Während den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts herrschten Militärregimes in Lateinamerika. Die Volkswirtschaften waren größtenteils geschlossen: Der Binnenmarkt blieb zu einem bedeutenden Teil für die lokalen Produzenten reserviert. Diese standen außer Konkurrenz zum Ausland. Die Industrietechnologie der einzelnen Länder Lateinamerikas blieb im Vergleich zu den sich etablierenden Industrienationen zurück und nur durch den öffentlichen Sektor und die Produktion von Primärgütern wie landwirtschaftliche Produkte oder die Förderung von Bodenschätzen konnte ein wirtschaftliches Wachstum erreicht werden. Aber alleine die Agrar-wirtschaft konnte nicht dazu beitragen, den Vorsprung der Industrienationen zu verringern und die Region in eine neue Epoche zu führen.
Dieses nicht ausreichende Wachstum führte dagegen zu einer zunehmenden Verschuldung des Staates im Ausland und der eigenen Bürger.
In den 80er Jahren vollzog sich ein Prozess der erneuten Demokratisierung, und es begann der Kampf gegen die Inflation, um wirtschaftliche Stabilität und nachhaltiges Wachstum zu erzielen. In weiten Teilen Lateinamerikas wurden auf Grund eines sinkenden Angebots an inländischen Ersparnissen die Investitionen im Zeitraum 1973 bis 1982 mit Auslandskrediten finanziert, was zu Inflation und hohen Auslandsschulden führte. Eine Konsequenz aus den Krisen war der so genannten „Konsens von Washington“. Er sollte die Region stabiler machen. Anfang der 90er Jahre entschieden sich etliche Länder, sich verstärkt den internationalen Märkten zu öffnen und erhielten so die Möglichkeit, die Investitionsströme in die Region zu ziehen, die zum neuen Motor der Volkswirtschaften wurden. Länder wie Mexiko, Brasilien und Chile hatten mit ihrem neuen Konzept Erfolg, in anderen Staaten, wie z.B. in Argentinien und in Peru, hielt dieser Erfolg nicht lange. Die Kapitalströme wurden durch die Krisen in Südost-Asien, Russland, der Türkei, aber auch in einigen lateinamerikanischen Ländern reduziert, Exporte und Investitionen sanken. Heutzutage gelten Länder wie Chile und Brasilien als die zukunftsweisenden Nationen auf dem amerikanischen Subkontinent. Andere Länder, z.B. Argentinien, stehen als die großen Verlierer der vergangenen 15 Jahre da und werden nur durch eine kritische, rückblickende Analyse der internen und externen Umstände, die zu den Wirtschaftskrisen führten, einen Weg finden, der die „verlorene Zeit“ zumindest zu einem kleinen Teil wett machen kann.
I INHALTSVERZEICHNIS
II Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
III Vorbemerkungen
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Aufbau der Arbeit
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Das System von Bretton Woods
2.1.1 Der Internationale Währungsfonds (IWF)
2.1.2 Die Weltbank
2.1.3 Der Zusammenbruch des Systems fester Wechselkurse
2.1.4 Das Modell der Importsubstitution durch Industrialisierung
2.2 Der Konsens von Washington
3 Phase 1: Der regulierte Markt
3.1 Argentinien unter Perón
3.1.1 Die argentinische Wirtschaft unter dem Peronismus
3.1.2 Der Inflationsprozess
3.1.3 Ein Fazit der Präsidentschaft Perons
3.2 Bemühungen der Industrialisierung
3.2.1 Militärregime und Rückkehr zur Demokratie
3.2.2 Der Beitritt in das System von Bretton Woods
3.2.3 Abkehr vom Monetarismus
3.3 Perón, Ölschock und Inflation
4 Phase 2: Militärjunta und Rückkehr zur Demokratie
4.1 Militärjunta
4.1.1 Neuordnung der Wirtschaft
4.1.2 Liberalisierung des Kapitalverkehrs und Verschuldung
4.1.3 Fazit
4.1.4 Verhandlungen mit dem IWF
4.2 Die endgültige Rückkehr zur Demokratie
4.2.1 Schuldenpolitik
4.2.2 Wirtschaftliche Reformen zur Bekämpfung der Inflation
4.2.2.1 Der Plan Austral
4.2.2.2 Staatsverschuldung und Plan Primavera
4.2.3 Die Beziehung zu den internationalen Finanzinstitutionen
4.2.4 Die fiskalische Undisziplin
4.2.5 Ein Fazit der Wirtschaftspolitik unter Alfonsin
5 Phase 3: Die liberale Wirtschaftspolitik unter Menem, 1989 – 1999
5.1 Außenpolitische Stabilisierung
5.2 Die Bekämpfung der Hyperinflation
5.2.1 Der Plan BONEX
5.2.2 Plan de Convertibilidad
5.2.2.1 Die Wechselkursfixierung
5.2.2.2 Das Verhältnis zwischen Geldbasis und Währungsreserven
5.2.2.3 Die reale Aufwertung des argentinischen Peso
5.2.2.4 Die argentinische Handelsbilanz
5.3 Privatisierungspolitik
5.3.1 Beispiele der Privatisierungspolitik
5.3.2 Internationalisierung des Handelsplatz Argentinien
5.4 Strukturelle Arbeitslosigkeit
5.5 Die Verschuldungsproblematik
5.5.1 Verhandlungen mit den internationalen Finanzorganismen
5.5.1.1 Der „Plan Brady“
5.5.1.2 Verhandlungen mit dem Pariser Club
5.5.1.3 Verhandlungen mit den multilateralen Finanzinstitutionen
5.5.2 Der Weg in die nächste Schuldenkrise
5.5.2.1 Verschuldung privater Unternehmen
5.5.2.2 Verschuldung des öffentlichen Sektors
5.5.2.3 Exogene Schocks
5.5.2.4 Kapitalbeschaffung der BCRA
5.5.3 Das Steuerproblem Argentiniens als weitere Ursache des Haushaltsdefizits
5.5.3.1 Steuerhinterziehung
5.5.3.2 Ausgabenpolitik der Provinzen
5.5.3.3 Politische Faktoren als Verursacher des Haushaltsdefizits:
5.6 Ein Fazit der Wirtschaftspolitik unter Menem:
6 Die argentinische Verschuldungskrise
6.1 Chronologische Beschreibung des Krisenszenarios
6.2 Die Reaktion der Regierung unter Néstor Kirchner
7 Argentinien und der IWF
7.1 Der IWF und die Konvertibilität
7.2 Die Politik der „bail-out“- Zahlungen des IWF
7.3 Argentinien und der Washington Konsens
7.4 Kritik an der Personalpolitik des IWF
8 Schlussteil
8.1 Schlussfolgerung
8.2 Ausblick
IV Literaturverzeichnis
V Anhang
II Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Der Anteil der Exporte am BIP, 1929 - 1955
Abbildung 2: Die Entwicklung von Exporten und Importen 1945 - 1952, in Mio. Peso zu Marktpreisen von 1960
Abbildung 3: Die Einkommensverteilung in Argentinien, 1935 - 1955
Abbildung 4: Inflation und öffentliche Ausgaben, 1946 - 1952
Abbildung 5: Industrielle Produktion, Beschäftigung und Arbeitsproduktivität pro Arbeiter in der Industrie, 1975 - 1987
Abbildung 6: Monatliche Inflationsrate im Jahr 1990 in Prozent
Abbildung 7: Die argentinische Handelsbilanz im Zeitraum 1980 - 1996: Saldo in Mio. US$ und Entwicklung des Außenhandels
Abbildung 8: Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung, 1978 - 2001
Abbildung 9: Der Anteil der Schuldtitel an der argentinischen Staatsverschuldung, 1990 - 2001
Abbildung 10: Die Entwicklung der argentinischen Staatsverschuldung in den Jahren 1992 - 2001
Abbildung 11: Die Zinsbelastung der argentinischen Staatsverschuldung von 1991 bis 2001 im Zentralstaat und in den Provinzen (in Mrd. US$)
Abbildung 12: Die Zinsbelastung der Staatsverschuldung in Prozent des BIP
Abbildung 13: Der Spread auf argentinische Staatsanleihen
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
VORBEMERKUNGEN
Die Länder Lateinamerikas durchleben einen schnellen und fundamentalen Transformationsprozess, in politischer sowie in wirtschaftlicher Hinsicht. Diesen Vorgang kann man seit den 1950er Jahren beobachten; einige Länder konnten durch den Aufschwung nach dem 2. Weltkrieg eine sehr vorteilhafte wirtschaftliche Ausgangslage erlangen. Zu dieser Zeit gab es eine breite Mittelschicht, Armut war noch kein weit verbreitetes Thema und die Entwicklungsmodelle orientierten sich an den europäischen und japanischen Wachstums- und Industrialisierungsmodellen. In den 1960er Jahren kamen Politiker und Ökonomen zu der Erkenntnis, dass die Investitionen und die dadurch geförderte Industrialisierung nicht zu einem gerechten Wachstum führten. Darüber hinaus ließ das zum Wachstum überproportionale Bevölkerungswachstum die Armut anschnellen.
