, die würde den 4. schon mit meinem Bruder da sein.“[4]
Der tatsächliche Geburtstermin verschiebt sich jedoch um mehr als einen Monat nach hinten. So bleibt Margarethe viel Zeit, sich Sorgen zu machen. In ihrer insgesamt relativ emotionalen Schilderung berichtet sie mehr als einmal von ihrer Angst, im Kindbett zu sterben. Diese Befürchtung ist im Deutschland des 18. Jahrhunderts nicht ganz unbegründet, da von 100 gebärenden Frauen vermutlich etwa eine bis drei während oder nach der Geburt sterben.[5] Margarethes Angehörige verstärken ihre Angst noch, indem sie ihr von einem Todesfall aus der näheren Umgebung berichten.
„Milow kam an einem Morgen mit dem ängstlichsten Gesichte nach Haus, rief Mama und meinen Bruder allein; kein Wunder also, daß ich auch ängstlich ward, ich frug, bis ich die Sache heraus hatte. Es war nämlich eine Hamburgerin kurz nach mir an den Rector in Lüneburg verheiratet; sie war schon entbunden, das wußte ich, hatte auch ihre Mutter bei sich und – war den Morgen als den dritten Tag gestorben. Dieser Fall rührte und schreckte uns Alle, besonders hielt ich sie für meine Vorläuferin, und ich weiß nicht woher, aber es war doch, ich wollte nicht gern sterben, es war Liebe zum Manne, zu den Eltern und Geschwistern, die mich so an die Erde band.“[6]
Den letzten Schwangerschaftsmonat erlebt Margarethe körperlich und seelisch als sehr belastend.
„Meine Seele schwebte damals in Furcht und Hoffnung wegen der bevorstehenden Wahl, hatte die innerliche Ergebung in den göttlichen Willen noch nicht, die sie äußerlich zeigte, auch schwebte meine bevorstehende Geburt furchtbar vor meinen Augen. Ich fühlte die Beschwerlichkeiten der Schwangerschaft im höchsten Grade, sie waren mir noch so ungewohnt, und das nahm mir dann meine natürliche Fröhlichkeit, benahm mir alle Lust, mich zu putzen. Ich vernachlässigte mich, ging immer im Nachtzeuge und dergleichen.“[7]
[...]
[1] Vgl. Dawson 1995, S. 102
[2] Vgl. Milow 1987, S. 3
[3] Vgl. Milow 1987, S.7
[4] Ebd., S.102
[5] Vgl. Huber 1999, S.577
[6] Milow 1987, S.102
[7] Milow 1987, S.103
- Arbeit zitieren
- Pamela Bastuck (Autor:in), 2006, "Ich fühle mich Mutter", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88612
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