Wilhelm Buschs zweifellos große Verdienste als innovativer Zeichner, Karikaturist und Pionier des Cartoons werden inzwischen allgemein anerkannt und gewürdigt. Doch so populär sein Werk durch alle Leserschichten hindurch bis in die Gegenwart ist, so unbeirrt gelten Buschs Bildergeschichten weiterhin als „gemütvoll-humoristischer Hausschatz“, der bei Amüsierbedarf unter der Rubrik „Schmunzel-Lektüre“ gehoben und schnell konsumiert werden kann. Die geläufige Art der Rezeption sicherte seinem Schöpfer schon zu Lebzeiten ein finanziell komfortables Auskommen, und allein schon dieser Umstand verleiht der öffentlich gepflegten Lesart des Werkes insofern eine gewisse Deutungsberechtigung.
Bei genauerer Betrachtung indes wird sie der Vielschichtigkeit des Busch-Figurenkosmos´ gleichzeitig kaum gerecht: einer bizarren, nihilistischen Zeichenwelt, einem Quälwerk, strotzend voller Greueltaten, Vernichtung und Tod.
Wie nun versteht es Busch, seine tiefdunkle Sicht auf das Leben handwerklich so meisterlich prallbunt und bekömmlich zu gestalten, daß sich Generationen von Lesern über die kruden Missgeschicke seiner Witzfiguren gut unterhalten fühlen können?
Antworten auf diese interessante Frage versucht die vorliegende Arbeit über die Analyse grotesker Stilelemente (als Teil der Komischen Gattung), im Zusammenwirken von Inhalt und zeichnerischer Form in Buschs Werk zu finden.“
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Das Grotesk-Komische
1.1 Das Komische und die ihm untergeordneten komischen Formen
1.1.1 Das Komische
1.1.2 Der Witz
1.1.3 Der Humor (inkl. Schwarzer Humor)
1.1.4 Die Satire
1.1.5 Die Karikatur, die Parodie und verwandte Formen
1.1.6 Das Tragikomische
1.2 Das Groteske als Form des Komischen
1.2.1 Etymologischer und historischer Ursprung des Grotesken
1.2.2 Das Charakteristische des Grotesken unter Berücksichtigung verschiedener Theorieansätze - eine Diskussion
1.2.3 Die Besonderheit des Grotesken. Ein Abgrenzungsversuch gegenüber ihm nahestehende komische Formen
1.2.4 Resümee und Herausarbeitung eines Arbeitsbegriffes ‘grotesk’
2. Das Grotesk-Komische im Werk S.70 Wilhelm Buschs
2.1 Die Bildergeschichten
2.1.1 „ Mein genre ist genre. “ Die Bildergeschichten im Kontext ihrer traditionellen literarischen Vorbilder Teil I: Die volkstümlichen Gattungen
2.1.2 „Es saust der Stock, es schwirrt die Rute. “ Die Bildergeschichten im Kontext ihrer traditionellen literarischen Vorbilder Teil II: Die traditionelle Kinderliteratur
2.1.3 „ In diesem Reich geborner Flegel.“ ‘Böse’ Tiere und Kinder versus ‘dressierte’ Bürger - die Typizität der Figuren als Teil von Buschs Willenskonzept
2.1.4 „Wer beobachten will, darf nicht mitspielen...“ Synthese und Dissonanz im Bild-Text-Verhältnis der Bildergeschichten
2.1.5 „Punkt zwölf erscheint der Knochenmann. “ Elemente des Grotesk-Komischen in den Bildergeschichten - Einleitungsteil:
2.1.5.1 Die Tücke des Objekts
2.1.5.2 Die Ornamentalisierung des Leibes
2.1.5.3 Die Deformation des Körpers
2.2 „Kleiner Schnickschnack auf Druckpapier“- Die Prosa als groteske Epik „ Eduards Traum “ (1891) und „ Der Schmetterling “ (1895)
3. Resümee - Die Aporie der Figurenwelt
Quellenverzeichnis
„Ein Buch, wenn es so zugeklappt daliegt, ist ein gebundenes, schlafendes, harmloses Tierchen, welches keinem was zuleide tut. Wer es nicht aufweckt, den gähnt es nicht an; wer ihm die Nase nicht grad zwischen die Kiefer steckt, den beißt´s auch nicht.“ Wilhelm Busch[1]
Einleitung
Als Humorist und Zeichner lustiger Bildergeschichten und Reimvater witziger, einprägsamer Sentenzen ist Wilhelm Busch bekannt und über den deutschsprachigen Raum hinaus berühmt geworden, und er ist es seit nunmehr über 130 Jahren, wird geschätzt und unterschätzt; fast jede Familie in Deutschland hat die eine oder andere Jubiläumsausgabe mit - natürlich - „ Max und Moritz “, „ Die fromme Helene “ und „ Hans Huckebein “ im Bücherregal, und fast jedes Mitglied weiß auch heute noch den einen oder anderen sprichwörtlich gewordenen Versspruch zu zitieren, ohne im einzelnen genau die Bildergeschichte als Quelle benennen zu können, was ja meist auch gar nicht so wichtig ist. Dabei liegt die Zeit der ‘intensivsten’ Begegnung mit dem Werk Buschs aber meist in der Kindheit und beschränkt sich vornehmlich auf eine Ausgabe der Bildergeschichte von „ Max und Moritz “. Auch bei einer gelegentlichen Lektüre im Erwachsenenalter bleibt das Interesse an dem Werk Buschs doch eher bei dem Genuß seiner lebensklugen Sentenzen, seines vitalen, dynamischen Zeichenstrichs oder seiner phantasievollen Einfälle stehen.
So ungefähr lautet mein Klischee von wiederum der Klischeevorstellung über Busch, die sich der Durchschnittsleser von ihm und seinem populären Werk macht, aber ich denke, daß meine Darstellung der Rezeptionswirklichkeit doch recht nahe kommt; auch Gert Uedings ambitioniertes Buch „Wilhelm Busch. Das 19. Jahrhundert en miniature“[2], obgleich nicht als Fachpublikation gedacht, belebte die Diskussionen, über Busch neu nachzudenken, nur in Fachkreisen, wobei die Ersterscheinung des Buches mittlerweile zwanzig Jahre zurückliegt.
Der in der Öffentlichkeit auch gegenwärtig immer relativ ungebrochene Rezeptionskanon geht in seinem Ursprung noch auf Buschs Lebzeiten zurück, und auch ich konnte mich vor dieser Arbeit nicht ganz von tradierten Vorstellungen freisprechen, in denen m.E. zumindest ein geringer Kern von Wahrheit steckt.
Meine schriftliche Ausarbeitung verfolgt allerdings das Ziel, eine ganz andere, weniger bekannte und weit weniger populäre Seite von Buschs Werk zu thematisieren, nämlich sich mit Buschs durchaus gern übersehenen drastischen, oft grausamen Todes- und Vernichtungsszenarien unter der Fragestellung zu beschäftigen, a) inwieweit das Euvre Buschs groteske Züge trägt, b) wie sie in Erscheinung treten, c) was sie generell für eine Funktion besitzen und d) über welchen Stellenwert sie im Kontext des Gesamtwerkes verfügen. Darüber soll die vorliegende Niederschrift Auskunft geben.
Um diese Aufgabe leisten zu können, widmet sich der erste Teil der Arbeit zunächst der theoretischen Erörterung der Begriffe des Komischen als Basisbegriff aller komischen Formen einerseits und des Grotesken als einer besonderen Form des Komischen andererseits, in der sich die Strukturmerkmale des Komischen schlechthin in extremerer, radikalerer Ausformung manifestieren.
Eine ausführliche Auseinandersetzung mit den zu den Begriffen des Komischen und Grotesken vorliegenden Theorien und Definitionen, die auch die übrigen Unterformen des Komischen bzw. seiner formspezifischen Varianten wie Witz, Humor, Karikatur u.a. einbezieht, ist erforderlich, um einen verbindlichen Begriff des Grotesken erarbeiten zu können, der sich der Analyse des Werks Wilhelm Buschs im zweiten Teil der Arbeit zugrundelegen läßt. Denn zum einen legt die Tatsache, daß auf das Werk Wilhelm Buschs die unterschiedlichsten Begriffe aus dem Bereich des Komischen - z.T. auf zweifelhafte Weise - angewandt werden, eine Präzisierung der einzelnen Termini und insbesondere des Grotesken in Abgrenzung zu den übrigen Formen des Komischen (Witz, Humor, Satire, Parodie) nahe, zum anderen aber wird der Begriff des Grotesken selbst in der Literatur nicht einheitlich definiert.
Schon die Untersuchung seines etymologischen und historischen Ursprungs zeigt, daß der der bildenden Kunst entstammende Begriff über den Verlauf von Epochen nicht immer konstant die gleichen Phänomene bezeichnete, sondern Bedeutungsschwankungen unterworfen war. Darüber hinaus liegen unterschiedliche theoretische Auffassungen zum Grotesken vor, so daß die Herausarbeitung der charakteristischen Merkmale des Grotesken gegenüber anderen Formen des Komischen nur über eine Darstellung, Diskussion und kritische Würdigung der unterschiedlichen Ansätze erfolgen kann.
Als hilfreich und notwendig für die abschließend vorzunehmende ‘analysetaugliche’ Definition des Begriffs ‘grotesk’ erweist sich hier zudem der direkte Vergleich der dem Grotesken nahestehenden ästhetischen Formen u.a. des Absurden, des Phantastischen, des Makaber-Komischen des Schwarzen Humors, des Tragikomischen und der Karikatur mit dem Grotesken selbst.
Kapitel 2 der vorliegenden Arbeit untersucht sodann das Grotesk-Komische im Werk Wilhelm Buschs. Für diese Analyse kamen nur die populären Bildergeschichten Buschs zwischen 1858-1884 und die zwei kaum bekannten, explizit grotesken Prosastücke „ Eduards Traum (1891) und „ Der Schmetterling “ (1895) infrage, die schon als Alterswerke Buschs gewertet werden.
Die dem Publikum ebensowenig geläufige Lyrik Buschs bietet keinerlei groteske Anhaltspunkte für eine Analyse und ist deshalb nicht Gegenstand dieser Arbeit; charakteristisch ist für sie ein epigrammatisch-verdichteter Stil, der manchmal an die Poesie Heines (beispielsweise in der häufigen Verwendung von Zeugmata) erinnert, an den sich Busch thematisch und stilistisch öfter anlehnt; in manchmal sich weise-lehrhaft gebenden, zuweilen das Lehrhafte parodierenden komischen Sentenzen werden die menschlichen Defizite schonungslos angegangenen - hierin unterscheidet sich die Lyrik nicht vom übrigen Werk Buschs.
Bevor ich explizit auf die groteskästhetischen Darstellungsmittel, die sich in Buschs Werk nachweisen lassen, eingehe, wende ich mich zunächst dem literarhistorischen Kontext des Schaffens Buschs sowie den charakteristischen Grundzügen seiner Bilderzählungen zu, da Funktion und Stellenwert der grotesken Elemente im Werk Buschs nicht losgelöst von diesen Determinanten zu beurteilen sind. Im literarhistorischen Konnex besaßen für Busch u.a. die volkstümlichen Formen Schwank, Märchen und Moritat als literarische Gattungen eine - vom Autor nicht ausdrücklich intendierte - Vorbildfunktion, markanter jedoch als die Gattungen selbst flossen deren beispielgebende motivische Muster und stoffliche Quellen in Buschs Bilderzählungen ein und formten das genretypische Erscheinungsbild der Geschichten.
Auch die traditionelle Kinderliteratur und ihre Sujets prägten den Charakter der Bildergeschichten maßgeblich. Buschs Werk ist diesbezüglich auch im Rahmen zeit- und geistesgeschichtlicher Tendenzen des 19. Jahrhunderts - auch in seiner literarischen Sonderstellung - zu beleuchten; vor allem das tradierte Kinderbild der Epoche, das auf aufklärerische und romantische Kinderkonzeptionen zurückgeht, verfremdete sich in der Epoche zwischen Biedermeier und Gründerzeit; das Idealbild des Kindes degenerierte in der Praxis zum Anspruch an das Kind und unterwarf es einer dressurartigen Erziehung, die auch Busch in seinem Werk immer wieder oft und deutlich thematisiert hat.
Zum Grundrepertoire zählen die Typizität und die Bosheit der Figuren, also Buschs Akteure in den Bildergeschichten. Hierbei möchte ich im weiteren differenzieren, welche verschiedenen Parts die Tiere, Kinder und Kleinbürger auf Buschs papierner Bühne zu spielen haben und in welcher Hinsicht sie als Sinnbilder fungieren; an diese Ausführung schließen sich grundlegende Überlegungen zur mechanischen Beschaffenheit der Figurenwelt an. Unter dem Gesichtspunkt der ‘Bosheit’, die ein Schlüsselbegriff zum Verständnis Buschs ist, wird auch seine Affinität sowohl zu Schopenhauers Willenskonzeption als auch Darwins Evolutionslehre erörtert, die das Werk thematisch mitprägten; ferner berücksichtige ich in diesem Kapitel einige biographische Details von herausragender Bedeutung für Buschs Lebenshaltung, die auch werkimmanent ihren Niederschlag gefunden haben.
Die anschließende Analyse des komplizierten Bild-Text-Verhältnisses in den Bildergeschichten lenkt den Blick auf die sowohl in zeichnerischer als auch sprachlicher Hinsicht bedeutenden gestalterischen Mittel, die von genereller Relevanz für die Entfaltung des Komischen in Buschs Werk sind. Zunächst wird das Verhältnis der Bildergeschichten zur Gattung der Comics kurz angerissen, der thematische Schwerpunkt liegt aber auf der karikierenden Strichdynamik Buschs - gerade in bezug auf seine typisierten Geschöpfe, die von ihm sowohl abstrahiert, aber auch zeichnerisch vitalisiert werden; wichtig sind auch Buschs zeichnerische Innovationen hinsichtlich der Perspektivierung und der Auswahl des Bildausschnitts; schließlich ist auch der unterkühlt-lakonische Textkommentar als komisierendes Medium der uneigentlichen Rede bedeutsam, der oft gegensätzliche Zeichensignale zum Bildgeschehen aussendet; das so dissonante wie komplementäre Zusammenwirken beider Zeichensysteme und was es wirkungsästhetisch evoziert, wird ebenfalls erörtert.
Nachdem die Bildergeschichten in ihren signifikanten Merkmalen dargestellt worden sind, wird vor diesem Hintergrund im weiteren das Werk Buschs auf seine grotesken Elemente hin befragt; als solche erweisen sich die Tücke des Objekts, die Ornamentalisierung des Leibes und seine Deformation.
Abschließend befasse ich mich kurz mit den Aspekten der beiden Prosawerke „ Eduards Traum “ (1891) und „ Der Schmetterling “ (1895) als Sprachgrotesken.
Das Resümee - Die Aporie der Figurenwelt trägt die erzielten Arbeitsergebnisse zusammen und deutet das Groteske als Ausdrucksmedium in bezug auf Buschs weltanschauliche Ausrichtung und in seinem Stellenwert im Rahmen des Gesamtwerkes.
Die vorliegende Ausarbeitung wird erweisen, daß der Gemeinplatz von Busch als harmlos-heiteren Humoristen sicherlich nicht zu halten ist - aber natürlich fortlebt; Busch selbst fühlte sich zeitlebens in der ihm aufoktroyierten Rolle als Spaßmacher verkannt; über die zeitgenössische Rezeption seiner Werke bemerkte er in seiner autobiographischen Kurzschrift (1886) einmal spitz:
Man sieht die Sach an und schwebt derweil in behaglichem Selbstgefühl über den Leiden der Welt, ja über den Künstler, der gar so naiv ist.“[3]
Allerdings zeigte sich Busch genausowenig als ein Freund von weitergreifenden Untersuchungen seines Werkes und seiner Person; in bezug auf persönliche Auskünfte war er selten zu Konzessionen bereit:
„Der Stoff, den Sie ausgesucht, scheint mir freilich gar nicht ersprießlich zu sein; aber ein erfindsamer Kopf kann ja einen Kürbis melonisieren, oder aushöhlen und erleuchten, daß er nach was aussieht."[4]
Dies - in metaphorischem Sinne - will die vorliegende Arbeit leisten.