Während den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts herrschten Militärregimes in Lateinamerika. Die Volkswirtschaften waren größtenteils geschlossen: Der Binnenmarkt blieb zu einem bedeutenden Teil für die lokalen Produzenten reserviert. Diese standen außer Konkurrenz zum Ausland. Die Industrietechnologie der einzelnen Länder Lateinamerikas blieb im Vergleich zu den sich etablierenden Industrienationen zurück und nur durch den öffentlichen Sektor und die Produktion von Primärgütern wie landwirtschaftliche Produkte oder die Förderung von Bodenschätzen konnte ein wirtschaftliches Wachstum erreicht werden. Aber alleine die Agrarwirtschaft konnte nicht dazu beitragen, den Vorsprung der Industrienationen zu verringern und die Region in eine neue Epoche zu führen.
Dieses nicht ausreichende Wachstum führte dagegen zu einer zunehmenden Verschuldung des Staates im Ausland und der eigenen Bürger.
In den 80er Jahren vollzog sich ein Prozess der erneuten Demokratisierung, und es begann der Kampf gegen die Inflation, um wirtschaftliche Stabilität und nachhaltiges Wachstum zu erzielen. In weiten Teilen Lateinamerikas wurden auf Grund eines sinkenden Angebots an inländischen Ersparnissen die Investitionen im Zeitraum 1973 bis 1982 mit Auslandskrediten finanziert, was zu Inflation und hohen Auslandsschulden führte. Eine Konsequenz aus den Krisen war der so genannten „Konsens von Washington“. Er sollte die Region stabiler machen. Anfang der 90er Jahre entschieden sich etliche Länder, sich verstärkt den internationalen Märkten zu öffnen und erhielten so die Möglichkeit, die Investitionsströme in die Region zu ziehen, die zum neuen Motor der Volkswirtschaften wurden. Länder wie Mexiko, Brasilien und Chile hatten mit ihrem neuen Konzept Erfolg, in anderen Staaten, wie z.B. in Argentinien und in Peru, hielt dieser Erfolg nicht lange. Die Kapitalströme wurden durch die Krisen in Südost-Asien, Russland, der Türkei, aber auch in einigen lateinamerikanischen Ländern reduziert, Exporte und Investitionen sanken. Zudem zeigte sich immer mehr Konkurrenz auf dem globalen Markt. Eigene strukturelle Probleme und die Verschuldung warfen einige Länder wirtschaftlich weit zurück.
Heutzutage gelten Länder wie Chile und Brasilien als die zukunftsweisenden Nationen auf dem amerikanischen Subkontinent. Andere Länder, z.B. Argentinien, stehen als die großen Verlierer der vergangenen 15 Jahre da und werden nur durch eine kritische, rückblickende Analyse der internen und externen Umstände, die zu den Wirtschaftskrisen führten, einen Weg finden, der die „verlorene Zeit“ zumindest zu einem kleinen Teil wett machen kann.
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
Eines der Länder, die in jüngster Zeit wirtschaftlich hart getroffen wurden, ist die Republik Argentinien. Das Land, das sich Anfang der 1940 Jahre anschickte, eine Weltmacht zu werden, als „Kornkammer der Erde“ galt und aufgrund seines breiten Mittelstands und kaum existierender Armut ein Modell für die Region Lateinamerika war, vollzog den so genannten „Transformationsprozess“ hin zu einer liberalisierten Volkswirtschaft. Das Ergebnis war erschütternd und ließ viele Ökonomen und Analysten den Gedanken des Neoliberalismus und die Funktion der internationalen Finanzinstitutionen neu überdenken: Das Schuldenmoratorium Argentiniens Ende des Jahres 2001 besiegelte den größten Staatsbankrott der Weltwirtschaftsgeschichte.
Ein Rückblick auf die Wirtschaftshistorie der Republik Argentinien vom Zweiten Weltkrieg an soll dabei helfen, die komplexe Struktur der jüngsten Krise zu verstehen und die Beziehungen wischen Staat und Gesellschaft, der Wirtschaft und den internationalen Finanzinstitutionen zu beleuchten. Allen Analysten ist gemein, dass der monetären Wirtschaftspolitik eine herausragende Bedeutung bei der Erklärung der Krise zugesprochen wird . Dies möchte ich überprüfen.
Die Auswirkungen der Internationalisierung der argentinischen Wirtschaft aus den 1990er Jahren sind schwer in adäquater Weise für die Zuspitzung einer Krise zu messen. Aus diesem Grund soll das Ausmaß der Auslandsverschuldung im Zusammenhang mit den internationalen Finanzinstitutionen als Anhaltspunkt für eine Analyse der Wirtschaftspolitik in Argentinien dienen.
Mir erscheint es wichtig, einen längeren Zeitraum zu untersuchen, da die Analyse der in Argentinien Ende 2001 ausgebrochenen Krise fehlerhaft und unvollständig wäre, würde man sich nur auf die wenigen Jahre vor der Krise konzentrieren. Diese Vermutung konnten mir zwei argentinische Ökonomen, Dr. Pablo Broder und Carlos Guberman , in Gesprächen bestätigen. Darüber hinaus zeigt allein ein kleines Zahlenspiel das politische und wirtschaftliche Durcheinander, das sich in Argentinien seit dem Zweiten Weltkrieg vollzog: Das Land erlebte 27 Staatspräsidenten, knapp 50 Wirtschaftsminister und genauso viele Zentralbankdirektoren - eine kontinuierlich stabile Politik konnte so nicht entstehen.
Die Motivation zur Erarbeitung dieser Diplomarbeit hat sich durch einen Aufenthalt in Argentinien 1999, also vor der Krise, und der Erstellung der gymnasialen Facharbeit zum Thema „Regionale Disparitäten in Argentinien unter besonderer Berücksichtigung der Metropolisierung“ im Jahr 2002 ergeben. Durch Gespräche vor Ort und Recherchen an Universitäten in Buenos Aires und im argentinischen Wirtschaftsministerium konnte ich interessante Fakten und Literatur herausfinden, die zusammen mit anglizistischer und deutscher Literatur die Fundamente dieser Arbeit bilden.
1.2 Aufbau der Arbeit
Im Kapitel 3 und zu Anfang des Kapitel 4 möchte ich die fundamentalen strukturellen Entwicklungsprozesse der argentinischen Volkswirtschaft darstellen, die bis Anfang der 1990er Jahre vorzufinden waren und – was weitaus bedeutender ist – noch zum Teil erhalten blieben und einer erfolgreichen Liberalisierung im Wege stehen sollten.
Die Ausführungen zum wirtschaftlichen Wandel Argentiniens unter der Regierung Menem bilden das „Kernstück“ dieser Arbeit und stehen unter besonderer Berücksichtigung des neoliberalen Gedankens, der durch den „Washington Konsens“ in die Volkswirtschaften Lateinamerikas getragen wurde. Betrachtet werden hier die strukturellen Reformen der ersten Generation, die Argentinien seinen Weg in die globalisierte Weltwirtschaft ebnen sollten. Im selben Kapitel werde ich die strukturellen Probleme analysieren, da diese offensichtlich in Verbindung mit der unglücklichen Häufung von zahlreichen exogenen Schocks für den Ausbruch der Krise zu verantworten sind.
