Eine kritische Analyse des deutschen Ministererlaubnisverfahrens nach § 42 GWB in der Fusionskontrolle am Beispiel der Fusion E.ON/Ruhrgas.
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung
1.1 Allgemein
1.2 Anmeldung der geplanten Fusion beim Bundeskartellamt
1.3 Der Bundeswirtschaftsminister
1.4 Entwicklung des § 42 GWB
2 Voraussetzungen für eine Ministererlaubnis
2.1 Formelle Voraussetzungen für eine Ministererlaubnis
2.2 Materielle Voraussetzungen für eine Ministererlaubnis
2.2.1 Gesamtwirtschaftliche Vorteile
2.2.2 Überragendes Interesse der Allgemeinheit
3 Ministererlaubnis-Verfahren
3.1 Fristen und Schriftform
3.2 Bekanntmachung und Stellungnahmen
3.3 Verhandlung
3.4 Bedingungen und Auflagen
3.5 Anfechtung
3.6 Drittschutz bei einer erteilten Ministererlaubnis
4. Die Vor- und Nachteile einer Ministererlaubnis
4.1 Vorteile
4.2 Nachteile
5... Das E.ON/Ruhrgas-Verfahren
5.1 Die beteiligten Unternehmen
5.2 Der Antrag zum Ministererlaubnis-Verfahren
5.3 Vorverfahren
5.4 Hauptverfahren
5.5 Auflagen
5.6 Folgen und Probleme der Ministererlaubnis E.ON/Ruhrgas
6... Schlussbemerkungen
1. Einführung
Aufgrund der voranschreitenden Globalisierung der Märkte sind Unternehmenszusammenschlüsse in der Marktwirtschaft nichts Ungewöhnliches. Die Motive für Unternehmenszusammenschlüsse sind sehr vielfältig und reichen von Effizienzsteigerung bis hin zu Machtzuwachs auf dem nationalen oder internationalen Markt.[1]
Die betroffenen Unternehmen erhoffen sich durch einen Zusammenschluss meist eine bessere Position auf dem Markt sowie höhere Gewinne. Dass Zusammenschlüsse jedoch nicht ausschließlich positive Auswirkungen auf den Wettbewerb haben, liegt auf der Hand. Aus diesem Grund unterliegen Fusionen in Deutschland der Überwachung durch das Bundeskartellamt. [2] Sollte das geplante Vorhaben vom Bundeskartellamt abgelehnt worden sein, gibt es für die beteiligten Unternehmen die Möglichkeit nach § 42 GWB unter bestimmten Voraussetzungen eine Erlaubnis der Fusion durch den amtierenden Bundeswirtschaftsminister einzuholen. Die Ministererlaubnis ist nicht zuletzt wegen E.ON/Ruhrgas oder Holtzbrinck/Berliner Zeitung [3] in heftige Diskussion geraten und entwickelt sich zunehmend zu einem Thema mit breiter Öffentlich- keitsbeteiligung.[4]
Nachfolgend wird ein Überblick über das Instrument der Ministererlaubnis sowie das E.ON/Ruhrgas-Verfahren[5] gegeben.
1.1 Allgemein
Die Fusionskontrolle gliedert sich in zwei Teile. Den ersten Teil stellt die Untersuchung durch das Bundeskartellamt dar. Hier dürfen und können aus Kapazitätsgründen lediglich die wettbewerblichen Aspekte angebracht und berücksichtigt werden. Den zweiten Teil stellt das Ministererlaubnis-Verfahren dar, in welchem in erster Linie die wettbewerbspolitischen Belange betrachtet werden.[6]
Die Ministererlaubnis ist ein Rechtsinstrument, das sowohl in der Fusionskontrolle als auch in der Kartellaufsicht existiert[7]. Es ist das einzige Rechtsmittel, das dem Wettbewerbsrecht übergeordnet ist und ausschließlich wirtschaftlichen und außerwettbewerblichen Interessen unterliegt [8]. Bei anderen Mitgliedsstaaten der europäischen Gemeinschaft existiert eine solche Einrichtung nicht. Dort werden bei der Prüfung sowohl die wettbewerblichen als auch die außerwettbewerblichen Aspekte berücksichtigt. Dies jedoch in einem bei weitem geringeren Umfang als es nach dem Verfahren im Sinne des § 42 GWB vollzogen wird.[9]
Grundsätzlich ist zu sagen, dass den insgesamt 153 Untersagungen von Unternehmenszusammenschlüssen durch das Bundeskartellamt lediglich 18 Anträge auf eine Ministererlaubnis gegenüber stehen. Von diesen 18 Anträgen sind nur sieben freigegeben worden, davon allerdings lediglich zwei Unternehmenszusammenschlüsse[10] ohne eine Erteilung von Auflagen.[11] Die letzte erteilte Ministererlaubnis entgegen der Empfehlung der Monopolkommission ohne Auflagen fand im Jahre 1978 im Fall Veba/BP statt.[12]