1. Das Grotesk-Komische
1.1 Das Komische und die ihm untergeordneten komischen Formen
1.1.1 Das Komische
In einem kleinen Bauerndorf in Wisconsin (USA) trug sich 1957 Ungeheuerliches zu: In relativ kurzer Zeit verschwanden einige Frauen des Dorfes spurlos und wurden schließlich - alle Indizien deuteten auf ein Sexualdelikt hin - tot aufgefunden; der Mordverdacht erwies sich letztlich als grausige Gewißheit, denn erschwerend kam noch hinzu, daß man zeitgleich Frauenleichen auf dem dörflichen Friedhof ausgegraben vorfand, an denen sich ein Täter vergangen haben mußte. Der Außenseiter der dörflichen Gemeinschaft, Gein mit Namen, ein „ruhiger, fauler, gutmütiger, doch etwas merkwürdiger Mann“[5], wurde schließlich der Tat überführt, und das gesamte Dorf war schockiert. Natürlich erfuhr auch die überregionale Presse von den Ereignissen in der Provinz und strömte scharenweise herbei - sehr zum Mißfallen der Einheimischen. Die Dorfbewohner blieben gegenüber den Reportern äußerst zugeknöpft und ablehnend. Sehr wenige Meilen weiter in den Nachbardörfern hingegen wurden die Vorkommnisse unter einem auffallend komischen Blickwinkel betrachtet; die Dorfbewohner überboten sich hier gegenseitig mit ‘Geiners’ - also ‘Gein’-Witzen -, veränderten sogar den Text eines bekannten amerikanischen Weihnachtsliedes, so daß manches Kind dort freudig „‘Deck the walls with limbs of Mollie’ (schmückt die Wände mit Mollies Gliedern)“[6] sang. Die Mehrzahl der kursierenden Gein-Witze drehte sich inhaltlich um Bereiche des Kannibalismus und der sexuellen Perversion, also um gesellschaftlich tabuisierte Zonen in einem spezifischen soziokulturellen Kontext.
Warum nun dieser eher erzählende Einstieg in die Thematik des Komischen?
Wie die folgenden Ausführungen zu den Merkmalen der komisierenden Verarbeitung belegen werden, offenbart der vorliegende Bericht geradezu exemplarisch einige Grundcharakteristika des (Grotesk-) Komischen; ich erläutere im folgenden, wann und wie sich das Komische lebensweltlich inszeniert; deutlich werden soll über die Analyse des Komischen und seiner Unterarten zudem abschließend die psychologische Bewältigungsleistung, die sich hinter dem spöttischen Gruseln der Nachbarn verbirgt; auf diesen Aspekt wird abschließend nochmals Bezug genommen.
Psychologische, soziologische und ästhetische Theorieansätze nehmen als Ausgangspunkt ihrer Untersuchung eine jeweils andersartige Perspektive zum komischen Phänomen ein, bevorzugen verschiedene Herangehensweisen und setzen auch verschiedene Schwerpunkte, was als Gegenstand des Komischen für die jeweilige Disziplin relevant ist: in der Psychologie ist es die intrapsychische Verarbeitung komischer Prozesse, die Soziologie betrachtet hingegen die Komik als im Gesellschaftlichen tief verwurzeltes Kommunikationssystem, während sich die Untersuchung des Komischen im Bereich der Ästhetik vor allem der komischen Gattungen im Rahmen der Kunst und Kunsttheorien annimmt. Obwohl sich die genannten Richtungen in bezug auf das Komische und seine Unterformen klar in ihrer Perspektive unterscheiden, überschneiden sich im Ergebnis doch mancherlei Grundaussagen, kristallisieren sich Details über das Wesen des Komischen (also was ihm substantiell zugrundeliegt) und seiner ihm zugehörigen Formen heraus. Auf diesen interdisziplinären Konsenz wird sich das vorliegende Kapitel stützen.
Die anstehenden Erörterungen zur Komik (und ihrer ihr zuzuordnenden übrigen komischen Erscheinungsformen) erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, denn so leicht es im einzelnen fällt, spontan über komische Ereignisse zu lachen, als so komplex entpuppt sich der Vorgang komischer Verarbeitung bei eingehenderer Analyse[7]. Ausführlich kann dies die Arbeit nicht leisten, denn es sprengte ihren thematisch gesetzten Rahmen, der vom Schwerpunkt her auf das Grotesk-Komische im allgemeinen und im speziellen auf das Werk Wilhelm Buschs ausgerichtet ist. Ziel ist es, in einer Synthese der Theorien eine Grundstruktur des Komischen und seiner Unterformen herauszuarbeiten; letztere sind unter dem Aspekt ausgewählt worden, daß sie häufig mit dem Werk Buschs in Verbindung gebracht werden.
Dieses Vorgehen, das Komische und einige komischen Unterformen im Vorfeld zu behandeln, bietet eine Vereinfachung für die Analyse und Erstellung des grotesk-komischen Strukturprofils (vgl. das Kapitel 1.2), weil so frühzeitig geklärt werden kann, welche Formen deutlich nicht zum Grotesken gezählt werden können, was - wie zu sehen sein wird - diesbezüglich gegenüber dem Absurden, Tragikomischen und dem Makabren des Schwarzen Humors so deutlich nicht mehr zu leisten ist, da die Unterschiede dieser komischen Formen z.T. zueinander fließend werden. Da aber das Makabre und das Tragikomische auch Verbindungen zu Witz und Humor aufweisen, werden sie bereits in diesem Kapitel thematisch angeschnitten und nochmals in 1.2 kontrastiv zum Grotesken aufgegriffen.
Das Komische (und mit ihr die Komik als Wirkung des Komischen) ist ein Basisbegriff für zahlreiche, ihm zugesprochene Unterarten[8].
Sprachanalytisch ist auffallend, daß das Adjektiv ‘komisch’ im allgemeinen Sprachgebrauch von der Wortbedeutung her polysemantisch angelegt ist[9] und damit quasi schon im Vorfeld auf den ambivalenten Charakter alles Komischen verweist. Es kann einerseits begrifflich als ein Synonym für ‘lachhaft’, amüsant’ und ‘spaßig’ gebraucht werden (und befindet sich da inhaltlich in ungefährer Übereinstimmung mit dem gleichlautenden ästhetischen Begriff), aber ebenso zutreffend bewegt sich ‘komisch’ auch im semantischen Begriffsfeld von ‘seltsam, suspekt, merkwürdig, undurchschaubar’, drückt also in diesem Verständnis eine deutlich skeptische Haltung aus (die so ausdrücklich im ästhetisch orientierten Begriff nicht gegeben ist).
Bei der Attribuierung einer Person ‘der/die ist komisch’ erschöpft sich der Begriff im Prinzip in dem negativen Sinnkontext von ‘seltsam, merkwürdig, suspekt’ u.ä.; will man einem Menschen hingegen ein amüsantes Wesen attestieren, stehen sprachlich die Begriffe ‘spaßig, ‘lustig’, ‘witzig’ u.a. zur Verfügung, aber der Begriff ‘komisch’ wirkt hier eindeutig mißverständlich. Auf Abstrakta und Gegenständliches sind beide Bedeutungsvarianten von ‘komisch’ - ‘amüsant’ und ‘suspekt’ - anwendbar; gleichzeitig mit ihnen dasselbe bezeichnen zu wollen, schließt sich allerdings nahezu aus, so widerstrebend zueinander wirken beide semantischen Varianten. Daß aber das Suspekte und das Amüsante als implizite Bedeutungsvariablen des Komischen auch auf dessen grundsätzlich konflikthaft angelegte Grundstruktur[10] verweisen, läßt sich anhand der Begriffsbestimmung der Komik nachzeichnen.
Die Komik ist die Wirkung des Komischen; als eine „zum Lachen reizende, harmlose Ungereimtheit, beruhend auf einem lächerlichen Mißverhältnis von erstrebtem, erhabenem Schein und wirklichem, niedrigem Sein von Personen, Gegenständen, Worten, Ereignissen und Situationen, also auch dem Mißverhältnis von Stil und Inhalt“[11] fehlt der Komik zwar (sowohl alltagssprachlich als auch im ästhetischen Begriffsverständnis) explizit die Bedeutungsvariante des Befremdlichen und Suspekten, aber indirekt - wie dieses angeführte Zitat beweist - verdeutlicht sich über die zitierten Bezeichnungen von ‘Ungereimtheit’ und ‘Mißverhältnis’ die generell zwiespältige, konflikthafte Struktur des Komischen.
Diese läßt sich auch über die psychophysische Reaktion des Lachens verdeutlichen. Das Komische ist eng mit dem Lachen verknüpft[12]/[13], denn wirkungsästhetisch fungiert das Lachen als Medium des Komischen und gleichzeitig als Indikator seiner Wirkung[14]; es kommt sowohl im lebensweltlichen Milieu (z.B es entwickelt sich ein Geschehen, das komisch wirkt und die Beteiligten unwillkürlich zum Lachen bringt - die bekannte Situationskomik als Reaktionsphänomen) als auch im Bereich der Kunst als absichtsvoll eingesetztes Kommunikationsmedium vor - beispielsweise in Gestalt eines Werkes, das momenthaft, nur in Einzelaspekten eine komische Wirkung erzeugt oder auch in Form eines absichtsvoll komisch gemachten, ästhetischen Produkts:
„Dabei zielt der Begriff des Komischen bzw. der Komik auf ein Doppeltes: er bezeichnet sowohl alle Modi der Verfaßtheit von Inszenierungen oder auch spontan-zufälligen Arrangements, die ‘Lachen’ im genannten Sinn hervorzurufen vermögen, als auch die verschiedenen Grade der Nuancen dieses Lachens.“[15]
Das Lachen als „Triebäußerung aus dem Zwischenbereich aus Angst und Lust, Triumph und Drohung“[16] ist von seiner Struktur her gemischt und ambivalent durchsetzt, denn es hat stets eine Beimischung von Irritation, von Außersichsein, und so weist auch jedes echte komische Arrangement, jede Kombination von komischer Qualität den Charakter einer „(Beinahe-) Katastrophe“[17] auf.
In seinem immer noch lesenswerten und anregenden Werk „Das Lachen. Ein Essay über die Bedeutung des Komischen“[18] hat sich Henri Bergson aus seiner Sicht mit den Hintergründen des Lachens und des Komischen beschäftigt. Für Bergson ist Komik ein auf das Menschliche beschränktes Phänomen: „Eine Landschaft mag schön, großartig, langweilig oder häßlich sein, komisch ist sie nie.“[19] Das Komische ist ausschließlich an das Erleben des außenstehenden Zuschauers und Beobachters gebunden, nicht an das desjenigen, der in eine Handlung verstrickt und dabei Objekt der Betrachtung wird. Aus der Distanz und fehlenden Betroffenheit des reinen Blickens heraus wirkt für den Zuschauer das diskrepante, unangemessene Verhalten seines BetrachtungsObjekts lächerlich; so wird er zu einer Art Voyeur, ausgestattet mit einer „vorübergehenden Anästhesie des Herzens“[20], - gemeint ist eine interessierte, aber in gewisser Weise auch mitleidlose, nicht mitfühlende, ‘parasitäre’ Teilhabe am aktuellen Geschehen, die für Bergson die Grundvoraussetzung für die Empfindung eines komischen Effekts ist. Kurz gesagt: Was den unglücklich Agierenden unmittelbar in eine mißliche, Unwohlsein verursachende Lage versetzt, die er als solche vielleicht in ihrem Umfang noch gar nicht völlig realisiert hat, ist dem distanziert Beobachtenden ein amüsantes Spektakel, an dem er auf rein intellektueller Ebene partizipiert. Empathie und Identifikation scheiden damit nach Bergson in der komischen Perspektive von vornherein aus. Lächerlich, lachhaft, Lachen erregend und komisch wird, wer in seinem Verhalten in den Konflikt mit einer ausdrücklichen oder unausgesprochenen Norm menschlichen Tuns gerät und dabei unangemessen und diskrepant zu ihr agiert - etwa im harmloseren Falle das sprichwörtliche ‘Fettnäpfchen’, in das man tritt. Insofern der Betroffene nicht angemessen verfährt, eine Schwäche offenbart, wird er angreifbar. Der Betrachter ist in diesem Moment in der Rolle des Hüters der ‘Position’[21] (um hier einen Begriff Joachim Ritters aufzugreifen), er ist ihr Propagandist, ja ihre Verkörperung; der Beobachter vertritt nach Bergson also mehr oder minder bewußt das als selbstverständlich Gesetzte: gesellschaftlich (kulturell und historisch) und individuell (den persönlichen Wertkosmos einschließend). Der Autor - um es unmißverständlich zu sagen - plädiert nun nicht dafür, daß starr und prinzipientreu Regeln befolgt werden, sondern es geht ihm im Gegenteil vielmehr darum, daß ein Handelnder den (wie auch immer definierten) augenblicklichen Erfordernissen entsprechend flexibel und souverän zu reagieren versteht, „da man von einem Menschen wache Beweglichkeit und lebendige Anpassungsfähigkeit erwartet.“[22] Starr, steif, mechanisch und damit komisch wirkt auf andere also vielmehr der, der diese jeweils aktuelle Anpassung nicht zu leisten vermag. Die zentrale These Bergsons, der Angelpunkt seiner Theorie des Komischen, ist, daß das Automatische, Unlebendige, das im Inadäquaten[23] offenbar wird, den Betroffenen zur komischen Figur stempelt und den Außenstehenden, der dessen gewahr wird, zum Lachen reizt:
„Das Mißverhältnis zwischen Ursache und Wirkung - mag es sich so oder anders offenbaren - ist nicht der unmittelbare Anlaß zum Gelächter. Wir lachen über etwas, das durch dieses Mißverhältnis zum Vorschein kommt, über das besondere mechanische ‘Arrangement’, das wir hinter der Verkettung von Wirkung und Ursachen wittern.“[24]
Dieses Muster, das Automatische, wie es Bergson darstellt, steckt in allen diskrepanten sozialen Erscheinungen (sittliches Fehlverhalten, Ungeschicklichkeiten, ein körperlicher Kontrollverlust durch ein Malheur) und bemächtigt sich, kommt es zum Vorschein, wie ein Fremdkörper seiner Gegenstände[25], läßt sie puppenhaft, unlebendig und getrieben von einer selbständigen Kraft erscheinen, d.h. Personen wirken dann wie Marionetten, Gesellschaften erwecken mit ihren Zeremonien und Ritualen den Eindruck einer „soziale[n] Maskerade [...], sobald wir an der bewegten Oberfläche der Gesellschaft etwas Lebloses, Fixfertiges, Fabriziertes bemerken.“[26]
Stierle konkretisiert die These Bergsons vom Verhältnis des Mechanischen zum Lebendigen: „Das Entscheidende dieser Komik ist nicht das Mechanische ihrer Äußerung selbst, sondern die im Mechanischen sich ausdrückende Fremdbestimmung“[27] - etwa durch die sprichwörtlich gewordene ‘Tücke des Objekts’.[28] Wenn der Beobachter das für ihn komische Geschehen lachhaft findet und also lacht (er ist in diesem Moment Inhaber einer ‘Position’ und - das ist wichtig - darf nicht unmittelbar von den Vorkommnissen behelligt sein, sonst ist seine Distanzierung nicht zu halten), so hat das Lachen nach Bergson die Funktion einer Richtigstellung:
„Die menschliche Komik verkörpert also eine individuelle oder kollektive Unvollkommenheit, die nach einer unmittelbaren Korrektur verlangt. [...] Das Lachen ist eine bestimmte soziale Geste, die eine bestimmte Art des Abweichens vom Lauf des Lebens und der Ereignisse sichtbar macht und gleichzeitig verurteilt.“[29]
Daraus wird deutlich, daß die Form der „Replik“[30], der Erwiderung, vom Urprung her latent auch eine durchaus unfreundliche, Mißbilligung und Überlegenheit signalisierende Seite aufweist, die im eigentlichen Auslachen nur deutlicher zutage tritt: gemeint ist der Aspekt der Zurechtweisung, ja der Bloßstellung und Demütigung des Betroffenen.
Für den Betrachter kann der gleiche Sachverhalt anders erscheinen: „Um erheitern zu können, muß der Unernst des komischen Konflikts verbürgt, d.h. der Ernst all dessen, was Mitleid, Verachtung oder Ekel auslösen, aus dem Spielraum verbannt sein.“[31] Die „Fallhöhe“[32] des Geschehens darf nicht so groß bemessen sein, daß Furcht oder Mitleid das Erleben des Zuschauers bestimmen - nur dann gelingt für ihn die komische Transformation. Die Fallhöhe eines Konflikts zutreffend zu ermitteln unterliegt allerdings einer subjektiven Einschätzung, ist sowohl individuell verschieden als auch von soziokulturellen und zeitspezifischen Faktoren beeinflußt. Es läßt sich unter diesen Bedingungen unschwer vorstellen, daß die Interaktion von Betrachter und Betroffenen - wenngleich unbeabsichtigt - nicht immer harmonisch verläuft.
Was Bergsons Ansatz, das Mechanische als einen Grundbaustein der Komik zu betrachten, wertvoll macht, ist, daß der Autor mit ihm zugleich Antworten für das gehäufte Auftreten von Klischees und Stereotypen (als fiktionale Reduzierungen und Automatisierungen des Lebenswirklichen) im ‘gemacht Komischen’ des Spiels, auf der ästhetischen Ebene des künstlerisch Geschaffenen gefunden hat.