Die Dekade unter Carlos Saúl Menem ist so bedeutend, da die schwerwiegenden Faktoren wie die Zerstörung der Wirtschaft, der Gesellschaft und der Institution „Staat“ noch nicht ausreichend von der Gesellschaft in ihrer Gesamtheit wahr genommen worden ist.
Im Kapitel 6 folgen eine Beschreibung des Krisen-Szenarios und der Reaktion der Regierung.
Abschließend möchte ich mich mit der massiv kritisierten Rolle des IWF auseinander setzen. Schließlich soll mit dieser Arbeit ein Beitrag dazu geleistet werden, etwas mehr Klarheit über die Chancen einer entwicklungsfähigen Volkswirtschaft auf einem liberalisierten Weltmarkt zu schaffen. Die argentinischen Krisen (unter einer demokratischen Regierung) deuten auf den ersten Blick auf die Unfähigkeit der politischen Führung hin, ein politisches Problem zu lösen, welches allen sich in der Entwicklung befindlichen Volkswirtschaften gemein ist, nämlich die Frage, wie ein Land sich innerhalb einer globalisierten Welt entwickeln soll.
Gibt es nun einen eindeutigen Schuldigen der Verschuldungskrise in Argentinien? Das möchte ich durch eine gezielte Analyse der vergangenen Jahrzehnte herausfinden.
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Das System von Bretton Woods
Im Juli 1944 wurde in Bretton Woods mit der Gründung von zwei internationalen Organisa-tionen, dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank, die Einführung eines neuen Weltwirtschaftssystems begründet. Das fundamentale Ziel von Bretton Woods war eine Neuordnung der Weltwirtschaft und die Unterstützung des Welthandels durch ein stabiles internationales „System fester Wechselkurse“. Dazu fungierte fortan der US-Dollar als Leitwährung. Die wichtigsten Bestandteile des neu geschaffenen Systems waren folgende:
- Die Konvertibilität des US-Dollars in Gold bei einem Kurs von USD 35 je Unze Gold. Die US-Notenbank wurde somit verpflichtet, den Kurs des Dollars zu halten.
- Die restlichen Zentralbanken der Mitgliedsländer verpflichteten sich, den heimischen Wechselkurs durch Interventionen auf den Devisenmärkten innerhalb eines engen Bandes von maximal +/- 1% um die Parität zu stabilisieren.
- Wechselkursänderungen sollten nur bei dauerhaften Zahlungsbilanzschwierigkeiten vorgenommen werden
- Kreditvergaben des IWF bei vorübergehenden Zahlungsbilanzproblemen
Das System findet seinen Ursprung in der Idee des Ökonomen Keynes, sein wirtschaftspolitisches Ideal einer gesteuerten Wachstumspolitik auf globaler Ebene umzusetzen.
2.1.1 Der Internationale Währungsfonds (IWF)
Im Juli 1944 einigten sich die Vertreter von 45 Nationen auf das „Abkommen über den Internationalen Währungsfonds“. Am 27. Dezember 1945 trat dieses Abkommen in Kraft und im Mai 1946 nahm der Fonds seine Tätigkeit in Washington D.C. auf. Damals zählte er 39 Mitglieder. Seine ursprünglichen Ziele waren:
- die Wiederherstellung der Konvertibilität der Währungen sowie die Errichtung eines multilateralen Zahlungssystems
- die Förderung eines stabilen Wechselkurssystems (s. o. „Bretton Woods“)
- die Errichtung eines finanziellen Beistandssystems für Länder mit Zahlungsbilanzdefiziten („bail-out“ – Zahlungen).
1969 wurde das Abkommen dahin gehend geändert, dass eine neue Form internationaler Liquidität geschaffen wurde: die so genannten „Sonderziehungsrechte“ (SZR).
In der zweiten Änderung des IWF-Übereinkommens, 1978, wurde dem IWF die zweifellos schwierige Ausgabe übertragen, die Wechselkurspolitik seiner Mitglieder strikt zu überwachen.
Folgende wesentliche Veränderungen kennzeichnen die IWF-Politik seit den 80er Jahren:
- Der IWF konzentriert seine Kreditvergabe auf Entwicklungsländer sowie auf Länder im Übergang zu marktwirtschaftlichen Systemen.
- Der IWF kam einer stark gestiegenen Nachfrage nach technischer Hilfe insbesondere von den östlichen Transformationsländern nach.
Der IWF selber sieht sich heutzutage als „eine auf Zusammenarbeit ausgerichtete Institution, der 182 Länder freiwillig beigetreten sind, weil sie erkennen, welche Vorteile Konsultationen mit anderen Ländern im Rahmen des IWF zur Aufrechterhaltung eines stabilen Systems für den Ankauf und Verkauf ihrer Währungen bringen, so dass Zahlungen in ausländischen Währungen zwischen Ländern reibungslos und unverzüglich stattfinden können.“
Anhand einer Analyse des Wohlstands und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eines jeden Landes setzt der IWF die Höhe der Einzahlungen, die so genannte Quote, für das betreffende Land fest. Je reicher das Land, desto höher die Quote. Da das BIP ein wichtiger Faktor zur Messung des Reichtums eines Landes ist, besitzen die größten und mächtigsten Volkswirtschaften auch im IWF ein bedeutendes Stimm- und Mitspracherecht bei Kreditvergabeentscheidungen. Die USA besitzen mit Abstand das stärkste Mitspracherecht. Besondere eigene Interessen können also u. U. in die Politiken des IWF einfließen, was im Laufe dieser Arbeit deutlich werden wird.
Der IWF hat ungefähr 2 600 Mitarbeiter, an deren Spitze ein Geschäftsführender Direktor steht. Das Amt des Geschäftsführenden Direktors wird traditionsgemäß einem Europäer oder wenigstens einem Nicht-Amerikaner übertragen. Eine kritische Auseinandersetzung mit diesem Tatbestand findet im letzten Kapitel statt.
2.1.2 Die Weltbank
Die Weltbank, offiziell „Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung“ (IBRD), wurde zusammen mit dem IWF 1944 in Bretton Woods gegründet. Wie der Name verrät wurde sie für den großen Bedarf an langfristigem Kapital zum Wiederaufbau und zur wirtschaftlichen Entwicklung ihrer Mitgliederstaaten nach dem 2. Weltkrieg konzipiert. Nachdem der so genannte „Marshall-Plan“ die Aufgabe des Wiederaufbaus übernommen hatte, gelangte die wirtschaftliche Förderung der Entwicklungsländer ab den 1950er Jahren in ihren Fokus.
So bestand das Hauptaufgabenfeld fortan in der Vergabe von Darlehen und Krediten, deren Laufzeiten in der Regel 12 bis 20 Jahre betragen. Die Beziehung zum IWF wie auch zu anderen internationalen Organisationen ist sehr eng, eine Mitgliedschaft bei der Weltbank setzt eine Mitgliedschaft beim IWF voraus.
Bei Abstimmungen richtet sich auch hier das Stimmengewicht der einzelnen Länder nach der Höhe ihres Kapitalanteils, der wiederum die relative wirtschaftliche Stärke des Landes widerspiegelt . Auch in der Weltbank besitzen die USA die dominanteste Stellung.
2.1.3 Der Zusammenbruch des Systems fester Wechselkurse
Der von den USA geführte Vietnamkrieg führte ab Mitte der 1960er Jahre aufgrund der nicht statt gefundenen Steuererhöhungen zu einem schweren Haushaltsdefizit in der mächtigsten Volkswirtschaft und die USA verfolgten verstärkt eine inflationäre Geldpolitik, die andere, in ihrer Souveränität eingeschränkte Notenbanken nicht mehr akzeptierten. Zudem konnten die USA sich nicht mehr der Versuchung entziehen, ihre Sonderstellung angesichts der Leit- und Reservewährungsfunktion des US-Dollars auf Kosten der Gemeinschaft auszunutzen: Statt eine zahlungsbilanzorientierte Wirtschaftspolitik zu führen, wurde die durch die Kriegsausgaben erhöhte Auslandsschuld durch das Drucken von US-Dollars seitens der amerikanischen Zentralbank, der Federal Reserve Bank (FED), einfach ausgeglichen.