1.2 Anmeldung der geplanten Fusion beim Bundeskartellamt
Unterliegt die geplante Fusion den Umsatzkriterien des § 35 GWB, so muss das Vorhaben beim Bundeskartellamt in Bonn nach § 39 GWB angemeldet werden. Sollte von dem geplanten Zusammenschluss zu erwarten sein, dass die beteiligten Unternehmen anschließend eine marktbeherrschende Stellung einnehmen, ist die Fusion vom Bundeskartellamt nach § 36 GWB zu untersagen. Eine Ausnahme besteht jedoch wenn die Unternehmen gem. § 36 Abs. 1 GWB belegen können, dass der Zusammenschluss positive Auswirkungen auf den Markt hätte und diese verglichen mit den negativen Auswirkungen der Fusion dominieren. Das Fusionsvorhaben darf grundsätzlich nicht vollzogen werden, bis die Entscheidung des Bundeskartellamtes gefallen ist bzw. die Frist nach § 40 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 GWB verstrichen ist.[13]
1.3 Der Bundeswirtschaftsminister
Zwar hat der Bundeswirtschaftsminister (z.Zt. Michael Glos) einen weiten Spielraum, was seine Entscheidungsfindung betrifft, jedoch ist auch er an die gesetzlichen Grundlagen i.S.d. Art. 20 Abs. 3 GG und somit ebenso an § 42 GWB gebunden. Demnach muss er seine Entscheidung unter Beachtung der Gesetze treffen sowie unter dem Augenschein eines breiten öffentlichen Interesses und der Kritik der Monopolkommission und des Bundeskartellamtes.[14]
1.4 Entwicklung des § 42 GWB
Die Ministererlaubnis entstand am 28. Oktober 1970 mit der 2. GWB-Novelle. Grund der Aufnahme der Ministererlaubnis in das GWB war die Annahme, dass die Normen der Fusionskontrolle möglicherweise nicht ausreichen würden, um die Interessen des Gemeinwohls des Staates zu wahren.[15]
Grundsätzlich muss erwähnt werden, dass trotz des Territorialitätsprinzips das Instrument der Ministererlaubnis exterritorial angewendet werden kann, soweit ausreichend Inlandsbezug besteht.[16] Die Monopolkommission war im Fall E.ON/Ruhrgas zwar der Meinung, dass diese Fusion auch am Maßstab der Art. 81, 82 EGV gemessen werden müsste[17], da jedoch zwei Drittel (Zwei DrittelRegel nach Art. 1 VO Nr. 4064/89) der Unternehmensumsätze in Deutschland entstanden, galt deutsches Recht.[18]
2. Voraussetzungen für eine Ministererlaubnis
Damit es dem Bundeswirtschaftsminister möglich ist eine Entscheidung zu einem geplanten Zusammenschluss zu treffen, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein. Es folgt ein Überblick über die formellen und materiellen Voraussetzungen der Ministererlaubnis.
2.1 Formelle Voraussetzungen für eine Ministererlaubnis
Zunächst muss den beteiligten Unternehmen eines geplanten Zusammenschlusses ein ablehnender Bescheid des Kartellamtes zugegangen sein. Die Beteiligten haben binnen eines Monats nach Zustellung dieses Bescheides (§ 42 Abs. 3 GWB) die Möglichkeit nach § 42 Abs. 1 GWB einen schriftlichen Antrag auf eine Ministererlaubnis zum geplanten Zusammenschluss an das Oberlandesgericht Düsseldorf zu stellen. Antragsberechtigt sind nur die am geplanten Zusammenschluss beteiligten Unternehmen.[19]
Diesen Antrag hat der Bundeswirtschaftsminister anschließend im Bundesanzeiger bekannt zu geben. Er hat nun vier Monate Zeit, eine Entscheidung zu treffen. Zur Entscheidungsfindung ist er verpflichtet, ein Gutachten von der Monopolkommission zu diesem Fall einzuholen.[20] Weiter muss der Bundeswirtschaftsminister nach § 42 Abs. 4 GWB den zuständigen Kartellbehörden die Möglich- keit zur Stellungnahme bieten[21].