Die literarischen Erscheinungsformen der Farce, des Schwankes, der Komödie, der Posse etc., aber auch die zahlreichen Kleinformen von Witz, Karikatur, Satire u.v.m. benötigen allesamt die Typisierung (die das Allgemeine, Auswechselbare und Wiederholbare einer Figur oder Situation dem Charakteristischen vorzieht) als unverzichtbares ‘Requisit’ des Komischen, um eine entsprechend erheiternde Wirkung im Publikum zu entfalten, und dies wird sich auch bei Busch erweisen[33]; der Zuschauer selbst hat im Spiel ganz folgerichtig einen quasi ‘institutionalisierten Beobachterstatus’ inne.[34] Während einer gelungenen, dichten Inszenierung - im Moment der perfekten Illusion - läßt das Schauspiel den Zuschauer für Augenblicke vergessen, daß er einer Aufführung beiwohnt; er wird wieder zum ursprünglichen, lebensweltlichen Beobachter:
„Gerade in den Augenblicken, wo die Komödie sich komisch erfüllt, scheint mir der betrachtende Zuschauer der ästhetisch-künstlerischen Vermittlung am wenigsten innezusein, sondern im Gegenteil hingegeben an die Komik der Erscheinung selbst, nicht nur an das Spiel der Erscheinung.“[35]
Für die Komik gilt, daß die alleinige Kenntnis einer Verfehlung für sich genommen noch keinen komischen Effekt hat; entscheidend ist vielmehr, daß sie offenbar wird: „Die Verfehlung muß aktuell gemacht werden.“[36] Der Schwank und die Komödie beispielsweise spielen mit dieser Inszenierung von Irrtümern, Verwirr- und Verwechslungssituationen, die gerade daraus resultieren, daß ein komisches Vergehen partout im Dunkeln bleiben soll. Daß dies notwendig nicht gelingt, erheitert dann. Dabei wird nicht einfach ein Tabuverstoß als bloße Widerspiegelung des Alltagslebens vorgeführt, sondern gerade die ästhetisch gelungene, kunstvolle Darstellung der Spielhandlung erweist sich als wirkungsvoll. Das trifft auch für eine in Tonfall und Inhalt weit schärfer (satirische bis ans Groteske grenzende) angelegte Komik zu:
„Wir lachen nicht nur über harmlos-komische Gegenstände und die harmlos-komische Darstellung beliebiger Gegenstände, sondern auch über aggressiv-komische Darstellungen. [...] Wir lachen über die Art, wie sie vorgebracht werden, die komisch ist, ohne harmlos zu sein.“[37]
Insofern zwischen komischem Inhalt und komischer Präsentation unterschieden werden muß, stehen sie doch üblicherweise in einem Bezugsrahmen zueinander und verstärken sich in ihrer Wirkung. Im Kontext der Literatur heißt das, daß Komisierung durch Narration einhergeht mit der Komisierung der Narration.[38]
Zurück zu Bergson.
Seinen Erörterungen fehlt eine weitergehende Analyse, was im Kern am Mechanischen eigentlich tatsächlich belustigend bis lächerlich wirkt: wofür es stellvertretend steht[39], welches - aus ästhetischer Sicht - die dahinter liegende ambivalente Struktur des Komischen ist und welche etwaigen intrapsychischen Prozesse dieser komischen Bewältigungsform zugrundeliegen (der psychologische Ansatz). Daß die komische Lösung konflikthafter Momente sich in einem gewissen Kontext für alle Beteiligten auch erleichternd und befreiend auswirkt, kommt bei Bergson nicht ausdrücklich zum Tragen, der mehr die kritisch-spöttische Seite der Komik (die Häme, das Verlachen) gegenüber der sozial verträglichen favorisiert und zudem im Lachen eine Form gesellschaftlicher Sanktion gegenüber einem, einmal wörtlich genommen, ‘ex-zentrischen’ Verhalten erkennt:
„Jede Versteifung des Charakters, des Geistes und sogar des Körpers wird der Gesellschaft daher verdächtig sein, weil sie auf eine erlahmende Tatkraft schließen läßt, auf ein Handeln auch, das abseits des gemeinsamen Mittelpunktes erfolgt, sich außerhalb des von der Gesellschaft gebildeten Kreises bewegt.“[40]
Zu kurz kommt bei Bergson eindeutig die anarchistische, subversive und dadurch vital-lustvolle Potenz des Komischen als Antwort auf Frustrationen durch den Zwang restriktiver Normen. Die Komik ist auch ein Modus der Abreaktion, eine in komischer Verpackung gehaltene Konfliktsuche und -bewältigung; die ‘Position’ fungiert hier als verdecktes Ideelles - primär im Fall der beißend komischen Satire - und steht durchaus im scharfen Kontrast zur alltagswirklichen und/oder gesellschaftspolitischen Ordnung, die sie angreift:
„Der Sinn für Komik feit gegen falsche Würde, hohles Pathos, Sentimentalität und Übertreibung. Mit dem Komischen revoltieren wir gegen Zwänge jeglicher Form von Ordnung - bis zur lustvollen Anarchie.“[41]
Das Komische ist unlösbar ein soziales Phänomen und erfüllt eine ebensolche Funktion im menschlichen Zusammenleben. Es ist interkulturell verschieden ausgeprägt (und fungiert dabei in gewisser Form als „Kulturindikator“[42]), zeigte aber auch im Vergleich zur Gegenwart im Kontext der geschichtlichen Entwicklung deutliche Bedeutungsabweichungen und fand immer wieder zu verschiedenen Ausdrucksformen; somit wirkt das Komische gleichfalls als Zeitindikator, der Auskunft über ein anderes, fremdes, dem Heute historisch gewordenes Welterleben und Lebensverständnis gibt.
An dieser Stelle soll noch einmal kurz zum Ausgangspunkt dieses Kapitels, zu dem Tatsachenbericht über das Wisconsiner Bauerndorf und seinen Reaktionen im Jahre 1957 zurückgekehrt werden und die beschriebenen Abläufe mit dem hinzugewonnenen Wissen zum Komischen erörtert werden. Den Bewohnern des Dorfes, in dem die Frauenmorde stattgefunden haben, gelingt es als unmittelbar Betroffene nicht, eine komische Distanz zu den Ereignissen aufzubauen, als die auswärtigen Journalisten in ihre Behausungen einfallen, weil sie identifikatorisch mit dem Täter Gein, der aus ihrer Mitte kam, und dem Tatort Dorf verstrickt sind, auch wenn sie im Grunde am Geschehen keine Schuld trifft. Die unmittelbare Nähe zu dem Ereignis läßt keinen Raum für eine komisierende Verarbeitung des Schreckens und paralysiert die Menschen eher, die sich entsprechend reserviert gegenüber den neugierigen Reportern benehmen. Wenige Meilen weiter witzeln die Nachbardörfer, die nicht durch das Vorkommnis stigmatisiert sind, in der Rolle der distanzierten Beobachter im Sinne Bergsons, und es ist anzunehmen, daß auch das besagte Dorf (und nicht nur sein Mörder) die Zielscheibe des Spottes ist. An diesem Bericht wird also beispielhaft deutlich, wie nah das komisierende Verfahren im Ursprung mit dem Schrecken verbunden ist, der komisch nur in Form der Abstandnahme bewältigbar wird: „Das Lachen ist meist mit einer gewissen Empfindungslosigkeit verbunden.“[43]
1.1 Das Komische und die ihm untergeordneten komischen Formen
1.1.2 Der Witz
Im weiteren Vorgehen werden verschiedene komische Unterarten und Gattungen vorgestellt, die z.T. durch den alltäglichen Gebrauch umgangssprachlich verwechselt oder synonym verwandt werden, jedenfalls mitunter Verständnis- und Verständigungsprobleme aufwerfen; auch werden diese Begriffe öfter - und nicht immer zutreffend - zur Beschreibung des Komischen in Buschs Werk verwandt. Eine erschöpfende Behandlung der betreffenden Formen ist hier nicht vorgesehen, da meine Ausführungen in Hinblick auf eine taugliche, gut handhabbare Differenzierbarkeit zum Grotesken[44] und seinen verwandten Formen dienen sollen; die Übersichtlichkeit wäre zumal dann nicht überzeugend leistbar, widmete man sich zusätzlich den Kombinationen, die die einzelnen komischen Formen untereinander einzugehen vermögen: So kann ein Witz satirisch geprägt sein, eine Satire scherzhafte Elemente aufweisen und eine Karikatur vom Makabren dominiert werden, und es sind noch etliche andere nuancenreiche Verbindungen vor- und herstellbar. Einen nicht unwesentlichen Anteil am erwähnten Bedeutungs- und damit auch Deutungsproblem im Rahmen der komischen Formen haben die Bezeichnungen Witz und Humor, die manchmal synonym gebraucht, oft parallel in ein nebulös bleibendes Sinnverhältnis zueinander gestellt werden.
Der Witz hat es seit ca. dem 19. Jahrhundert[45] immerhin zu einer selbständigen epischen Kleinform gebracht, ist also zu einem Bestandteil der „einfachen Formen“[46] geworden. Er bezeichnet seitdem einen spontanen, zum Lachen reizenden Einfall[47], schildert aber auch ein Phänomen (‘das ist witzig ’) und kann obendrein zur Bescheibung einer geistigen Veranlagung[48] (der/die Person hat Witz) dienen. Die letztere Bedeutung verweist noch ansatzweise auf die ursprüngliche Wortbedeutung des mittelalterlichen Begriffes „ diu wizze “[49], nämlich Klugheit, Denkvermögen und praktische Intelligenz zu besitzen; unter dem Einfluß der französischen Kultur Ende des 17., Anfang des 18. Jahrhunderts modifizierte sich die Bedeutung von ‘Witz’ in Richtung des aus dem Französischen stammenden Fremdwortes „ Ésprit“ ’[50]; er bezeichnete jetzt eine geistige Flexibilität, eine gewisse lebenstüchtige Raffinesse (‘Gewitztheit’), besagte aber auch, zu einer gedanklichen Tiefe befähigt, geistreich zu sein; somit erfuhr der Witz semantisch betrachtet eine gewisse Erweiterung ins Ästhetische, die er seitdem behaupten konnte. Im Verlauf des 19. Jahrhundert verlagerte sich die Bedeutung des Witzes ein weiteres Mal, diesmal hin zum Spaßig-Belustigenden, wurde - wie schon erwähnt - zu einem eigenen Genre und hat seither keinen nennenswerten Sinnwandel mehr erfahren.
Die psychoanalytische Witztheorie betrachtet die komischen Erscheinungen unter dem Blickwinkel intrapsychischer Prozesse. Für Freud hat das Lachen, das als physiologisches Begleitphänomen einer komischen Verarbeitung in Erscheinung tritt, den Status einer lustvollen Abreaktion angehäufter, bereitgestellter Energie, die ‘abgelacht’ wird; d.h. das Lachen wird in diesem Verständnis mehr mechanisch-instrumentell zum Vorteil eines homöostatisch stabilen Energiehaushaltes entladen:
„Beim Lachen sind also nach unserer Annahme die Bedingungen dafür gegeben, daß eine bisher zur Besetzung verwendete Summe psychischer Energie der freien Abfuhr unterliege, und da zwar nicht jedes Lachen, aber doch gewiß das Lachen über den Witz ein Anzeichen von Lust ist, werden wir geneigt sein, diese Lust auf die Aufhebung der bisherigen Besetzung zu beziehen.“[51]
Der Witz - der Begründer der Psychoanalyse sieht ihn in gleichem Zusammenhang zum Unbewußten stehen wie den Traum - ist nach Freud eine besondere Form spielerischer Befreiung vom Zwang der vorgegebenen, mit Realitätsanforderungen angefüllten Erwachsenenwelt mit ihren „Kausal-, Moral- und Konsequenzgesetzen.“[52] Durch die Verbindung zu unbewußten Prozessen gelingt im Witz dank seines Spielcharakters[53] eine zeitweilige Regression auf eine kindliche Sorglosigkeit und Unverantwortlichkeit. Hinter der Witztätigkeit stehen unterdrückte Aggressionen, die im regressiven Spiel - der Witzarbeit (im Sinne der Überwindung äußerer Hindernisse und innerer Hemmungen) - der inneren Zensur ‘unentdeckt’ entweichen können und sich, sexuell anstößige Inhalte und Tabuverletzungen thematisierend und gleichzeitig verschleiernd, äußern; eine Analyse macht diese Inhalte entzifferbar und bis zu ihrem Ursprung rekonstruierbar:
„Der Witz ermöglicht durch seine uneigentliche Sprache das sublimierte Aussagen einer erotischen, aggressiven oder zynischen Tendenz; dabei wird die Zensur unterlaufen und ein ‘psychischer Hemmungsaufwand erspart’; die ersparte Energie wird mit Lustgewinn abgefahren, wird abgelacht.“[54]
Die Ventilfunktion des Witzes, das lustvoll Entlastende wird hier nochmals deutlich. Die intrapsychischen Verfremdungssysteme, die sich an der Verarbeitung seelischer Prozesse beteiligen, sind einmal die Verdichtung (verschiedene Sinneseindrücke- und Gefühlsregungen werden zu einem Gesamten zusammengeballt, das nicht mehr nach den Regeln der Kausalität, Logik und des Zeitgefühls funktioniert) und die Verschiebung als ein System, das verschiedene ‘psycho-logische’, d.h. analoge und assoziative Kontexte zueinander in Beziehung bringt, die in ihrer Genese so nicht vorgelegen haben: „Die ‘Verschiebung’ - auch die verunklärende ‘Verdichtung’ - stehen bei Freud im Dienste der ‘Entstellung’; nur der entstellte Wunsch vermag die Zensur zu täuschen und sich dem Bewußtsein zu nähern.“[55] Die Begriffe Verdichtung und Verschiebung hat Freud seiner Traumtheorie entlehnt. In der Verdichtung findet sich nach Freud eine der Ursachen für die im Witz häufig vorkommende Wortwitzlust, das Spiel mit der Amphibolie der Begriffe - genutzt für die uneigentliche Rede oder das Genre der Unsinnspoesie.
In einem gelungenen Kommunikationsprozeß freuen sich Sender und Empfänger gleichermaßen über den delikaten, den inneren Zensor ‘überlistenden’ latenten Witzinhalt, der als manifester Witzinhalt im Gewand eines heiteren Sprachspiels oder einer geglückten ästhetischen Inszenierung genießbar wird: „Eine Verstehenskonvention zwischen Kommunikator und Rezipienten betrifft deshalb die bewußte Akzeptation der für den Witz spezifischen Irrealisierung und rationalen Aussage.“[56]
Gebräuchliche sprachliche Mittel des Wortwitzes sind - in einer Kombination von Identischem (die Ähnlichkeit von Begriffen, Zusammenhängen und das Sinnhafte) und Nicht-Identischem (Zusammenhangslosigkeit und Unsinn)[57] - die Polysemie[58], Homophonie[59] und die Homonymie[60]; damit etabliert sich ein vielgestaltiges Spiel mit kombinierbaren sprachlichen Similaritäten:
„Die Witzlust [...] scheint auch um so größer zu sein, je fremder die beiden durch das gleiche Wort in Verbindung gebrachten Vorstellungskreise einander sind, je weiter sie ab von einander sind, je weiter sie ab von einander liegen, je größer also die Ersparung an Gedankenweg durch das technische Mittel des Witzes ausfällt.“[61]
Der Witz im weiteren Sinn unterscheidet sich vom Humor in seiner betont intellektuellen Anlage; je nach Niveau kann ein Witz harmlos sein, oder es steckt in ihm eine starke Provokation, etwa im Augenblick einer herabsetzenden Anspielung, die, komisch getarnt, aber eigentlich kaum verhüllt, bloßstellend und herausfordernd wirkt:
„Auch im heutigen Verständnis ist Humor ein geistig-seelisches Talent, während Witz lediglich die intellektuelle Fähigkeit ist, die Verbrämung von Eingebildetem, Angemaßten [sic!] und Unbeholfenen [sic!] durch einen verblüffenden Gedankensprung - oft verletzend - zu dekuvrieren.“[62]
Der Witz als eigene Textgattung wird, was die äußere Form betrifft, in der Regel im Präsenz erzählt; zu ihm gehört in einem immer gleichen Schema die a) erzählende, in Spannung versetzende, andeutende und verschlüsselnde Einleitung, b) eine Überleitung zur Pointe und c) die Pointe selbst als markanter komischer Höhepunkt, die die Erzählung beendet und einen verborgenen Zusammenhang plötzlich in Erscheinung bringt.[63]
Ganz in der Tradition des Komischen werden auch im Witz die Figuren ins Allgemein-Beispielhafte typisiert, die erzählte Handlung ist hingegen witztypisch kurz auf das dramaturgisch und verständlich Notwendige beschränkt. Ganz der Tendenz des hintergründig Komischen entsprechend erlauben die Amphibolien der Sprache, lebenswirkliche Unzulänglichkeiten indirekt anzugehen, indem im Wortspiel die Diskrepanzen zwischen Sein und Schein, Erwartung und Erfüllung aufgedeckt werden. Das Vordergründige der Darstellung verweist hierbei auf das Hintergründige des Gemeinten - auch dies eine klassische komische Technik. Während der Witz etwas Wörtliches hat und in erster Linie des Wortes bedarf, äußern sich nach Jünger[64] Streiche, Scherz und Spaß als in Handlung umgesetzte Witze.