So entstand ein ernstes Vertrauensproblem, was 1971 den Zusammenbruch des Systems einleiten sollte, als die USA auch noch die Konvertibilität der Dollarbestände in Gold aufhoben, ohne gleichzeitig den Wechselkurs durch die verpflichteten Interventionen am Devisenmarkt zu regulieren. Bemühungen des IWF und seiner Mitglieder, durch eine aufeinander abgestimmte Änderung der Wechselkurse der wichtigsten Währungen angesichts der stetigen Abwertung des Dollars, sowie durch die Einführung erweiteter Bandbreiten und Leitkurse im Dezember 1971, das System flexibler Wechselkurse zu stützen, scheiterten Anfang 1973: Der US-Dollar musste um ganze 10% abgewertet werden und die meisten Länder entschieden sich zur völligen Freigabe ihrer Wechselkurse.
2.1.4 Das Modell der Importsubstitution durch Industrialisierung
Besonders die Länder Lateinamerikas verfolgten auf Grundlage der Prebisch-Singer Hypothese in den 1950er und 60er Jahren eine Politik der Importsubstitution durch Industrialisierung. Hintergrund dieser Hypothese war die stetige Verschlechterung der „terms of trade“ durch die steigende Nachfrage an Industrieerzeugnissen bzw. eine relativ geringere Nachfrage nach Rohstoffen, welche primär von den Entwicklungsländern exportiert wurden.
Rückblickend kann man sagen, dass die intellektuelle Basis der Prebisch-Singer Hypothese wohl eher auf die schwierige Zeit nach dem 2. Weltkrieg zurückzuführen ist, als auf eine langfristig realistische Wirtschaftsprognose. Die Öffnung der eigenen Wirtschaft gegenüber den führenden Volkswirtschaften wurde in den 1950er und 1960er Jahren als eine Gefahr gesehen und so bildete sich eine restriktive Handelspolitik im lateinamerikanischen Staatengefüge.
2.2 Der Konsens von Washington
Der Ausdruck „Washington Consensus“ wurde 1989 von John Williamsen eingeführt und entwickelte sich zur allgemeinen Bezeichnung der Empfehlungen für die Entwicklungs- und Schwellenländer, die Unternehmer, Manager und Funktionäre aus Washington als angebracht betrachteten. Der grundlegende Gedanke dieser neuen Denkweise, die insbesondere die Wirtschaftsprobleme Lateinamerikas eindämmen sollte, war die Abkehr von geschlossenen, stark regulierten Volkswirtschaften mit chronischem Missbrauch des Haushalts. Die fundamentale Lösung wurde in einer wirtschaftlichen Öffnung des Marktes und in der Einhaltung von Preisstabilität gesehen. Dazu sollten die lateinamerikanischen Märkte und Unternehmen auf dem neuen, freien Markt konkurrenzfähig werden.
10 Empfehlungen wurden erarbeitet, die zusammen gefasst als „Washington Consensus“ für ein Politikkonzept stehen, das nicht nur von den in Washington ansässigen IWF und Weltbank, sondern auch von Instituten der Politikberatung, der US-Regierung und internationalen Finanzinstituten propagiert und durchgesetzt wurden. Eine Übersicht der einzelnen Punkte, die zu den Leitlinien der Politik des IWF in den 90er Jahren wurden, ist im Anhang 1 zu finden.
3 Phase 1: Der regulierte Markt
3.1 Argentinien unter Perón
Im Verlauf der 1940er Jahre überschritt der sekundäre Sektor in seiner Wertschöpfung erstmals den primären. Das durchschnittliche Wachstum lag während der 40er Jahre mit 1,7% pro Jahr dennoch unterhalb der Rate der 30er Jahre. Um diese Entwicklung zu erklären, muss die „Gründerzeit“ des Peronismus und deren Rahmenbedingungen betrachtet werden.
3.1.1 Die argentinische Wirtschaft unter dem Peronismus
Argentinien bekam durch den 2. Weltkrieg eine wichtige Rolle zugeordnet. Durch die hohe Nachfrage an Grundnahrungsmitteln der im Krieg aktiven Nationen nahmen Argentiniens Währungsreserven bis 1948 enorm zu, so dass das Land nach Beendigung des 2. Weltkrieges zu den Ländern mit dem höchsten Devisenbestand gehörte. Dagegen schrumpften die Importe, da die führenden Industrienationen mit dem Wiederaufbau beschäftigt waren.
Perón schaffte es, einen leichten Industrieschub in den ersten zwei Jahren seiner Amtszeit zu fördern. So ermöglichte er es der Konsumgüter-Industrie, sich stark auszubreiten, dies jedoch häufig in Form von relativ kleinen Produktionsstätten, die weit unter dem industriellen Standard und der der Produktivität der Industrienationen operierten. Diese leichte Industrialisierung war sehr populär, da sie die Binnennachfrage stillte. Aber auf langfristige Sicht konnte sie Argentiniens Industrie nicht exportfähig machen.
Aber schon bald –im Zuge des von den USA geführten „Marshall-Plans“ ab 1947 – schafften es Deutschland und Japan, ihre bedeutende Rolle im Weltwirtschaftsgefüge wieder zurück zu gewinnen. Dieser Prozess bedeutete für Argentinien das Ende des hohen Exportabsatzes und einen Rückgang der Devisen.
Doch der Fall der Exporte hatte genauso stark – wenn nicht noch mehr – seine Ursache im Angebot und nicht nur in der globalen Nachfrage. Eine Staatsbehörde regelte die Vermarktung von Fleisch und Getreide im Ausland durch bilaterale Verträge.
Hypothetisch gesehen hätte Argentiniens Industrialisierung anstelle einer negativen Entwicklung viel stärker zunehmen müssen, wenn der Staat zwischen 1943 und 1955 den Exporten mehr Gewicht beigemessen hätte. Dies zeigen die Beispiele von zu der Zeit vergleichbaren Volkswirtschaften wie Australien und Kanada. Die Regierung unter Perón privilegierte die kurzfristige innenwirtschaftliche Sicherheit, anstatt sich auf lang-fristige Wachstumschancen zu kon-zentrieren.
Ein gutes Beispiel hierfür ist der argentinische Fleischmarkt: Zwischen 1946 und 1952 wurde so viel Fleisch wie noch nie in der Pampa produziert, aber die Exporte gingen im Gegensatz zum internen Fleischkonsum zurück. Dieser nahm zu, was durch eine Privilegierung des Binnenkonsums zu erklären ist . Anfang der 1950er Jahre wurden insgesamt 80% der Fleischproduktion und der Getreideproduktion im eigenen Land konsumiert. Zur gleichen Zeit sanken die Preise für die Exportgüter des Landes bedingt durch die geringere Nachfrage der sich erholenden Industrieländer und durch Produktivitätssteigerungen in der Landwirtschaft der USA und anderen Exportnationen.
Langfristig betrachtet war dies der Untergang Argentiniens als eine der führenden Exportnation von Agrarprodukten.
Da zur gleichen Zeit die Importe anstiegen, gab es einen negativen Effekt in der Handelsbilanz: Die Lücke zwischen Exporten und Importen wurde größer. Dieses Defizit konnte durch die hohen Devisenreserven eine Zeit lang ausgeglichen werden, aber sobald diese ausgeschöpft waren, wurde die Handelsbilanz-Krise offensichtlich.
Passend zu dieser dramatischen Entwicklung stellt der schwedische Ökonom Mauricio Rojas fest: “It is something of an irony of history that this nationalistic government, which wanted to make Argentina stronger and more independent, actually made the country both weaker and more dependent on the outside world than it had been for a long time“.
An dieser Stelle ist, so denke ich, die Frage danach angebracht, was mit Argentinien geschehen wäre, wenn Perón mit etwas mehr außenpolitischem Geschick und einer „flexiblen“ Vision die Wirtschaft auf die globale Nachfrage und Neuordnung nach dem 2. Weltkrieg ausgerichtet hätte und nicht in eine in sich gekehrte Volkswirtschaft.