2.2 Materielle Voraussetzungen für eine Ministererlaubnis
Zunächst ist festzuhalten, dass man ähnliche Zusammenschlüsse nicht in ihrer Gesamtheit betrachtet, sondern lediglich der jeweilige, für eine Ministererlaubnis beantragte Zusammenschluss einer ergebnisorientierten Detailanalyse unterzogen wird.[22] Der Zusammenschluss wird also im Einzelfall entschieden (§ 42 Abs. 1 GWB) und muss im Ergebnis überwiegend positive Auswirkungen mit sich bringen[23]. Die Ergebnisse der Untersuchung des Bundeskartellamtes zu diesem Zusammenschluss werden als gegeben angesehen und mit den Interessen der Öffentlichkeit abgewogen. Ebenso wird die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen auch außerhalb des nationalen Marktes geprüft. Zu beachten ist, dass bei einem Ministererlaubnisverfahren politische Wertungen unausweichlich sind und sich je nach der von den zuständigen Organen formulierten Politik richtet.[24]
Um jedoch letztendlich eine Erlaubnis als Ergebnis herbeizuführen, muss eine der beiden nachfolgenden Voraussetzungen vorliegen: 2.2.1 Gesamtwirtschaftliche Vorteile Die zusammenschlussbedingten Wettbewerbsbeschränkungen müssen durch gesamtwirtschaftliche Vorteile der Fusion ausgeglichen werden. Aufgrund der Vielschichtigkeit dieses Begriffes können mehrere wirtschaftspolitische Zielgrößen zugleich betroffen sein. Hier rechtfertigt die Ministererlaubnis jedoch noch längst nicht die Tatsache, dass die geplante Fusion den betroffenen Unternehmen im Einzelnen wirtschaftlich nützt.
[...]
[1] Klumpp, Die „Efficiency Defense“in der Fusionskontrolle, S. 24 ff.
[2] Münter, Die Debatte um die geplante Fusion von E.on und Ruhrgas, Gesell
[3] schaft, Wirtschaft, Politik 2002, S. 491.
[4] Bundeskartellamt vom 10.12.2002, B6-98/02, WuW DE-V, S. 695 ff. Bergmann, Die Ministererlaubnis in der Zusammenschlusskontrolle, S. 28 f.; Tacke, Die Ministererlaubnis muss bleiben, EuZW 2002, S. 417.
[5] BWM vom 05.07.2002, IB1-220840/129, WuW/E DE-V, S. 573 ff.
[6] Böge/Jakobi, Die Berücksichtigung von Effizienzen in der Fusionskontrolle, BB 2005, Heft 3, S. 113,117.
[7] Lange, Europäisches und deutsches Kartellrecht, S. 166; Bergmann, Die Ministererlaubnis in der Zusammenschlusskontrolle, S. 27.
[8] Vgl. Tacke, Die Ministererlaubnis muss bleiben, EuZW 2002, S. 417.
[9] Basedow, Gemeinschaftsrechtliche Grenzen der Ministererlaubnis in der Fusionskontrolle - Zum Verhältnis des § 42 GWB zu den Art. 81 und 82 EG, EuZW 2003, Heft 2, S. 44, 45.
[10] Veba/Gelsenberg im Jahre 1974 und IBH/Wibau im Jahre 1981.
[11] Vgl. Bergmann, Die Ministererlaubnis in der Zusammenschlusskontrolle, S. 39 f.
[12] Roth/Voigtländer, Die Ministererlaubnis für den Zusammenschluss von Unternehmen, Zeitschrift für Wirtschaftspolitik 2002, S. 231, 232.
[13] Bergmann, Die Ministererlaubnis in der Zusammenschlusskontrolle, S. 27.
[14] Bergmann, Die Ministererlaubnis in der Zusammenschlusskontrolle, S. 28.
[15] Vgl. Bergmann, Die Ministererlaubnis in der Zusammenschlusskontrolle, S. 30 ff.
[16] Burkhardt, Kartellrecht, S. 26 ff.
[17] Tacke, Die Ministererlaubnis muss bleiben, EuZW 2002, S. 417.
[18] Kogel, Zuständigkeitsabgrenzung in der Fusionskontrolle zwischen EU und Mitgliedsstaaten, S. 158; Basedow, Gemeinschaftsrechtliche Grenzen der Ministererlaubnis in der Fusionskontrolle - Zum Verhältnis des § 42 GWB zu den Art. 81 und 82 EG, EuZW 2003, Heft 2, S. 44, 45.
[19] Roth/Voigtländer, Die Ministererlaubnis für den Zusammenschluss von Unternehmen, Zeitschrift für Wirtschaftspolitik 2002, S. 231, 234.
[20] Tacke, Die Ministererlaubnis muss bleiben, EuZW 2002, S. 417.
[21] Vgl. Gassner, Grundzüge des Kartellrechts, S. 177.
[22] Mestmäcker/Veelken, In: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 42, Rn. 26.
[23] Bergmann, Die Ministererlaubnis in der Zusammenschlusskontrolle, S. 27 f.
[24] Vgl. Klumpp, Die „Efficiency Defense“ in der Fusionskontrolle, S. 152; Mestmäcker/Veelken, In: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 42, Rn. 27.
- Citation du texte
- Diplom-Wirtschaftsjuristin (FH) Anni Heimann (Auteur), 2007, Die Ministererlaubnis in der deutschen Fusionskontrolle, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88595
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