Viele der beschriebenen Beobachtungen, die Bergson im Rahmen seiner Untersuchung des Komischen gemacht hat, treffen auf das Wesen des Witzes zu: das komische Abstandnehmen, das kritisch-aggressive Potential, das Aufdecken und Verlachen einer Disproportion, sei sie körperlicher Art, sei sie in einer unangemessenen Handlung oder in den zu verurteilenden gesellschaftlichen Gepflogenheiten zu finden.
Der in seiner Ausbildung als Genre auf das Defizitäre und Heikle ausgerichtete Blick des Witzes macht sich bemerkbar, wenn man berücksichtigt, welcher Themenbereiche sich einige seiner Spezialformen annehmen: Zu nennen sind skatologische Witze (die Anal-und Fäkalkomik), sexuelle Witze, Irrenwitze, ethnische Witze, makabre Witze, politische Witze u.v.a.; der Witz deckt also praktisch das gesamte Spektrum konflikthaft besetzter menschlicher Lebensbereiche ab - ein soziokultureller Kontext, den Freud in seiner psychoanalytischen These über die innere Struktur des Witzes nicht angemessen berücksichtigt hat.
Eine Sonderform des Witzes ist die Unsinnspoesie, bei der die bereits genannten Wortwitzformen dominant werden. Das ästhetische, manchmal im Vorgehen zersetzende Spiel des Unsinns dient - hier noch ganz im Bann der Sinnvermittlung[65] - der Brechung einer als profan empfundenen Alltagswirklichkeit und der Suspendierung der mit ihr verbündeten Vernunft für die „Freiheit des Denkens“[66]:
Der Unsinn ist ein spielerischer, unberechenbarer Bedeutungsüberschuß[67]; effektvoll, aber selten in voller Drastik nutzt diese Form die Darstellungsmittel des Makabren, Grotesken und Absurden, bewegt sich aber vorwiegend in deren Sphäre.
Eine beharrliche Abwesenheit von Sinn allerdings verunmöglicht die komische Verarbeitung des Stoffes und bereitet schließlich massives Unbehagen:
„Wohl wird man sich anfänglich noch an solchen Gedichten belustigen; wenn aber jede Art des Verstehens längere Zeit hindurch versagt, erweckt die Unsinnspoesie bald das Bewußtsein des Pathologischen, das sogar in ein Gefühl des Grauens übergehen kann.“[68]
1.1.3 Der Humor (inkl. Schwarzer Humor)
Der Humor ist keine selbständige Kleinepik oder Gattung, sondern stellt eine „Haltungs- und Gesinnungsbezeichnung“[69] dar; im allgemeinen Sinne bedeutet er die Fähigkeit, Komisches auf nüchterne Art[70] wahrzunehmen. Im engeren Sinne wird ‘Humor’ als Bezeichnung einer persönlichen Eigenschaft und Einstellung eines Menschen verwandt, die ihn als heiter und gemütvoll auszeichnet. Mit dieser Geisteshaltung ist es ihm dann möglich, „in den komischen Ungereimtheiten und Widersprüchen die Bedingtheit alles Menschlichen“[71] zu erkennen. Semantisch betrachtet vermag das Adjektiv ‘humorvoll’ zusätzlich unbelebte Gegenstände und Abstrakta zu kennzeichnen: so kann ein Buch, aber auch eine ‘Gesinnung’ syntaktisch völlig korrekt als ‘humorvoll’ bezeichnet werden.
Im Falle von ‘humoristisch’ und des professionell künstlerisch tätigen ‘Humoristen’ umspannt der Humorbegriff ein über seinen ursprünglichen Sinn hinausgehendes Bedeutungsfeld und wird fast zu einem konkurrierenden Oberbegriff zum Komischen; der besagte ‘Humorist’ beispielsweise ist in seinen Ausdrucksformen selten auf das harmlose Spaßmachen reduziert, sondern nutzt natürlich ebenso die Formen des Satirischen, er karikiert, parodiert, ironisiert, variiert also zwischen den komisierenden Verfahren, die streng genommen durch ihre teilweise Schärfe, kritische Tendenz und offensiver angelegte Aggressivität dem eher reaktiven Charakter des Humors fremd sind.
‘ Schwarzer Humor ’[72] ist daher im Deutschen als Bezeichnung im Grunde auch eine Begriffsverirrung und müßte passender ‘Schwarzer Witz’ heißen. Das Gemütvolle, Verständige, Versöhne(l)nde des Humors nämlich tritt in dieser das Morbide liebenden Form[73] völlig zurück zugunsten einer intellektuellen Distanz, durch die sich eine boshaft-abgründige Komik - häufig sarkastischer Art - entfalten kann; gezielt werden stark angstbesetzte emotionale Grenzbereiche des menschlichen Lebens und Erlebens thematisiert, um sie in kunstvoll kühl gehaltener Pose ins Lächerliche zu ziehen; der im Witz enthaltene Reflex, exemplarisch die Unterlegenheit des anderen und damit die eigene Überlegenheit vorzuführen, ist gerade (z.B. auf der fiktionalen Ebene in einer Figurenzeichung) auch hier tendenziell vorgegeben. Ähnlichkeit mit dem Humor zeigt der Schwarze Humor zwar in der Leugnung des Schrecklichen, aber letzterem ist die Technik zu eigen, es erst einmal ausladend zu inszenieren, bevor er es demonstrativ ausblendet. Thematisiert wird insofern auch nicht die humorvolle Selbstbehauptung einer Handlungsfigur, sondern gerade deren Bemühen um Selbstbehauptung wird mitleidlos als gescheitert desavouiert. Der Akteur im gruseligen Geschehen wird als hoffnungslos lächerlich vorgeführt, so daß sowohl der Horror als auch die ihm durch die Distanz abgezwungene Komik kontrastiv bestehen bleiben. Die im Englischen synonym gebrauchten Ausdrücke für den Schwarzen Humor - ‘sick joke’ oder ‘cruel joke’ - weisen m.E. ihre Verwandtschaft zum Witz begrifflich überzeugender nach, als das im Deutschen möglich ist.
Der Begriff des ‘ Galgenhumors ’ trifft den Kern des Humors besser, denn er charakterisiert eigentlich nur auf einen drastischen Sonderfall zugespitzt, was dem Humor selbst in weit weniger dramatischem Ausmaß als Lebenshaltung zugrundeliegt: eine Hinwegsetzung über ein leidvolles Erleben. Nach Freud ist Humor eine Einstellung trotzigen Selbstbehauptens dadurch, daß in dem Moment eines persönlichen Ungemachs das Realitätsprinzip geleugnet wird, man sich über die ungünstigen Fakten komisierend erhebt und die Unlustgefühle in eine komische Lust verwandelt - für Freud eine Technik des ‘ersparten Gefühlsaufwands’[74]: „Das Ich verweigert es, sich durch die Veranlassung aus der Realität zu kränken, zum Leiden nötigen zu lassen, es beharrt dabei, daß ihm die Traumen der Außenwelt nicht nahe gehen können, ja es zeigt, daß sie ihm nur Anlässe zum Lustgewinn sind.“[75] Den Beispielen des betrachtenden Verlachens entgegen, wie sie Bergson aus Sicht des Beobachters geschildert hat und damit die Bereiche des Witzes, der Komödie, Satire und Karikatur abdeckt, basiert der Humor meist auf dem Versuch, ein selbst empfundenes Unglück, eine Niederlage oder Peinlichkeit komisch zu relativieren, d.h. der Humor entsteht eher aus der Opferperspektive und vollbringt „ein Lachen aus der Unterlegenheit“[76] heraus. Das Leugnen der Wirklichkeit bedeutet hierbei nicht die Unfähigkeit, die Tatsachen als solche zu erkennen, sondern die Fähigkeit, die persönlichkeitsgefährdenden Anteile im Mißstand nicht anzuerkennen und ihnen gegenzusteuern, sich ihnen gegenüber immun zu machen. Bei einer gelungenen Umsetzung humorvoller Behauptung transformiert die kränkende Empfindung, die das Mißgeschick begleitet, tatsächlich zu einer Art „urmenschlicher Würde gerade in der unvermeidlichen Entwürdigung“[77] und weist eventuell sogar Wege der Lösung aus dem Dilemma auf; im Fall des Galgenhumors gelingt zumindest die bittere, aber letztlich kräftesparende Akzeptanz des Unabänderlichen.
1.1.4 Die Satire
Mit der Satire als Genre und der satirischen Komik verbindet sich eine deutliche Tendenz zur wertenden Aussage; das satirisch Komische sucht bewußt den Konflikt zu einer als unzulänglich kritisierten Wirklichkeit, allerdings tarnt es sich meist unterhaltsam, geistreich und ironisch in Darstellung und Tonfall. In der gewollten, komisch inszenierten Diskrepanz von Gesagtem und Gemeintem steckt indessen Bissigkeit, Schärfe und gnadenloser Spott für den zum Gegner Stilisierten, der - lächerlich gemacht - seine vorgebliche Bedrohlichkeit und Macht verliert; er wird in der Logik der Satire für einen Mißstand verantwortlich gemacht oder verkörpert diesen symbolisch:
„Die Satire nimmt fraglos den Standpunkt dessen ein, was offiziell gelten soll, ihr ridiculum greift direkt an, was dem entgegensteht, verschärft die Grenze [...] und vermag dem Standpunkt der ausgeschlossenen Partei keinerlei Recht widerfahren zu lassen. Wer es nur komisch findet, daß die heitere Satire Schwächen und Laster mit der Waffe des facetum angreift, oder wer den Ton der indignatio, den die strafende Satire erfordert, nicht ernst nimmt, verfehlt die Absicht und verkennt die Legitimation der Gattung.“[78]
Die Satire braucht den Widerpart als Feindbild, um ihn komisch verzerrt (meist mit karikierenden und parodierenden Mitteln) herabzusetzen. Ebenso benötigt sie die von ihr beklagte, überall geortete Unzulänglichkeit, um sich angesichts ihrer Präsenz komisch entfalten zu können. Durch den stark ausgeprägten Gestus der Parteinahme ist die Satire prädestiniert für die Kleinkunstform des politischen Kabaretts und alle sonstigen literarischen Gattungen, die der Ironie nicht fernstehen: „Die Aggression der satirischen Komik legitimiert sich immer durch weltverbessernde Absichten und moralische Empörung - zu Recht oder Unrecht.“[79] Im Falle der Satire handelt es sich allerdings immer um eine „Brechung des direkten Angriffs“[80] mit ästhetischen Mitteln wie z.B. einer fiktiven, spielerischen Verfremdung der Handlungen durch Komik. Dadurch entsteht die paradoxe Wirkung, daß das Unerfreuliche erfreuen kann. Ohne dieses Mittel und ferner die Vision von einer besseren Welt[81], die in diesem Genre ‘institutionalisiert’ ist, ließe sich dem ‘Säurebad’ der Satire offenbar keine gemeinschaftsbildenden Funktionen mehr abgewinnen, denn dazu bewegt sich dieses Genre zur sehr im Defizitären; trotz mancher Mäßigung, die komische Darstellungen in der Wirkung mit sich bringen, werden in der Satire Defizite (Heuchelei, Korruption, Unmenschlichkeit, Habgier) mit ätzender Schärfe und Polemik angegangen.
Die Satire braucht den Widerpart als Feindbild, um ihn komisch verzerrt (meist mit karikierenden und parodierenden Mitteln) herabzusetzen. Ebenso benötigt sie die von ihr beklagte, überall geortete Unzulänglichkeit, um sich angesichts ihrer Präsenz komisch entfalten zu können. Durch den stark ausgeprägten Gestus der Parteinahme ist die Satire prädestiniert für die Kleinkunstform des politischen Kabaretts und alle sonstigen literarischen Gattungen, die der Ironie nicht fernstehen: „Die Aggression der satirischen Komik legitimiert sich immer durch weltverbessernde Absichten und moralische Empörung - zu Recht oder Unrecht.“[79] Im Falle der Satire handelt es sich allerdings immer um eine „Brechung des direkten Angriffs“[80] mit ästhetischen Mitteln wie z.B. einer fiktiven, spielerischen Verfremdung der Handlungen durch Komik. Dadurch entsteht die paradoxe Wirkung, daß das Unerfreuliche erfreuen kann. Ohne dieses Mittel und ferner die Vision von einer besseren Welt[81], die in diesem Genre ‘institutionalisiert’ ist, ließe sich dem ‘Säurebad’ der Satire offenbar keine gemeinschaftsbildenden Funktionen mehr abgewinnen, denn dazu bewegt sich dieses Genre zur sehr im Defizitären; trotz mancher Mäßigung, die komische Darstellungen in der Wirkung mit sich bringen, werden in der Satire Defizite (Heuchelei, Korruption, Unmenschlichkeit, Habgier) mit ätzender Schärfe und Polemik angegangen.
Der ideelle Entwurf einer ‘gerechten Welt’ gibt hierfür das Plateau ab; diese selbst wird intakt gehalten, bleibt aber inhaltlich schemenhaft[82]. Natürlich liegen die Quellen zur satirischen Lust - parallel zu allen übrigen komischen Formen - auch in bestimmten seelischen Dispositionen der Satiriker begründet, und der (eigentlich nicht weiter schlimme) Verdacht liegt nahe, daß die ‘heile Welt’ auch ein Alibi nach außen ist, das ebenso nötig wird wie die komische Verpackung, um unbehelligt, mittels dieses ‘toxischen Hilfsmittels’[83] Satire, intrapsychische Spannungen zu kanalisieren:
„Über Jahrhunderte hin lieferten Satiriker, die ihre jeweilige Gesellschaft ins Visier nahmen, überzeugende Belege für die kämpferische Verve, die da am Werke war. Diese kann allerdings auch Ausdruck reinen Eigeninteresses sein, man frage nur einmal bei den Betroffenen nach. Offenbar kam es immer sehr darauf an, wen und was der Humorist zum Ziel seiner aggressiven Strebungen machte.“[84]
1.1.5 Die Karikatur, die Parodie und verwandte Formen
Die komischen Formen, die sich dem übertreibenden Nachahmungsprinzip[85] verschrieben haben, sind die Karikatur und die Parodie (und einige ihr verwandten Formen), beides „Verfahren der Herabsetzung“[86] gegenüber dem Vorbild, auf das sie immer bezogen bleiben.
Die Karikatur als ‘komisierendes Urverfahren’[87] ist eine satirisch-komische Darstellungsmethode in der Bildkunst (vor allem auf der Basis von Zeichnungen), die durch das Stilmittel der Übertreibung absichtsvoll das verzerrte Abbild einer Vorlage entwirft. Meist handelt es sich hierbei um Portaits, kurze Skizzierungen oder gezeichnete Momentaufnahmen von wichtigen, in der Öffentlichkeit stehenden Personen, die, durch den karikierenden Strich in ein für sie ungünstiges Licht gestellt, ins Zweifelhafte und Unmögliche gezogen werden sollen. So liegt es nahe, daß die Karikatur kaum ein Verfahren für das Privatvergnügen ist, sondern öffentlich gemacht sein will, sich an Rezipienten richtet und gegen herrschende Verhältnisse über ihre Repräsentanten zu Felde zieht. Die handwerkliche Technik der Karikatur besteht darin, daß die für die Verfremdung bestimmten, von Natur her vielleicht ohnehin markanten physiognomischen Merkmale einer Person (die Augen, ein bestimmter Blick, eine hervorstechende Nase oder Auffälligkeiten, die die gesamte Statur betreffen) nochmals für sie nachteilig betont und ‘ausgeschlachtet’ werden. Eine andere Möglichkeit der Karikierung besteht für den Zeichner, wenn er bestimmte typische Persönlichkeitszüge oder Verhaltensmuster seines ‘Opfers’ mit den passenden Tiergestalten kombiniert (z.B. ein Geier als Verkörperung eines Ausbeuters o.ä.), die bereits durch die Bildtradition eine gesicherte symbolische Aussagekraft besitzen.