Eine radikale Umstrukturierung des argentinischen Industriesektors wurde von der Regierung noch nicht einmal angedacht, da Industrielle eine viel zu große Macht errungen hatten. Zudem waren die Arbeiter durch die von Perón initiierte Allianz mit den Industriellen in Gewerkschaften sehr gut organisiert, teilweise militant und zahlenmäßig stark. Man schätzt, dass in ihnen in den 1950er Jahren über 2,3 Mio. Arbeiter vereinigt waren, was ungefähr 30% der totalen Arbeiterzahl entsprach.
Das Herzstück der von Perón angeführten Sozialpolitik war die Redistribution des Einkommens zum Vorteil der Arbeiter. Der Anteil der Einkommen aller Angestellten an der Gesamtheit der Unterneh-mensgewinne stieg noch während des 2. Weltkriegs stark an und von 1946 – 1948 erhöhte sich dieser Anteil um über 5%. 1950 betrug der Anteil der Einkommen der Angestellten gemessen am Anteil der Unternehmenseinkommen sogar 54%. Zwischen 1945 und 1949 stieg das reale Grundgehalt von Arbeitern um ca. 22% und der reale Stundenlohn im Handwerk um ganze 50%.
Die Anzahl der Offiziere und Rekruten in der argentinischen Armee wurde stark erhöht und der
Anteil des Militärs am BIP stieg innerhalb von nur zwei Jahren von 17% im Jahre 1943 auf stattliche 43%.
3.1.2 Der Inflationsprozess
1946 setzte ein Prozess ein, den Argentinien bis dato nicht kannte und der mehr als 45 Jahre dauern sollte: die Inflation. Sie lag im ersten Jahr bei über 30%, bis ins Jahr 1952 hatte sich der Preisindex insgesamt verdreifacht!
Hauptgrund dafür war die „Lohn-Preis-Spirale“, die sich aus dem oben beschriebenen distributiven Ansatz ergab: Die realen Löhne stiegen drastisch an und verhalfen der Unterschicht zu noch nie da gewesenem, bescheidenem Wohlstand, der sich in einem höheren Konsum widerspiegelte. Doch durch die erhöhten Lohnkosten fühlten sich die Unternehmer dazu veranlasst, mit der Zeit die Preise zu erhöhen, woraufhin sich diese Spirale in Gang setzte und nicht gestoppt werden sollte .
Die Verschwendung der Devisen unter Perón führte Argentinien zu einer drastischen We-chselkurskrise. Der We-chselkurs galt darüber hinaus als überwertet und die internationalen Preise für landwirt-schaftliche Erzeugnisse begannen tendenziell zu sinken. Da diese Erzeugnisse einen Anteil von ca. 90% am argentinischen Export besaßen, traf es den Wechselkurs sehr stark.
3.1.3 Ein Fazit der Präsidentschaft Perons
In den ersten sechs Jahren seiner Präsidentschaft erreichte Perón das Hauptziel seiner Wirtschaftspolitik, in dem er die Wirtschaft in die von ihm vorgegebene Richtung lenkte und so u.a. den anteiligen Anstieg der Angestellten am BIP und die Arbeitsnachfrage im vorstädtischen Industriegürtel trotz sehr starker Migrations- und Immigrationsströme erhöhte. Unter der Führung Peróns wurde Argentinien neu in die Welt eingeordnet. Während sich die „westlichen“ Nationen unter der Führung der USA neu formierten, distanzierte sich Argentinien von eben diesen mit einer zurückhaltenden außenwirtschaftlichen Politik, die zu einem großen Teil auf die politischen Spannungen zwischen den USA und Argentinien zurück zu führen sind. Der Peronismus verlieh den antiimperialistischen Ressentiments Kraft und Stimme. Unter dieser extremen außenpolitischen Devise wurde der Freihandelsgedanke strikt abgelehnt.
Unter Perón wurde die Wirtschaft nationalisiert: Das Transportwesen, der Handel mit und die industrielle Verarbeitung von einheimischen Produkten, die Energiegewinnung, das Kreditsystem und die Versicherungen, sie alle wurden verstaatlicht.
In seiner zweiten Amtszeit wollte Perón verstärkt Kapital ins Land locken. Ein Gesetz zur Förderung ausländischer Investitionen wurde 1953 ratifiziert; Zuvor war schon ein Vertrag mit FIAT aus Italien abgeschlossen worden. 14 weitere internationale Unternehmen durften in den Folgejahren Produktionsstätten eröffnen, darunter Mercedes Benz und Kaiser Motors aus Detroit . Insgesamt richtete sich das Augenmerk der Wirtschaftspolitik nun mehr auf die Leichtindustrie anstelle der Konsumgüterindustrie. Im Kampf gegen die Inflation ließ Perón von 1952 an Gehälter einfrieren. Kurzum: Peróns Politik änderte sich schlagartig, um das Wirtschaftswachstum wieder anzukurbeln und die Wirtschaftsbetriebe produktiver zu machen, denn die Löhne waren wie die Beschäftigtenzahl zu hoch.
Peróns Politik und Verhalten polarisierte geradezu die Massen. Seine Politik erfuhr mehr und mehr Widerstand in Form von Streiks der Gewerkschaften und sein Verhalten ließ einen erbitterten Streit mit der katholischen Kirche und dem Militär entfachen. Am 19. September 1955 trat Perón zurück und ging ins Exil. Seine Idee, sich und den Staat als „Wohltäter“ zu präsentieren, auch wenn dies durch ein diktatorisches Auftreten geschah, hatte bei der größten Bevölkerungsgruppe, den Arbeitern, Erfolg. Doch wirtschaftlich war die Ausgabenpolitik und die Nationalisierung nicht tragbar und löste ein Ergebnis dieser Gleichung aus, was noch nicht bekannt war: Die Inflation.
3.2 Bemühungen der Industrialisierung
3.2.1 Militärregime und Rückkehr zur Demokratie
Der Gewinner des Putschs, General Lonardi, wurde nach ein paar Wochen ebenfalls gestürzt und durch den General Aramburu ersetzt. Insgesamt gab es in diesen drei Jahren sechs verschiedene Wirtschaftsminister, ein Zeichen für die vielen Unstimmigkeiten im Militärregime. Die Ökonomen unterschätzten die schließlich vorgenommene Abwertung der Währung und der Effekt auf das Preisniveau war eindeutig: Die Inflation schoss auf über 20%. Zudem befand sich das Militärregime in einem Konflikt: Auf der einen Seite galt es die Industrie zu modernisieren, was nur geschehen konnte, wenn die Macht der Gewerkschaften gestutzt wurde, und auf der anderen Seite wollte die Regierung wieder zurück zur Demokratie, was jedoch nur bedingt möglich war, da das Militär die Anhängerschaft Perons, die Peronisten, verfolgte und die Parteiideologie verbannte. Bereits 1957 begann die provisorische Regierung ihren Rückzug vorzubereiten, um ihr Versprechen, zurück zur Demokratie zu finden, zu halten.
Arturo Frondizi, der sich mit Perón im Wahlkampf verbündet hatte, war der Meinung, dass die Unterentwicklung Argentiniens ihren Ursprung in der geringen Industrialisierung hatte und dass ausländisches Kapital ins Land gelockt werden müsste . Frondizi gewann 1958 mit der Unterstützung der Peronisten die Wahlen, er musste aber auf Druck des Militärs nach der Wahl schnell seine Annäherung an den Peronismus vergessen. Dafür schaffte es Frondizi, dort anzuknüpfen, wo Perón nur ansatzweise Erfolg hatte: Arturo Frondizi warb für die Ansiedlung von transnationalen Unternehmen und machte dieses Bemühen zum Herzstück seines Entwicklungsplans (programa desarrollista) . Darüber hinaus unterzeichnete er Abkommen mit amerikanischen Ölfirmen, um die Ölförderung mit dem Ziel der Selbstbeschaffung voranzutreiben. Denn bis 1958 importierte Argentinien immerhin noch 65% seines Ölverbrauchs, was einem wertmäßigen Anteil von 20% an den gesamten Importen entsprach. 1961 dagegen wurden nur noch 8% des Erölverbrauchs importiert.
Um die Importe zu drosseln , stiegen die Zölle auf importierte Güter so massiv, dass 1958 bereits eine Zolllast von durchschnittlich 133% auf Kapitalgütern und 164% auf industriegefertigte Konsumgüter festgesetzt war.
Es galt mit allen Mitteln die Binnenproduktion hochzufahren und produktiver zu machen. Der Anteil des produzierenden Gewerbes belief sich zwischen 1939 und 1957 immer auf ca. 23%. In der Periode 1958 bis 1961 konnte dieser Wert auf 35% gesteigert werden.
3.2.2 Der Beitritt in das System von Bretton Woods
Wie konnte dieser drastische, positive Anstieg erreicht werden? 1956 trat Argentinien dem Internationalen Währungsfonds (IWF) bei und konnte schnell eine stand-by Vereinbarung in Höhe von USD 75 Mio. treffen, wovon letztendlich USD 42,5 genutzt wurden. Dieses Abkommen führte zu „grünem Licht“ bei anderen Kreditgebern wie der EXIMBANK. Insgesamt wurden dem Land Kredite in Höhe von USD 328 Mio. gewährt, was fast zweimal den, wenn auch kargen, Währungsreserven der BCRA Ende 1958 entsprach. Die Verschuldung gegenüber dem Ausland stieg von USD 686 Millionen Ende 1956 über USD 1.701 Millionen 1961 auf USD 2.636 Millionen Ende März 1962 . Zur Gewährung der Kredite musste sich Argentinien gegenüber dem IWF verpflichten, eine strenge, restriktive Geldpolitik zu betreiben. Die positiven Konsequenzen führten zu einem Anstieg der wirtschaftlichen Aktivität, zu höheren Investitionen und bedeutenden Einfuhren von Maschinen .
Arturo Frondizi wurde im März 1962 vom Militär gestürzt. In der Zeit seiner Präsidentschaft hatte es diverse Militärkrisen und Dutzende von Streiks gegeben, die eine wirtschaftliche Entwicklung sehr schwierig machten. Trotzdem schaffte er die Wiedereinordnung Argentiniens in die westliche Welt. Hinsichtlich der darauf folgenden Präsidentschaft von José María Guido lässt sich bemerken, dass sich die oben genannten Konflikte durch den wachsenden Druck des Militärs noch verstärkten.
3.2.3 Abkehr vom Monetarismus
Die wichtigen Schritte zur Anlockung von Kapital wurden unter der Folgeregierung Arturo Umberto Illia (1963-1966) rückgängig gemacht. Er annullierte schlichtweg die für die ausländischen Firmen sehr profitablen Erdölförderungs-Verträge und löste damit einen massiven Abzug von Kapital aus. Schon 1962 wurde der Wechselkurs frei gesetzt, was zu einer starken Abwertung der Währung führte und zu einer heftigen Kapitalflucht. Die Importe gingen als Folge der Rezession zurück, und die Goldreserven und Devisen der BCRA sanken ebenfalls rapide. Der Saldo der Handelsbilanz konnte sich aufgrund der sinkenden Importe verbessern.
Die Gehälter wurden in dieser Periode angehoben und es wurde der Mindestlohn eingeführt. Die Produktion stieg in den Jahren 1965/66 um 10,3% bzw. 9,2%, es wurden verstärkt Maschinen zur Modernisierung eingeführt. Der Staat übte eine restriktive Ausgabenpolitik aus, was einen positiven Effekt auf das Haushaltsdefizit hatte. Dieser Effekt muss als bemerkenswert angesehen werden, wurde doch zur gleichen Zeit verstärkt in den Bildungs- und Gesundheitssektor investiert.
Was die Beziehungen zum IWF betraf, lässt sich auch hier eine Kursänderung unter Illia feststellen. Auf die Forderungen zu einer Liberalisierung des Kapitalmarktes und einer weiteren Abwertung des argentinischen Pesos ging die Regierung nicht ein. Argentinien schlug also die Vorschläge zu einer weiteren stand-by - Abmachung des IWF aus , da die Regierung nicht die Ansichten
und den strikten Monetarismus des IWF teilte.
3.3 Perón, Ölschock und Inflation
Der seit 1955 inoffiziell und später offiziell zu Präsidentschaftswahlen verbotene Peronismus ließ sich zwar unterdrücken, aber nicht aus den Köpfen der Anhängerschaft löschen. Es kam immer wieder zu Generalstreiks und 1973 wurde die Partei schließlich wieder zu den Präsidentschaftswahlen zugelassen. Perón kam ins Land zurück und gewann. 8 Monate nach Amtsantritt verstarb er. Sein Tod markierte einen wirtschaftlichen Wechsel, der in einen 16 Jahre anhaltenden Alptraum führte.
Wie alle Nicht-OPEC-Länder wurde auch Argentinien vom ersten Ölschock 1973 hart getroffen. Das Pro-Kopf-Einkommen fiel zwischen 1974 und 1976 um 7%, das BIP um rund 6%. Die Folge war ein anschwellendes Haushaltsdefizit, es entsprach 1975 15,4%. Darüber hinaus stieg die Inflationsrate von 24% im Jahre 1974 auf 182% ein Jahr später.
Die chronisch überbewertete argentinische Währung samt der Importsubventionierung verteuerte die Exporte, was das außenwirtschaftliche Gleichgewicht durcheinander brachte. Zudem waren die Importe von Kapitalgütern teuer und die mit Hilfe dieser Kapitalgüter hergestellten Produkte blieben größtenteils im Land. 1975 produzierte die Industrie ca. 60% des aggregierten Wertes der gesamten Güterproduktion, machte jedoch mit nur 20% einen zu geringen Anteil an den Gesamtexporten aus. Insgesamt stieg die akkumulierte Auslandsschuld zwischen 1972 und 1976 um 43% und die Geldreserven konnten infolge dessen nicht gehalten werden.
1975 wurde, wie oben erwähnt, zum ersten Mal nach elf Jahren eine Wachstumsphase des BIP unterbrochen; bis zu diesem Zeitpunkt wuchs das BIP jährlich um 5,5% im Durchschnitt und das Pro-Kopf-Einkommen erhöhte sich um 50%. Von diesem Zeitpunkt aus stagnierte das BIP und das Pro-Kopf-Einkommen verringerte sich bis 1989 um fast 20%.
Peróns Nachfolgerin, seine zweite Ehefrau Isabel, führte einen blutigen Kampf gegen die politische Linke, einen kommunistisch geprägten, aber ebenfalls peronistischen Flügel, und die Anti-
Peronisten, wurde aber im März 1976 vom Militär gestürzt. In der dreijährigen Demokratie kamen und gingen eine Handvoll Wirtschaftsminister und genauso viele Präsidenten der BCRA.
4 Phase 2: Militärjunta und Rückkehr zur Demokratie
4.1 Militärjunta
Die am 24. März 1976 an die Macht gekommene Militärregierung richtete mit einer autoritären und repressiven Politik die internationale Einbindung Argentiniens neu aus.
Gerade unter der wirtschaftlichen Führung des Ministers Martinez de Hoz wurden ein paar Entscheidungen getroffen, die anstatt die existierende Krise zu bewältigen ihren Teil dazu beigetragen haben, die schwerwiegenden späteren Probleme zu verursachen. Aus diesem Grund ist es wichtig, diese Periode zu analysieren .
4.1.1 Neuordnung der Wirtschaft
1976 kam es zu einer fundamentalen Änderung des argentinischen Wirtschaftsmodells. Die Militärregierung näherte das Land wieder an das Modell der Primärgüterexporte und an den Freihandel an, beides zu Lasten des sekundären Sektors (s. Anhang 6). Die Exporte von Agrargütern stiegen in den acht Jahren der Militärjunta von knapp USD 3 Mrd. auf USD 7,8 Mrd. Und dies, obwohl später während des Falkland-Krieges die Exporte um 17% fielen, da die westeuropäischen Ländern und die USA die argentinischen Exportprodukte boykottierten. 80% der Getreideexporte und 20% der Fleischproduktion gingen an die UDSSR.
Die Suche nach mehr Effizienz in der Industrie und nach einer Kontrolle der Inflation ging mittels zweier “Instrumente” vonstatten, die in ähnlicher Art wie 15 Jahre später eine verheerende Wirkung hatten, nämlich die Zerstörung der nationalen industriellen Produktion: Die Öffnung des Marktes, insbesondere die Liberali-sierung des Finanz-markts.