Der Karikaturist genießt also gewisse Freiheiten der Veranschaulichung und „zwingt dem Modell seine eigene Vorstellung auf, schwingt sich zum Herrn über dessen Form auf und verformt es. [...] Aus der Persönlichkeit wird eine Darstellung, und die Macht hat sich dem Zeichner, dem Herrn über die Form [sic!] zugewendet.“[88] Ueding spricht hier treffend von einer „übertreibenden Beschränkung aufs Wesentliche“[89], oder, anders gesagt, ist es das Anliegen des Zeichners, sein Objekt bis zur ‘Kenntlichkeit zu entstellen’: „Die Karikatur löst die magische Beziehung zwischen Person und Abbild, sie ‘verletzt’ ihren Gegenstand mittels der formalen Verzerrung [...].“[90] Verliert sich die Karikatur nicht in haltlosen Diffamierungen[91], die dann buchstäblich ‘gegenstandslos’ wären, kann dieses komisierende Verfahren der „Selektion und Kombination von Zeichen“[92] sehr effektvoll und gezielt Unzulänglichkeiten der dargestellten Person aufdecken und letztere zumindest dubios erscheinen lassen; hierfür muß das Modell jedoch ‘angemessen’ dargestellt sein.[93]
Das Verfahren der Karikatur ist auf den ersten Blick ein paradox anmutendes Schwanken zwischen Charakterisierung und Typisierung, belegt aber m.E. im Kern die Ansichten Bergsons zum Komischen. Indem bestimmte unverwechselbare Züge einer für die Karikatur vorgesehenen Person hervorgehoben werden, könnte man zunächst irrtümlich annehmen, damit sei auch ihre Individualität - wenn auch negativ konnotiert - in besonderem Maße berücksichtigt. Genauer besehen bewahrheitet sich die Vermutung nicht, denn jene herausgestellten Eigenschaften sind, weil sie so überzeichnet werden, letztendlich verfestigte Klischees, typisierte personale Fragmente. Für Bergson besteht das komisierende Verfahren darin, „in der Seele der dargestellten Person eine bestimmte Empfindung zu isolieren und dieser Empfindung eine sozusagen parasitäre, selbständige Existenz zu verleihen.“[94] So verfährt auch die Karikatur als Teil des Komischen in den verschiedenen Schärfegraden zwischen liebenswürdiger Verdrehung und beißendem Hohn[95]; sie verkehrt die ihr vorliegenden Verhältnisse, indem sie einige bestimmende Charaktermerkmale einer Person selektiert, aus dem Kontext der Gesamtpersönlichkeit herauslöst und damit abstrahiert. Dadurch büßen die Merkmale das individuelle Spektrum ein und verlieren ihre Funktion, eine menschliche Besonderheit auszudrücken; das vormals Typische wird, herausgelöst, zum typisierten, mechanisch wirkenden Überbleibsel. Das subversive Moment in der Karikatur besteht - durch Verkehrung des Tatsächlichen - nun darin, daß sie mittels eines Reduktionsverfahrens die isolierten, ohnehin überzeichneten Fragmente so benutzt, als beschrieben nur sie das betreffende Objekt. Für diesen Zweck werden alle seine restlichen, Fülle und Vielfältigkeit anzeigenden, individuellen Eigenschaften vollkommen überdeckt. Im Ergebnis erreicht die Karikatur, daß eine Person in der überzeichneten Darstellung ihren Subjektstatus verliert und als Bestandteil vereinzelter, mechanisch funktionierender Merkmale erscheint. Der Verzeichnete schrumpft somit auf das Niveau eines lächerlichen Popanz und wird im Sinne Bergsons komisch minimiert.
Die Parodie und die mit ihr verwandten Formen bewegen sich in erster Linie im Rahmen der Literatur (sowohl der epischen, lyrischen und dramatischen Gattungen). Ansonsten gilt für das Genre der Parodie (ebenso für die Persiflage mit ähnlicher Bedeutung), was schon als Merkmal der Karikatur beschrieben worden ist: Die Parodie ist ein Imitationsverfahren, das sich eines Originals (z.B. eines schon vorhandenen, ernstgemeinten Werkes) bedient, um es spöttisch und mit herabsetzender Absicht nachzuahmen. Bezweckt wird entweder die Aufdeckung der Schwächen und Unzulänglichkeiten des Originals oder ein einfaches Spiel aus Lust an der Abwandlung des Stoffes:
“Dieser Probe des Lächerlichen [...] können dann noch immer verschiedene Motive zugrunde liegen: ein fröhlicher Sprachrelativismus, der Affront gegenüber einem bestimmten Rezeptionsverlauf und seinen Vermittlungsinstanzen, die Hoffnung, daß die nun wirklich geliebten Originale eine solche Belastung sogar gefestigt überstehen oder die Überzeugung, daß hierdurch die Mittelmäßigkeit oder Miserabilität der Vorlage sinnfällig vor Augen geführt wird.“[96]
Eine Bloßstellungsabsicht von Personen ist allerdings - im Gegensatz zur unmittelbaren in der Karikatur - eher mittelbar, da die persönlich motivierte Attacke hier hauptsächlich über die komische Entwertung des Werkes geschieht. In jedem Fall aber ist die Parodie eine „Belastungsprobe für die Vorlage, indem sie ihre Rezeption dadurch erschwert, daß sie den Rezipienten in eine Distanzhaltung bringt.“[97]
Wie bei den komisierenden Verfahren üblich, deckt die Parodie, indem sie das Original in bestimmte charakteristische Versatzstücke zerlegt, die der Wiedererkennung und Herabsetzung zugleich dienen, Diskrepanzen zwischen Form und Inhalt der Vorlage auf, greift verbrauchte Positionen an oder isoliert einen bestimmten pathetischen Tonfall im Werk, den die Parodie dann der Lächerlichkeit preisgibt. Das Mittel der Komisierung ist häufig eine Übererfüllung der fremden Rede, aber genauso möglich ist eine parodistische ‘Untererfüllung’[98], etwa eine bewußt karge, läppische oder umständliche Verfremdung des Originals. Der Reiz der Parodie für den Leser entsteht in jener „eigenartigen Spannung zwischen Assimilation und Dissimilation.“[99]
Eine andere, der Parodie nahestehende Form, die auf die Vorlage als Anlaß der komisierenden Version nicht verzichten kann, ist die Travestie[100], die aber im Unterschied zur Parodie den von ihr kritisierten Inhalt eines Vorbildes nur über eine anders gewählte, bewußt unpassende Form wiedergibt und fragwürdig macht: „Bekanntlich stellt die Parodie das Niedrige in erhabener, die Travestie das Erhabene in niedriger Form dar. Die Komik entspringt in beiden Fällen dem Widerspruch, der zwischen dem Dargestellten und der Darstellung besteht.“[101]
Die Kontrafaktur als Form der Umdichtung verfährt umgekehrt, behält die Form und die charakteristischen Merkmale des Originals bei.[102] Ein bestimmter populärer Stil wird als ‘Transportmittel’ benutzt, um eine veränderte, vom Original abweichende Botschaft zu verbreiten. Eine komische Herabsetzung ist mit diesem Vorgehen nicht intendiert, so daß streng genommen die Kontrafaktur als Verfahren bereits aus dem Bezirk der Komik herausfällt; im Einzelfalle mag trotzdem eine vergnügliche Wirkung entstehen, aber sie entwickelt sich nicht zwingend aus der Form der Kontrafaktur, sondern ist wahrscheinlicher das Resultat der gelungenen Vorlage.
Die beiden anderen im Grunde von ihrer Wesensart bereits unkomisch angelegten Formen sind das Pastiche, das sich dem Original eng anlehnt[103] und die Imitatio, die sich völlig dem Vorbild unterwirft und vom Rang her eine schlichte, kritiklose Nachahmung des Originals darstellt.
1.1.6 Das Tragikomische
Das Tragikomische wurde lange als bloße inkongruente Summe von komischen und tragischen Elementen gesehen. Tatsächlich handelt es sich aber bei ihm um ein „Zugleich“[104], das eine Doppelperspektive auf das Dargestellte gestattet.
Naturgemäß entfaltet sich die tragikomische Form in der ihr zugehörigen dramatischen Gattung der Tragikomödie am besten, in der beide Elemente - das Tragische und das Komische - in einer spannungsreichen Synthese gegenseitiger „innerer Durchdringung“[105] zueinander wirken, indem „tragische Zusammenhänge mit komischen Motiven zu einer eindruckssteigernden Kontrastwirkung verbunden“[106] werden. Als der eine Teil des ungleichen Paares ist das Tragische eng mit dem Lebensernsten verknüpft: In seinem Ursprung eigentlich mit „szenischen Bewältigungsversuchen existentieller Ratlosigkeit“[107] verbunden, hat es in der Konvention der Umgangssprache dort mittlerweile die Bedeutung von ‘Willkür’, ‘Zufall’ oder ‘unglückliche Schickung’ bekommen. In der Verbindung mit dem Komischen bildet das Tragikomische die Klammer zwischen Lachen und Weinen, zwei Regungen, die nicht so weit auseinanderstehen, wie es den Anschein hat, fand Plessner heraus: „In seiner bekannten Studie Lachen und Weinen (1941) interpretiert er beide Phänomene als menschliche Ausdrucksformen, die an der Grenze zwischen den bewußt-bedeutsamen und den unbewußt-physiologischen Ebenen liegen.“[108] M.E. führt das für den Betrachter zwiespältig-gebrochene, so unentschiedene, aber dadurch auch reiche Wesen des Tragikomischen das Komische zu seinem (mit)leidvollen Ursprung zurück, ein Mißgeschick fühlend erdulden zu können, von dem es sich sonst distanziert hält, und gleichzeitig löst es das Dilemmatische des Tragischen, indem die Schicksalsschläge und das Tragische selbst profanisiert werden: „Die Welt wird ein Narrenhaus, ein lächerliches Jahrmarkttreiben, als tragikomische Posse gesehen.“[109]
Naturgemäß entfaltet sich die tragikomische Form in der ihr zugehörigen dramatischen Gattung der Tragikomödie am besten, in der beide Elemente - das Tragische und das Komische - in einer spannungsreichen Synthese gegenseitiger „innerer Durchdringung“[105] zueinander wirken, indem „tragische Zusammenhänge mit komischen Motiven zu einer eindruckssteigernden Kontrastwirkung verbunden“[106] werden. Als der eine Teil des ungleichen Paares ist das Tragische eng mit dem Lebensernsten verknüpft: In seinem Ursprung eigentlich mit „szenischen Bewältigungsversuchen existentieller Ratlosigkeit“[107] verbunden, hat es in der Konvention der Umgangssprache dort mittlerweile die Bedeutung von ‘Willkür’, ‘Zufall’ oder ‘unglückliche Schickung’ bekommen. In der Verbindung mit dem Komischen bildet das Tragikomische die Klammer zwischen Lachen und Weinen, zwei Regungen, die nicht so weit auseinanderstehen, wie es den Anschein hat, fand Plessner heraus: „In seiner bekannten Studie Lachen und Weinen (1941) interpretiert er beide Phänomene als menschliche Ausdrucksformen, die an der Grenze zwischen den bewußt-bedeutsamen und den unbewußt-physiologischen Ebenen liegen.“[108] M.E. führt das für den Betrachter zwiespältig-gebrochene, so unentschiedene, aber dadurch auch reiche Wesen des Tragikomischen das Komische zu seinem (mit)leidvollen Ursprung zurück, ein Mißgeschick fühlend erdulden zu können, von dem es sich sonst distanziert hält, und gleichzeitig löst es das Dilemmatische des Tragischen, indem die Schicksalsschläge und das Tragische selbst profanisiert werden: „Die Welt wird ein Narrenhaus, ein lächerliches Jahrmarkttreiben, als tragikomische Posse gesehen.“[109]
Für das ausgehende 20. Jahrhundert bilanziert Lamping ein verändertes Verständnis des Komischen.[110] Auffällig sei, daß das Komische sich heute aus seiner traditionellen Bindung an das Humoristische löse und neue Verbindungen eingehe: außer im Satirischkomischen und im Grotesk-Komischen vor allem mit dem Tragikomischen: „In der Tragikomödie ist das Komische seriöser und das Seriöse komischer geworden, ein Anzeichen dafür, daß wir nicht nur den tödlichen Ernst der Tragödie, sondern auch die harmlose Nichtigkeit des Lustspiels verweigern.“[111] Damit sei das Komische seither „zweideutiger geworden, damit aber nicht weniger komisch, nur anders komisch.“[112] Jenseits der Eindeutigkeit des Harmlos-Humoristischen trete in der modernen Literatur die oft übersehene strukturelle Ambivalenz des Komischen deutlich zu Tage.
Die Erscheinungen der Lebenswirklichkeit sind nach Lamping komplexer geworden; Gerth schließt sich dieser Einschätzung an, wenn er anmerkt:
„Zweifellos nähert sich das Tragikomische der Realität mehr an als die einseitigen Stilisierungen des Komischen oder Tragischen, weil sich Leben und Wirklichkeit solcher Eindeutigkeit entziehen.“[113]
Der Mensch entschließe sich, die in rasantem Wandel begriffene Welt komisch zu finden, weil sie im Ernst nicht mehr bewältigbar geworden sei, so Lamping. Die Kunst, insbesondere die moderne Literatur, entspreche dieser Entwicklung und bewege sich zunehmend in den Grenzbereichen zwischen Ernstem und Unernstem, Sinn und Sinnlosigkeit, wobei die Art des Komischen nicht nur komplexer, sondern auch in bezug auf ethische Positionen problematischer geworden sei, da sich die Schilderung des Komischen stärker als früher mit Aggression, Gewalt und Schrecken legiere:
„Durch solche Verstrickungen des Komischen verändert sich natürlich auch das Lachen: es ist nicht mehr bloß Ausdruck seiner Ambivalenz, sondern selbst ambivalent. In das heitere, das versöhnliche, das unbeschwert lustige Lachen mischt sich das kalte, das hintergründige, ja abgründige und das verzweifelte Lachen.“[114]
Die veränderten Lebensumstände bedingen eine veränderte Komik, bzw. inhaltlich aktualisiert erhalten altbekannte komische Formen ihre ebenso altbekannte Funktion als Medium zurück, das eine Welt-, Zeit- oder Kulturverfassung in der Haltung der komischen Verneinung widerspiegelt: „[...] aufschlußreicherweise bevorzugt die Moderne aus eben diesen Gründen das Tragikomische, ja das Groteske.“[115]
1.2 Das Groteske als Form des Komischen
1.2.1 Etymologischer und historischer Ursprung des Grotesken
Sich mit der Geschichte des Grotesk-Komischen zu befassen, bedeutet, sich einem über die Epochen hinweg oft verkannten und nicht selten ungeliebten Phänomen zu widmen. Als Diskussionsgegenstand der Ästhetik ist das Groteske oft genug das ‘Schmuddelkind’ und kontrastive Schreckensbild zu einer als heil und intakt betrachteten Welt des Schönen gewesen: „Das Schöne ist nicht charakteristisch [...], das heißt [sic!] es haftet ihm nichts Eigenartiges und einmaliges, kein Ausnahmecharakter und keine Regelwidrigkeit an.“[116]Genau hier setzt das Groteske als Antithese, als ein Antagonismus des Häßlichen zum Schönen an; es begibt sich ins Schillernd-Unergründliche, Abgründige und Abstoßende - mit anderen Worten beansprucht den Bereich des Abnormen, des ‘Schattens’, um einen Begriff Jungscher Terminologie zu benutzen.[117] Insofern, als seine Existenz nicht einfach übergangen werden kann, ist das Groteske ein latenter Störfaktor eines ansonsten geordneten, wohlproportionierten Weltganzen geblieben.
Das Groteske als Stil- und Darstellungsmittel in der bildenden Kunst weist weit in die Epoche der Antike zurück und wurde als antikes Erbe wiederentdeckt[118]; erst im Anschluß an die ‘Renaissance’ einer „im 1. Jahrhundert nach Christus entstandenen Mode“[119]wurde auch der Begriff geprägt:
„Die ‘Grotteske’ bzw. ‘grotesk’ sind Ableitungen von der italienischen ‘grotta’. ‘La grottesca’ und ‘grotesco’ wurden als Bezeichnungen für eine bestimmte Art Ornamentik geprägt, auf die man am Ende des 15. Jahrhunderts in freigewölbten Räumen, den sog. ‘Grotten’, zunächst in Rom und dann auch in anderen Orten Italiens stieß. Aus der Nach- und Weiterbildung der Grotteske (deshalb noch immer mit ‘tt’), dessen Name (dann nur mit ‘t’) schließlich von der Bezeichnung eines bestimmten Formen- und Motivschatzes auf eine bestimmte Art die Welt zu sehen und zu deuten übertragen wurde.“[120]
Kennzeichen der antiken römischen Wandmalereien ist, daß auf den ornamentalen Abbildungen verzerrte, verfremdete Mischformen des Menschlichen, Tierischen und Pflanzlichen erscheinen, also auf eine „Reproduktion von Wirklichkeit“[121] verzichtet worden ist. Die herkömmliche Statik und Proportionalität ist in diesem Verfahren suspendiert. Kayser betont die unheimliche Wirkung, die die Abbildungen hervorrufen:
„Diese Ornamentik stellte eine Welt dar, vor der unsere Orientierung versagt. Sie erinnert an die Welt des Traumes, in der ebenfalls die Ordnungen unserer Tagwelt zerbrechen. ‘Malerträume’ - so nannten die Zeitgenossen diese Art des Malens und gaben der Ornamentik um der Fundstelle willen die Bezeichnung grotesk.“[122]
Und an anderer Stelle:
„In dem Wort grottesco als Bezeichnung für eine bestimmte, von der Antike angeregte Ornamentik lag für die Renaissance nicht nur etwas Spielerisch-Heiteres, Unbeschwert-Phantastisches, sondern zugleich etwas Beklemmendes, Unheimliches angesichts einer Welt, in der die klare Trennung zwischen den Bereichen des Gerätehaften, des Pflanzlichen, des Tierischen und des Menschlichen, die der Statik, die der Symmetrie, die der natürlichen Größenordnung aufgehoben ist.“[123]
Ganz in die entgegengesetzte Richtung argumentiert Sandig; er geht vom Gegenstand der Ornamentik aus, nicht von dessen Relation zur Beschaffenheit einer Wirklichkeit, und kommt zu dem Schluß, daß in den Malereien durchaus eine Systematik vorliege, die den Abbildungen ihre Bodenlosigkeit nehme:
„Im Ornament herrscht die Wirkung des Geordneten, hervorgerufen durch Symmetrie oder Wiederholung von Formelementen (‘Knorpelgroteske’). Auch das Beunruhigende und Beängstigende ist durch Umformung überwunden, und der Gestaltcharakter jeglicher Ornamentik dominiert über ihre materialen Elemente. [...] Wenn das Wort ‘grotesk’ im Zusammenhang mit Ornamentik fällt, dann archaisierend - am Anfang seiner semantischen Entwicklung.“[124]
Sehr schnell verbreitet sich nach Kayser das Groteske von Italien aus europaweit und prägt nachhaltig die Kunstsparten der Zeit. In Zeichnungen, Stich, Malerei wird es ebenso verwandt wie in der Architektur, dient auch als Dekor von Schmuckstücken, den Dingen des täglichen Bedarfs und als Zierwerk im Buchdruck.[125]
Im englischen Sprachraum gab es zu ‘grotesque’ zwischen dem 16. und 17. Jahrhundert alternativ und in direkter Konkurrenz zu ihm den Ausdruck ‘antic’, der inhaltlich die gleichen Erscheinungen bezeichnete und dort längere Zeit die Etablierung des Groteskbegriffes verzögerte.[126]
Für Kayser reicht das Groteske über das begrenzte Feld einer Darstellungsform weit hinaus: „Wie das rein Komische, so ist das Groteske - wie ja auch der Blick auf die Malerei lehrt - nicht unmittelbar Gattungshaftes, sondern eine Kategorie der Perzeption, eine Kategorie der Weltgestaltung und Welterfassung.“[127] In diesem universellen, umfassenden Sinn durchdringt in der folgenden Zeit das Groteske die Kunstgattungen, drückt aber über sie auch ein Weltempfinden, eine Haltung aus:
„Eine Antwort ist durch die Jahrhunderte hin von Künstlern und Kritikern immer wieder gegeben worden: die entfremdete Welt entsteht dem Blick des Träumenden oder im Wachtraum oder in der Dämmerungsschau des Übergangs. Die Einheit der Perspektive lag da in dem kalten Blick auf das Erdentreiben als ein leeres, sinnloses Puppenspiel, ein fratzenhaftes Marionettentheater.“[128]
Kayser verfolgt die Begriffsgeschichte vom 16. bis ins 20. Jahrhundert und zieht einen Bogen von der malerischen hin zur literarischen Darstellung. Thematisch berücksichtigt er die Ornamentik-Differenzierungen in den kunstwissenschaftlichen Theorien des 16. und 17. Jahrhunderts, die die groteske Ornamentik mit dem Bizarren, Extravaganten und Monströsen in Verbindung bringen. Kayser liefert frühe literarische Beispiele grotesker Dichtung Spaniens (Cervantes), Italiens, Frankreichs, Englands und Deutschlands. Ausgehend von seinem Ursprungsgebiet - der Malerei, in denen Pieter Breugel (der ‘Höllenbreugel’), Goya, Bosch und Callot Schwerpunkt seiner Reflexion sind - schwenkt Kayser schließlich herüber zu den Theoretikern und Gestaltern des Grotesken im 18. und 19. Jahrhundert: Vor allem Möser, Wieland und Schlegel, Swift, E.T.A. Hoffmann, Jean Paul, Victor Hugo und E.A. Poe:
„Aus der Bezeichnung für eine bestimmte Art der Ornamentik erweiterte sich der Begriff im 18. Jahrhundert zu einem ästhetischen Begriff, der Erscheinungen wie die Höllenvisionen der Bosch und Breugel, aber auch Literarisches wie die abgründigsten Szenen bei Shakespeare oder Theatralisches wie die ‘Chimärische Welt’ der Commedia dell´arte umfaßte. Grotesk wurde zu einem Leitbegriff romantischer Kunsttheorie und zu einer beherrschenden Kategorie romantischen Dichtens [...].“[129]
In seiner eigenen Definition des Grotesken lehnt sich Kayser eng an die Begriffsbestimmungen zwischen 1770-1830, die für ihn offensichtlich die zutreffendsten darstellen:[130] „Damit bekennt sich Kayser zu einer romantischen Auffassung des Begriffes - und der Welt.“[131] Die psychische Wirkung des Grotesken auf den Rezipienten sei „[...] ein Lächeln über die Deformationen, ein Ekel über das Grausige, Monströse an sich, als Grundgefühl aber, wenn wir Wieland so deuten dürfen, ein Erstaunen, ein Grauen, eine ratlose Beklommenheit, wenn die Welt aus den Fugen geht und wir keinen Halt finden.“[132]
Das bis dato lautende Credo der Zeit, daß die schöne Kunst ein Abbild, eine Nachbildung der ebenmäßigen Natur oder ihre idealisierende Steigerung sei, konterkarierte - so Kayser - die Karikatur, die „mit ihrer Nachbildung verzerrter, in jedem Falle unschöner Wirklichkeit, ja mit ihrer Übersteigerung der Mißverhältnismäßigkeit eine echte Formkraft der Kunst war“[133] und das Kunstdenken in paradigmatische Nöte brachte. An diesem Scheidepunkt - dem Bruch mit der tradierten Kunstauffassung - hat sich für Kayser am Begriff des Grotesken die „Aufnahme eines Wahrheitsgehaltes“[134] und die allmähliche Anerkennung des Grotesken als Teil des Wirklichen vollzogen. So formuliert Kayser im Anschluß an seine Ausführungen selbst:
„Die groteske Welt ist unsere Welt - und ist es nicht. Das mit Lächeln gemischte Grauen hat seinen Grund eben in der Erfahrung, daß unsere vertraute und scheinbar in fester Ordnung ruhende Welt sich unter dem Einbruch abgründiger Mächte verfremdet, aus den Fugen gerät und sich in ihren Ordnungen auflöst.“[135]
Eine weitergehende Darstellung von Kaysers Groteskbegriff wäre an dieser Stelle verfrüht und soll in der Diskussion verschiedener Theorieansätze[136] erfolgen.
Anhand der französischen Wörterbücher zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert verweist Kayser darauf, daß bereits in den Dictionaires im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts der Sinnkern des Groteskbegriffs ausgelaugt und diffus geworden sei[137] und konstatiert für das nachromantische 19. Jahrhundert in den Ästhetiken von Hegel bis F. Th. Vischer eine weitere Abflachung[138].
Die beginnende Diffusität und sich letztlich vollziehende Verflachung des semantischen Gehaltes von ‘grotesk’ ist für Kayser gleichbedeutend mit einer begrifflichen Überbetonung des komischen Elements im Grotesken, einer Komisierung der Bedeutung zulasten des Entfremdeten und Erschütternden als anderem Pol, der in der Romantik (und auch von Kayser selbst) für bedeutsamer erachtet worden ist; für das 19. Jahrhundert gilt begriffsgeschichtlich:
„Wir stehen an einem Wendepunkt in der Gedankengeschichte des Begriffes grotesk: an seiner Verharmlosung zum Phantastisch-Komischen, die bis zur Gleichsetzung mit dem ‘Niedrig-Komischen’ oder ‘Burlesk-Komischen’ führen sollte.“[139]
Diese Verniedlichungstendenz, das Groteske dem Derbkomischen einzugliedern, sieht Kayser abgeschwächt bis in die Gegenwart des 20. Jahrhunderts wirksam:
„Die Ästhetik hat bei ihrer Bestimmung des Grotesken bis heute nicht auf die Höhe der Begriffsbestimmungen zwischen 1770 und 1830 zurückfinden können; sie gibt ihm seinen Platz in den Niederungen des Grobkomischen.“[140]
„[...] der ästhetische Begriff hat bis heute unter der Bindung an das Burleske bzw. Niedrigkomische zu leiden gehabt, d.h. er hat die entsprechenden Phänomene nicht richtig begreifen können.“[141]
Leider macht auch Kayser selbst hierbei keine Ausnahme, wenn er seinen Artikel von 1958 in der Vortragsreihe der Niedersächsischen Landesregierung „Wilhelm Buschs grotesker Humor“[142] betitelt und damit sprachlich zwei eigentlich nicht kompatible komische Formen, die - unterschiedlicher könnten sie kaum sein - die entgegengesetzten Enden der komischen Skala besetzen, zusammenschweißt; beim Humor ist es, wie bereits aufgezeigt, der Betroffen e selbst, der ein geringeres Unlustgefühl - hervorgerufen durch eine vergleichsweise harmlos-konflikthafte Situation - zu einer komischen, die eigene Würde behauptenden Kraft verwandeln kann; das Groteske hingegen konfrontiert den Betrachter mit einer essentiell grauenhaften, Entsetzen und Gefühle von Entwirklichung hervorrufenden Begebenheit (der z.B. ein Betroffener ausgesetzt ist), die sich im Prozeß der gefühlshaften Distanzierung ins Lächerliche wendet, ohne daß der Schrecken gänzlich verschwindet[143]. Humorvolles und Groteskes kann angesichts dieser gattungsimmanenten Wesensfremdheit und strukturellen Diskrepanz nicht zueinander finden.
So gesehen unterliegt Kayser einem Fauxpas, der allerdings auch System hat, denn er betrifft Busch, der - es wurde bereits erwähnt - zeitlebens, und bis heute wirksam, unterschätzt und zum Spaßmacher trivialisiert wurde. Folglich wirkt Kaysers unorganischer Aufsatztitel als beredtes Zeugnis seiner Ratlosigkeit, sich zwischen der Rezeptionskonvention und der eigenen Intuition (die realisiert, daß abgründige Aspekte im Werk Buschs vorfindbar sind) zu entscheiden.
Ende der fünfziger Jahre legte Kayser einen Grundstein in der neuzeitlichen Groteskforschung, indem er den Groteskbegriff kunst- und literaturgeschichtlich verfolgte. Kayser gelang 1957 ein Standardwerk, auf das sich viele Autoren fortan beriefen, während andere es vehement verwarfen; fast immer aber blieb Kaysers Analyse der Bezugspunkt anderer Arbeiten.
Kritisch betrachten eine Reihe von Autoren, daß Kayser die Geschichte des Grotesken erst mit der Etablierung des Begriffes ‘grotesk’ Ende des 15. Jahrhunderts beginnen läßt und dabei nicht berücksichtigt, daß sich die antike Tradition grotesker Darstellungsformen und Stilmittel kontinuierlich ins Mittelalter hinein fortsetzt, auch wenn sie nicht ausdrücklich als ‘grotesk’ benannt werden konnten.[144]
So kann Bachtin[145] Kayser nachweisen, daß das Groteske in den mittelalterlichen Karnevals- und Fastnachtszügen eine derbkomische Rolle spielte und weist Kaysers favorisierten Groteskbegriff, der die schreckenerregende Dimension im Grotesken unterstreicht, als historisch in der Romantik fixiert zurück:
„Das fröhliche, befreiende, gebärende, das schöpferische Lachen kennt Kayser nicht.“[146]
Das Altertum als vorausgegangene Epoche war dem Mittelalter durch überlieferte Zeugnisse durchaus präsent; antike Reise- und Wundererzählungen berichteten über allerlei wundersame Monster, die sich in der Peripherie, gegenüber der das empirisch fundierte Wissen der Griechen und Römer endete, aufhalten und dort ihr Unwesen treiben sollten. Diese Wundererzählungen besaßen groteske Qualitäten und stellten - als eine Art Katalog von Ungeheurem und Wundersamem - die Vorlage für die mittelalterlichen ‘Bestiarien’ dar, die als Abbildungen typisch grotesk anmutende Mischwesen aufweisen, und sie legten Maßstäbe für das mittelalterliche Weltverständnis: „Zweifellos setzten sich die früh- und auch hochmittelalterlichen Völkercharakteristiken aus tradierten Topoi der antiken Quellen zusammen.“[147] Die Bestiarien erfüllten einerseits im Mittelalter gewisse Wünsche nach dem Grotesken und Phantastischen, andererseits waren sie durchaus im ernsten Sinn die „Sichtbarmachung der dunklen und gefährlichen Mächte der Welt“[148], etwa an Portalen und Kirchenfassaden. Die Rezeption der antiken grotesken Kunst begann also lange, bevor Kayser sie beginnen läßt. Die Monsterbilder erhielten im übrigen im Mittelalter zusätzlich eine gewisse Authentizität durch die gefundenen antiken Gemmen, Siegel und Münzen, die oft mit Tierornamenten versehen waren, welche durch den Verschleiß des Metalls - im Mittelalter angekommen - entstellt waren. Mittelalterliche Künstler griffen diese Abbildungen auf und kopierten sie in der irrigen Annahme, sie seien getreue Nachbildungen der antiken Tierwelt.[149] Natürlich war auch das Mittelalter selbst wieder ähnlichen Verzeichnungen späterer Epochen unterworfen; folgt man Melot, so waren auch die
„ungeheuerlichen Tiere der mittelalterlichen Kunst in den meisten Fällen Darstellungen, die man in guten Treuen für realistisch hielt, und die heutige komische Wirkung der Wasserspeier an den Kathedralen geht wahrscheinlich zum großen Teil zu Lasten der Restauratoren des 19. Jahrhunderts.“[150]
Mit dem Ausklingen des Mittelalters, im Zuge der „Säkularisierung des Übernatürlichen“[151], verkümmerten die Bestiarien mehr und mehr zum Zierat:
„Während die Karten des Mittelalters und der Renaissance von vielen kleinen ‘exotischen’ Figuren und Monstern übersät waren, erforderte die wissenschaftliche Genauigkeit der Karthographien des 16. Jahrhunderts mehr Klarheit. So wurden die illustrativen Einzelheiten zunächst spärlicher, dann an den Rand gerückt und nahmen zum Ende des Jahrhunderts emblematischen Charakter an.“[152]
1.2.2 Das Charakteristische des Grotesken unter Berücksichtigung verschiedener Theorieansätze - eine Diskussion
Ausgehend von den grotesken Erscheinungen der Lachkultur im Mittelalter kommt Bachtin zu einem Bild des Grotesken, das sehr verschieden von dem Kaysers ist und sich zu diesem in Widerspruch stellt. Kaysers kritische Anmerkungen zur Abflachung des Groteskbegriffs ins Derbe und Grobkomische in der Zeit nach der Romantik teilt Bachtin nicht, im Gegenteil verweist Bachtin darauf, daß genau diese Eigenschaft sein ‘Urgrund’ sei: „Die wirkliche Tiefe, Vieldeutigkeit und Kraft einzelner grotesker Motive läßt sich nur aus der Einheit der Volkskultur und des karnevalistischen Weltempfindens verstehen. Löst man sie dagegen aus dieser Einheit heraus, werden diese Motive einseitig, flach und arm.“[153] Damit deutet Bachtin auch auf Kaysers Versäumnis, seine Analyse erst mit dem Auftauchen des Groteskbegriffs begonnen zu haben:
„Auf die jahrtausendelange Entwicklung der vorromantischen Groteske, auf die groteske Archaik, die antike Groteske (zum Beispiel das Satyrspiel oder die altattische Komödie), auf die mit der volkstümlichen Lachkultur verquickte Groteske des Mittelalters und der Renaissance ist Kaysers Theorie überhaupt nicht anwendbar. [...] Die wirkliche Natur des Grotesken, die von volkstümlicher Lachkultur und vom karnevalistischen Weltempfinden nicht zu trennen ist, bleibt unverstanden.“[154]