Schätzungen besagen, dass die Industrieproduktion im Zeitraum von 1976 bis 1980 um 25% abnahm. Dagegen stieg die Produktivität beachtlich (s. Abb. 5), das reflektiert das Bestreben der Militärregierung, den Industriesektor grundlegend zu ändern. Zu Anfang des Militärregimes schien das Ziel der Inflationskontrolle erreicht zu sein. Dies beruhte aber auf dem Einfrieren der Löhne und Gehälter, was sich restriktiv auf den Konsum auswirkte und schließlich in die Rezession führte.
4.1.2 Liberalisierung des Kapitalverkehrs und Verschuldung
Im Jahr 1978 verabschiedete die Militärregierung ein neues Wirtschaftsprogramm, in dem nahezu alle Restriktionen in Bezug auf den Kapitalverkehr aufgehoben wurden.
Der Finanzsektor wurde somit zum zentralen Platz für die Beschaffung kurzfristigen Kapitals, und die steigenden Zinssätze der Epoche hatten verstärkt Auswirkungen auf den Anstieg der Inflation. Insgesamt lag die Verteuerungsrate bei jährlich 190%, was diese Periode zu der ersten machte, die in Argentinien eine “Megainflation” erfuhr.
Eine rasant steigende Auslandsverschuldung machte das Land gegenüber externen Krisen so anfällig wie noch nie: Zwischen 1975 und 1981 stiegen die Auslandsschulden von USD 7,9 Mrd. auf USD 35,7 Mrd. Dieser Wert schließt die hohe Verschuldung der privaten Unternehmen mit ein, deren Verschuldungsniveau bei weitem den Wert ihrer Aktiva überstieg. 1983 betrug die Verschuldung im Ausland USD 45 Mrd. Dieser Anstieg war im lateinamerikanischen Vergleich weitaus überdurchschnittlich. Allein das Verhältnis der Zinszahlungen der Auslandsschulden zu den Exporten erhöhte sich während des Militärregimes von 8% auf 60%. Bereits 1982 wurde Argentinien zum ersten Mal zahlungsunfähig.
Ein 18 Jahre lang andauernder Prozess beim argentinischen Gerichtshof lieferte im Jahr 2000 ein Ergebnis, das Beweise für die Veruntreuung von Geldern seitens der BCRA brachte. Doch auch der IWF und die FED spielten eine wichtige Rolle. En gros ging es um die Anlage von Kapital, der so genannten Petrodollars, die zu diesem Zeitpunkt von ausländischen Banken mit Vorliebe in Entwicklungs- und Schwellenländer investiert wurden. Ohne die Zustimmung des Wirtschaftsministers zu suchen, wurden diskret Kredite bei internationalen Geldgebern aufgenommen und genauso diskret mit Unterstützung der FED bei amerikanischen Banken angelegt. Das Kapital blieb also nicht in Argentinien, sondern wanderte umgehend wieder auf amerikanische Banken ab. Auf diese Art und Weise erhöhte sich die Verschuldung des Landes, das Geld kam aber nicht den Bürgern zu Gute, sondern dem Militärregime und den „verbündeten“, internationalen Banken.
Die starken Kapitalzuflüsse , die Lateinamerika und besonders Argentinien zu Gute kommen sollten, waren zumeist spekulativer Natur, denn diese waren nun durch den geöffneten Finanzmarkt ermöglicht worden. Ein ehemaliger Direktor der BCRA sieht in der Entscheidung, Argentinien als Destination der Gelder zu wählen, einen Fehler auf Seite der internationalen Banken, denn die Investoren seien sich weder der Unsicherheit der Platzierung der Gelder, noch der Art von Verwendung seitens der argentinischen Schuldner bewusst gewesen. Dies könnte eine Erklärung für die spätere zügige Kapitalflucht gewesen sein.
4.1.3 Fazit
Die Literatur misst der betrachteten Periode eine wichtige Bedeutung zu, da in ihr ein erneuter Verzicht auf ein Industrialisierungskonzept demonstriert wird. Dagegen wurden die Deregulierung des Finanzsystems und eine Liberalisierung der Importe erreicht.
Letzteres führte zusammen mit der Verschlechterung der „terms of trade“ und des auf Agrarprodukte gestützten Exportmodells zu einem schwerwiegenden Handelsbilanzdefizit, welches nur durch eine Neuaufnahme von Auslandsschulden finanziert wurde. Die neue Stellung, die der Finanzsektor von dieser Zeit an einnehmen sollte, unterstreicht folgender Wert: Zwischen 1975 und 1980 erhöhte sich sein Anteil am BIP um 40%. Insgesamt fiel in dieser Zeit das BIP um ungefähr 10% und das BIP pro Kopf bis 1980 um 21% (s. Anhang 17). Dazu kommt, dass ein bedeutender Teil der im Ausland aufgenommenen Kredite keinen positiven Effekt auf die Investitionen in die argentinische Volkswirtschaft hatte. Schätzungen gehen davon aus, dass ca. 40% der Gelder seitens des Militärregimes, der Oberschicht und Großunternehmen und Banken (und durchaus auch internationaler, in Argentinien ansässiger Unternehmen) zur Selbstbereicherung genutzt wurden. Man kann also nicht von einer umfassenden produktiven Verwendung der Kredite sprechen. Zwar stieg die Produktivität – gefördert durch die Einfuhr von innovativen Kapitalgütern –, aber die gesamte industrielle Produktion brach ein.
Abschließend betrachtend muss man zu der harten Meinung kommen, dass Argentinien keinen so signifikanten Vorteil aus den Kapitalströmen ins Land ziehen konnte wie seine Nachbarn und dagegen hoch verschuldet blieb.
4.1.4 Verhandlungen mit dem IWF
Im August 1976 billigte der IWF einen “stand-by” - Kredit in Höhe von USD 299 Mio. - zu diesem Zeitpunkt das größte Kreditvolumen für ein südamerikanisches Land.
Argentinien erfüllte nicht nur die vereinbarten Ziele, sondern bezahlte auch in vier Quoten bis August 1978 seine Gesamtschuld beim IWF. Darüber hinaus verzichtete es angesichts der zu der Zeit positiven Einstellung der internationalen Finanzmärkte gegenüber der argentinischen Wirtschaft auf eine neue Vereinbarung und empfing stattdessen die ausländischen Kapitalzuflüsse mit offenen Armen.
Nachdem 1982 die Exporte drastisch fielen, bemühte sich der damalige Wirtschaftsminister Wehbe um zwei Kredite beim IWF . Diese wurden im Januar 1983 vom IWF gewährt, sodass Argentinien finanzielle Hilfe in Form einer „stand-by“-Vereinbarung in Höhe von USD 1,65 Mrd. und einer Anleihe im Wert von USD 572 Mio. erhielt. Diese Summen sollten in bestimmten Auszahlungsphasen an das Land transferiert werden.
Darüber hinaus – und mit dem Ziel, die Kredite des IWF zurückzahlen zu können - wurde in einem bürokratischen Kraftakt und mit der Citibank als „vermittelnder Agent“ mit 320 Banken Kontakt aufgenommen, um einen weiteren Kredit zu erhalten, der dazu gedacht war, die Phase der Auszahlungen des IWF zu überbrücken. Schließlich einigte man sich auf einen „Brückenkredit“ von USD 1,1 Mrd. und 10 Monate später auf einen mittelfristigen Kredit in Höhe von USD 1,5 Mrd. Die Rückzahlung des „Brückenkredit“ sollte mit den Mitteln des IWF im Laufe des Jahres 1983 geschehen, die Rückzahlung des zweiten war auf 5 Jahre angesetzt. Zudem empfing das Land USD 500 Mio. Anfang 1983 von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ).
Jedoch hielten die Auszahlungen nicht lange an: Mitte 1983 musste der IWF feststellen, dass die politischen und ökonomischen Vereinbarungen seitens der argentinischen Militärregierung nicht mehr eingehalten wurden. Er stellte seine Auszahlungen ein.