Die Gesellschaft des Mittelalters war aufgrund der starken Durchdringung von christlichen Ideologemen dualistisch geprägt, d.h. wies ein stark moralisch geprägtes, dichotomisch zugespitztes Welterleben (‘gut-böse’) auf. Das Fundament bildet die Vorstellung einer unwandelbaren, homogenen (aber auch extrem statischen) Ordnung - der Schöpfung Gottes -, die alle Lebensbereiche des mittelalterlichen Menschen durchsetzte und reglementierte.[155]
Das ‘Böse’, Niedrige wurde, davon strikt getrennt und als vom Teufel kommend, als außerhalb der göttlichen Sphäre liegend begriffen. Die Übergänge der beiden Pole von ‘gut’ und ‘böse’, zwischen denen das mittelalterliche Denken schwankte, waren schroff und hart:
„Die symbolisierende, nicht kausal-genetische Denkweise dieses Zeitalters versteht die Verbindung zwischen zwei Dingen nicht als kausalen Zusammenhang; sie findet ihn durch plötzliches Überspringen, Umschlagen. Statt der Verkettung von Ursache und Wirkung der Sog von Sinn und Zweck“[156]
Weltliche Herrschaft legitimierte sich über den christlichen Diskurs und sein religiöses Code-System. Der allenthalben vorherrschende Tugenddruck zwang die Menschen lebenswirklich zu einem ‘Spagat’ zwischen der offiziellen religiösen Diktion und den ebenso präsenten urmenschlichen, aber stigmatisierten Begierden. Der Karnevalsreigen im Mittelalter fungierte demzufolge als ein Ventil gegenüber gesellschaftlichen Pressionen, als eine legale, kalendarisch begrenzte Außerkraftsetzung der sozialen Ordnung und ihr Stabilisator für die übrige Zeit des Alltags:
„Während des ganzen Mittelalters sahen sich Staat und Kirche genötigt, der Öffentlichkeit Zugeständnisse zu machen. Übers ganze Jahr waren, begrenzt durch strenge Festtagsdaten, kleine Zeitinseln verstreut, auf denen die Welt aus ihrer offiziellen Bahn gehen durfte - aber ausschließlich in der Schutzform des Lachens.“[157]
Die Narretei sprengte als echtes Volksfest der Massen vorübergehend die Sozialhierarchien von Ehrfurcht, Pietät und Etikette gegenüber adliger und kirchlicher Machtelite: „Das Lachen befreit nicht nur von der äußeren Zensur, sondern vor allem vom großen inneren Zensor, von der in Jahrtausenden dem Menschen anerzogenen Furcht vor dem Geheiligten, einem autoritären Verbot, dem Vergangenen, der Macht.“[158] Der Anspruch auf Frömmigkeit und kontemplativen Ernst prägte das offizielle Leben des mittelalterlichen Menschen ebenso wie das karnevaleske Lachen als dessen Negativ; beide blieben aber in der Praxis voneinander klar getrennt: „Freilich teilt, auch in den darstellenden Künsten des Mittelalters, eine strenge innere Grenze diese beiden Aspekte. Sie koexistieren, vermischen sich aber nicht.“[159]
Der Karneval war antiken Ursprungs[160]; das Volk feierte - symbolisch durch die Austreibung von Dämonen - das absehbare Ende des Winters als eine Periode des Frostes, Hungers und der Entsagung. Das karnevaleske Lachen war nach Bachtin ein „Sieg über die Furcht vor allem Geheiligten und Verbotenen“.[161] Das Fastnachtstreiben gestaltete sich - in Bildern des abstoßend Komischen - derb, zotig, kraftmeierisch und übertreibend. Neben der Verhöhnung und Verzeichnung von Würdenträgern und ihren Machtsymbolen drehte sich auf den gefundenen Abbildungen alles im wesentlichen um sinnliche „Akte des Körperdramas“[162]; ging es um Essen, Trinken, um Ausscheidungen, aber auch den Zerfall, die Zerfetzung, die ‘fröhliche Zerstückelung’[163], die Verschlingung und den Tod des Körpers. Das Ensemble ‘grotesker’ Körperteile erstreckte sich über Bauch, Mund, Geschlechtsorgane und After. Hervorstechend oder offenstehend, überwanden sie auf mittelalterlichen Darstellungen die Grenzen von Leib und Leib, Leib und Welt; es gab Vermengungen mit Tierkörpern und Tiere mit menschlichen Zügen, und alles verschränkte und verschlang sich gegenseitig. Die Symbolsprache des Karnevals trug - als verkehrte Welt[164] gegenbildlich konzipiert - die Perspektive der Bejahung (Triumph), der Verneinung (Spott und Hohn) und des Todes in sich. Die Geburt ging auf Abbildungen mit dem Tod schwanger, dieser wiederum mit einer neuen Geburt, alles relativierte sich, hob sich auf, wurde zum „fröhlichen Popanz“[165]: „Die leibliche Kommunikation mit der möglichen anderen Welt, die leibliche Plausibilität dieser Welt ist für das Groteske von entscheidender Bedeutung.“[166] Im Grotesken gilt für Bachtin das Prinzip ‘stirb und werde’. Den grobkomischen Aspekt, den das Groteske zweifelsfrei hat, betont Bachtin und stellt dessen befreiende Wirkung heraus; seine Argumentation bezüglich des Grotesken geht zwar aus der Analyse der mittelalterlichen Epoche hervor, behauptet aber dort einen überzeitlichen Horizont, „wo sich jene, die Grenzen von Leib und Welt, Leben und Tod überschreitende Tendenz zum Grotesken in den Vordergrund schiebt.“[167] Diese Aussage ist problematisch, denn die Gültigkeit von Bachtins Grundthese des Grotesk-Komischen als ubiquitäres und universelles Kernprinzip des Grotesken ließe sich stimmig nur fortführen, wenn deren Ausgangsvoraussetzungen die gleichen geblieben wären; die typischen Motive der Leibmanifestation im Karneval, denen Bachtin soviel Raum als Ausdruck des Grotesken gewährt, sind allerdings zeitlich eingegrenzte Phänomene der Antike bis zum Ende des Mittelalters. Funktional betrachtet Bachtin das Groteske als Reaktionsbildung auf das extrem dichotomische Weltverständnis einer christlich geprägten, ebenso Furcht und Ehrfurcht einflößenden wie einfordernden Dominanz des Religiösen[168]; diese relativierte sich jedoch im Verlauf der einsetzenden Säkularisierung der Lebensbereiche ab etwa dem 15., 16. Jahrhundert.[169] Stimmig entwickelt Bachtin den Zusammenhang zwischen religiös durchsetzter Lebenswelt und ihrem grotesk-komischem Gegenbild im Mittelalter. Seit der Renaissance mit Gültigkeit bis in die Gegenwart haben sich allerdings das Körperverhältnis und die mit ihm verbundenen Individualitäts- und Intimitätsbegriffe gewandelt. Auch Bachtin thematisiert den „neuen Leibeskanon“[170] als „abgeschirmte Individualität“[171]:
„Irgendwelche Merkmale der Zweileibigkeit sind ihm nicht geblieben. Er ist sich selbst genug, spricht nur in eigener Sache. Was ihm widerfährt, betrifft nur ihn: nur diesen individuellen abgeschlossenen Leib. Alle Ereignisse dieses Leibes erhalten somit einen eindeutigen Sinn. Tod ist ihm Tod, er fällt nie mit der Geburt zusammen. [...] Die Grenze von Leib und Welt schwächt sich dabei nicht ab.“[172]
„Alles, was herausragt und absteht, alle scharf ausgeprägten Extremitäten, Auswüchse und Knospungen, das heißt, alles, was den Körper über seine Grenzen hinaustreibt, was einen anderen Körper zeugt, wird entfernt, weggelassen, zugedeckt, abgeschwächt.“[173]
Wenn aber die „leibliche Plausibilität dieser Welt“[174] für das Groteske von entscheidender Bedeutung ist, muß sich ebenso plausibel das Groteske bei einer veränderten Körperlichkeit in Gehalt und Form wandeln und andere Ausdrucksformen suchen, oder es muß als Phänomen verschwinden, sofern es sich nur unter diesen Bedingungen auszudrücken vermag. Bachtin schreibt, daß sich bereits im ausgehenden Mittelalter die Grenze von Lachkultur und Literatur verwische und die niedere Form in die höhere der Literatur eingegangen sei[175], aber trotzdem in der Renaissance zu Zeiten Rabelais die Lachkultur noch Feste feiere: „Die mittelalterliche und die Renaissance-Groteske sind vom karnevalistischen Weltempfinden durchdrungen, sie befreien die Welt von allem Entsetzlichen und Furchterregenden, machen sie hell und fröhlich.“[176]. Schließlich verklärt Bachtin das Groteske sogar zum alternativen Weltentwurf; für ihn stellt es „die Rückkehr des Goldenen Zeitalters dar, es spielt die lebendige Möglichkeit dieser Wiederkehr vor.“[177]
Es scheint nicht ganz schlüssig, daß das Groteske, sofern es alleinig ein Produkt der karnevalesken Lachkultur ist und sich im befreienden Derbkomischen erschöpft, wie Bachtin hervorhebt, im „Prozeß der Degradation“[178] unter den völlig veränderten Lebensverhältnissen des 17. und 18. Jahrhunderts bei den epischen und dramatischen Gattungen (Komödie, Satire, Fabel, im Roman und den burlesken Gattungen)[179] problemlos ein Exil findet, bis die Romantik es auch in diesem Winkel zum Düsteren hin transformiert.
Gerade an Bachtins fröhlichem Optimismus bezüglich des Grotesken entzünden sich dann auch einige kritische Kommentare:
„Was Kayser zu düster zeichnet, so kann man behaupten, malt Bachtin zu heiter. Ins Psychologische transponiert stellt das Groteske bei Bachtin einen Schutzmechanismus dar, mit Hilfe dessen das Volk sich gegen Unfreiheit, Unterdrückung und Ausbeutung zu wehren vermag - ihnen unverwüstliche Lebenskraft entgegensetzt. Schon seit alters her zeigt die Komödientheorie derartige Funktionen auf. Dennoch muß man konstatieren, daß Bachtin die festtagsfröhliche Komponente von Groteske, Karneval und Lachkultur, welche die Schranken der Feudalherrschaft vorübergehend abschüttelt, wohl überbetont und das Groteske unangemessen harmonisiert.“[180]
Bachtin übersehe, so Thomsen, geflissentlich die Destruktivität und anarchistische Tendenz im Grotesken. Er berücksichtige auch nicht, daß „im Zuge der - durchaus richtig interpretierten - bürgerlichen Verinnerlichung das Groteske nun nicht mehr so sehr das Körperäußere wie vielmehr die exzentrische Individualität von Charakteren [...] oder die in die Abgründe geistiger Verwirrung reichende Individualexistenz [...] prägt.“[181] Trotz einer grundsätzlichen Würdigung geht auch Ekmann mit Bachtin ins Gericht. Bachtins Kritik an Kayser sei ungerecht, da Kayser im Groteskbegriff durchaus auch die komische Seite berücksichtigt habe, aber sinnvollerweise auch die angstbeladene Vorstellung vor dem Unbekannten thematisiere:
[...]
[1] Busch, Sämtliche Werke. 2 Bd., hrsg. von Rolf Hochhuth. München 19968 ; hier Bd.2 „Eduards Traum“ (1891), S.441.
[2] Ueding, Gert: Wilhelm Busch. Das 19.Jahrhundert en miniature. Frankfurt/Main 1977b.
[3] Busch, Sämtliche Werke 19968 Bd.2 „Von mir über mich“ (1886), S.21.
[4] Ders: Sämtliche Briefe. 2 Bd., hrsg. von Friedrich Bohne. Hannover 1968; hier Bd.1 (an Eduard Daelen, 21.09.1885 in bezug auf Daelens Anfrage , ob er eine Biographie über Busch schreiben dürfe), S.262; vgl. hierzu erläuternd Kapitel 2.1.1, Fußnote 282.
[5] Zijderveld, Anton C. : Humor und Gesellschaft. Eine Soziologie des Humors und des Lachens. Graz, Wien, Köln 1976, S.183f.
[6] Arndt, George: Community Reaction to a Horrofying Event, Artikel von 1959, S.107 (leider keine genauere Angabe; zitiert nach Zijderveld 1976, S.184).
[7] Dazu Gay, Peter: Kult der Gewalt. Aggression im bürgerlichen Zeitlalter, München 1996, pointiert, aber vielleicht selbst etwas zu humorlos: „Wie dem auch sei, wer sich mit Humor beschäftigte, wußte seit langem, daß beim Lachen der Spaß aufhört“, S.458.
[8] Gerth, Klaus: Das Komische. In: Praxis Deutsch 21 (5) 1994, S. 19-26: „Komik ist nicht an eine bestimmte Gattung gebunden. Wir begegnen ihr im Witz, in der Anekdote, im Schwank, in der Erzählung oder im Roman so gut wie in der Lyrik. [...] Parodien, Travestien, Satire und Ironie bedienen sich der Komik als eines kontrastiven Elements [...]“, S.20.
[9] Vgl. Duden: Deutsches Universalwörterbuch, Mannheim u.a. 19892, S.863.
[10] A.a.O.: „Der innere Widerspruch zwischen Schein und Sein, Ideal und Wirklichkeit, Anspruch und Wert, Zweck und Mittel, Gehalt und Form kann von vornherein offensichtlich sein oder verblüffend zutage treten und ruft ein leichtes Unlustgefühl hervor [...]“, S.464; vgl. auch Lamping, Dieter: Ist Komik harmlos? Zu einer Theorie der literarischen Komik und der komischen Literatur. In: Literatur für Leser 2/1994, S.53-65, S.63, der von der oft übersehenen strukturellen Ambivalenz des Komischen spricht.
[11] Wilpert, Gero von: Sachwörterbuch der Literatur. Stuttgart 19897, S.463f.
[12] Mit dem ‘nervösen Lachen’ glaubt Zijderfeld einen Beleg zur Autonomie des Lachens gegenüber dem Komischen gefunden zu haben; Zijderfeld 1976: „Lachen kann ebensogut Zeichen einer emotionalen und irrationalen Explosion sein, wie es beim hysterischen Lachen der Fall ist. [...] Dies sind Formen irrationalen Lachens, das seinen Ursprung darin findet, daß der emotionale Haushalt durcheinandergeraten ist, entweder als Folge eines plötzlichen Schocks oder als Folge einer Geisteskrankheit“, S.182f. M.E. erlaubt dieses Zitat gegenteilig zu seiner intendierten Absicht eher Rückschlüsse auf den Ursprung des Lachens als Bewältigungsversuch des Bedrohlichen und weist vielmehr nach, wie nahe das Unheimliche und das Komische ursächlich noch beieinanderliegen.
[13] Hierzu auch Ekmann, BjÆrn: Wieso und zu welchem Ende wir lachen. Zur Abgrenzung der Begriffe komisch, ironisch, humoristisch,satirisch, witzig und spaßhaft. In: Text & Kontext 9/1981, S.7-46: „Viele Verhaltensforscher haben beschrieben, wie auffällig das Lachen lautlich und mimisch Äußerungen der Angst und der Abwehrdrohung ähnelt [...]: gebleckte Zähne, Schreie, Kehllaute, zusammengekniffene Augen, Zuckungen usw.“, S.10. Dies, so Ekmann, lasse den Schluß zu, „daß das Lachen [entwicklungsgeschichtlich; T.J.] als ’Befriedungszeremonie’ zu deuten ist, in der durch Ritualisierung eine Drohung bzw. ein aggressiver Affekt, umgebildet und umfunktioniert wird“, S.10f.
[14] A.a.O., S.12.
[15] Steinlein, Rüdiger: Kinderliteratur und Lachkultur. Literarhistorische und theoretische Anmerkungen zu Komik und Lachen im Kinderbuch. In: Hans-Heino Ewers (Hrsg.): Komik im Kinderbuch. Erscheinungsformen des Komischen in der Kinder- und Jugendliteratur. Weinheim und München 1992, S.11-32; hier S.12.
[16] A.a.O., S.13.
[17] Ebd.
[18] Bergson, Henri: Das Lachen. Ein Essay über die Bedeutung des Komischen. Zürich 1972 (franz. Originaltext ‘Le rire’, Paris 1899).
[19] A.a.O., S.12.
[20] A.a.O., S.13.
[21] Vgl.hierzu Timm, Regine: Vergängliches Gelächter... Über die geschichtliche Entwicklung des Komischen. In: Niedersächsische Landesausstellung zur 150jährigen Wiederkehr des Geburtstages von Wilhelm Busch. Die Bildergeschichten zwischen Flugblatt und Cartoon. Berlin 1982a; S.13-25; hier S.13. Konkret spricht Ritter von der ‘positiven Position’ als etwas Ausgrenzendes, das über die zweigliedrig aufgebaute, sich ex negativum äußernde Komik nur indirekt deutlich wird. Gemeint sind implizit geltende „ Personwerte“ (Timm 1982a, S.15), die angeben, wann ein Mensch ‘vollwertig’ ist; bei Verfehlung des Wertes wird er andererseits komisch. (Joachim Richter: Über das Lachen. Blätter für deutsche Philosophie 14/1940, S.1-21; zusammengefaßt nach Timm 1982a. Anhand dieses Merkmals sind Position und Komik, die reziprok, in einer ständigen Interferenz zueinander stehen, in ihrer Historizität erkennbar, denn die im Hintergrund stehende Position wird als verfehlter Wert im Komischen kenntlich. Wertewandel verändern ein gewachsenes Wertegefüge in Nuancen oder auch drastischer, was wiederum für das Verständnis von Komik bedeutsam ist; Timm 1982a: „Das Komische der Vergangenheit kann unselbstverständlich werden, weil dasjenige, was einstmals als Ernst, als Lebens- und Weltordnung gesetzt und verstanden wurde, nicht mehr das unsrige ist“, S.14. Dies gilt m.E. auch für interkulturelle Differenzen.
[22] Bergson (1899) 1972, S.16.
[23] Daß zum ‘Ungereimten’ auch das ‘Gereimte’, die Position gehört, die kritisch besehen mitunter nicht minder fragwürdig oder lächerlich sein kann, verfolgt Bergson nicht weiter.
[24] A.a.O., S.62.
[25] Vgl. ebd.; Bergson spricht von einem „fertige[n] Rahmen, in den wir uns einfügen“, S.18.
[26] A.a.O., S.36.
[27] Stierle, Karl Heinz: Komik der Handlung, der Sprachhandlung, der Komödie. In: W. Preisedanz/R. Warning: Das Komische. München 1976, S.237-269, hier S.239.
[28] Vgl. Unterpunkt 2.1.5.1 in bezug auf das Groteske bei Busch.
[29] A.a.O., S.63.
[30] Jünger, Georg Friedrich: Über das Komische. Berlin 1936, S.19.
[31] Jauss, Hans Robert: Zum Problem der Grenzziehung zwischen dem Lächerlichen und dem Komischen. In: Wolfgang Preisedanz/Rainer Warning (Hrsg.): Das Komische. München 1976, S.361-372; hier S.366.
[32] Ekmann 1981, S.25.
[33] Vgl. Kapitel 2.1.3
[34] Vgl. in 2.1.4 die Funktion des Textkommentars bei Busch.
[35] A.a.O., S.373.
[36] Timm 1982a, S.16.
[37] Lamping 1994, S.58f.
[38] Vgl. Steinlein 1992, S.26.
[39] Vgl. nochmals Stierle 1976, S.239, Fußnote 27 meiner Arbeit.
[40] Bergson (1899) 1972, S.21.
[41] Gerth 1994, S.19.
[42] Röhrich, Lutz: Der Witz. Figuren, Formen, Funktionen. Stuttgart 1977, S.31.
[43] Bergson (1899) 1972, S.12.
[44] Vgl. Kapitel 2.1.
[45] Vgl. Röhrich 1977, S.8.
[46] Jolles, Andre´: Einfache Formen. Darmstadt 19582.
[47] Vgl. Ekmann 1981, S.39.
[48] Vgl. Preisedanz, Wolfgang: Über den Witz. Konstanz 1970, S.7. (Auszug aus: Lixfeld, Hannjost: Arbeitstexte für den Unterricht; Witz. Bibliogr.erweiterte Auflage, Stuttgart 1986, S.31f.
[49] Preisedanz 1970, S.7.
[50] Vgl. ebd.; vgl.auch Röhrich 1977, S.4.
[51] Freud, Sigmund: Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten (1905). In: Ges.Werke, Bd.6. Frankfurt/Main 19695, S.166.
[52] Ekmann 1981, S.11.
[53] Freud sieht einen engen Zusammenhang zum kindlichen Spiel als Vorstufe des Witzspieles. Freud (1905) 19695: „Es ist nicht zu verwundern, daß diese Lusteffekte das Kind zur Pflege des Spieles antreiben und es veranlassen, dasselbe ohne Rücksicht auf die Bedeutung der Worte und den Zusammenhang der Sätze fortzusetzen.“, S.143f.
[54] Hiebel, Hans: Witz und Metapher in der psychoanalytischen Wirkungsästhetik. In: Germanisch-Romanische Monatszeitschrift (GRM), N.F. 28 (2) 1978, S.129-154; hier: S.137.
[55] A.a.O., S.130.
[56] Lixfeld, Hannjost: Witz und soziale Wirklichkeit. Bemerkungen zur interdisziplinären Witzforschung. In: Tabula 25/1984, S.183-213; hier S.191.
[57] Vgl. Hiebel 1978, S.132.
[58] Das Vorhandensein mehrerer Bedeutungen, ein Wort betreffend.
[59] Gleichklang verschiedener Begriffe, z.B. Rad und Rat.
[60] Ein gleichlautender Begriff hat verschiedene Bedeutungen; z.B. ‘Dichtung’.
[61] A.a.O., S.134f.
[62] Sandig, Holger: Deutsche Dramaturgie des Grotesken um die Jahrhundertwende. München 1980, S.67.
[63] Vgl. Lixfeld 1986, S.48.
[64] Vgl. Jünger 1936, S.83; vergl. auch Bausinger, Hermann: Schwank und Witz. In: Studium generale 11/1958, S.699-710; hier S.703.
[65] Vgl. Arntzen, Helmut: ‘Hundeleben’. Zur Geschichte des Absurden in der deutschen Literatur. In: ders.: Zur Sprache kommen. Studien zur Literatur und Sprachreflexion, zur deutschen Literatur und zum öffentlichen Gebrauch. München 1983, S.299-313; hier S.300f.
[66] Liede, Alfred: Dichtung als Spiel. Studien zur Unsinnspoesie an den Grenzen der Sprache. Berlin 1963, S.15.
[67] Vgl. Steinlein 1992, S.26.
[68] Liede 1963, S.16.
[69] Ekmann 1981, S.9.
[70] Vgl. Gerth 1994, S.19.
[71] Ebd.
[72] Vgl. in der Abgrenzung zum Grotesken auch das Kapitel 1.2.3.
[73] Zijderfeld 1976: „[...] ein garstiges Spiel mit Emotionen und Gefühlen“, S.32.
[74] Vgl. Freud (1905) 19695, S.269.
[75] Ders.: Der Humor (1927). In: Ges. Werke, Bd.14. Frankfurt/Main 19684, S.385.
[76] Ekmann 1981, S.31.
[77] A.a.O., S.32.
[78] Jauss 1976, S.371.
[79] Ekmann 1981, S.28.
[80] Gerth, Klaus: Satire. In: Praxis Deutsch. Nr.22(3)1977, S.8-11, hier S.9.
[81] Vgl. a.a.O., S.8. Gerth spricht von einem „Ideal der höchsten Realität“. Diese darf entgegen der sonstigen Schärfe in der Satire unscharf bleiben und ist in den seltensten Fällen ein fundierter Gegenentwurf zur ‘krank’ erklärten Gesellschaft, denn keiner verlangt von einem Kabarettisten ein politisches Gegenprogramm, sondern möchte unterhalten werden.
[82] Das Komisch-Vergnügliche steht folgerichtig für den Konsumenten im Zentrum der Satire; er genießt die geistvolle Art der Darstellung, also wie das Defizit angegangen wird, das er als reines Faktum ja schon häufig genug kennt.
[83] Vgl. Liede 1963, S.15.
[84] Gay 1996, S.475.
[85] Vgl. Jünger 1936, S.27f.
[86] Freud (1905) 19695, S.228.
[87] Vgl. Steinlein 1992, S.26.
[88] Melot, Michel: Die Karikatur. Das Komische in der Kunst. Stuttgart u.a. 1975, S.11.
[89] Ueding 1977b, S.362.
[90] Hofmann, Werner (Hrsg.): Bildende Kunst II. Frankfurt/Main 1960, S.134.
[91] Röhrich, Lutz: Karikatur. In: Kurt Ranke (Hrsg.): Enzyklopädie des Märchens, Bd.7. Berlin, New York 1993, S.973-981: „Trotz aller Überzogenheit, Schematisierung, Vereinfachung oder Verfremdung muß das Gemeinte, das Original noch erkennbar sein“; hier S.974.
[92] Steinlein 1992, S.26.
[93] Vgl. Melot 1975, S.22.
[94] Bergson (1899) 1972, S.97.
[95] Vgl. Röhrich 1993, S.973.
[96] Witting, Gunther. Parodie als komisierende Textverarbeitung. In: Der Deutschunterricht 37(6)1985, S.5-29; hier S.28.
[97] A.a.O., S.27.
[98] Vgl. a.a.O., S.18ff.
[99] Meyer, Hermann: Das Zitat in der Erzählkunst. Stuttgart 1961, S.12.
[100] Vgl. a.a.O., S.16f.
[101] Jünger 1936, S.87f (Anm.).
[102] Ebd.
[103] Vgl. a.a.O., S.20.
[104] Gerth 1994, S.20.
[105] Wilpert 19897, S.958.
[106] Ebd.
[107] Sandig 1980, S.12.
[108] Zijderfeld 1976, S.53. (Helmut Plessner: Lachen und Weinen. Eine Untersuchung nach den Grenzen menschlichen Verhaltens. Arnhem 1941; München 19502 und 19633 ).
[109] Heidsieck, Arnold: Das Groteske und das Absurde im modernen Drama. Stuttgart 1969, S.82 (zitiert nach Sandig 1980, S.24).
[110] Diesem müßte, ausgehend von Ritters These der ‘Position’ (vergl. Fußnote 21), also folgerichtig ein Wertewandel zugrundegelegt sein.
[111] Lamping 1994, S.63.
[112] A.a.O., S.64.
[113] Gerth 1994, S.21.
[114] Lamping 1994, S.65.
[115] Gerth 1994, S.21.
[116] Jünger 1936, S.60.
[117] Der Begriff des Schattens bezeichnet im Sinne C.G. Jungs die verborgenen, abgespaltenen, häufig sogar nicht einmal bewußten Persönlichkeitsanteile eines Menschen, die er nicht lebt, weil sie konträr zu seinem Idealselbst stehen.
[118] Vgl. Kayser, Wolfgang: Das Groteske. Seine Gestaltung in Malerei und Dichtung. Oldenburg und Hamburg 1957, S.20f.
[119] Silhouette, Marielle: Von den Grottesken zum Grotesken: Spiel mit den Konventionen. In: Jahrbuch für Internationale Germanistik, Reihe A, Bd. 30/1992, S.202-219; hier S.203.
[120] Theissing, Heinrich: Wilhelm Busch, die Romantik und die Renaissance. Die Grotteske und das Groteske. In: Silvio Vietta (Hrsg.): Romantik und Renaissance. Die Rezeption der italienischen Renaissance in der deutschen Romantik. Stuttgart 1994, S.253-279; hier S.274.
[121] Müller, Michael: Die Groteske. In: Formen der Literatur in Einzeldarstellungen. Stuttgart 1981, S.143-150; hier S.144.
[122] Kayser, Wolfgang: Wilhelm Buschs grotesker Humor. In: Vortragsreihe der Niedersächsischen Landesregierung zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung in Niedersachsen, herausgegeben im Auftrage des Niedersächsischen Ministerpräsidenten. Heft 4, Göttingen 1958, S.3-15; hier S.10.
[123] Kayser 1957, S.23.
[124] Sandig 1980, S.40.
[125] Vgl. Kayser 1957, S.23.
[126] Vgl. Thomsen, Christian W.: Das Groteske und die englische Literatur. Darmstadt 1977, S.206f.
[127] Kayser, Wolfgang: Komödie und Lustspiel. In: ders.: Das sprachliche Kunstwerk. Eine Einführung in die Literaturwissenschaft. Tübingen und Basel 199220, S.381-387; hier S.381.
[128] Ders. 1957, S.200.
[129] Ders. 1958, S.10f.
[130] Vgl. Kayser 1957, S.112 (vgl. Fußnote 140 im Text).
[131] Silhouette 1992, S.202.
[132] Vgl. Kayser 1957, S.32.
[133] A.a.O., S.30f.
[134] A.a.O., S.33; Kayser bleibt in der Differenzierung zwischen Karikatur und grotesker Darstellung in seinen Schriften unklar - häufig fällt trotz gegenteiliger Bekundung (z.B. S.38f.) ein recht ähnlicher Gebrauch auf, wie er ihn auch für das Absurde pflegt.
[135] A.a.O., S.38.
[136] Vgl. Kapitel 1.2.2.
[137] Vgl. Kayser 1957, S.29; vgl. hierzu auch Thomsen 1977, S.204, der Kaysers Vorgehen in einem Überblick aufzeigt.
[138] Vgl. Thomsen 1977, S.145 u. 204.
[139] Kayser 1957, S.111.
[140] A.a.O., S.112.
[141] Kayser 199220, S.384.
[142] Vgl. das Quellenverzeichnis im Anhang dieser Arbeit.
[143] Vgl. Sandig 1980, S.60, Fußnote 226.
[144] Vgl. z.B. in diesem Sinne die Besprechung Kaysers von Leo Spitzer in der Göttingische Gelehrte Anzeigen 1958, S.95-110.
[145] Bachtin, Michail: Literatur und Karneval. Zur Romantheorie und Lachkultur. Frankfurt/Main u.a. 1985.
[146] A.a.O., S.30; die ausführliche Analyse der Standpunkte erfolgt in Kapitel 1.2.2.
[147] Mitsch, Ralf: Körper als Zeichenträger kultureller Alterität. Zur Wahrnehmung und Darstellung fremder Kulturen in mittelalterlichen Quellen. In: Burkhardt Krause (Hrsg.): Fremdkörper - Fremde Körper - Körperfremde. Stuttgart 1992, S.73-109; hier S.86.
[148] Pochat, Götz: Der Exotismus während des Mittelalters und der Renaissance. Voraussetzungen, Entwicklungen und Wandel eines bildnerischen Vokabulars. Upsala, Stockholm 1970, S.51.
[149] A.a.O., S.223.
[150] Melot 1975; S.76f. Melot sieht in den grotesken Abbildungen verformter Leiber und entstellter Mischwesen den Ursprung der Karikatur, macht aber auch auf den für ihn wichtigen Unterschied zu den Mittelaltergrotesken aufmerksam, die er nicht für komisch hält: „Tatsächlich genügt das Vorhandensein von Schönheit und Häßlichkeit nicht für das Entstehen der Karikatur. Es ist notwendig, daß die Schönheit als Norm gilt, an dem jede Norm gemessen wird. [...] Im Mittelalter reizte die groteske Wirklichkeit (Häßlichkeit, Grimassen, plumpe oder akrobatische Haltung) zum Lachen, ihre Darstellung jedoch verletzte keine ästhetische Norm. Doch erst diese Verletzung führt zur Komik.“, S.22. Und an anderer Stelle: „Die Entwicklung vom scheußlichen und erschreckenden Monstrum zum eleganten und komischen war lang und die Grenze oft kaum wahrnehmbar“, S.76. Diesem Zitat kann man das im Mittelalter prägende dualistische Weltbild entgegenhalten; m.E. wurden auch in den im Mittelalter vorherrschenden Bestiarien eine ästhetische Norm verletzt, allerdings wurde die ideelle, gottgewollte, heilsgarantierende Ordnung des Christentums dadurch nicht erschüttert, denn das Abnorme wurde von der Lebenswelt abgespalten gehalten und ausdrücklich als autonomes Prinzip des Bösen betrachtet.
Entgegenhalten kann man Melot im übrigen auch die Ausführungen Timms (1982a) zur ‘Position’ (siehe Anm.22); danach mag für heute, aus der historischen Distanz einer stark gewandelten ‘Position’ heraus gelten, daß etwas im Hier und Jetzt keinen komischen Effekt mehr hat, über eine komische Wirkung und Funktion zur damaligen Zeit läßt sich indes nur bedingt urteilen.
[151] Best, Otto F. (Hrsg.): Das Groteske in der Dichtung. Darmstadt 1980, S.16.
[152] Pochat 1970, S.216.
[153] Bachtin 1985, S.31.
[154] Bachtin spricht in diesem Zusammenhang von der Groteske, als gäbe es diese unumstritten als eigenes Genre.
[155] Vgl. Röcke, Werner: Schreckensort und Wunschwelt. Bilder von fremden Welten in der Erzählliteratur des Spätmittelalters. In: Der Deutschunterricht 44(2)1992, S.32-48; hier S.32.
[156] Best 1980, S.3.
[157] Bachtin 1985, S.34.
[158] A.a.O., S.38f.
[159] A.a.O., S.42.
[160] Vgl. a.a.O., S.36.
[161] A.a.O., S.35.
[162] A.a. O., S.17.
[163] A.a.O., S.36.
[164] Vgl. Melot 1975, S.166.
[165] Bachtin 1985, S.36.
[166] A.a.O., S.27.
[167] Thomsen 1977, S.159f.
[168] Unklar bleibt, wieso unter diesen speziellen Voraussetzungen die Antike als vorgelagerte, nichtchristliche Epoche ebensolche derbkomischen Züge des Grotesken tragen konnte. Offenbar betrachtet Bachtin das Groteske zum einen als ein allmenschliches Phänomen, rekuriert aber, was die Bedingungen seines Zustandekommen angeht, dann wieder auf die mittelalterlichen Lebensbedingungen, analysiert die Umstände mithin auf soziologischer Argumentationsebene.
[169] Interessanterweise ist dies exakt der Zeitraum, an dem Kayser die Entstehung des Groteskbegriffs konstatiert und seine Untersuchung beginnen läßt.
[170] A.a.O., S.20.
[171] Ebd.
[172] A.a.O., S.22.
[173] A.a.O., S.20.
[174] A.a.O., S.27.
[175] A.a.O., S.42.
[176] A.a.O., S.26.
[177] A.a.O., S.27.
[178] A.a.O., S.45.
[179] Vgl. a.a.O., S.46.
[180] Thomsen 1977, S.170.
[181] A.a.O., S.171; zur abgewandelten Form der modernen Groteske siehe auch Spitzer 1958, S.59: In der mittelalterlichen Groteske sei es so, „daß ein noch so sonderbares Geschöpf mit der Evidenz des Lebendigen und Realen (und mit seinem Schreckhaften) vor uns tritt; modern dagegen ist die allmähliche Verzerrung des Realen, die uns das eben noch als real Empfundene in anderem Licht als verfremdet erscheinen läßt [...].“
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- Thomas Jaeschke (Author), 1997, Elemente des Grotesken im Werk Wilhelm Buschs, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88446
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