4.2 Die endgültige Rückkehr zur Demokratie
Im Dezember 1983 kehrte Argentinien mit der Wahl von Raúl Alfonsin zum Präsidenten zur Demokratie zurück. Argentinien hatte die Hoffnung, dass der letzte Militärputsch auch der allerletzte gewesen war. Die Rückkehr zur Demokratie erzeugte zudem ein positives Klima seitens der USA und der Finanzinstitutionen, allen voran beim IWF.
Alfonsin von der Partido Cívica Radical (UCR) erbte eine schwere Last, die seine Regierungsarbeit stark beeinflussen sollte. Dazu zählen die oben erläuterten Probleme in Bezug auf die Auslandsschuld, das makroökonomische Ungleichgewicht und die Inflation, die jährlich bei rund 300% lag. Diese prekäre Situation wurde durch weitere negative Faktoren gesteigert: ein stark rückläufiger Kapitalstrom, der hohe internationale Zinssatz, die 2. Ölkrise und ein durch das Überangebot an landwirtschaftlichen Erzeugnissen aus den USA und der EG weiterhin fallender Preis eben dieser Exportprodukte.
4.2.1 Schuldenpolitik
Die demokratische Regierung Argentiniens unternahm Anfang 1984 als eine der ersten Großschuldner den Versuch, die Spielregeln auf dem Finanzmarkt zu modifizieren. Dazu schlug der damalige Wirtschaftsminister Grinspun den Gläubigerbanken vor, ihnen direkt nach Auszahlung der Kredite Zinsen zu bezahlen – unter der Bedingung, dass es keiner vorhergegangenen Einigung mit dem mehr IWF bedarf und ohne die staatlichen Schulden refinanziert zu haben. Angesichts dieses provokanten, aus der Not entstandenen (es war keine Einigung mit dem IWF in Aussicht und Argentinien rührte auch nicht seine wenigen Reserven an um die ausstehenden Zinsen zu bezahlen) Vorschlags, teilte das Bankenkommitee, der Club de Paris und die Federal Reserve den argentinischen Verantwortlichen mit, dass jegliche externe Finanzhilfe – wo auch immer sie herkäme – als Voraussetzung eine „stand-by“ - Vereinbarung mit dem IWF haben müsste.
Ende des Jahres wurde schließlich der Argentinische Finanzierungsplan 1984/1985 unterzeichnet. Es ging um USD 7,9 Mrd., davon alleine USD 3,1 Mrd. zur Finanzierung der Rückstände gegenüber den Schuldnern der Jahre 1982 bis 1985.
Doch seitens des IWF gab es nur eine einzige Auszahlung, denn bereits im Januar 1985 führte die technische Bewertung zu dem Ergebnis, dass die für das letzte Trimester des Jahres 1984 vereinbarten Ziele nicht erreicht wurden. Es dauerte nicht lange und die weiteren internationalen Kreditgeber schlossen sich dieser Auszahlungsblockierung an. Der argentinische Staat war quasi bankrott und ein weiterer Wirtschaftsminister war mit seinem Programm gescheitert und musste zurücktreten!
Die anfangs hochgesteckten Pläne der Regierung Alfonsins wurden bei weitem nicht erfüllt: Die Wirtschaft wuchs nicht, die Inflation erreichte ein Jahresniveau von 700% und die Investitionsquote sank auf ein noch nie da gewesenes Niveau. Die Mexiko-Krise und der 3. Ölschock führten zu einem Kapitalexodus in Höhe von rund USD 22 Mrd. Der Schuldendienst befand sich in einer hoffnungslosen Situation. Außenpolitische Versuche einer gemeinsamen Position gegen die erhöhten internationalen Zinssätze und für Beschränkungen der Kapitalströme scheiterten.
Nach den Zahlungstopps der internationalen Gläubiger gab Alfonsin am 14. Juni 1985 bekannt, dass sich Argentinien in einem Zustand des wirtschaftlichen Krieges befinde. Er verkündete den Start eines neuen Wirtschaftsplans, des „Plan Austral“.
4.2.2 Wirtschaftliche Reformen zur Bekämpfung der Inflation
4.2.2.1 Der Plan Austral
Offiziell als “Plan zur wirtschaftlichen Reform” benannt, aber auf Grund der Einführung der neuen argentinischen Währung, des Austral, „Plan Austral“ genannt, wurde ein Maßnahmenpaket im engsten Kreise einiger argentinischer Ökonomen – aber in Zusammenarbeit mit dem Kieler Weltwirtschaftsinstitut HWWA - kreiert und am 14. Juni 1985 verkündet. Der Plan besaß einen neuen Ansatz: Er kombinierte Fiskalmaßnahmen mit der Einfrierung von Preisen und Gehältern und einer Geldreform in Verbindung zu einer umfassenden Schuldenumwandlung.
Hauptziel des Reformansatzes war die Verhinderung einer sich anbahnenden Hyperinflation. Die Einführung des Austral (1 Dollar entsprach zu Anfang 0,8 Austral) sollte dabei helfen, eine stabile Grundlage für den „Sparplan“ zu schaffen. Dann wurden mit der Einfrierung von Preisen (zuvor wurden jedoch die Preise für öffentliche Güter erhöht) und Gehältern sowie der Einstellung des Druckens von Banknoten die Maßnahmen umgesetzt. Letztere Maßnahme sollte verhindern, dass der Staat weiterhin mit neu gedruckten Banknoten der BCRA das Haushaltsdefizit ausgleicht. Dazu musste die Zentralbank einen neuen Status bekommen, nämlich den der Unabhängigkeit von der Regierung. Alleine davon versprach sich die Regierung einen Rückgang des Fiskaldefizits.
Schon nach ein paar Monaten wurden erste Erfolge verzeichnet: Der Haushalt konnte durch einen starken Anstieg aller Preise des öffentlichen Sektors und durch die angehobenen Export- und Importzölle stabilisiert werden. Zudem erhöhte die darauf folgende Einfrierung der Preise den realen Wert der Steuereinnahmen, da die finanziellen Einbußen, die bei Inflation durch den zeitlichen Verzug zwischen der Steuereinforderung und Steuereinnahme entstehen, nicht mehr in dem Ausmaß entstanden. Aber gerade die Exportzölle konnten nur als kurzfristige Option zur Finanzierung des chronisch defizitären Haushaltes angesehen werden, da sie im gleichen Zuge zu einer Reduzierung von Produktivität, Wachstum und Deviseneinnahmen führten. Darüber hinaus wurden weitere Maßnahmen ausgerufen, wie das „obligatorische Sparen“. Dieser Tatbestand zeigt, wie sehr der Staat auf jeden Peso seiner Bürger angewiesen war, um den Schuldendienst zu stemmen und wie speziell der Fall Argentinien ist. In welcher kapitalistischen Wirtschaft gibt es ein „Zwangssparen“?
Eine weitere Herausforderung bestand in der Identifizierung solcher Unternehmen und juristischer Personen, die ihr Eigenkapital bzw. Vermögen ins Ausland geschafft hatten und auf diese Art die nationale Besteuerung umgingen. Dieser Trend wurde noch dadurch verstärkt, dass die USA 1984 die Besteuerung auf ausländische Vermögen, die in den USA gehalten wurden, komplett abschaffte, mit dem Ziel, Gelder aus aller Welt anzuziehen, um damit ihr chronisch defizitäres Staatsbudget zu finanzieren.
Während der starken Inflation ging die reale Geldbasis zurück, da der Anstieg des Preisniveaus immer stärker ausfiel. Als aber dann die Stabilisierungsreformen realisiert wurden, fror man die Preise ein, um den negativen Trend zu stoppen (s. oben). Die Verpflichtung der BCRA, keine Banknoten zu drucken, ließ die reale Geldbasis (abgesehen von der faktischen Möglichkeit der Repatriierung argentinischer Vermögen im Ausland und ausländischer Anleihen) einfrieren: „Under these conditions the real monetary base was the same the day before and the day after the reform and so was the nominal interest rate. But the disappearence of inflation implied that the real interest rates now were sky-high“. Diese Situation konnte nur kurzfristig tragbar sein.
- Quote paper
- Felix Facius (Author), 2007, Die Integration Argentiniens in die globalisierte Wirtschaft, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88404
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